Angela Heise

Geschichten vom Hasen Ratz

Der kleine Hase Ratz schlief ganz fest. In sein Blätternest gekuschelt träumte er. Mitten hinein in seinen Traum polterte es laut. Der Hase Ratz schreckte hoch und blinzelte verschlafen in die hellen Strahlen der Morgensonne. Während er sich den Schlaf aus den Äuglein rieb und kräftig gähnte versuchte er seine Löffel hoch zu stellen. Es gelang ihm nur teilweise. Der linke Löffel klappte immer wieder nach vorne. Da, schon wieder dieses Rumpeln. Egal, wie verschlafen er noch war, die Neugierde liess ihn nicht ruhen.
Er rappelte sich hoch und stellte sich auf die Hinterbeinchen. Woher kam dieser Lärm bloss? Ratz sah sich um, aber er konnte nichts entdecken. Er richtete die Löffel hoch auf. Himmel, war das anstrengend, dachte er und schon klappte der Löffel wieder um, diesmal der rechte. Angestrengt lauschte er und peilte die Lage. Ach nee, natürlich, der alte Bärenmuckel! Das der Kerl immer derart laut sein musste. Ratz hoppelte hin und besah sich die Sache aus der Nähe. Laut lachte der kleine Ratz, als er den Bär sah. Der Pelz schien ihm kräftig zu jucken und er schubberte ächzend seinen Rücken an einem dicken Baum. "Duuuuuu, soll ich Dich vielleicht mal kratzen," bot der kleine Ratz freundlich an. Der Bär schaute hinunter. "Du kommst doch garnicht an meinen Rücken. Du bist einfach viel zu klein!" brummt Muckel. "Doch, wenn Du Dich auf den Boden legst schaffe ich das," meinte Ratz eifrig. Muckel überlegt nicht lang. Faul liess er sich auf den Boden fallen. "Dann leg mal los", meinte er. Der kleine Hase Ratz kletterte auf den Rücken seines grossen Freundes und begann ihn zu kratzen."Fester," brummt Muckel," ich spüre so kaum etwas". Ratz legte sich mächtig ins Zeug. Muckel brumselte voller Behagen.
Eine Weile schien alles richtig zu sein. Dann plötzlich merkte Muckel nichts mehr. Er wollte gerade etwas sagen, da hörte er leise Schnarchtöne. Vorsichtig rollte er sich zur Seite. Der Hase Ratz war wohl über die anstrengende Fellbehandlung wieder mal müde geworden und prompt eingeschlafen. So ein fauler Kerl, dachte Muckel.Wie kann man nur von so einem bisschen Fellschrubben derart müde werden.
Er betrachte seinen Kumpel, der friedlich im hohen Gras lag und fest schlief. Naja, wer so klein ist, für den ist Rückenschrubben bei einem grossen Bärenmuckel natürlich anstrengend. Aber deswegen gleich einschlafen? Andererseits hiess der Kleine nicht umsonst Hase Ratz. Eigentlich schlief er ständig ein.
Ganz behutsam hob Muckel den Ratz auf. Hier konnte er nicht schlafen, das war viel zu gefährlich, denn der alte Fuchs wartete nur auf die günstige Gelegenheit. Muckel trug den Hasen Ratz zu seinem Bau. Dort legte er ihn auf sein Bett. Gemütlich legte Muckel sich auch ein wenig hin. Hase Ratz kuschelte sich gleich in das warme und weiche Fell von Muckel. Der hätte wirklich gern ein Schläfchen gemacht, aber Ratz schnarchte, was das Zeug hielt. Bei dem Radau kann ja keiner schlafen, wunderte sich der Bär. Er deckte Ratz ein wenig zu und ging vor seinen Bau. Dort würde er in der Sonne ein wenig dösen.


