Birgit Seitz

Wie soll's heißen?

Alle Jahre wieder bekommt irgendeine Frau in meinem Dunstkreis ein Baby und dann geht es los: ein Name muss her. Nein, nicht nur ein Name, zwei Namen müssen’s sein, weil die Eltern zum Zeitpunkt der Eruierung eines Namens meistens noch gar nicht wissen, ob es denn nun ein Junge oder ein Mädchen werden wird. Das macht es doppelt schwierig.
Wie jetzt, werden Sie vielleicht sagen, einen Namen zu finden wird doch wohl nicht so schwer sein?

Nein, das werden Sie nicht sagen, wenn schon jemals Eltern in Ihrer Bekanntschaft oder Verwandtschaft oder möglicherweise sogar Sie selbst auf der Suche nach einem Namen waren. Wohl bemerkt, einem passenden Namen. Schließlich leben wir in einer individualisierten Zeit, in der jede Persönlichkeit einen Namen haben soll, die ihr beizeiten vielleicht gerecht wird. Und auch in einer Zeit, in der es nicht mehr modern ist, vier oder fünf Alexanders oder drei Lea-Christins in einem Klassenraum sitzen zu haben. Damals war das egal, da wurde zu dem Vornamen auch noch der Nachname mit aufgerufen. Manchmal sogar der Nachname, dann erst der Vorname. Das hörte sich dann so an: „Müllers Marie, Tannhäusers Karolin, Ruhe dahinten in der letzen Reihe!“ Oder ähnlich.

Früher war die Namensfindung auch ungleich einfacher. Da wurde schlicht und ergreifend einfach der Name einer verwandten Person, ob tot oder lebend, verwendet. Oder eben einer berühmten Persönlichkeit, weil man damit Loyalität, eine gewisse politische Ausrichtung oder Bibelkenntnis beweisen wollte.

Heutzutage ist so was eine Wissenschaft für sich. Nur wenige Eltern bemühen nicht ihren Freundeskreis, wenn es darum geht, dem Kind einen (gesellschaftsfähigen) Namen zu geben. Solcherlei Angelegenheiten werden dann in der Grillrunde, im Fitnessstudio oder dergleichen zur Diskussion freigegeben und alle schmeißen dann ihre Favoriten in die Runde. Dummerweise kennt aber auch jeder zu jedem Namen eine absolute Ausschluss-Person, wegen der „dieser“ Name auf keinen Fall verwendet werden darf, weil Betreffende/r ein echtes Arschloch/eine totale Nuss oder pottenhässlich ist. Kevin zum Beispiel ist so ein Name. Nennen Sie ihren Jungen niemals Kevin! Jede Person, die in irgendeiner Weise mit Kindern zu tun hat kann ihnen mitteilen, dass „Kevins“ SO SIND! Nicht übertrieben. Schauen Sie bitte vor der Geburt Ihres Kindes den Film und überlegen Sie noch mal, ob Sie DAS 18 Jahre ertragen können.
Hat aber ein Name dann mal die allseitige Zustimmung, wird schnell noch überlegt, ob Vor- und Nachname zusammen ebenfalls wohlklingend sind, dann ist’s entschieden, manchmal sogar, ohne die werdenden Eltern in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.

