Andrea Kilburger

SEELENHAUS

 

Kapitel Eins – Julias Tod

Es war ein Sonntag, als ich auf der Landstraße in Richtung Erholung fuhr. Na ja, zumindest dachte ich, das ich mich erholen würde. Auf meinem Rücksitz saß Elisabeth, kurz Lisa genannt, die kleine Tochter meiner Nachbarin. Bevor ich in den Urlaub wollte, versprach ich, die kleine Lisa noch im Internat abzugeben, weil ihre Mutter schon früher als geplant abreisen musste. Nur kurze Zeit später bereute ich es, Lisa dort hingebracht zu haben.

Als wir dann gegen zwölf Uhr mittags im Internat „Sommersonne ankamen, standen eine Menge Menschen, darunter mehrere Polizisten, vor dem Hauptgebäude versammelt. Ein Krankenwagen parkte quer vor der Tür. „Warte noch einen Moment, sagte ich zu Lisa und stieg aus dem Wagen.

„Was ist passiert?, fragte ich eine Frau vor dem Internat. Entsetzt blickte sie mich an und sagte: „Ein kleines Mädchen ist letzte Nacht ertrunken, hier im Teich hinterm Haus. Keiner weiß, was sie da so spät noch wollte. Nun war ich auch nicht nur entsetzt, mir kam wieder der Übermut, mich in alles einzumischen, heraus zu finden, was hier vor sich ging. Ich entschloss, zuerst zurück zum Auto zu gehen. Lisa wollte sofort wissen, was hier passierte. „Ein Mädchen ist hier verunglückt, Kleines, du kannst hier nicht bleiben, solange nicht alles aufgeklärt ist, sagte ich zu ihr. Sie sah traurig aus, aber ich konnte sie beim besten willen nicht hier lassen. Irgend etwas sagte mir, das es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Warum ertrank ein kleines Mädchen mitten in der Nacht?

„Kennst du noch Tom, der Mann, der mal mit mir zusammen gewohnt hat?, fragte ich sie und meinte dabei meinen ältesten Bruder.

„Ja, ich kenne ihn, er ist sehr nett...

„Du wirst für ein paar Tage bei ihm wohnen, bis deine Mama wieder da ist...

„Warum kann ich nicht bei dir bleiben?, fragte sie und hatte dabei schon Tränen in den Augen.

„Ich muss mich um das hier alles kümmern, ich muss herausfinden was passiert ist, und ich verspreche dir, danach kannst du wieder hier hin, zu all deinen Freunden.

Ich versuchte sie aufzumuntern, auch wenn es bei Lisa recht schwer war. Dann wählte ich Tom´s Nummer. Ich erzählte ihm, was vorgefallen war und er erklärte sich bereit, Lisa eine Weile bei sich aufzunehmen. Und auch wenn ich eigentlich Urlaub hatte, ich wollte wissen was hier passiert ist in der letzten Nacht. Einmal Detektiv, immer Detektiv. In einer Stunde kam Tom und nahm Lisa mit. Ich versprach ihm mich bald zu melden, wenn ich was neues wüsste.

Nur zwei Häuser weiter war eine kleine Herberge. Ich nistete mich dort ein und bereitete in meinem Zimmer mein Vorgehen vor. Zuerst wolle ich ins Internat - das nach wie vor nicht geschlossen wurde – um einigen dort ein paar Fragen zu stellen. Ich wartete absichtlich erst bis zum nächsten Tag, denn ich hatte vor, Lisas Mutter, als meine Auftraggeberin zu nennen, natürlich anonym

Kaum war die Sonne aufgegangen, hatte ich bereits gefrühstückt und war auf dem Weg ins Internat „Sommersonne. Die meisten Kinder saßen bereits im Unterricht. Ich öffnete die große schwere Eingangstür und betrat die Halle des Internats. Sie war riesig, eine Halle, deren Boden aus Marmor bestand, die Wände mit alten wertvollen Bildern behängt und ihre Menschen, wie das Geschehen von vorletzter Nacht, unheimlich waren.

In der Halle stand – sehr weit weg vom Eingang – ein Empfang.

„Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?, fragte die Frau hinter dem Empfang. Ihre Stimme hallte förmlich.

Ich trat an den Empfang heran und legte meinen Detektivausweis auf die Theke.

„Mein Name ist Lorelei Andersen, ich bin Privatdetektivin und recherchiere im Auftrag einer besorgten Mutter, die unbenannt bleiben möchte.

„Ah, verstehe, dann sind Sie bestimmt wegen dem Vorfall von vorletzter Nacht hier, nicht wahr?

Ich nickte.

„Ich möchte mit dem Direktoren oder der Direktorin sprechen, wäre das möglich?

Sie sah mich einen Augenblick lang verdutzt an, bevor sie schließlich zum Telefonhörer griff und eine Nummer wählte.

„Eine Frau Andersen möchte Sie sprechen, Privatdetektivin, sagte sie, nickte ein par mal und legte anschließend den Hörer zurück auf die Gabel.

„Frau Hauser empfängt sie oben in Ihrem Büro, dritter Stock dritte Tür rechts.

„Danke!

Ich ging die große marmorne Treppe hinauf, bis in den ersten Stock. Von dort aus führte eine andere, kleinere Treppe, die restlichen Stockwerke hoch. Ich ging bis in den dritten und vorletzten Stock des Internats. Dort betrat ich, nachdem ich höflich anklopfte, die dritte Tür von rechts. Frau Hauser, Direktorin des Internats, war noch unheimlicher als alles andere in diesem Haus zusammen. Sie war groß, recht schlank, schon fast dürr, und hatte dunkelgraues Haar, welches sie streng zu einem Dutt nach hinten trug. Ihre Augen waren dunkel und tief - wirkten richtig böse – und ihre Nase war lang und bedeckte schon fast ihren schmalen Mund. Frau Hauser trug ein graues Kleid mit einem wenig ausgeschnittenen Kragen. In allem war sie eine recht gruselige Person, wie eine unerwünschte Plage wirkte sie auf mich. Sie erinnerte mich schwer an meine alte Tante Sadey aus England, sie hatte auch so einen Strengen Blick, und roch immer streng nach Moschus.

„Wie kann ich Ihnen behilflich sein?, fragte sie.

„Nun, ich möchte zuerst wissen, wie es möglich ist, das mitten in der Nacht, ein kleines elfjähriges Mädchen in den Garten kommt und dann im Teich ertrinkt, können Sie sich vorstellen, was sie dort wollte?, fragte ich sie, nachdem ich ihr schilderte, was mein Anliegen war.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, Frau Andersen, was sie da wollte. Julia war immer ein merkwürdiges Kind, schon als sie damals zu uns kam. Sie war verschlossen und sie konnte richtig ausflippen. Sie war von Anfang an ein Sorgenkind, nicht nur für ihre Eltern. Wenn sie mich Fragen, Frau Andersen, dieses Mädchen war psychisch gesehen sehr krank. Sie können gerne mit unserer Psychologin hier im Haus sprechen, sie kann ihnen da mehr erzählen als ich.

„Das werde ich tun. Ich habe da noch einige Fragen an Sie...

Ich fragte sie, in welchem Zimmer Julia untergebracht war und wer hier im Internat ihre Freunde waren. Es wunderte mich überhaupt nicht, das sie in einem Einzelzimmer schlief und hier kaum jemand hatte, mit dem sie sich verstand. Alle hier, nicht nur die Lehrkräfte, hielten sie für verrückt.

Ausserdem fragte ich Frau Hauser auch, welche Sicherheitsleute in der Nacht Dienst hatten – die wollte ich dann bei gegebenem Zeitpunkt ebenfalls befragen – und nach der Liste der Angestellten. Sie gab mir drei Namen, die der Sicherheitsleute, aber die Liste der Angestellten wollte sie nicht herausrücken. Dann machte sie mir noch klar, das Dr. Cornelia Klaus, die Psychologin, heute noch Urlaub hatte und erst morgen wieder kam und sie konnte mir auch die Bemerkung „wir mögen es nicht, wenn hier rumgeschnüffelt wird, es reicht schon, wenn die Polizei ihr Unwesen hier treibt, nicht ersparen.

Nachdem ich Frau Hausers Büro verließ, ging ich hinunter in den Garten, um mir den Tatort anzusehen. Es war gerade Pause und auf dem riesigen Gelände des Schulhofs erklangen schrill die Stimmen von mehreren Kindern. Einige Lehrkräfte waren ebenfalls auf dem Schulhof und blickten mich verdutzt an, als ich auf dem Weg zum Garten war.

