Lieber Egbert,
vom Bleischriftsetzer zum Tontechniker über die ÖR-Rundfunkanstalten konnte der äußeren Einflüsse und Bestimmungsparameter wegen nicht funktionieren. Muss der eine im Beruf mit realen Bezügen hadern und zusehen, wie er die anvertrauten Buchstaben ins Bild, ja in Szene setzt, dürfen die ÖR-ler mehr oder weniger tun, was ihnen so in den Sinn kommt, sich quasi als freischaffende Requisiten einer beamtenrechtlichen Institution verstehen. Selbstverständlich spielt dieses auch eine gewisse Rolle bei der Film- (alte-Prägung) und Videobetrachtung. Film kostet Geld, Video dagegen nur Bits. Du hast dein Zelluloid selbst bezahlt, für die Zweitgenannten spielt dieses keine Rolle. Insofern nimmt es mich nicht Wunder, dass du die reale Berufsrealität sehr schnell von jener bei den ÖRR unterscheiden gelernt hast. Vom Kabelschlepper zum Aufnahmeleiter vs. vom Tellerwäscher zum Millionär! Dem Kabelschlepper dabei jegliches Playback völlig egal ist, weil die zugrundeliegenden Signale das Gewicht der Kabel nicht erhöhen, während der Aufnahmeleiter an der Unfähigkeit etwaig stolpernder Schlepper und in der Folge wackelnder und zuckender Kameraleute verzweifelt, er jedoch blitzschnell seine Machtposition auskostend, eine andere Kamera „ins Bild“ nimmt. Der Wert der Sache oder dem Ding, an diesem Beispiel exemplarisch gezeigt, variiert, je nach Betrachtung und Betroffenheit. Weil letztlich im TV nicht erscheint, was der Kabelschlepper an Signalmengen schleppt, sondern, was der Aufnahmeleiter als übertragungswürdig einstuft, entrückt der Wert, er wird abstrahiert. Aus dieser Situation oder Betrachtung heraus wird deutlich, warum „jene wertgeschätzten Medienberufe“ („Zitat“ - dein Text) sehr oft nur ein karges Dasein zulassen. Etwaige Familienmitglieder sind selber schuld, wenn sie sich mit einem solchen Hallodri einlassen! (Frei nach Nitzsche: Umkehrung der Werte). Staatliche Unterstützung, Förderprogramme oder gar Festanstellungen sind rar und auf wenige Auserwählte begrenzt. Ich spreche hier von den wiedergebenden Künstlern, wie Musiker und Schauspieler als Beispiele. Staatliche Orchester, Bands etc. für Jazz oder POP jeglicher Richtung (Unterhaltungsmusik eingeschlossen) sind mir nicht bekannt, wohl aber im klassischen Metier, wie du selbst ausführst. Weil, wenn schon öffentliche Gelder fließen, dann für etwas Ernstes, Reifes, der Historie Verpflichtendem und/oder auch für deren Repräsentanten der Gegenwart. Im letzteren Fall wird erst die Forschung in späteren Jahren aufzeigen, inwieweit es sich um Fehlinvestitionen gehandelt hat, was aber dann wegen Zeitablauf auch egal ist. Nur als Hinweis für jene, die mich missverstehen wollen: Dies ist kein Plädoyer für Nichtunterstützung der Klassik, jedoch der Hinweis, dass es auch andere Genres gibt, die gleiches vertragen könnten. Wert haben alle und wert wäre mehr öffentliche Unterstützung allemal. Corona hast du angesprochen. Festangestellte Schauspieler und Orchestermusiker, wie jegliches dazu zählende background und backstage Personal haben die Zeit bisher finanzielle gesehen gut überstanden, zumindest im Vergleich zu allen Freiberuflern im Bereich Kunst allgemein. Was da vom Staat angekommen ist (ich kann es belegen, aber es würde an dieser Stelle zu weit führen) ist weniger als ein Witz! „Einladung zur staatlich geförderten Insolvenz!