Der Hase Ratz wurde wach, als die Sonne seine Nase kitzelte. Kräftig reckte er sich und strampelte mit Armen und Beinen. Dann sprang er auf und sah sich neugierig um. Wo war denn nur sein Freund Bärenmuckel? Ratz spähte in alle Richtungen, aber er konnte ihn  nicht endecken. Naja, dann würde er erstmal frühstücken. Genüsslich machte er sich auf dem benachbarten Feld über ein paar Möhren her. "Du," piepste es neben ihm, "wollen wir spielen?" Der Hase Ratz schaute sich um, konnte aber niemand entdecken. "Hier bin ich, unten", piepste es wieder. Ratz schaute auf den Boden. Da sass eine kleine graue Maus. "Wer bist Du denn?" fragte Ratz. "Na, ich bin Minnie," antwortete das winzige Etwas. "Und WAS bist Du?" wollte Ratz wissen. "Menno, bist Du aber dumm! Ich bin eine Maus, dass sieht man doch!", antwortete Minnie empört. Ratz kratzte sich verlegen hinter seinem Löffel. "Na, gut, dann lass uns doch fangen spielen," meinte er. "Oder willst Du mir helfen nach dem Bärenmuckel zu suchen? Der ist noch nicht aufgetaucht und ich will doch sehen, wo er steckt.", antwortete er. "Einverstanden! Wir suchen erst den Bären, dann spielen wir alle zusammen fangen," meinte Minnie.
Die Beide zogen los. Gemeinsam schauten sie in jeden Winkel, hinter jeden Baum und jeden Strauch. Minnie hob ein paar Zweige am Boden an und schaute drunter. "Was machst Du denn da?" fragte Hase Ratz. "Ich dachte, der Bär hat sich vielleicht da verstreckt," piepste Minnie. Hase Ratz lachte laut auf. Dann erklärte er Minnie das der Bärenmuckel ein große, alter Bär ist. Unter den Blättern und Sträuchern brauchte man ihn nicht zu suchen, dazu sein er viel zu groß und auch ziemlich dick. "Wer ist dick?" brummte es unvermutet hinter Ratz. "Da bist Du ja endlich," jubelte Ratz und umarmte den Bären fest. "Ich habe Dich schon gesucht und Dich ganz doll vermisst!" "Ich bin nicht dick," motzte der Bär. Dann entdeckte er Minnie. "Wer ist das denn?" wollte er wissen. "Das ist Minnie, die Feldmaus. Ich habe sie eben getroffen und sie hat geholfen Dich zu suchen". Teilte Ratz eifrig mit. "Ja," piepste Minnie, "und jetzt spielen wir fangen. Ratz und ich rennen los und Du, Bärenmuckel, musste uns fangen".
Die Drei tobten lange durch den Wald. Am Ende waren sie müde und hungrig. "Jetzt ist höchste Zeit für ein leckeres Essen und danach ist ein Mittagsschlaf fällig", verkündete der Bär. "Morgen können wir ja weiter spielen"!


Heute war der kleine Hase Ratz schon ganz früh wach. Beim ersten vorsichtigen Blinzeln der Morgensonne hüpfte er aus seinem Bettchen. Beim Waschen war er gründlicher als sonst, was die Spatzen, die auf dem hohen Baum saßen neugierig beobachteten. Das Frühstück rutschte heute nicht recht. Der kleine Hase war viel zu aufgeregt. Endlich war die Sonne ganz zu sehen. Hase Ratz lief so schnell ihn seine Beinchen trugen zum Bärenmuckel. Der schlief noch ganz fest und brummt unwillig, als Ratz ihn rüttelte und schüttelte. "Nun werd´doch wach," rief Ratz laut. Der Bär seufzte auf und öffnete widerwillig seine Augen. "Was machst Du denn so früh so einen Lärm?" motzte er. Ratz riss die Äuglein weit auf und schrie " ich muss doch heute in den Kindergarten! Hast Du das denn vergessen?" Bärenmuckel schüttelte den Kopf. "Nein, aber es ist doch noch viel zu früh. Du kommst schon zur rechten Zeit", antwortete er und erhob sich. Er kannte Ratz und wusste, dass der keine Ruhe geben würde. Gemütlich griff er nach dem Brot und dem Honigtopf. Ratz hopste ungeduldig hin und her. "Jetzt setz Dich hin und gib Ruhe. Wir haben noch Zeit genug", sagte Bär und musste leise über den zappeligen, kleinen Kerl lachen.
Endlich war es soweit. Bärenmuckel nahm Ratz bei der Hand und ging mit ihm den Weg zum Kindergarten. Auf dem Weg trafen sie Mutter Maus, die Minnie begleitete, Vater Igel, der Igelinchen an der Hand hielt und einige andere Tierkinder, die heute das erste Mal in den Kindergarten durften. Auf dem Hof des Kindergartens standen die Kindergärtnerinnen und nahmen ihre neuen Schützlinge fröhlich in Empfang. Ein wenig mulmig wurde dem Hasen Ratz schon, als der Bärenmuckel mit den anderen Eltern heim ging. Er kannte zwar die meisten Tierkinder, die da waren, aber es war alles neu und anders. Die Kleinen tobten im Garten herum. Dann ging es hinein in den Kindergarten. Ratz sah sich um. Dort standen viele kleine Tische und Stühle im Kreis. Ratz setzte sich neben Minnie. Auf jedem Paltz stand ein Becher mit Saft und ein Teller für das Frühstück. Ratz kramte seine Möhren aus der Tasche und legte sie sorgfältig auf den Teller. Genüsslich verputzte er alles. Als alle Kinder fertig waren legte eine Kindergärtnerin ein großes Blatt Papier vor jeden. "So, und jetzt malt jeder ein Bild. Malt das, was Euch gefällt. Die Bilder hängen wir hier an die Wände, damit alle sie sehen können", sagte Fräulein Lustig. Ratz legte sofort los. Die Zunge im Mundwinkel eingeklemmt malte er eifrig eine Wiese. Viele Blumen und Schmetterlinge waren darauf zu sehen. Mitten auf der Wiese lag der Bärenmuckel. "Schön machst Du das", sagte Fräulein Fröhlich. Sie war ein Eichhörnchen und knabberte an einer Nuss, während sie die Kinder beaufsichtigte.
Viel zu schnell war der Tag vergangen und als der Bärenmuckel kam, um Hase Ratz abzuholen war der Kleine traurig, dass es heim ging. "Bis morgen," rief Fräulein Lustig ihnen nach.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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