Ich bemerkte dort als erstes, das die Untersuchung des Tatortes wohl abgeschossen sein müßte, denn es sah nicht so danach aus, als könnte hier eine Spurensicherung arbeiten.

Ich trat näher an den Teich heran und blickte hinein. Ich sah nur mein Spiegelbild, nichts weiteres und schon gar nichts ungewöhnliches. Doch als ich den Blick auf die Steine warf, die um den Teich herum lagen, fiel mir etwas auf. Auf einem der Steine war ein kleiner roter Fleck. Ich betrachtete ihn ganz genau und stellte fest, das es wohl Blut sein könnte. Ich griff in meine Tasche, die über meiner Schulter hing und entnahm ein einfaches Wattestäbchen und eine einfache Plastiktüte. Das eingetütete Stäbchen würde ich dann später Tom zur Untersuchung bringen.

„Was tun Sie da, sagte plötzlich eine Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und vermutete in dem Mann im grünen Overall den Gärtner. Ich stellte mich kurz vor und fragte ihn ob er hier an dem Tag, bevor das Mädchen starb etwas ungewöhnliches sah. Er verneinte und auf die Frage ob und wie gut er das Mädchen kannte schüttelte er nur den Kopf und sagte: „Die Kleine war echt verrückt, keiner kam mit ihr zurecht und sie kam auch mit niemandem hier zurecht. Sie war ein offenes Buch, jedoch mit leeren Seiten. Sie war schon irgendwie berechnend, man wusste immer, zu welchem Zeitpunkt sie verrückt spielte, und wenn sie nicht bekam was sie wollte, dann war hier die Hölle los.

Ich bedankte mich bei Ihm und gab ihm meine Visitenkarte. „Falls ihnen noch etwas wichtiges einfällt, dann rufen sie mich bitte auf dem Handy an.

Er versprach es.

Auf dem Rückweg in die Herberge beschloss ich zur Polizei zu fahren um mit denen zu sprechen, vielleicht würden die mir die Todesursache erklären und noch andere Details. Doch das wollte ich erst später tun, vorher wollte ich noch etwas essen und zu Tom ins Labor fahren. Bei der Gelegenheit konnte ich sehen, wie es der kleinen Lisa ging.

Kapitel 2 – Todesart und Ursache

Lisa hatte sich schnell bei Tom eingewöhnt und fühlte sich Pudelwohl bei ihm. Tom besaß ein kleines Labor in seinem Haus, aber wie er daran gekommen war, hatte er ,selbst mir, nie gesagt. Ich hatte auch nicht weiter danach gefragt, weil es immer gut bei unserer Arbeit als Privatdetektive diente.

Ich gab Tom das Wattestäbchen mit dem vermeintlichen Blut und er versprach, es schnellstens zu untersuchen.

Später fuhr ich zur hiesigen Polizei um mehr Details heraus zu finden, was die Ermittlungen bislang ergeben hatten.

Ich hatte mehr Glück, als ich dachte, denn der leitende Polizist, Jürgen Friedle, war sehr kooperativ.

„Erst heute morgen habe ich den Bericht aus der Gerichtsmedizin bekommen. Todesursache war ertrinken, sagte Friedle.

„Kann es sein, dass sie vorher auf einen Stein gefallen ist?, wollte ich wissen.

„Ja, woher wissen Sie das?

„Ich habe mich am Tatort ein wenig umgesehen und an einem der Steine, die um den Teich herum lagen, etwas Blut gesehen.

„Wir haben den Tatort gründlich gereinigt, damit sich die Kinder nicht an den schlimmen Vorfall erinnern. Sind sie sich da ganz sicher, das es Blut war?

„Ich habe gesehen, was ich gesehen habe, will es aber nicht beschwören.

„Gut.

„Was haben Sie, was ich noch nicht weiß, Herr Friedle?

Ich war nun ziemlich neugierig, weil sich im Moment all das bestätigte, was ich vermutete, auch wenn es in Friedle´s Augen anders aussah. Doch selbst die Polizei hatte nicht mehr herausgefunden, was ich nicht selber schon wußte.

„Ich habe vor, die Psychologin des Internats morgen früh zu befragen, wollen Sie dabei sein?, fragte ich Friedle.

„Was wollen sie damit erreichen? Denken Sie das Mädchen war krank?

„Zumindest behauptet das die Direktorin.

„Sie behauptet es, aber ist es auch wahr?

„Haben Sie sich schon mit dem Gärtner unterhalten?

„Warum sollte ich?

„Weil er das selbe behauptet, und alle Schüler ebenso, laut seiner Aussage.

Ich fragte mich, was dieser Friedle eigentlich für ein Polizist war. Er versäumte es, wichtige Zeugen zu befragen und ebenso möglichen Theorien aus dem Weg zu gehen.

„Ich werde trotzdem morgen bei der Befragung von dieser Psychologin dabei sein, aber...

„Gut, aber überlassen sie mir das reden, da sie es ja so oder so für eine verrückte Sache halten.

„Einverstanden.

„Gut. Dann treffen wir uns morgen früh sagen wir um acht Uhr vor dem Internat.

Mit diesem Satz erhob ich mich vom Stuhl und wollte das Büro von Friedle verlassen.

„Interessiert Sie die Akten des Falls?, fragte er.

Nun war ich noch mehr überrascht. Was für ein Polizist war er, das er einem Privatdetektiven Einsicht in die Akten zuließ.

„Ja, wieso fragen Sie?

„Hier, lesen Sie die bis Morgen früh. Wenn sie nur den kleinsten Beweis dafür finden, das es Selbstmord oder Mord war, erkläre ich mich bereit, den Fall mit ihnen aufzuklären, falls nicht, werde ich morgen nach dem Gespräch mit der Psychologin den Fall abschließen.

Jetzt verstand ich, er wollte sich mit mir messen, dachte ich würde mich besser einstufen. Nun, ich wollte dieses Spiel zwar nicht mitspielen, nahm jedoch trotzdem die Akten mit in die Herberge.

Am späten Abend saß ich auf dem Bett meines Zimmers und studierte die Akten. Ich fand nichts ungewöhnliches, den Bericht des Gerichtsmediziner verstand ich kaum – medizinisches Kauderwelsch.

Ich legte die Akten zur Seite. Dadurch hatten sich noch mehr Fragen ergeben und es waren noch nicht einmal die geringsten Antworten in Sicht. Was suchte Julia noch so spät im Garten am Teich? War sie vielleicht Schlafgewandelt? Vielleicht war ja auch wirklich alles nur ein dummer Unfall von einem neugierigen kleinen Mädchen. Aber warum konnte ich mich dann nicht einfach damit abfinden? Warum hatte ich das Gefühl, das es kein Unfall war? Was, wenn sie jemand umgebracht hatte? Es gab genug Menschen im Internat, die ein Motiv hatten. Mir fiel das Blut auf dem Stein wieder ein. Friedle sagte, das sie den Tatort gereinigt hätten. Was, wenn es nicht Julias Blut war? Dann konnte es unmöglich von der Tatnacht stammen. Oder vielleicht doch? Wer weiss, vielleicht war die Spurensicherung genauso ungenau, wie Friedle bei seinen Ermittlungen.

Ich nahm mir noch einmal die Akten zur Hand und ging erneut die Fotos von der Leiche und vom Tatort durch. Ich bemerkte dann ein paar Ungereimtheiten. Der Stein, wo Julia aufschlug, war ein anderer, als der, wo ich den Blutstropfen fand. Der, war nämlich genau gegenüber, denn als ich das Foto in meinen Laptop einscannte und vergrößerte, konnte ich ihn entdecken. Wieso in aller Welt, konnten die ihn nur übersehen? Oder hatten Sie ihn garnicht übersehen und Friedle oder jemand anders wollte etwas vertuschen?!

Das schrille klingeln des Telefons brachte mich aus meinen Überlegungen und möglichen Theorien. Es war Tom. Ich berichtete ihm von meinen Neuigkeiten und von Friedle´s Meinung über den Fall.

„Ich habe das Ergebnis des Blutes, was du gefunden hast, vor mir liegen, Schwesterherz. Es ist Blutgruppe AB-Negativ.

„Damit habe ich gerechnet, es ist definitiv nicht Julias Blut. Sie hat nämlich AB-Positiv. Es war mindestens noch eine zweite Person am Tatort, das schätze ich zumindest. Was meinst du, wie alt oder frisch ist das Blut von der fremden Person?

„Ich würde sagen mindestens so frisch wie das von Julia, es würde jedenfalls in die Tatzeit passen, genaueres kann ich dir nur sagen, wenn ich einen bestimmen Test durchführe.

„Tu das und sag mir Bescheid.

Ich fragte noch kurz nach Lisa, die bereits schlief, und legte dann auf.