“, sagte kürzlich ein Betroffener. Du schreibst, die Deutschen seien ergebnisorientiert, die Japaner dagegen prozessorientiert. Kein Einwand an sich, eine winzige Klarstellung vielleicht: Was die letzten aktuellen Themen von Tragweite zeigen, ist leider die Erkenntnis, dass es mit der Ergebnisorientierung nicht mehr weit her ist. Anders ausgedrückt: Es mangelt vielleicht nicht am Können der Menschen, jedoch überwiegen Prozess- und Verwaltungshürden. Die desaströse digitale Infrastruktur, schlechte Ausstattung von Schulen, um nur einige geläufige Bereiche aufzuzeigen, verstärken die Probleme ins kaum mehr Fassbare. Der kollektive Blindflug, deine Worte, hat alle Schichten vereinnahmt. Freiheit, unschätzbares Gut unserer demokratischen Lebensumstände, ist nicht Teil nur einer Partei. Eine manchmal linkisch anmutende Argumentation (Diskussion wäre etwas anderes), warum man dieses und jenes nicht machen könne, hilft nicht weiter und wird übrigens regelmäßig auch entgegen anders lautender Beteuerungen jener Parteigranden von den Gerichten gerade NICHT bestätigt.
Schreib weiter und sei gegrüßt!
Hans
Egbert Schmitt (01.04.2022):
Hallo Hans und Diverse: Ich hab‘s es schon länger mit dem
österreichischen Kabarettisten - Gery Seidl -, der einen
trefflichen Beitrag zur Thema Arbeits-Wertigkeit und
Einstellung dazu künstlerisch ablieferte. Seine Frage: Warum
macht jemand etwas, was er nicht machen will. Es gibt
Berufe … wie das … Kellnern. Da siehst du es z.B.. Denn du
kannst Kellner sein, - oder Kellner -. G. Seidl erzählt, wo er in
Wien im – Schanigarten – mit seiner 6jährigen Tochter sitzt
und ein Bier, einen Almdudler sowie ein paar Würscht'l mit
Semmel und Senf bestellt. Beim Austragen des Bestellten
der Kellner alles dabei hat, aber mit fragenden mit Blick auf
den Tisch wo Vater Seidl mit seiner sichtbar 6-jährigen
Tochter sitzt. (so, wer kriegt) DAS BIER. – Vater Seidl: na,
stell‘s mal hin, wie’s glaub’st. Bevor‘s an Rausch hat die
Kleine, nehm‘ ich Ihr‘s weg. Sie verstehen mich (zu dem
Saalpublikum agierend). ALSO, wenn ich im Kaffee-Haus
sitze und b‘stell mir a paar Wüschtl und bekomme DIE
pitschnass auf eine Serviette, dann macht das meine
Serviette unbrauchbar. Was in dem Fall eh wurscht is‘, weil
ER’s mir ohnehin in Senf einei-glegt hood. Kann mir dann mit
einer staubtrockenen Semmel den Mund oh’wischn. Der
Mann hat vielleicht tausend Talente, aber Kellnern is ned
dabei. I‘ kenn z.B. einen Quantenphysiker, der mira mit
sprühenden Auge das Universum erklärt‘, wo dieser sichtbar
merkte, ich, Gerry S. verstehe kein Wort - von dem - was er
gerade erklärt, es aber mir nicht anmerken lässt, dass ich‘s
nicht durchblicke. Aber GS glaubt, dass der Physiker einen
Hitzeschild für die Raumfähre exakt berechnen kann, dass
die Astronauten nicht verglühen, und gleichzeitig mir ein paar
Würschtel bringen kann, wo die Summe alle Teile separat
nebeneinander liegen, damit ICH ES mir, oder er es mir,
überlässt die verschiedenen Komponenten selbst zu
vermischen. WEIL ER, der Physiker DIE FUNKTIONS-Weise
des Bestellten begriffen hat, obwohl ER kein Kellner ist. -
Gruß vom Egbert an Dich und Euch …