Theresa Beddig

Er lachte


Er
lachte, als sie ihm von ihren Träumen erzählte. Lachte, nicht böswillig
vermutete sie, er merkte wahrscheinlich noch nicht mal was er ihr damit antat.
Aber er lachte und wartete wahrscheinlich darauf, dass sie mitlachte, sich über
ihre eigenen Träume lustig machte. Doch sie würde ihre Sehnsüchte nicht ins
Lächerliche ziehen und so stand sie auf und ging zur Tür raus nach draußen. Sie
atmete die schwüle Luft tief ein, bemühte sich bei der Hitze noch genügend
Sauerstoff abzubekommen.
So
stand sie da und wartete, dass er ihr nachlief, sich entschuldigte und
verspräche sie in ihren Träumen zu unterstützen, ihr ihre Hoffnung zurückgab.
Doch er kam nicht und sie begann an der Realität ihrer Wünsche zu zweifeln. Sie
selbst ins Lächerliche zu ziehen.
Schließlich
kam er doch noch, nach viel zu langer Zeit. Seine gute Laune, die seine Augen
zuerst noch umspielte, verschwand als er sie erblickte. Er sagte sie solle
reinkommen, er würde ihr einen Tee machen. So saß sie dann da bei 35 Grad in
der Küche schluchzend, ihre Lippen fest an die Tasse gepresst.  Er redete, schwafelte davon wie leid es ihm
tat, doch sie hörte nicht zu. Sie sah ihn immer noch lachend vor sich.
Irgendwann meinte sie dass sie nun gehen würde. Er bot ihr an bei ihm zu
schlafen, aber dazu fehlte ihr an jenem Tag die Kraft.
War
er nicht die wichtigste Person in ihren Leben? Wieso glaubte er nicht an sie?
Waren ihre Ideen etwa so verrückt? Oder sie selbst zu feige sie umsetzen zu
können? Das Beste wäre sie würde sie verdrängen.
Draußen
waren ihre Sehnsüchte verschwunden.
In
den nächsten Monaten entschuldigte er sich noch mehrmals bei ihr, bat um
Vergebung. Doch sie sah ihn ab jetzt nur noch als jemanden, der ihre Träume
kaputt gemacht hatte. In den schlaflosen Nächten wurde sie von seinem Lachen
verfolgt. Im Winter trennte er sich von ihr, es tat ihm weh, da er wusste dass
jener Nachmittag ihre Beziehung entzweibrechen ließ. Aber er wollte und konnte
nicht in so einer Beziehung leben. Im April hatte er eine neue Freundin, nicht
so hübsch wie sie, nicht so klug, nicht so fantasievoll aber immer am Lachen
und sie erlebte keinen Tag an dem man keine Fröhlichkeit in ihr Gesicht
gezeichnet sein.
Sie
entwickelte nie Hass oder Abscheu ihm gegenüber. Sie sah ein, dass er niemals
so glücklich mit ihr geworden wäre, er brauchte nun mal was Lustigeres. Sie
wusste nicht ob sie ihn noch liebte, sie hoffte nicht. Ihre Freunde
organisierten eine Therapiegruppe für unglücklich Verliebte für sie. Sie mochte
ihre Therapeuten nicht, es hatte alles etwas Erzwingendes, ihr wurde
beigebracht aufzuhören an ihn zu denken, aufhören ihre Liebe zu analysieren,
doch sie wollte das nicht. Es war doch das einzige wofür sie lebte. Das Einzige
wofür es wert war sich Gedanken zu machen. Er war die einzige wichtige Person in
ihrem Leben. Sie wollte niemals aufhören an ihn zu denken.
Sie
trennte sich von Freunden, die behaupteten sie verschwände ihr Leben mit den
Gedanken über ihn und von denen die sagten sie solle um ihn kämpfen.
Es
gab eine Zeit vor jenem Tag, da hätte sie gekämpft, dachte sie, es gab eine
Zeit da hätte sie kein „Nein“ akzeptiert. Da hatte er sie begehrt, bewundert
und geliebt.
Die
Leute sagten sie wäre unglücklich, vereinsamt oder gar verbittert geworden,
doch die Leute kannten sie schlecht. Sie war zufrieden mit ihrem Leben, sie
wollte nichts verändern. Ihre Sehnsüchte waren verschwunden, weg wie
ausgebleicht, und sie war ihm dankbar, da sie jetzt einsah, wie verrückt sie
damals gewesen war. Doch wer kann ohne Wünsche leben?
Sie
suchte wieder häufiger seine Nähe, er war dankbar dafür, da er sein schlechtes