Danach scannte ich die kompletten Akten in meinen Laptop und ging schlafen. Ich war gespannt darauf, was das Gespräch mit der Psychologin am morgigen Tag ergeben würde, erwartete jedoch nicht zuviel. Ich war mir sicher, dass es in dem Fall keine Wendung nehmen würde. Die Psychologien würde mir nur bestätigen, was Frau Hauser bereits erwähnte – das Julia krank war, psychisch krank war.

Kapitel 3 – Von Verrückten und Besessenen

Friedle war pünktlich um acht Uhr vor dem Internat „Sommersonne. Ich sagte ihm jedoch nichts, von den Ungereimtheiten, die ich, in seiner und meiner Theorie und genauso aus den Akten, fand. Ich gab ihm die Akten zurück und sagte nur, das er mit seiner Theorie wahrscheinlich recht hatte.

Um kurz nach acht saßen wir im Büro von Frau Doktor Cornelia Klaus. Doktor Klaus hatte – im Gegenteil zu Frau Hauser – ein freundliches Erscheinungsbild. Ihre Haare und Augen waren braun und ihr Lächeln war sehr freundlich, wirkte aber ein wenig aufgesetzt.

„Frau Hauser erwähnte bereits, das Sie mit mir sprechen wollen. Also, was kann ich für sie tun?

„In erster Linie könnten Sie uns etwas über Julia erzählen.

„Was wollen Sie über Julia wissen?
Als ich es mir auf dem Stuhl einigermaßen bequem gemacht hatte, sagte ich:

„Frau Hauser hatte erwähnt, dass Julia psychisch krank war. Und auch der Gärtner hat ausgesagt, sie sei verrückt und keiner kam mit ihr zurecht. Nun will ich von Ihnen wissen, was Sie als Psychologin dazu sagen.

Cornelia Klaus ließ sich in ihrem Bürosessel nach hinten. Sie wirkte nachdenklich. Mir kam es so vor, als suche sie nach den richtigen Worten, so das auch Friedle und ich es verstehen würden. Im Nachhinein wußte ich, das sie nur danach suchte, wer Julia wirklich war und was sie zu dermaßen hysterischen Anfällen trieb.

„Also Julia war in erster Linie schwierig, fing sie an. „keiner wurde je aus ihr Schlau. Das größte Problem, was uns alle betraf, war, das Julia des öfteren hysterische Anfälle hatte – einfach, ebenso wie psychologisch gesehen.

„Wie darf ich das verstehen, Doktor? Ich meine für mich hört sich das so an, als sprechen wir hier von einer Krankheit. Oder irre ich mich?
„So gesehen ist es eine Krankheit, doch so genau habe ich es bei Julia nie herausgefunden. Was ich meine ist, das im Normalfall eine hysterische Person in der Regel das Bedürfnis hat, vor sich und anderen mehr zu scheinen als sie ist, mehr zu erleben, als sie Erlebnisfähig ist. Das heisst, das an der Stelle des Ursprünglichen, echten Erlebnis, mit seinem natürlichen Ausdruck, ein gemachtes, geschauspielertes, erzwungenes Erleben beitritt.

„Haben sie mal bei Julia so etwas erlebt?
„Ja. Des öfteren hatte Julia den Wunsch geäußert, nach Hause zu wollen. Als keiner darauf einging, erfand sie irgendwelche Geschichten, dass andere Kinder sie schlugen und so weiter. Und wenn man ihr diesbezüglich nicht glaubte, ist sie ausgerastet. Wenn es ganz schlimm war, hat sie um sich geschlagen, zugetreten und sogar schon mal zugebissen.

„Woher wollen sie wissen, das sie nicht vielleicht doch die Wahrheit sagte? Ich meine, die anderen Kinder konnten sie nun mal nicht besonders gut leiden.

„Niemand hat je gesehen, das Julia geschlagen wurde oder des gleichen. Vertrauen Sie meinem Urteil als Psychologin nicht? Oder denken Sie, die Kinder hätten sich diesbezüglich untereinander abgesprochen? So eine Art Verschwörung gegen ein kleines krankes Mädchen?

„Das habe ich nicht damit gemeint. Nichts desto trotz, haben Sie mal mit Julias Eltern darüber gesprochen?

„Ja, das habe ich. Selbst die Eltern konnten sich Julias Verhalten nicht erklären. Sie sagten, ich sei die Ärztin und sollte mich darum kümmern und herausfinden, warum sie sich so benahm.

„Mehr hatten die Eltern nicht dazu zu sagen?

„Nein. Wissen Sie, Frau Andersen, keiner ist je aus Julia schlau geworden und keiner von uns wäre es je geworden, selbst wenn sie achtzig Jahre alt geworden wäre. Sie ist zu Lebzeiten ein Rätsel gewesen und ist auch als ein solches gestorben.

Ich musste ihr bezüglich des Rätsels recht geben und fügte noch in Gedanken hinzu, das durch ihr Tod noch mehr Rätsel an die Oberfläche kamen – zumindest für mich.

Friedle und ich verließen Dr. Klaus´ Büro gegen halb neun.

„Nun Herr Friedle, was sagen Sie dazu?

„Nichts, ich denke, das es ein Unfall war und damit sollten auch Sie sich abfinden. Ich werde den Fall beenden und die Akte schließen.

Ich seufzte.

Na gut, sollte er es doch tun, ich würde weiter daran arbeiten. Ich hatte ja schließlich noch die Akten in meinem Laptop, auch wenn ich die wohl nicht mehr brauchen würde, denn ich ging davon aus, dass sie nicht korrekt waren.

Als Friedle später weg war, beschloss ich mich ein bisschen in Julias Zimmer umzusehen, bevor die Eltern Ihre Sachen abholen würden. Als ich jedoch das Zimmer betrat, war all ihr Haben nicht mehr da. Der Schreibtisch, der Schrank sowie das Regal waren leer. Ich setzte mich auf ihr Bett und blickte mich im Zimmer um. Dann fiel mir eine Unebenheit hinter dem Schreibtisch an der Leiste auf. Ich kroch also unter den Schreibtisch und entnahm die lose Leiste aus der Wand. Wieder einmal dachte ich daran, wie die Spurensicherung so etwas hatte übersehen können.

Ich griff mit der rechen Hand in das Loch und brachte – wie ich kurz darauf bemerkte – Julias Tagebuch zum Vorschein. Ich steckte dieses heimlich in meine Tasche, tat die Leiste wieder an ihren ursprünglichen Platz und verließ Julias Zimmer und das Internat „Sommersonne.

Da keine Nachricht von Tom hinterlassen wurde, ging ich sofort auf mein Zimmer und las Julias Tagebuch. Ihre beiden letzten Einträge waren besonders interessant:

15. März 1998

„...Ich bin nicht verrückt, warum sagen das alle. Sie wollen doch nur von sich selbst ablenken. Sie sind doch diejenigen, die verrückt sind. Ich fürchte mich vor ihnen, sehe so viele Augen, ihre Augen, alle sind sie gleich, rot und sie leuchten, ich bin nicht verrückt, nein, ich bilde mir das alles nicht ein... Ich habe es vorausgesehen, der Tag, an dem ich hier hin komme, hier nach ´Sommersonne´. Und bald wird der Tag kommen, wo ich nicht mehr bin. Ich träume jede Nacht davon...ich sehe Wasser und ich sehe Dunkelheit...ich habe Angst davor. Mein einziger Wunsch wäre, das jemand kommt, jemand der uns aus dieser Hölle und von all den Besessenen hier befreit...

Ich blätterte um.

20. März 1998

Ich spüre ihren rauhen Atem. Ich weiss, das ich sterben werde...noch heute nacht. Und ich weiss auch, dass jemand kommen wird, um sie alle zu töten...sie wird es finden, mein Tagebuch und allen helfen, ist es auch für mich zu spät...ich werde sterben und im Meer der Ewigkeit versinken...Mama, Papa, ich liebe Euch so sehr und ich verzeihe Euch, dass ihr mir nie Glauben schenktet, doch ich wurde dazu geboren, dazu all diese Bosheit herauszufordern, und den Menschen zu finden, der sie alle vernichten wird. Du - unbekannte Fremde - und ich, wir beide sind dazu auserwählt, diese Welt vor ihnen zu retten...und nur wir beide...und sollte einer von uns scheitern, so wird die Welt verloren sein...mein Schicksal ist es zu sterben, denn nur durch meinen Tod wirst du die Möglichkeit haben, sie zu bekämpfen und zu besiegen...sei jedoch auf der Hut vor der Kobra, sie wird sich nicht gleich zu erkennen geben...ihr Biss kann tödlich sein...sei auf der Hut...nun zerbricht das gerade noch so vollkommene Bild vor meinen Augen...ich schmecke bereits das Blut der Toten und spüre der Engels Tränen...

