Vommie Schwain

Der schlimmste Tag

So ein mieses Wetter. Der Regen peitschte ihm peitschend ins Gesicht. Es schmerzte, was tat es weh. Es war wie wenn es Messer hageln würde. Ungefähr, in etwa, so kann man das schon sagen. Und er, ungeschützt ohne Kleidung, total Nackt, rennt da durch den Regen und mag garnicht daran denken, was ihm heut alles passiert ist. Es war ein harter Tag.

Doch lasst uns die Zeit nochmal etwas zurückschrauben, zurückschreiben zu dem Tag, als alles began.

Es war ein regnerischer Tag. Es regnete in Binnfäden, und er lief mittendurch, denn die Bahn fuhr nicht, es war Streik. So musste er laufen, von der Schule nach Hause, vorbei an der Bäckerei. Hmmm, was roch das gut. Als er zuhause ankam, war er total zernässt. Er schmiss seine pitschnasse Jacke auf den Boden und schlenderte mit seinen sabbernden Socken in die Küche, um sich ein warmes Süppchen zu kochen. Doch oh weh, kein Suppenpulver mehr da. Er musste also wieder raus, raus aus dem haus, rein in den Regen.

Im Supermarkt fand er keine Suppe, also fragte er eine nett dreinblickende Verkäuferin.

"He sie, habt ihr Suppe da?" fragt er auf Zehenspitzen stehend.
"Suppe? Ne. Sowas haben wir nicht. Da müssen sie zum Chinesen".

Mist. Also weiter durch den Regen zum Chinesen.

Auf dem Weg zu dem kommt ihm so'n Typ entgegen, der schaut ihn schief an, mustert ihn, und sagt voll Zorn:

"Weißt du wie du läufst? Du läufst wie'n PENIS" da lacht er.
"Wie was?!" geschockt, weil selbst einen hat, hakt er nach.
"Wie'n Pimmel, man!"

Oh man. Was sind nur für Leute unterwegs. Dies ist eine verrückte Stadt, er mag sie nicht. Sie ist dreckig, und die Leute schauen böse, manche freundlich, aber auch die böse, alle schauen böse. Nur er, er hat stetig ein nettes, zuvorkommendes, geradezu packendes Lächeln auf seinen Lippen. Wär er ein Tier, er wär ein Fisch, beispielsweise ein Delfin oder ein Krustentier wie Krebse oder eine Alge - Jedenfalls etwas, was man mit guter Laune verbindet.

Und weil er diese Stadt nicht mag, nein, fast könnte man sagen, sie missfällt ihm - darum will er hier Weg. Er spart schon seit Jahren um aus dieser Stadt zu kommen, aber er brauch noch eine weile, damit er sich ein Bahnticket leisten kann. Immerhin kriegt er nur ein paar Euro Taschengeld im Monat.

Er kommt beim Chinesen an.

"Hallo, halt du Luppe la?" sagt er, und meint es Scherzhaft, sagt der Japaner:
"Hallo, halt du Lehirn la?". Mürrisch.

Er schaut also selber nach Suppe, sie haben... 4 Euro. Die hat er. Er kauft also Suppe. Dann geht er heim und kocht sich eine Suppe. Mittlerweile regnet es nicht mehr, und die Suppe lässt ihn schwitzen, weil die Sonne rausgekommen ist und es ziemlich schlagartig eine Gradwanderung von mehreren Grad gab, es dürften nun 30° im Schatten sein, in der Sonne vielleicht noch mehr - aber gottseidank ist es Schattig in seinem Zimmer, er hat den Rolladen unten und die Vorhänge zu. Er sitzt gerne im dunkeln, er hat Licht an.

Vollgemampft liegt er in seinem Bett und lümmelt vor sich hin. Denkt an dies und das. Nur nicht an jenes - jenes monströse Unheil, dass sich bald anbahnen wird, wovon er aber noch nichts weiß, doch plötzlich klopft es, seine Mutter.

"Hey Gabi, ich koch gleich Suppe, willst du mitessen?" sagt seine Mutter die im Krankenhaus arbeitet und meistens nur Nachts kommt, wenn überhaupt. Sie muss oft Nachts arbeiten und ist darum nicht oft da.

"Oh Man.. Nein. Ich hab schon gegessen. Man." Er regt sich auf weil er gerade beim Chinesen war, und jetzt kommt seine Mutter mit Suppe. Das Unheil beginnt genau hier, wenn auch noch sehr schwach, aber es zeichnet sich schon deutlich ab, immerhin hat es geregnet und dann schwitzte er, man, ist er gefrustet, er steht aus dem Bett hoch auf und haut die Tür zu, seine Mutter ist noch drinnen im Zimmer.