Gewissen gutmachen wollte und sich bemühte sie wiederaufzubauen. Er kümmerte
sich liebevoll um sie, bemühte sich ihr Vertrauen wiederzugewinnen doch sie
ließ ihn nicht an sich ran. Redete nur über belangloses Zeug.
Einmal
nahm er seine Freundin mit, doch da brach sie in Tränen aus. Nicht weil sie den
Beiden ihr Glück nicht gönnte, sondern weil sie feststellte, dass die Beiden
viel zu gut zueinander passten. Er interpretierte das falsch, und hielt es für besser
einander nicht mehr zu treffen.
Trotzdem
empfand sie nie Hass ihm gegenüber und als er sich nach einiger Zeit von seiner
Freundin trennte, spürte sie Trauer und Hoffnungslosigkeit, statt Genugtuung.
Trauer, das auch das fröhlichste Paar, dass sie kannte, sich getrennt hatte.
Sie war am Boden zerstört, überzeugt dass auf dieser Welt keine Liebe herrschen
konnte.
Sie
schlief nicht mehr, lief nachts ziellos durch die Straßen, ohne ihre Umgebung
wahrzunehmen. Sie wollte sich Ziele suchen, doch ihr fiel nichts ein, was sie
glücklich machen konnte. Sie ließ ein Dauerlächeln auf ihren Lippen ruhen, da
sie nicht wollte dass man dachte, sie wäre unglücklich.
Die
Leute sagten, sie hätte sich erholt. Sie mochte dass Gefühl, anderen
vorzumachen es ginge ihr gut. Das war etwas was sie konnte und wenn sie wieder
sinnlose Gespräche mit Bekannten führte, hatte sie manchmal das Gefühl dass das
alles ja auch Wahrheit werden könnte. Und doch redete sie sich ein, dass das
Schicksal es schlecht mit ihr gewollt hatte und sie nichts dagegen tun konnte.
Das war ein gutes Gefühl, ein Beweis dass sie ihre Situation nicht verändern
konnte und sie begann sich allmählich damit abzufinden unglücklich zu sein.
Sie
hatte abends Angst davor einzuschlafen, da sie ihre Träume am nächsten morgen
wütend verfluchen würde. Denn nachts holten sie manchmal schon vergessene
Sehnsüchte wieder ein. Und beim Aufwachen fühlte sie sich schwach und kraftlos,
da ihr klar war, sie immer noch nicht überwunden zu haben. Uns sie war wütend
auf sich selbst, auf ihre Schwäche.
Ihre
größte Sorge war, dass jemand ihr Unglück bemerken und sich über sie lächerlich
machen würde. Sie wollte nicht zum Gespött werden.
So
lebte sie, ohne dass jemand ihre Not bemerkte. Irgendwas ist an ihrem Leben
schief gelaufen, was keiner hätte retten können. Sie war nicht selbstbewusst
genug gewesen, ihr hätte es egal sein müssen, dass er gelacht hatte. Ihr war es
aber nicht egal? Es war ihr wichtig gewesen.
Bedauert
sie nicht, auch sie hatte ein normales, schönes Leben bis zu jenem Tag, als er
lachte. Sie war dazu auserwählt auch die Schattenseiten kennen lernen zu
dürfen. Es war nicht ihre eigene Entscheidung gewesen. Wer hatte sie zu diesem
naiven, verletzbaren Person gemacht? Niemand möchte deprimiert und verletzbar
sein. Aber wer hat nach einer Enttäuschung die Kraft oben zu bleiben? Solche
Menschen müssen herzlos sein. Und sie wollte nicht herzlos sein. Nein, sie hat
viele Gefühle und Gedanken besessen. 
Sie hatte ein großes Herz, dem viel Wärme fehlte.  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.05.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Der Weg eines ausgesiedelten Lehrerehepaars führte ab 1977 über Höhen und Tiefen. Die Erziehungsmethoden aus Ost und West prallten manchmal wie Feuer und Wasser aufeinander, und gaben uns Recht,dass ein Umdenken im Sinne einer Verbindung von positiven Elementen aus den beiden Schulsystemen aus West und Ost,erfolgen musste.Siehe Kindertagesstädten,ein entschlossenes Durchgreifen bei Jugendlichen, ohne Verletzung der Schülerwürde.Ein Geschichtsabriss aus der Sicht eines Volkskundlers.

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