Ich war schockiert, über das, was ich las. Nun war noch ein größeres Rätsel zum Vorschein gekommen und der Fall schien unlösbar. Was hatte sie mit all dem gemeint? Hatte sie wirklich die Fähigkeit, all das Vorauszusehen? Sogar ihren eigenen Tod und das, das ich ihr Tagebuch finden würde? Aber wer waren die Besessenen? Ihre Mitschüler, die Lehrer, oder gar das ganze Internat? War das ganze Internat wirklich voll von lauter Besessenen? Ich hatte langsam das Gefühl, als würde ich den Verstand verlieren. Ich konnte nicht glauben was ich da las und doch fühlte ich mich so sehr zu all dem hingezogen, schon von Anfang an. Doch wenn ich das jemandem erzählen würde, würde man auch mich als verrückt erklären. Doch was meinte Julia mit der Kobra? Wer war sie und warum sollte ich mich vor ihr in Acht nehmen? Vielleicht Frau Hauser, oder gar die Psychologin? Doch das schien zu eindeutig zu sein. Julia meinte, das sie sich nicht gleich zu erkennen gab. Nun zitterte ich am ganzen Leib. Doch nach nur wenigen Augenblicken hörte ich auf daran zu zweifeln, was Julia schrieb, dachte und fühlte, ich zweifelte auch nicht mehr an ihrer Angst. Ich hatte mich damit abgefunden, die Auserwählte zu sein...



Kapitel 4 – Ein Verbündeter und neue Erkenntnisse

Am nächsten Morgen rief ich Tom noch vor dem Frühstück an und erzählte ihm von Julias Tagebuch und von dem was drin stand. Ich vertraute Tom und er war der einzige, der mich nicht für verrückt hielt. Nach meinem Gespräch mit Tom – er sagte mir, das das Blut auf dem Stein auf jeden Fall aus der Tatnacht stammte – war ich nicht schlauer als vorher. Ich war hin und her gerissen zwischen der Realität und den Vermutungen und möglichen Hirngespinsten eines elfjährigen Mädchens.

Später war ich auf dem Weg ins Internat „Sommersonne. Heute wollte ich mich nur umsehen, beobachten, wie sich alle verhielten. Ich wollte keine Fragen stellen, es sei denn, es ließ sich nicht vermeiden. Ich ging erneut in den Garten und setzte mich auf die Bank vor dem Teich. Dann ließ ich meine Gedanken kreisen, versuchte zu erkennen, was hier vor sich ging, versuchte die Wahrheit zu finden. Doch die Wahrheit war, das ich garnicht wusste wonach ich suchte und warum mich das Gefühl nicht losließ, das es hier nicht mit rechten Dingen zuging.

So in Gedanken merkte ich nicht, das der Gärtner auf mich zukam.

„Gibt es Neuigkeiten Frau Andersen?

„Nein, der Fall wurde beendet, die Akte geschlossen, zumindest für die Polizei.

„Ja, habe ich von gehört, aber nicht für Sie, nicht wahr?

„Genauso ist es.

„Hören Sie, Lorelei, ich muss Ihnen etwas wichtiges erzählen, aber das hier ist nicht der richtige Ort dafür...

Ich blickte auf, überrascht von dem, was der Gärtner gerade sagte.

„Worum geht es?

„Gehen wir woanders hin, bitte.

„Na gut, treffen wir uns in einer halben Stunde vor der Herberge, wissen Sie wo die ist?

Er nickte.

Nun war ich gespannt darauf, was Gabriel Hofmann – der Gärtner – mir zu sagen hatte.

Gabriel war pünktlich und gemeinsam gingen wir hinauf auf mein Zimmer.

„Also, fing ich an, „was haben Sie mir wichtiges mitzuteilen?

„Ich weiss nicht so recht, wie ich das erklären soll, wohlmöglich halten Sie mich für verrückt.

„Machen Sie sich keine Sorgen Gabriel, das werde ich bestimmt nicht. Erzählen Sie mir alles, Sie können mir vertrauen.

„Okay, also wo fang ich an...na gut, als Sie mich neulich über Julia befragten, da war ich nicht ganz ehrlich zu Ihnen.

„Wie meinen Sie das?

„Auf die Frage, ob ich etwas ungewöhnliches bemerkt hatte, sagte ich nein, aber...

„...meinten das Gegenteil...?!

„Ja, das ist total verrückt, ich meine ich habe es nicht erwähnt, gegenüber keinem, weil mich sonst alle für Verrückt gehalten hätte...ich meine ich hatte das Gefühl als halluziniere ich...

„Nun lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen, Gabriel, erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.

„Also am Tag, bevor Julia starb, war sie ungewöhnlich ruhig und hat den ganzen Tag in ihrem Zimmer verbracht. Die anderen Jungen und Mädchen aus ihrer Klasse standen die meiste Zeit im Garten am Teich vor Julias Fenster und starrten hinauf. Ihre Augen, sie waren so merkwürdig...

„...vielleicht rot und haben sie auch noch geleuchtet?

„Ja, ja genau...wo...woher wissen Sie das?

„Erklär ich Ihnen nachher. Was haben Sie noch beobachten können?

„Ja...ähm...das war unglaublich, die schienen sich zu unterhalten, aber ihr Münder waren geschlossen und im Garten war es so still, das man sprichwörtlich das Gras hat wachsen hören. Etwas später konnte ich beobachten, wie Julia das Fenster öffnete und versuchte hinunter zu springen...

„Wollen Sie damit sagen, das sie versucht hat sich umzubringen?

„Ja, aber das eine Mädchen aus ihrer Klasse, hat sie daran gehindert, es nicht zu tun.
„Wie, vielleicht durch Gedankenübertragung?

„Nein, sie...sie...sie ist hochgesprungen bis ans Fenster und ins Zimmer aber was dort drin geschehen ist, konnte ich nicht sehen. Ich dachte wirklich, ich sei verrückt. Ein Verrückter unter vielen Verrückten.

„Sie sind nicht verrückt, Gabriel. Und was die anderen angeht, glaube ich eher, das die besessen sind.

Ich erhob mich vom Bett und entnahm aus der Kommodenschublade Julias Tagebuch. Dann las ich Gabriel ihre letzten beiden Einträge vor.

„Das ist Gruselig, sagte er dann.

„Aber da gibt es noch etwas...

„Was?

„Julia hat Selbstmord begangen...ich habe es gesehen...und sie hat es mir vorher gesagt...

„Wie bitte...? Das will ich jetzt bitte aber genaustens wissen...

„Also, in dieser besagten Nacht, konnte ich nicht schlafen weil mich all das verfolgte, was ich am Tag beobachtete. Ich wollte hinunter in den Garten um nachzudenken und um frische Luft zu schnappen. Auf dem Weg dorthin ist mir Julia begegnet. Ich weiss nicht warum, aber sie sprach mich an...

„Was hat sie Ihnen gesagt?
„Es tut mir leid, Gabriel, sagte sie, aber ich kann nicht zulassen, dass die uns alle vernichten. Nur wenn ich sterbe, gibt es Hoffnung. Nur dann wird SIE kommen und uns alle befreien. Es ist nur eine Frage der Zeit. Dann wird es kein Seelenhaus mehr geben...!

„Das hat sie Ihnen gesagt?

„Ja, und dann ist sie den Flur hinunter gerannt. Ich bin ihr natürlich gefolgt. Im Garten ist sie dann gefallen und hart auf einem Stein aufgeschlagen. Wie durch ein Wunder - sie hat zwar geblutet – wurde jedoch nicht ohnmächtig. Jeder andere wäre es durch so einen Aufprall geworden, er hätte sogar tödlich sein können. Jedenfalls stand sie auf und sprang in den Teich. Die Jungen und Mädchen aus ihrer Klasse kamen dazu und wollten sie aus dem Teich fischen doch plötzlich hielten sie sich die Ohren zu, so als würde eine Sirene kreischen, jedoch nur in ihren Köpfen, denn ich hörte nichts. Dann lagen sie da, im Garten auf dem Boden und wälzten sich hin und her. Entsetzen lag in ihren Gesichtern, sie flehten innerlich, das dieses furchtbare Geschrei in ihren Köpfen aufhören sollte. Eines der Kinder verletzte sich sogar leicht an der Hand. Ich glaube durch einen spitzen Stein. Wenige Minuten später trieb Julia an der Oberfläche des Teiches – sie war tot. Die Kinder standen wieder aufrecht, als sei nichts gewesen und bewegten sich in meine Richtung. Damit ich unentdeckt blieb, ging ich zurück in mein Zimmer.

