Wolfgang Scholmanns

Winterferien

Ich erinnere mich noch genau an diesen strengen Winter im Jahre 1969. Mein Freund Karl und ich spielten in den Ferien die meiste Zeit auf dem Bauernhof meines Onkels. Eines Nachmittags beschlossen wir uns aus Heu -, und Strohballen eine Bude zu bauen. Dazu mussten wir auf den Heuschober der sich über dem Kuhstall befand. Mein Onkel sah es nicht gerne wenn wir uns dort oben aufhielten denn er wusste wie unbändig wir waren und dass auf einem Heuschober so einige Gefahren lauerten. Also schlichen wir uns heimlich in den Kuhstall und kletterten die alte Leiter hinauf. Ziemlich schnell hatten wir einige Strohballen zu einer Bude zusammengestellt und machten es uns in unsrem kleinen Heim gemütlich. Karl hatte ein Kartenspiel und eine kleine Taschenlampe mitgebracht und so spielten wir im Schein des immer schwächer werdenden Lichtes einige Runden Bauernskat. Als ich irgendwann auf die Uhr sah erschrak ich denn es war schon 17 Uhr und da sollte ich eigentlich schon zu Hause sein weil meine Mutter heute Abend mit mir ins Theater gehen wollte. Berthold Brechts Dreigroschenoper wurde aufgeführt. Da ich das gleichnamige Buch dieses bekannten Schriftstellers schon gelesen hatte freute ich mich schon auf den heutigen Abend. Kurzerhand teilte ich meinem Freund Karl mit dass ich jetzt nach Hause müsse. Er brummte ein wenig herum meinte es sei doch noch so früh trat aber dann letztendlich mit mir zusammen den Heimweg an.

Leise und vorsichtig stiegen wir die Leiter hinunter öffneten langsam die Stalltür und staunten nicht schlecht über das Bild das sich uns bot. Der Bauernhof und die umliegenden Weiden waren in eine dicke Schneedecke gehüllt und der eisige Wind trieb immer noch eine dichte Flockenherde vor sich her. Wir freuten uns denn hier in unserer Region war solch ein starker Schneefall ziemlich selten. Es gab zwar hier und da in den letzten Wintern einzelne Schneeschauer aber zum Schlittenfahren reichte es meistens nicht. Auf dem Weg nach Hause bewarfen wir uns lachend mit Schneebällen und verabredeten uns für den morgigen Tag zu einer Schlittenfahrt am nahe gelegenen See. An diesem See gab es einen kleinen Hügel der wenn schon einmal Schnee lag zu einer winterlichen Rodelpartie einlud.

Meine Mutter wartete schon ganz ungeduldig auf mich, denn ich musste noch in die Badewanne und anschließend Abendbrot essen. Wir wollten mit dem Bus zum Theater fahren und da mussten wir schon den nehmen der um 18.15 Uhr fuhr denn um 19.00 Uhr sollte die Vorstellung beginnen. Wir hätten dann zwar noch eine halbe Stunde Zeit aber so kämen wir wenigstens trockenen Fußes zum Theater. Die Bushaltestelle befand sich direkt vor unserem Haus und um 18.10 Uhr standen wir dort in dicke Mäntel eingehüllt und warteten auf den Bus. Da es immer noch sehr kräftig schneite rechneten wir mit einigen Minuten Verspätung obwohl die Strassen ziemlich frei waren denn die Streufahrzeuge der Stadt waren pausenlos unterwegs. Um 18.20 kam er dann endlich. Wir stiegen ein bekamen aber nur noch einen Stehplatz. Selten habe ich erlebt dass dieser Bus so gefüllt war aber bei diesem Wetter nutzte man diese warme Reisekutsche wohl doch ganz gerne.

Der Busfahrer dessen Gesicht ein langer Bart schmückte sah ziemlich grimmig drein. Der Grund so dachte ich mir sind bestimmt die durch das Schneetreiben bedingten Strassenverhätnisse. Es ist ja auch bestimmt nicht so einfach bei so einem Wetter ein so großes Fahrzeug durch den Verkehr zu lenken. Nach ca. 15 Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Mit uns stiegen noch ein paar Fahrgäste aus wovon einige auch den Weg zum Theater gingen. Meine Mutter hatte schon vor einiger Zeit zwei Karten besorgt und so mussten wir uns nicht in die Schlange vor der Theaterkasse einreihen. Die Dame an der Garderobe nahm unsere Mäntel entgegen und wünschte uns einen schönen Abend. Wir bedankten uns bei ihr und suchten dann unsere Sitzplätze auf. Die Zeit war vorangeschritten und wenn die Vorführung pünktlich beginnen würde müsste sich in zehn Minuten der Vorhang öffnen. Und so war es dann auch.

Inmitten von Bettlern Huren und Dieben in Soho – London - singt ein Moritatensänger

- DIE MORITAT VON MACKIE MESSER-. Dieser als – König der Diebe – in der Stadt bekannt verliebt sich landet im Gefängnis soll hingerichtet werden und wird dann aber zum guten Schluss von der Königin begnadigt in den Adelstand erhoben und bekommt letztendlich auch noch ein Schloss geschenkt. Schon ein ziemliches Durcheinander aber der zeitkritische Inhalt der sehr ausführlich dargestellt wird lässt deutlich die Einstellung Berthold Brechts zu den zwanziger Jahren in Deutschland erkennen.

Da ich ja wie schon erwähnt das Buch gelesen hatte und wir auch in der Schule darüber gesprochen hatten war mir der Inhalt dieses Theaterstückes schon verständlich.

Nach ca. zwei Sunden war die Vorstellung beendet und ich war schon voller Erwartung, wie es draußen jetzt aussehen würde. An der Garderobe war jetzt ein großer Andrang und wir mussten eine ganze Weile warten bis wir an unsere Mäntel kamen. Als wir dann endlich warm angezogen vor die Tür traten glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen. Die Schneedecke war innerhalb der letzten drei Stunden auf eine beachtliche Höhe angewachsen und im eifrigen Schneefall nahm sie immer mehr zu. Ich freute mich denn ich dachte an den morgigen Tag an dem ich mich ja mit Karl zu einer Rodelpartie verabredet hatte. Das sollte ein Spaß werden!

Auch meine Mutter hatte ein Lächeln auf den Lippen. Sie erzählte mir dass sie zuletzt in ihrer Kindheit einen Winter mit derart viel Schnee erlebt hatte. Sie schlug vor den Weg nach Hause zu Fuß zu machen um die frische Schneeluft noch ein wenig genießen zu können. Ich war natürlich einverstanden und so stapften wir fröhlich durch die weiße Pracht in die wir bei jedem Schritt bis über die Knöchel einsanken. Für meine Mutter war dieser Fußmarsch doch ganz schön beschwerlich denn ich bemerkte nach einiger Zeit dass sie immer schwerer atmete. Wir machten eine kurze Rast die ihr sehr gut tat und bei der sie wieder Kraft gesammelt hatte. Es war jetzt auch nicht mehr allzu weit bis zu unserem Haus und schon bald saßen wir in der warmen Stube und berichteten dem Vater von der Aufführung der Dreigroschenoper von der Busfahrt und von unserem Heimweg durch den hohen Schnee.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.05.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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