Volker Winkler

Phantasiereise: Der Regen

Wir legen uns hin und schließen unsere müden Augen. Dann atmen wir ganz tief ein. Ganz tief und ganz langsam. Dann atmen wir wieder aus. Rings um uns ist nichts mehr. Es ist schön warm und wir fühlen uns richtig wohl.
 Langsam werden wir immer leichter. Erst die Arme, dann die Beine und unser ganzer Körper. Wir legen die Fingerkuppen neben uns auf den Boden, drücken uns leicht ab und spüren, wie wir langsam abheben. Nun schweben wir und fühlen uns dabei frei, frei von allen Sorgen.  
Immer höher steigen wir über dem Boden. Aber wir haben keine Angst, denn es ist wunderschön. Über uns ist kein Dach mehr und der warme Sommerwind weht um unsere Nasen. Die Sonne versteckt sich hinter dicken Regenwolken, doch es ist herrlich warm und die Luft riecht nach Sommer und Regen. Wir atmen tief ein und wieder aus, und genießen die frische Luft. Langsam schweben wir dem Boden entgegen, bis unsere Fingerspitzen das trockene Gras berühren. Es kitzelt angenehm an den Handflächen und neben dem Duft von Regen riechen wir nun das frische Gras. Mmmh, immer und immer wieder atmen wir langsam und tief ein und riechen die Welt um uns. Das Gras, der Regen und all die vielen bunten Blumen und Kräuter, die auf der Wiese wachsen.
 Plup – was war das? Wir spitzen unsere Ohren und versuchen alles in unserer Nähe zu hören. Plup – schon wieder. Direkt neben uns ist ein kleiner Teich. Aus den dicken grauen Regenwolken fallen große Tropfen zur Erde und plumpsen mitten in ihn hinein. Dann trifft uns ein Tropfen direkt auf der Nase. Er ist kühl und erfrischend und läuft langsam über unser Gesicht. Dort, wo er über unsere Haut rollt, kitzelt er. Wir bewegen unsere Nasen, um ihn abzuschütteln, doch schon kommt der nächste, und der nächste. Immer mehr Tropfen fallen auf unser Gesicht., immer kleinere Tropfen. Ein Windhauch bläst uns entgegen und dreht uns in der Luft. Der warme Regenschauer trommelt jetzt auf unseren Rücken. Wie eine sanfte Massage spüren wir die vielen Tropfen. Wir merken, wie wir ganz ruhig werden. Ganz ruhig. Wir atmen langsam und genießen die Regenmassage. Es ist nicht kalt, sondern angenehm, wie in einem warmen Sommerregen, der sanft auf uns nieder fällt.
 Der Regen läßt nach und auch das Kribbeln der Massage auf unserem Rücken hört auf. Wieder bläst ein warmer Windhauch und dreht uns zurück. Vorsichtig greifen wir neben uns und erfassen einige Grashalme. Sie fühlen sich feucht und kühl an. Langsam lassen wir sie los und schweben wieder in die Höhe. Höher und höher steigen wir auf unserer Reise, bis wir uns weit über den Wiesen und Sträuchern, Häusern und Bäumen befinden.
 Über uns zieht eine große Regenwolken hinweg und gerade beginnt es wieder zu tröpfeln. Sanft werden die Tropfen über uns verteilt. Doch es nicht unangenehm, sondern so schön, wie es ein warmer Nieselregen nach einem heißen Sommertag nur sein kann. Wir strecken unsere Arme und Beine so weit wir nur können, um möglichst viel erfrischenden Regen aufzufangen. Aaah, wie schön das ist, wie entspannend. Alle Probleme sind aus unserem Kopf verschwunden. Wir denken an nichts mehr, nur an unsere Reise, hoch oben über den Wipfeln der Bäume. Wir atmen noch einmal tief ein, um die grenzenlose Freiheit zu spüren. Dann schweben wir langsam der Erde entgegen. Leise können wir das sanfte Rauschen des Regens hören, bevor wir uns vorsichtig auf den Boden legen. Um uns wird es still, so still, daß wir uns atmen hören können. Es klingt ruhig und gleichmäßig, wie ein Windhauch, der sanft die Blätter eines Baumes bewegt, immer und immer wieder.
 Wir strecken uns, so weit wir können und atmen tief ein. Dann öffnen wir die Augen und sehen uns um. Vorsichtig setzen wir uns hin denken noch einmal an unsere Reise.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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