Das brachte alle Tatsachen in ein neues Licht. Meiner Meinung nach hatten die Kinder – die Besessenen – etwas vor, vielleicht sogar mit Julia und nur ihr Tod hatte mich in diese Situation gebracht. Sie hatte nur vorausgesehen, dass sie sterben würde, weil sie es plante, weil sie sich selber das Leben nehmen würde. Und obwohl durch Gabriels Geständnis einige Antworten zu Tage gekommen waren, die vorher im Verborgenen lagen, kamen nun auch wieder neue Fragen zum Vorschein. Was trieb ein elfjähriges Mädchen dazu Selbstmord zu begehen? War sie nun tatsächlich krank, oder war all das real, was sie sah und was ihr Angst machte? Was war das für eine Macht, die sie dazu trieb, sich das Leben zu nehmen? Hatte Sie sich das alles wirklich nur eingebildet? Aber warum konnte es dann Gabriel auch sehen?

„Danke, dass Sie mir das gesagt haben, Gabriel. Ich weiss zwar nicht, was ich nun tun soll, aber ich werde versuchen, Julias Wunsch zu erfüllen.

„Ich weiss auch nicht wie man Besessene vernichtet, vielleicht mit einem Zauberspruch, aber sie sind ja keine Hexe...

„Nein, aber es würde mich nicht wundern, wenn so etwas in mir wäre, bei all dem was hier im Moment passiert, würde mich selbst das nicht mehr überraschen.

Gabriel sah plötzlich traurig aus, seine Augen hatten eine unheimliche Leere. Je länger ich in sie hinein sah, desto mehr wurde mir bewußt, dass ihn das mehr mitnahm, als er zugab.

„Ich muss jetzt gehen, sagte er.

„In Ordnung, Sie haben ja meine Nummer, bitte rufen Sie mich an, wenn etwas ist, ja?!!

„Das werde ich tun.

Dann ging er und ich wünschte, er hätte wenigstens einmal gelächelt...



Kapitel 5 – Narkose

Als ich am Nächsten Tag das Internat und den vierten Stock betrat, wünschte ich mir, ich hätte Gabriel niemals gehen lassen. In seinem Zimmer war es dunkel, die Vorhänge waren zugezogen und die Fenster geschlossen. Es war ein Bild des Grauens. Er hing vor mir, ein dickes Seil um seinen Hals und seine leeren Augen starrten mich an, als wollte er mir etwas sagen. Aber was? Vielleicht weil es ihm Leid tat, dass er das getan hatte? Aber warum hatte er sich umgebracht? Oder war es vielleicht kein Selbstmord sondern Mord?

Jedenfalls würde es mich nicht wundern.

„Guten Morgen, Lorelei.

Ich drehte mich um und sah Friedle.

„Guten Morgen Herr Friedle.

„Und, wie kommen Sie mit Ihrem Fall voran?

„Ich weiss jetzt, dass Julia Selbstmord begangen hat, genau wie er hier. Und das beste kommt noch – Gabriel Hofmann, ihr toter hier, hat es gewußt. Was sagen Sie dazu?
„Woher wissen Sie das?

„Er hat es gesehen. Er hat gesehen, wie sie in den Teich gesprungen und ertrunken ist.

„Er hat was? Das ist doch ein schlechter Scherz. Warum hat er mir nichts davon gesagt?

„Hmm, ich denke, weil Sie ihn sonst für verrückt gehalten hätten!

„Wieso?

„Das kann und will ich Ihnen nicht sagen. Der Fall ist doch abgeschlossen, nicht wahr Herr Friedle?

An jenem Gesichtsausdruck, der er machte, hatte ich das Geheimnis gelüftet. Ich hatte die Identität der Kobra gelüftet.

„Was hat er noch gesehen, Lorelei?

„Er sah, wie die anderen Kinder sich auf dem Boden wälzten, weil Julia es nicht zuließ sie aus dem Teich heraus zu holen. Sie hat vorausgesehen, das sie sterben wird, um damit jemanden zu rufen.

„Das ist doch Blödsinn. Sie glauben doch nicht daran.

Eine Weile hatte ich auch meine Zweifel, doch als ich dann das rote leuchten in Friedle´s Augen sah, wusste ich, dass sich weder Julia noch Gabriel etwas eingebildet hatten.

Als sich Friedle kurz umdrehte verließ ich den Raum. In der Halle angekommen kam eine Frau auf mich zu, sagte

„das soll ich Ihnen von Herrn Kommissar Friedle geben, und überreichte mir etwas, das in einem Taschentuch eingewickelt war. „Es tut mir leid, sagte sie und verschwand durch eine Tür. Ich konnte mich noch an einen stechenden Schmerz erinnern und als ich das Taschentuch samt Inhalt fallen ließ, bluteten meine Handflächen. Kurz danach war alles dunkel...

Langsam schlug ich die Augen auf. Wo war ich nur und wieviel Zeit war seid meiner Ohnmacht vergangen?

Ich blickte mich um. Überall war Wüste. Wo in Gottes Namen war ich? In Deutschland durfte es nicht gewesen sein, denn dort gab es keine Wüste. Ich stand auf und blickte auf meine Handflächen. Das Blut war mittlerweile getrocknet, doch die Wunden schmerzten immer noch. Ich blickte hinauf. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte auf meinen Kopf.

Mit Schmerzverzerrtem Gesicht ging ich Schritt für Schritt bis ich an eine Straße kam – eine Landstraße. Mir kam es zwar wie eine Ewigkeit vor, aber es dauerte nur wenige Minuten, bis ein Wagen kam und anhielt.

„Wie kann ich Ihnen helfen?, fragte der Mann im Auto auf englisch.

„Können Sie mir sagen, wo ich bin?

„Ja, Sie sind in Texas, Mam, etwa 20 Meilen vor Houston. Was ist passiert?

„Ich habe keine Ahnung, wie ich hier hin gekommen bin. Oh mein Gott, Texas...
„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, soll ich Sie mit nach Houston nehmen?

„Ja, das wäre klasse.

„Dann steigen Sie mal ein Miss...?!

„Andersen, Lorelei Andersen.

„Also gut, Lorelei, ich bin John. Willkommen in Texas.

Als ich zu John in den Wagen stieg und wir auf dem Weg nach Houston waren, erzählte ich ihm, was vorgefallen war. Und ich ließ kein Detail aus.

„Sie denken jetzt bestimmt, ich sei verrückt.
„Nein.

„Nein?

„Nein, sollte ich?!

„Eigentlich schon, ich meine das klingt doch verrückt. Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.

Sobald wir in Houston ankommen würden, würde ich als erstes Tom anrufen. Aber was, wenn es zu spät war, bis Tom hier sein konnte? Auch schon allein wegen Lisa. Was, wenn Sie bis dahin ihren teuflischen Plan längst ausgeführt hätten? Ich musste sofort handeln.

„Ähm, John, ähm, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?

„Klar.

„Ähm...könn...könnten Sie...könnten Sie mir ein bisschen Geld für ein Flugticket nach Deutschland borgen? Ich...ich zahl es Ihnen auch doppelt zurück...

John lächelte nur.

„Gerne.

„Ähm...Sie leihen es mir wirklich?

„Ja.

„Wieso?

„Wieso?

„Ja, wieso?

„Nun, einer muss doch die Welt retten, und wenn es nach Julia ginge, dann sind Sie wohl diejenige, Superwoman...

„Ich...ich bin nicht Superwoman...ich weiß noch nicht einmal, was ich tun soll, wie tötet man eigentlich Besessene? Ich bin doch keine Hexe oder so, ich kann nicht zaubern...

„Vertrauen Sie auf Ihren Instinkt und folgen Sie ihrem Herzen, dann werden Sie schon raus finden, wie man Besessene tötet. Vielleicht müssen sie die auch nur befreien, wie in der Exorzist.

„Sie machen Scherze?

„Nein. Sollte ich?

„Das war doch nur ein Film, und ich glaube nicht, das die etwas mit dem Teufel zu tun haben. Oder doch?! Ich meine warum bin ich dann auserwählt worden. Ich bin doch kein Priester oder so. Und ausserordentlich gläubig bin ich auch nicht. Nein, das ist etwas anderes, kein Exorzismus.

Wenige Stunden später waren John und ich am Flughafen von Houston.

„Warum tun Sie das für mich, John?
Er lächelte nur und küßte mich auf die Wange.

„Denk immer daran, das nichts auf der Welt zufällig passiert. Alles ist Schicksal. Und dein Schicksal ist es nun mal, diesen Dämonen kräftig in den Arsch zu treten. Also, Lorelei, du solltest jetzt wohl am besten in die Maschine steigen und die Welt retten. Wir alle zählen und hoffen auf dich.

Erneut küßte er mich, diesmal jedoch auf den Mund. Dann ging ich, wollte in das Flugzeug steigen und zurück nach Deutschland fliegen. Ich drehte mich noch ein letztes mal um, wollte ihn, seine wundervollen Augen noch einmal sehen. Doch er war nicht mehr da, er war einfach fort. Es war wohl wirklich Schicksal. War er vielleicht mein Engel in Not? Hatte ihn vielleicht Julia geschickt? Ich war fest davon überzeugt, dass er ein Bote des Himmels, ein Bote Julias gewesen war.

Als ich im Flugzeug saß, freute ich mich am meisten, Tom bald wieder zu sehen, den ich vor dem Abschied von John noch anrief. Und ich freute mich auf Lisa.

Dann kam mir Julias Tagebuch wieder in den Sinn. Auch der Eintrag über die Kobra.

Ich war mir nun auch sicher, dass Gabriel keinen Selbstmord begang. Ganz sicher hatte Friedle – die Kobra – das alles so aussehen lassen. Keinem würde es je auffallen, erst recht nicht, wenn das ganze Internat aus Besessenen bestand. Aber warum? Weil er es gesehen hatte? Julias Selbstmord. Und es nicht verhindert hatte? Nun machte alles einen Sinn. Ich war mir sicher, dass sich Friedle vor den Sirenen fürchtete und geglaubt hatte, Gabriel hätte sie heraufbeschworen. Dann schloss ich meine Augen und schlief den restlichen Flug über.



Kapitel 6 – Der Schrei der Sirenen

Ich fiel Tom in die Arme, als er mich am Flughafen abholte. Es war schön, ein Vertrautes Gesicht zu sehen.

„Wo ist Lisa? Wie geht es ihr?

„Sie ist bei ihrer Mutter, die heilfroh ist, dass es Lisa gut geht. Sie war auch darüber froh und dankbar dafür, dass du Lisa nicht im Internat gelassen hast.

„Waren meine Sachen noch alle in der Herberge, Tom?

„Ja, war noch alles da. Sogar Julias Tagebuch.

Ich war erleichtert. Zusammen fuhren wir in Tom´s Haus. Dort duschte ich kurz und legte mich dann schlafen. Am nächsten Tag würde ich ein letztes mal in das Internat „Sommersonne gehen und all das vernichten, wovor Julia sich so sehr fürchtete, all das, was Julia dazu trieb, Selbstmord zu begehen. Obwohl ich beim besten Willen nicht wusste, wie ich das anstellen sollte. Dann dachte ich an die Worte von John und schlief mit dem Gedanken an sein Lächeln ein.

Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, als ich im Auto saß und auf dem Weg ins Internat war. Auch ein Gefühl der Ungewissheit schlich sich in mich. Ich zitterte und Schweißperlen standen auf meiner Stirn. Was würde mich dort wohl erwarten? Und wo zum Teufel steckte Friedle? Sollte er tatsächlich die Kobra sein, vor der mich Julia gewarnt hatte, und deren Gift mich nach Texas brachte? Doch ich fragte mich, warum er mich nicht auch getötet hatte, sowie Gabriel? Was, wenn auch ich die Fähigkeit hatte, die Sirenen singen zu lassen? Warum nur ging er nicht auf Nummer sicher? War er denn wirklich so naiv?

Vor dem Internat hielt ich an. So, wie es nun vor mir stand, hatte ich es noch nie gesehen. Graue Wolken warfen einen unheimlichen Schatten auf das Gebäude und es kam mir vor, als würden sich die Türen und Fenster bewegen, ohne sich zu öffnen. Eigentlich schien sich alles zu bewegen, das Haus, die Bäume und Sträucher davor, ebenso wie das große Tor.

Langsam ging ich auf das Tor zu. Ich wollte es öffnen, aber es war verschlossen. Das hielt mich jedoch nicht von meiner Mission ab, also kletterte ich darüber.

Nun war ich auf der anderen Seite und sobald ich das Innere des Internats erreichen würde, gäbe es kein Zurück mehr. Ein kalter Wind fuhr über mich und ließ mich noch mehr erschauern. Ich rechnete fest damit, dass die Einganstür ebenfalls verschlossen war, aber zu meinem Erstaunen war diese offen.

Die große Tür knarrte beim öffnen. Langsam trat ich hinein. Doch was würde ich tun, wie würde ich vorgehen? Ich wusste es nicht. Ich beschloss einfach meinem Herzen zu folgen, wie es John gesagt hatte.

In der Eingangshalle brannte kein Licht, alles war dunkel und als ich meine Taschenlampe hervor nahm, bemerkte ich, dass der Empfang nicht besetzt war. Mit langsamen Schritten ging ich darauf zu, als ich hinter mir plötzlich ein Geräusch hörte. Ich knipste die Taschenlampe aus, ging schneller auf den Empfang zu und versteckte mich dahinter.

Von dort aus konnte ich beobachten, wie Frau Hauser und Jürgen Friedle die große Marmortreppe herunter kamen. Sie sprachen nicht miteinander, sondern gaben sich nur Zeichen. Frau Hauser ging auf die Eingangstür zu und verriegelte diese.

Nun saß ich tatsächlich in der Falle. Und obwohl ich schon so oft hier war, war ich immer noch nicht so sehr mit dem Gebäude vertraut.

„Sie ist bereits hier, bereiten Sie alles vor, sagte Friedle schließlich.

Ohne Worte ging Frau Hauser die Marmortreppe wieder hinauf. Friedle sah sich kurz um und folgte ihr darauf. Ich blieb noch hinter dem Empfang und nahm Julias Tagebuch aus meiner Tasche hervor. Nur um sicherzugehen, dass ich nichts wichtiges übersehen hatte, überflog ich es nochmals. Nachdem ich mir ihre letzten beiden Einträge zum X-ten male durchgelesen hatte, legten sich, wie durch Zauberhand, folgende gold-leuchtende Buchstaben in Form jenen Satzes auf das leere Papier:

GEH IN DEN KELLER

UND ÖFFNE DORT ERNEUT

DAS TAGEBUCH ð

Ich ging davon aus, das der Pfeil mir den Weg in den Keller zeigte.

Langsam kroch ich vor den Empfang und ging auf die Kellertür zu. Die Taschenlampe schaltete ich erst wieder ein, als ich vor der Kellertreppe stand und die Tür hinter mir schloss.

Dann öffnete ich erneut das Tagebuch. Dort stand nun:

GEHE DIE TREPPE HINUNTER

ò

Das tat ich dann auch. Wie in jedem anderen Keller, war es auch hier ziemlich unheimlich. Meine Nackenhaare standen hoch und überall hatte ich Gänsehaut.

Das Tagebuch offen in meiner Hand haltend, setzte ich einen Fuß vor den anderen.

„Lorelei... Lorelei...ich bin hier..., hörte ich plötzlich jemanden rufen. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass die Stimmen nur in meinem Kopf waren.

„Lorelei...

War es Julia? War sie es, die mich rief?

„Lorelei... Lorelei...

Ich folgte dem Ruf bis in den Heizungskeller. Als ich diesen betrat, stockte mir der Atem. Vor mir stand ein Mädchen, dessen Haare wie Gold glänzten, dessen Augen wie Sterne funkelten und dessen Körper, dessen ganzes Erscheinungsbild, fast wie Glas war.

„Hab keine Angst, Lorelei...

War es tatsächlich Julia, die vor mir stand? Wahrscheinlich. Nun war ich wie gelähmt, konnte mich nicht bewegen. Sie schwebte langsam auf mich zu, immer mit einem Lächeln auf ihrem blassen Gesicht. Bevor ich mich versah, war sie eins mit mir und ich eins mit ihr. Sie war in meinen Körper eingedrungen.

Ich verließ kurz darauf den Heizungskeller und ging zurück in die Eingangshalle. Plötzlich standen hunderte von Kinder, die Lehrer und an erster Stelle Jürgen Friedle in der Halle vor mir. Ich schloss die Augen und plötzlich kam jenes Bild vor meinem Geistigen Auge. Ich sah Julias ganzes Leben vor mir wie ein Film durchlaufen. Ihre Geburt, die Einschulung hierhin. Sogar ihre hysterischen Anfälle, bis hin zu ihrem tragischen Selbstmord. Nun verstand ich auch, was Gabriel mir sagte...

Nun öffnete ich die Augen wieder und breitete meine Hände, mir den Handflächen nach vorne, aus. Ein starker Wind umschloss die Halle. Meine Haare flogen und aus meine Augen trat ein helles Licht hervor. Alle Kinder, die Lehrer und Friedle hielten sich plötzlich die Hände an die Ohren und fielen nacheinander auf den Boden. Dort wälzten sie sich hin und her, gequält von dem Schrei der Sirenen.

Ich bemerkte kaum, dass ich schwebend die Halle und das Internat verließ...



Kapitel 7 – Das Ende von „Sommersonne

Vor dem Internat kam ich wieder zur Besinnung. Ich konnte durch mein Inneres Auge sehen, dass alle in der Halle lagen und den Schlaf der Sirenen vollzogen. Ich hatte nun nicht mehr viel Zeit um meine Mission zu beenden. Ich sprang hinauf in den vierten Stock in Gabriels Zimmer. Dort lag immer noch seine Leiche, schon fast verwest. Ich legte meine Hand über sie und danach war sie verschwunden. Wie ein Geist schlich ich durch das Internat. Irgendwie war ich nicht mehr Herr meiner Sinne und doch war mir bewusst, was ich tat. Ich blickte aus dem Fenster, als ich im dritten Stock in Frau Hausers Büro war. Die Wolken am Himmel waren nun nicht mehr grau, sondern Pechschwarz. Es blitzte, donnerte und regnete wie aus Kübeln.

„Lorelei, helfen Sie mir...

Ich drehte mich um. Doktor Cornelia Klaus stand in der Tür und hatte eine stark blutende Kopfwunde.

„Ich will das nicht...bitte Lorelei...helfen Sie mir...

„Was ist passiert, Dr. Klaus?, fragte ich, blieb jedoch auf Distanz. Ich konnte ihr nicht trauen, nicht in einem Haus voller Besessenen.

„Sie müssen mir glauben, ich bin nicht mehr wie die, bitte...sonst...sonst wäre ich doch auch da unten...und...würde auf dem Boden liegen...

Irgendwie klang es logisch, erklärte jedoch nicht, warum sie so zugerichtet war.

„Wer hat Ihnen das angetan?

„Es waren Die, diejenigen, die man die Besessenen nennt. Aber in dem Fall nicht...nicht den Exorzismus meint. Sie sind nicht vom Teufel besessen.

„Wovon dann?

„Von den Seelen der Unschuldigen. Ihre Existenz hängt davon ab.
Was heißt das genau?

„Das heißt, das der Geist, die Kreatur, in eine Person einfährt und sich in ihrem Körper von dessen Seele ernährt. Das können sie jedoch nicht auf Dauer.

„Was passiert, wenn eine Seele verbraucht ist?

„Der Körper fängt an, von Innen zu verbluten und der Geist der Kreatur wird in das Vinorum verbannt.

„Wohin?

„In das Vinorum. Das ist eine Zwischenwelt. Und zwar zwischen der realen Welt der Menschen und der Welt, die sich Erenor nennt. Das ist die Welt, in der die Kreaturen leben.

„Warum bleiben sie nicht einfach dort und kommen stattdessen in unsere Welt?

„Weil ihre Welt schwindet. Jede Kreatur, die keinen Seelenkörper findet, wird direkt in das Vinorum verbannt. Und ist man erst einmal dort, gibt es kein Entkommen mehr. Man sagt, diese Welt wird von Dämonen regiert, deren Schreie entsetzlicher sind, als alles andere, was man sich vorstellen kann...

„Die Sirenen...

„Ja. Der König der Dämonen hat die Welt der Erenoraner vor kurzem entdeckt und ihren höllischen Plan, die Herrschaft über alle Welten zu übernehmen.

„Sind diese Dämonen nicht böse?, wollte ich wissen.

„Nein, sie sind weder Gut noch Böse. Sie wachen über alle bösen Seelen. Das heisst, wenn in irgend einer Welt, ein Mensch oder eine Kreatur sein ableben findet, kommt seine Seele in das Vinorum wo sie für alle Ewigkeit für all die Taten die sie begangen hat bestraft wird. Jede böswillige Seele oder Kreatur fürchtet sich vor dem Schrei der Sirenen.

Ihre Stimme wurde schwächer. Sie hustete und röchelte.

„Woher wissen Sie das alles?, fragte ich sie. Ich ging dabei auf Sie zu und begleitete sie zum Bürosessel. Dort nahm sie Platz.

„Ich bin einmal einer von Ihnen gewesen, es ist nur einige Stunden her...

„Wie wollen diese Erenoraner die Herrschaft über diese Welt nehmen, wenn ihnen die Seelen der Menschen ihren Hunger nicht auf Dauer stillen kann? Das macht alles keinen Sinn.

„Es gibt eine Möglichkeit und nur eine, wie sie das schaffen können...
Und die wäre?

„Ein weibliches, reines Wesen, vom Geiste der Erenoraner verschont und mit der Gabe der Übersinnlichkeit, sollte als Opfer dienen. Wenn dieses Wesen in das Vinorum verbannt werden würde, wäre es für immer zerstört und der Hunger der Kreaturen für immer gestillt. Das hieße, dass es nur noch böses auf der Welt und keinen Tod mehr geben würde.

Doktor Klaus wurde immer schwächer.

Nun wurde mir einiges klar. Julia sollte das Opfer sein und nun, wo sie tot war...sie brauchten mich...deshalb sollte Frau Hauser alles vorbereiten, sie hatten auf mich gewartet, deshalb hatten sie mich nicht getötet. Sie brauchten Zeit und keinen, der sich in ihre Pläne einmischte.

„Wie kann man sie vernichten und gibt es eine Chance für die Körper und deren Seelen?

„Nein, denn sobald der Körper von der Kreatur befreit ist, passiert mit ihnen dasselbe wie mit mir – sie werden innerlich verbluten – ein schrecklicher Tod. Es gibt nur eine Möglichkeit, sie zu vernichten.

„Und die wäre?, fragte ich neugierig und bettelte innerlich darum, sie würde es mir noch sagen können, bevor es mit ihr zu Ende ging.

„Wenn die Körper der Menschen brennen, entweichen die Kreaturen aus ihnen direkt in das Vinorum. Doch achte darauf, dass sie durch die Sirenen betäubt sind, denn nur dann, wenn die Menschen schlafen, erleichterst du ihr sterben. Der Fürst jedoch – Kommissar Friedle – kann man so nicht verbannen. Du musst deine Hand über ihn halten und den Satz ANASTA VINORUM ECUSA aussprechen. Damit verhinderst du gleichzeitig den Orientierungssinn der übrigen Erenoraner. Sie werden hin und her gerissen sein und sie werden sich nicht gegen das Feuer wehren können. Doch achte darauf, dass du dich konzentrierst. Du musst dich auf jede einzelne Seele, jeden einzelnen Körper hier konzentrieren, denn solltest du nur einen vergessen, so kann dieser innerhalb von nur zwei Tagen eine ganze Kolonne gründen. Du darfst nicht versagen, sonst sind wir alle der Verdammnis ausgeliefert und du - liebe Lorelei - du wirst die Ewigkeit der gepeinigten Seelen erfahren...
Das waren ihre letzten Worte. Sie war tot, starb in meinen Armen.

Nun wusste ich, was zu tun war. Ich ging zurück in die Halle. Dort lagen immer noch alle auf dem kalten Marmorboden, betäubt von den Sirenen der Dämonen aus der Zwischenwelt, die sich meinen Körper – ebenso wie vorher den von Julia – ausliehen um die Kreaturen davon abzuhalten uns zu verbannen, uns zu opfern. Ich betrachtete die ruhenden Körper der Kinder. Warum mussten es ausgerechnet Kinder sein? Sie waren doch noch so jung und hatten ihr ganzes Leben doch noch vor sich. Aber leider konnte man nun daran nichts mehr ändern. Ich ging zu Friedle. Ich wusste nun, welche Kraft in mir war. Ich tat das, was mir Dr. Klaus sagte. Ich legte meine Hand über Friedle´s Körper und sagte: „ANASTA VINORUM ECUSA! Ich beobachtete wie ein Schleierartiges Wesen aus seinem Körper auffuhr. Kurz danach öffnete Friedle die Augen und blickte zu mir hinauf. „Ich habe ihn getötet...Gabriel...ich war es...

„Ja, ich weiß.

„Sie sind eine viel bessere Polizistin als ich...Danke...danke für alles...

Meine Hand lag immer noch über seinem Körper. Ich betäubte ihn, damit er nicht leiden musste.

Bevor ich das Internat verließ, ließ ich erneut die Sirenen erklingen, damit die Kreaturen, ebenso wie die Körper und Seelen der Menschen, betäubt waren.

„Wenn ihr schon sterben müsst, dann wenigstens Schmerzfrei, sagte ich und verließ das Internat.

Nun stand ich wieder vor dem verschlossenen Tor und erinnerten mich daran, wie alles anfing. Und in wenigen Augenblicken würde von all dem hier nichts mehr übrig sein.

Ich schloss die Augen, streckte erneut die Hände zur Seite und konzentrierte mich auf die Kreaturen und auf die Seelen und die Körper der Menschen im Inneren des Internats.

Dann explodierte das Gebäude von Innen heraus. Fenster zersprangen, Balken brachen übereinander und über dem Haus konnte man die Silhouetten der Kreaturen – der Erenoraner – sehen, wie sie in das Vinorum verbannt wurden.

Es dauerte nicht lange, bis von „Sommersonne nichts weiter als ein Haufen Asche übrig blieb. Der Wind der nun über all dem aufkam löschte in wenigen Augenblicken alle Erinnerung aus den Köpfen der Menschen. Vor allem aus denen der Angehörigen. Es war so, als hätten sie nie ein Kind oder Verwandten gehabt. Tom, ich und auch John waren die Einzigen, die sich noch daran erinnern konnten.

Als dies nun alles vorbei war, kam Julias Geist wieder aus meinem Körper heraus.

„Danke, danke für das Leihen deiner Kräfte, sagte ich.

„Oh nein, Lorelei, es waren Deine Kräfte, nicht meine. Die deinen sind überragender, als es meine je waren. Und als ich starb, starben sie mit mir..., sagte sie und verschwand.

Dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr zurück zu Toms Haus.



Kapitel 8 – Eingeständnis und Berufung

Ich saß in Tom´s Badewanne und wusch mir den Dreck und den Ruß dieser Ereignisvollen Nacht von der Haut. Nur in meiner Erinnerung blieb es und egal wieviel Seife ich benutzte, daraus konnte ich es nicht waschen.

Tom kam ins Bad.

„Soll ich dir den Rücken schrubben, Schwesterherz?

„Ich bitte darum. Hey, was sagst du nun dazu? Ich meine dass du jetzt eine Schwester hast, die magische Fähigkeiten besitzt.

„Ganz ehrlich?

„Ja, ganz ehrlich.

„Ich find´s klasse!

„Wirklich?
„Ja.

„Und wir arbeiten weiterhin zusammen?

„Ja.
„Ja?

„Ja!

„Schön.

„Find ich auch.

Es war schön, dass es einen Menschen auf der Welt gab, der immer zu mir hielt und auf den man sich verlassen konnte. Später stellte sich heraus, das da noch ein zweiter war und den würde ich bald aufsuchen...

„Hey, bist du sicher, dass wir hier richtig abgebogen sind? Mir kommt es vor, als seien wir schon mal hier gewesen, sagte ich zu Tom.

Er lenkte den Ford Escord in die nächste Abbiegung.

„Das kommt dir nur so vor, Lorelei. Hier sieht doch alles gleich aus. Wüste eben...

„Ach meinst du?

„Ja.
„Ich sag dir, wir haben uns verfahren... Ich konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Vor uns auf der Straße stand ein blauer Pick Up, der mir irgendwie bekannt vor kam.

„Halt mal dort an. Los, der braucht vielleicht unsere Hilfe.
Als Tom anhielt, war mir sofort klar, warum ich diesen Pick Up kannte – es war John.

Voller Freude ihn wieder zu sehen, stieg ich aus dem Ford und fiel ihm direkt in die Arme.

„Es ist so schön dich wieder zu sehen, John, sagte ich.

„Und es ist schön, dich wieder zu sehen, Lorelei.

Ohne groß zu zögern, küßte er mich.

„Wir haben Dich schon gesucht, sagte Tom, der nun dazu kam.

„Ich bin Tom, Tom Andersen, Lorelei´s großer Bruder.

„Hallo Tom, schön dich kennen zu lernen. Was macht ihr hier? Ihr seid doch nicht extra wegen mir hier her gekommen, oder?

„Unter anderem. Wir sind hier her gezogen, vor drei Wochen. Hab mir dort drüben, 10 Meilen außerhalb von Houston eine kleine Ranch mit ein par Pferden gekauft, sagte Tom.

„Das ist nicht Euer Ernst, John konnte es kaum glauben.

„Doch, das ist es. Und nun hilft Superwoman Dir.

Es war so schön wieder bei John zu sein. Auch wenn es solange dauerte, bis wir uns wiedersahen, es hatte sich gelohnt.

Später saßen wir auf der Veranda unserer Ranch, tranken kühles amerikanisches Bier und sprachen über die Ereignisse, dir rund um „Sommersonne passierten.

„Das ist kaum zu glauben, sagte John und tat so, als ob er nichts wüßte.

„Ich war fest davon überzeugt, daß Julia dich geschickt hat, tja, so kann man sich irren...

„Du hast dich nicht geirrt...Julia hat mich tatsächlich geschickt.

„Ach, warum hast du mir das nicht gesagt?

John zuckte nur mit den Schultern.

„Sie sagte, du seihst, genau wie ich, ein Patron der Seelen und das du meine Hilfe brauchst...
„Ein was?
„Ein Patron der Seelen.

„Was ist denn das? Hatte sie nie erwähnt...

„Das heisst, wenn irgendwo Seelen in Gefahr sind, sind wir, die Patronen der Seelen, dazu da, ihnen zu helfen.

„Das heisst, du hast auch so...na ja...so magische Kräfte eben...?

„Ja. Und dein Bruder auch...
„Du auch?

„Ja...
„Warum habt ihr mir nichts davon gesagt?
„Weil du es selber herausfinden solltest.

Ich war baff. Kaum zu glauben, daß die beiden mir das verschwiegen hatten.

„Es war uns untersagt, dir etwas zu sagen.
„Untersagt? Von wem?
„Vom Hohenrat der Patronen. Unseren Bossen in der Welt Kalanae?

„Schön, dass ich das auch mal erfahre. Find ich wirklich klasse.

Die beiden lachten.

„Was gibt es hier zu lachen? Ich find´s nicht witzig.

„Hey, tut uns ja leid, aber so lautete der Befehl.

„Sind wir hier bei der Navy, oder was?

„Du sollst übrigens in einer Stunde vor den Rat treten?
„Na klasse, Tom, und wann wolltest du mir das sagen?

„Na, ich sag es dir doch jetzt.

„Witzig, wirklich sehr witzig.

Eine Stunde später stand ich nun tatsächlich vor dem Hohenrat der Patronen. Die Männer und Frauen vor mir waren alle Weiß gekleidet und saßen im Halbkreis auf Stühlen aus durchsichtigem Glas. Mir kam es vor als stünde ich vor dem Rat der Jediritter, so sehr erinnerte mich das alles an Star Wars.

„Ich möchte dich herzlich Willkommen heißen, Lorelei, sagte das Oberhaupt des Rates (Master Joda – oh nein, das war verrückt).

„Ich danke Euch.

„Wie du nun erfahren hast, bist du ein Patron der Seelen und bis jetzt der mächtigste von allen. Deine Kräfte sind überragender, als alle anderen, die ich bis jetzt gesehen habe. Du wirst noch so vielen damit helfen.

„Ich wäre Euch dankbar, oh, jetzt hatte ich ihn tatsächlich fast Master Joda genannt.

„wenn ihr mir das genauer erklärt.

„Viel gibt es da nicht zu erklären. Du hast außerordentliche Fähigkeiten. Wenn du in einer Situation bist, sagt dir der Geist deines Patrons, was zu tun ist. Keiner kann genau wissen, was für Fähigkeiten er hat, das ist ja genau das, was einen Seelenpatronen ausmacht. Und denke daran, du kannst immer was dazu lernen.

„Ich danke Euch.

Er gab mir ein Amulett, und legte seine rechte Hand auf meinen Kopf, als ich vor ihm kniete.

Er flüsterte etwas auf eine andere Sprache, die ich nicht verstand und sagte anschließend:

„Nun kannst du wieder gehen, du bist jetzt dafür bereit, für das Gute, und für die Seelen zu kämpfen.

Nun gestand ich mir endlich ein, dass ich auserwählt worden war, dazu berufen war, all dies zu tun, dass zu sein, was ich nun mal war und immer noch bin – Ein Patron der Seelen...



(geschrieben von Andrea Rebecca K.)

Der Zweite Tei - Der Seelenpeiniger - ist bereits in Arbeit und wird auch demnächst hier zu lesen sein. Und darauf folg noch ein Dritter Teil - Seelentanz- auch bald hier zu lesen!!!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.05.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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