"Was ist denn los, kleiner? Irgendetwas scheint dich zu bedrücken" sagt seine Mutter. Sie hat immer ein offenes Ohr für ihn, denn sie weiß das Jugendliche oft im Krankenhaus landen, wenn sie nicht genug aufmerksamkeit bekommen - und sie will nicht das sein kleiner Gabi im Krankenhaus landet, nein, sie ist eine Spitzenmutter.

"Es ist nichts, jetzt geh bitte Mutti, ich wollte noch rüber zum Paul hausaufgaben machen" sagt Gabi.

"OK" sagt seine Mutter, mit einem nicht zu unterschätzendem Besorgten gesicht.

Und geht raus.

Er geht auch raus, zu Paul um besagte Hausaufgaben zu machen, aber das war nur eine Lüge, eigentlich wollen sie Playstation spielen, die Hausaufgaben waren nur ein Vorwand damit seine Mutter nicht denkt er wäre untüchtig. Es ist ihm sehr wichtig was seine Mutter von ihm hält, aber sie dabei anlügen? ich weiß nicht... Er kommt bei Paul an, er klingelt an der Tür von Paul und der kommt auch glatt und mach auf.

"He Gabi, was geht, was suchst du'n hier, he?" Uhhh, das klingt fast so als hätte da jemand ein schlechten Tag gehabt.

"Nich gut drauf? Wollten doch Playstation zocken!" sagt Gabi, ganz verunsichert, so hat er Paul noch garnie erlebt. Normal ist Paul immer total freundlich, weil er arbeitet in einem Schlachtereibetrieb und wenn er nicht freundlich ist dann wird ihn sein Chef feuern, das alte Schwein, ja! Ein Schweinechef in einer Metzgerei.

"Ach, komm rein! Ich erklär dir alles bei einer Tasse trinken"

Sie gehen rein und die Treppen hoch in den 3. Stock, es ist der Speicher eines gemütlich ausschauenden einfamilienhauses, Neubaugebiet. Es gab einige Proteste von Natürschützern als das Neubaugebiet geplant war, aber das hat die Stadt nicht interessiert. Früher tobte hier das Leben, heute wohnen hier Menschen - so ist das. Doch das Haus ist von schöner architektonischer Gestalt, man vermag es kaum zu beschreiben, so hohe Anforderung stellt es an eine angemessene Schilderung in Wort und Gestik.

Als sie in Pauls Zimmer sitzen bei einer Tasse Trinken fängt auch Paul gleich alsdann zu verzählen:

"Du weißt doch, heut war das Sportfest in der Schule. Und ich renn so wie der Blitz über die Aschebahn, voll auf Rekord aus, da fetzt's mich hin und Schleif mir mein Gesicht zu Kohle - Total hingefratzt, und alle anderen Sprinter auch noch über mich drüber gerannt, alle Lehrer und Schüler standen da und haben mich ausgelacht. Ich lag da, unter schmerzen windend, schmerzen der Pein, verstehst du? Das sind die schlimmsten schmerzen! die Psychichen!"

"Oh das ist gar schrecklich! (kicher kicher) voll auf die Fresse?" Das ist aber echt mies dass Gabi da jetzt sich einen ins Fäustchen Kichert, findet auch Paul, und fängt voll an wütend zu heulen und sagt

"Boah Gabi, du bist echt das letzte. Seit du dieses Fahrrad hast, bist du echt so scheißarrogant geworden, ne!! Komm, geh!! Geh!!! G! Gee!! Geeehh HAÖÖ ÖÖ ÖÖÖÖööööööööööö HSHSHSHS "

flippt Halt total aus der Alte und Gabi hockt so draußen vor'm Haus und grübelt. Ja, das Fahrrad hat er von seiner Mutter zu seinem Geburtstag bekommen. 3-Gangschaltung, Pedale, Ledersattel und Edelstahlfelgen - ein Schmuckstück für Berg und Tal. Er liebt dieses Fahrrad. Er fährt gern Fahrrad, er will Fahrrad fahren, da kann er besser denken wenn er Fahrrad fährt. Ihm ist nicht so gut, immerhin ist Paul sein einziger Freund, war es wirklich arrogant von ihm ihn auszulachen? Aber ist doch echt lustig, volle Kanne hingefetzt. Gabi kichert wieder.

Als er zuhause ankommt um Fahrrad zu fahren, findet er sein Fahrrad nicht.. es.. es ist GEKLAUT. Schock! Er hat alles verloren!! Seinen besten Freund, sein Fahrrad, einfach alles! Es ist der schlimmste Tag seines Lebens. Er kann kaum begreifen, wie schnell sich das Glück in Trauer und Schmerz wandeln kann.

Er sitzt in seinem Bett, und ist traurig. Sitzt bloß da.

Ende. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.05.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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