Wiederum einen Dämpfer und das erneute Aufleben dieser Diskussion erleben wir dann, wenn plötzlich ein Großteil der Jungs/Mädchen/Kinder, die vor dem Geburtstermin des Kindes, das den Namen ja eigentlich bekommen sollte, geboren werden und ausgerechnet dann genau SO heißen. Schließlich können werdende Eltern dies gut nachprüfen – steht ja auch in jedem Wald- und Wiesenblatt, wer sich auf wen freut, weil wer wann geboren wurde. Irgendwie denke ich bei der Lektüre der einschlägigen Seiten immer, dass diese Anzeigen deshalb aufgegeben werden, weil so was wie ein heimlicher Namensfindungswettbewerb besteht – zugeben würde dies natürlich niemand.
Ich wage mal zu behaupten, dass alte deutsche Namen wie Anna, Louise und meinethalben auch noch Maximilian deshalb ein Comeback feiern, weil Todes- und Geburtsanzeigen so nah beieinander abgedruckt werden.
Obwohl – ganz ehrlich: Das ist auch gut so. Es ist auch gut so, dass mittlerweile auf ausländisch klingende Namen (die man meistens im Abspann von Filmen findet oder im Fußballteil der Zeitungen) zurückgegriffen werden kann. Das verhindert, dass ein Kind sich wie ein Sammelbegriff vorkommt. Ob das nun zur besseren individuellen Entwicklung beiträgt, kann ich gar nicht sagen – aber ich, als vierte Birgit in der Grundschule, möchte mal behaupten, dass zumindest die allgemeine Verwirrung ausbleibt, wenn eine Lehrerin beizeiten sagt: „Birgit, lies mal vor.“
Bei „Luca/ Bela/ Roberto/ Trinity/ Greta/ Angelica (sprich bitte: Andschelikka)/ Britney oder Camilla – Lies mal vor!“ - ist die eindeutige Zuordnung schon deutlicher.
Wobei .. Luca? .. zwei Kinder heißen so, in dieser Umgebung. Der Arzt aus Emergency Room ist aber auch ein Süßer! Trinity .. seit Matrix auch schon wieder abgegriffen. Camilla .. die Eltern lesen wahrscheinlich keine Zeitung oder Muttern benutzt eine andere Slipeinlage ... Angelica ... möge sie bitte gute Zähne bekommen und sich beizeiten die Eckzähne abschleifen lassen (aber die hat ja auch andere Filme gedreht) .. und so weiter.

Ach – wie man’s macht, macht man’s falsch, denke ich.
Ich mein – praktischen Sinn hätte es ja, wenn viele Kinder den gleichen Vornamen haben.
Es würde reichen, wenn ein/e Mutter/Vater am Sandkastenrand brüllt: „Jaaaaaaaaaaan! Lass das!“
Übrigens – es hat sich herausgestellt, dass Doppelvornamen einfach unpraktisch sind. Ja, ich weiß, man möchte ja vielleicht mit zweiteiligen Namen einen besonderen Klang erreichen, eine besonders weltoffene Grundeinstellung hervorkehren, zwei Patentanten gleichzeitig beglücken .. alles quatsch. Kurz und prägnant sollte er sein, der Name. Stellen Sie sich einfach mal folgendes Gespräch vor, basierend auf der Erfahrung, dass Kinder untereinander auch nicht lange fackeln und nur den ersten Namensteil benutzen: „Mama, darf die Anna mich heute besuchen?“
Anna? Anna? Es gibt keine einzelne Anna in der Kindergartengruppe. Es gibt eine Annalisa, eine Annalena, eine Annamaria und eine Marie-Anne. Wer nu?
Sehen Sie?
Mal abgesehen davon, dass Sie selbst vielleicht irgendwann Schwierigkeiten bekommen, weil Sie nicht wissen, ob jemand IHR Kind meint ... stellen Sie sich auch vor, wie verwirrend das erst für die arme, gebeutelte, zuständige Erzieherin sein muss!

Nun ja, aber vielleicht betrifft Sie dieses Thema ja auch gar nicht, weil grade niemand ein Kind in die Welt setzen will oder schon gar nicht um Hilfe bei der Namensfindung bittet. Gibt’s ja auch. Aber falls das doch mal der Fall sein sollte, gebe ich Ihnen noch kurz den Rat: Fragen Sie niemals (wirklich: NIEMALS!) eine Erzieherin, Sozialpädagogin oder Lehrerin nach Namen. Denn entweder bekommen Sie keinen, weil, wie oben, sämtliche Namen in irgendeiner Weise negativ besetzt sind, oder Sie bekommen alle existierenden Namen und die zugehörige Entscheidung selbst aufgebrummt. Dann sind sie so schlau wie vorher.
Machen Sie es besser selbst. Bei der Produktion des neuen Erdenbürgers hat ja auch sonst niemand nachgeholfen. Oder?
 
 
(c) April 2005 Birgit Seitz

Diese "Geschichte" ist eigentlich ein Beitrag für das Forum von Frauenwelten.de - ich habe sie hier eingestellt, weil ich grade heute unter den neuen Kurzgeschichten die Geschichte "Namenlos" von C.Sitte gelesen hatte und dachte nur - könnt passen :-)Birgit Seitz, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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