Sabine Pöhlmann

Die Angst zu versagen

Ich schreibe. Besser gesagt, ich schreibe wahnsinnig gerne. Und damit sind wir auch schon bei der Überschrift angekommen: Aber kann ich es auch?

Ich vergleiche es gern mit einem Menschen, der aus Leidenschaft singt. Nur er lässt dabei die Ohren der Zuhörer schmerzen. Quäle ich mein Publikum? Was ist wenn jetzt eure Augen schmerzen? Ich könnte mich ja damit trösten, dass man einem Sänger nicht so leicht entgehen kann wie einem Autor. Dem singenden Menschen müsste man das Mikrofon entreißen oder seinen Vortrag durch laute Unmutsäußerungen unterbrechen. Da haben es die Leser wesentlich leichter, ein Mausklick und die Seite ist weg oder man klappt das Buch zu.

Vielleicht denken auch einige von euch: Warum blamieren sich die Menschen freiwillig in der Öffentlichkeit? Kann er es denn nicht in einem stillen Kämmerlein tun, anstatt uns damit zu traktieren? Nein, das kann er nicht. Jeder, der irgendetwas schon mal erschaffen hat, sei es ein Bild, eine Fotografie, ein Tisch, ein Gedicht, spürt den Drang, es anderen zu zeigen und lechzt dabei auch nach Anerkennung von außen.

Ich habe vor kurzem versucht einem meiner Opfer, also einer Erstleserin meiner Geschichten, dies zu veranschaulichen:

Man geht mit einer Idee schwanger. Es ist oft mühsam und schwer, aber eben unausweichlich. Dann kommt der Moment der Geburt, meist schmerzhaft und lang. Man fragt sich: Warum tue ich es mir immer wieder an? Jedoch der erste Augenblick des Glücks entschädigt für alles. Man hält es in der Hand und erfreut sich daran. Stolz präsentiert man das Ergebnis seiner Umwelt und nimmt gerne Glückwünsche (!) entgegen. Doch von nun an beginnt auch die Last, man behütet und bewacht es. Jede, noch so gut gemeinte, kritische Äußerung verletzt einem dabei im Innersten.

Das ist auch die Crux mit diesem Bewertungssystem.

Nach zehnmaligem Überlegen, nach immer wieder Hinterfragen meines Werkes, nach diversen Kontrolllesungen von, natürlich immer wohlmeinenden, Bekannten, Verwandten und Freunden kämpfe ich mit dem Button „Absenden“. Ist es geschehen, wird in den nächsten Tagen ständig kontrolliert, ob eine blaue Zahl erscheint. Taucht keine auf, dann entstehen große Zweifel. Ich lenke mich dann meistens auf der eigenen Autorenseite mit den steigenden Besucherzahlen ab oder lese in euren Geschichten. Taucht dann eine auf, steigt die Nervosität. Hoffentlich gefällt es und wenn schon Kritik, dann wenigstens eine mit der ich was anfangen kann.

Wer so empfindet, wie ich es gerade beschrieben habe, wird immer zögern, einen negativen Kommentar abzugeben. Ich denke, dass viele sich dann dazu entscheiden, lieber keine Spuren ihres Besuches zu hinterlassen.

Doch damit ist die Erwartung eines Autors ja auch nicht erfüllt. Man erhofft doch den Applaus, die Reaktion, des Publikums. Was soll man also tun? Eine Lösung kann ich nicht anbieten.

Manchmal fällt es mir sehr leicht meine Glückwünsche auszusprechen, dann greife ich sofort in die Tasten. Bei anderen Texten gefallen mir die Grundgedanken, aber die Ausführung ist nicht nach meinem Geschmack. Ich beschränke mich dann auf die positiven Dinge und versuche die „aber“`s möglichst gering zu halten.
Ein anderes Mal gefällt mir die Ausführung, der Stil, sehr gut, aber der Inhalt reizt mich zum Widerspruch. Da ich in der Regel keine Diskussion über irgendein Thema entfachen möchte, verzichte ich dann lieber auf einen Kommentar.

Ja und manchmal denke ich, dass bei der "Geburt" etwas Schreckliches passiert sein muss und ich hülle mich in Schweigen.

Aber eigentlich bin ich jetzt etwas vom Ausgangspunkt abgewichen.

Jetzt denken vielleicht einige, ihr mangelt es nur an Selbstvertrauen und man sollte sich nicht so von der Meinung anderer abhängig machen. Das stimmt schon, aber kann man immer mit aller Vernunft, die man besitzt, Ängste beseitigen? Ich glaube nicht.

Das soll auch nicht heißen, dass ich diese konstruktive Kritik nicht bräuchte. Im Gegenteil. Ich möchte weiter lernen. Ich will gerne verstehen, wie andere meine Worte empfinden. Ich versuche immer ein Stück besser zu werden. Also muss ich mich auch der offenen und ehrlichen Kritik stellen. So schwer es auch manchmal fällt und so groß auch die Ängste des Versagens, der Unzulänglichkeit und des Unvermögens sein mögen. Es gibt schließlich auch die Momente der Freude, wenn man für seine Geschichte wirklich gelobt wird.

Und jetzt geht es schon wieder los ...

Habe ich meine Gedanken gut ausgedrückt? Lässt es sich leicht und flüssig lesen? Kann das Thema interessieren? Bleibt der Leser bei mir? Konnte ich meine Fehler im Satzbau, in der Rechtschreibung, in der Zeichensetzung in Grenzen halten? Habe ich mein Ziel erreicht? Gefällt es? Und, und, und ...

Soll ich den Button drücken oder nicht?

Der Drang überwiegt. Erkennt sich jemand wieder? Gibt es Gleichgesinnte unter euch?  

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sabine Pöhlmann).
Der Beitrag wurde von Sabine Pöhlmann auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Sabine Pöhlmann als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Mit einem Augenzwinkern - Gereimtes und Ungereimtes von Anschi Wiegand



Endlich ist er da, der versprochene zweite Gedichtband von Angela Gabel.

Hatte der erste Lyrikband als Schwerpunkt Liebesleid, Selbstfindung und inneren Schmerz, findet sich in dem vorliegenden Büchlein die eher heitere Seite der Autorin wieder.

Mit einem Augenzwinkern, manchmal auch rebellisch und kritisch, teils nachdenklich melancholisch, nimmt sie sich selbst und ihre Umwelt ins Visier und hofft, auf diese Weise das eine oder andere Lächeln oder Kopfnicken zu entlocken...

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Sabine Pöhlmann

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Erdhörnchenzüchter von Sabine Pöhlmann (Humor)
Ach so ! von Heino Suess (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Erinnerungen an 1944 (Zweiter Teil) von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen