Michael Lieshoff

Bill und das Ende der Welt

I. Was ich von dem Unfall her weiss
 
Mir war übel, ich dachte ich müßte mich übergeben, als ich die Leiche des Kommandanten sah, sein Schädel war aufgeplatzt und er hing auf dem Sitz unter der Aussichtsluke. Ich versuchte etwas zu sagen, zu schreien, mich irgendwie aufmerksam zu machen, aber mir war, als hätte ich einen schweren Kloß im Hals zu sitzen, alles war durcheinander geworfen, überall lagen Lebensmittel, auf dem Stahlboden verstreut, Ausrüstungsteile, wie Munition oder Waffen, wurden einfach durch den ganzen Innenraum geworfen.
 
Oh Mann, war mir Übel, die Säure in meinem Magen schien mich zum sieden zu bringen, manchmal drehte sich noch alles um mich, aber ich wollte mich erstmal aufraffen, wie lange hatte ich geschlafen ?
 
Ein wenig duckend in dem engen Panzer überblickte ich erstmal die Lage, ein totales Chaos. Was war nur passiert ? Das Flackern der Notbeleuchtung verriet mir, daß die Energieversorgung bald zu Ende ging.
 
Wieder, plötzlich, unvorbereitet, überholte mich dieser verdammte Schwindel, abermals wurde mir Speiübel, langsam kroch ich zu dem Fahrer vor, der arme Kerl, man mußte kein Arzt sein, um seinen elendigen Tod feststellen zu können.
Irgendetwas war gegen seinen Kopf geschmettert, hatte ihn sofort getötet.
 
Bei diesem grauenvollen Anblick überkam mich neue Übelkeit, wieder drehte sich alles. Dann kroch ich zurück, sah die Stiefel und Beine des Kommandanten, alles hing schlaff von der Luke herunter in den Panzer hinein. Nicht auch er ! Verdammt, Blut rann in kleinen Rinseln an seiner Uniform herunter, ich schaute zu ihm hinauf, doch hätte ich es lieber nicht getan, eine Astgabel hatte ihn getroffen und war keilfest in seinem Brustkörper verankert, auch seinen Tod stellte ich fest.
 
Ich war der Einzige, niemand lebte mehr. Sackend fiel ich auf die Seitenbank, neben der Funkanlage. Zwei gute Freunde hatte ich verloren, wieso nur, warum ?
 
"Bremse !" brüllte eine laute Stimme, "verdammt noch mal, bremse !".
 
Der Kommandant schien in voller Hektik zu sein, krampfhaft umgriffen seine Hände das stählerne Geländer der Luke, während sich seine Stiefel in den Sitz gruben. Irgendetwas ging da oben vor, dann dieser grelle Blitz, sekundenlang dachte ich, ich könnte durch die Skelette der beiden sehen, alles war so grell, ich kniff meine Augen zusammen, dann diese schreckliche Explosion und der dumpfe Aufprall, die Welt um mich herum wurde schwarz.
 
Verdammt dachte ich, was war nur passiert ? Nachdem die Übelkeit ein wenig vorrüber war öffnete ich die Hinterluke, krachend fiel sie auf den staubigen Boden, verdammt, meine Augen brannten, so grell war das Sonnenlicht, ich mußte sie mir reiben, ansonsten wären mir sicherlich die Augäpfel aus den Höhlen gesprungen, so stechend und brennend war der Schmerz. Dann hatten sie sich langsam wieder beruhigt, sie stachen aber immer noch ein wenig, wenn ich den blendenden Sand ansah.
 
Langsamen Fußes schritt ich krampfhaft stehend nach draußen, mein Gott, ich sah ein Waldstück, kohlschwarz verbrannt, seichte Schwaden schwarzen Qualmes stiegen von dort in die Lüfte. Und die schreckliche Hitze, es war zu heiß, meine Haut brannte, mein Schädel, meine Haare, alles heizte sich glühend auf. Doch meine Neugier war nicht befriedigt, ich drehte mich, doch, die Enttäuschung und das Entsetzen packten mich, die ganze Umgebung war verbrannt, alls schwarz, überall Asche, Tiere, Vögel, alle waren tot, zu sanftem Staub verbrannt. Was konnte dies ausgelöst haben, traf uns versehentlich eine Artillerie ?
 
Wenigstens die beiden langen Antennen auf dem Dach des Panzers waren noch dort, wo sie seien sollten. Doch der Versuch über die Funkanlage Kontakt mit meiner Einheit aufzunehmen schlug fehl, alle Frequenzen waren wie tot. Vielleicht war das Funkgerät einfach nur kaputt, denn ich empfing nicht einmal unsere beliebte Radiofrequenz.
 
Während mein Kopf schmerzte, versuchte ich mich weiter an Einzelheiten zu erinnern, alles war wie verschwommen, weit weg, fern. Traurigen Herzens beschloß ich zwei einfache Gräber mit dem Klappspaten zu schaufeln, dann hievte ich die Leichen meiner beiden Freunde aus dem Panzer, legte sie in die mühsam ausgeschaufelten Gräber, die ich danach wieder zuschaufelte und mit einigen wenig zu findenen Steinen abdeckte. Dann steckte ich jedem einen kurzen verkohlten Ast zu, betete ein kleines Gebet, mochten sie in Frieden ruhen !
Nach einer guten halben Stunde, die ich nur mit der Erinnerung an meine beiden Kameraden verbrachte, beschloß ich meinen Magen ein wenig zu stillen, aus den reichlichen Konserven aß ich ein Notfallgericht, ich glaube es war ein Bohneneintopf, dazu trank ich einfaches Wasser aus der Feldflasche. Doch verspürte ich danach einen Heißhunger, auf einen kleinen einfachen Schokoriegel, sein Papier schien glitzernd und ich aß ihn voller Freude, daß Papier faltete ich, steckte es mir in die Brusttasche, ich weiß bis heute nicht warum, doch damals schien es mir irgendwie notwendig.
 
II. Eine kleine Inventur
 
Irgendwie mußte ich fort von hier, der Panzer mußte wieder fahrtüchtig gemacht werden, so schwer konnte es schon nicht sein, schließlich schaute ich früher dem Fahrer immer über die Schultern. Mit meinen simplen Kenntnissen gelang es mir dann die Energie der Batterie wieder aufzuladen, indem ich den Motor startete und ihn einige Minuten laufen ließ, dann hatte sie sich wieder voll aufgeladen.
 
Das war also schon einmal getan, jetzt stellte ich den Motor wieder ab, beschloß ersteinmal aufzuräumen, mir einen Überblick über das ganze Inventar zu machen. Da war ganz schön was da, ich hatte Munition, es war zwar nur blaue Übungsmunition, sie konnte einen in der Not aber doch ganz gut verteidigen, dazu natürlich auch die nötigen Waffen, eine Panzerfaust mit drei Projektilen, ein Maschinengewehr, daß ich schon einmal auf die Lafette hing, eine Pistole, eine Uzi und ein Gewehr, mein Gewehr. Einen netten Vorrat hatte ich da angesammelt, die ideale Grundlage für mein neues Unternehmen, ich wollte zurück zu meiner Einheit und ich könnte es schaffen.
 
Dann verschaffte ich mir einen kleinen Überblick der Lage, der Panzer war gegen einen dicken Brocken gefahren, ein großer Steinkoloß, dazu steckte er in einer Art Graben fest. Puh, äußerlich hatte er nur ein paar Beulen abbekommen, der Motor war ja noch funktionstüchtig, die Ketten waren ebenfalls noch richtig plaziert, also konnte theoretisch fast nichts mehr schief gehen, doch wie bekam ich das Gefährt aus dem Graben ?
 
Glücklich stellte ich fest, daß noch genug Diesel im Tank war, das reichte noch für mehrere Kilometer, setzte mich auf den Fahrersitz, schloß die Hinterluke per Knopfdruck am Amaturenbrett und startete den Motor erneut, der rasselnd und stotternd schließlich ansprang, er hüstelte leicht, lief dann aber gleichmäßig und taktvoll. Die Batterie war wieder randvoll, über die Bordsprechanlage versuchte ich noch einmal über die Notfrequenz meine Einheit zu erreichen, doch wieder hörte ich nur vertrautes Rauschen, alles war tot, wie es schien.
 
Dann rastete der Rückwärtsgang klickend ein, ich gab erst ein wenig, dann immer mehr Gas und brummend, rasselnd und quietschend bewegten sich die Kettenglieder, jetzt drückte ich das Pedal voll durch und der Sand zischte an den Seiten auf, bildete dichte Staubwolken. Immer mehr gruben sich die Ketten in den weichen Sand, bis sie eine härtere Schicht fanden, wo sie sich reinkrallten und somit das tonnenschwere Gefährt aus dem Graben wuchteten. Dann hatte ich wirklich Mühe den Panzer wieder zu bremsen, doch ich schaffte es, hatte ihn aus dieser Falle herausgefahren, ein Funken von Stolz zog an mir vorüber. Der Motor brummte trotz der gewaltigen Anstrengung immer noch gelassen, irgendwie spürte ich wie eine kleine Freundschaft begann, ich und der Funkpanzer, wir beide schafften es.
Jetzt setzte ich mir die Sturmhaube auf, sie schützte meinen Kopf und meine Haare wenigstens ein wenig vor der heißen Sonne, das Dreieckstuch band ich mir vor den Mund, so war ich gegen den aggressiven Staub geschützt, zum Schluß setzte ich mir eine der großen Panzerbrillen vor die Augen, nun, war ich perfekt vermummt und gegen meine harte Umwelt geschützt.
 
Eine kleine Karte der Umgebung, die in einer der vielen Schubladen des Fahrers zu finden war, half mir, mich ein wenig zurechtzufinden. Ich war auf einem Übungsplatz in der Nähe der großen Stadt, meinem zu Hause, sie war nur einige Kilometer weit entfernt, genauso wie die Kaserne, sie lag aber in der Nähe eines kleinen Dorfes, mein erster Reisepunkt, wie ich hiermit beschlossen hatte.
Krachend bewegten sich die beiden Lenkkolben, während ich den Gashebel mit dem Fuß nach unten drückte, brummend und knatternd bewegte sich der stählerne Koloß mit einem ansehnlichen Tempo auf dem Panzertrack, langsam aber sicher hatte ich die Kontrolle über meinen mächtigen Freund und mir schien es zu gefallen, ihn zu fahren.
 
III. Das Skelett im Auto
 
Nach einer Weile, die ich über die Landstraße fuhr, überholte mich wieder dieser unbeschreibbare Schwindel, die Übelkeit, die wenig später wieder verschwand, gleichzeitig betrachtete ich meine Umgebung, die Wälder schienen alle verbrannt zu sein, Felder, Tiere, alles war tot, ging in Flammen auf und blieb verkohlt zurück, war verdorben. Mir schien, als ob dieser ganze verdammte Landstrich in der Zeit verstrichen war, etwas zerstörte alles, mit einem einzigen Schlag. Ich wollte die Antwort wissen und ich glaubte damals fest daran, sie in dieser Ortschaft zu finden. Die Straße bot mir nach einer kleinen Weile auch ein Bild der Verwüstung, überall lag Geröll herum, so daß ich manchmal ausweichen mußte, alles war so entsetzlich verstaubt, verschmutzt. Das Leben war hier wie ausgelöscht, nur die unbarmherzige Sonne, sie thronte noch auf ihrem hohen Sitz und brannte mir die Seele aus dem Leibe, weit und breit war kein einziges Wölkchen zu sehen, der Himmel war nur blau, unnatürlich blau.
 
Dann entdeckte ich eine Schrottlaube, es mußte einmal ein schönes Auto gewesen sein, nun lag es am Straßenrand, der Lack schien weggebrannt zu sein, es war wie verkohlt, wie die Bäume, die in der Nähe standen und an die schwarzgebrannten Skelette von Riesen erinnerten. Die Scheiben waren zersprungen, nichts konnte diese nackte brutale Gewalt der Zerstörung aufhalten, einfach nichts. Ich konnte nicht genau erkennen, ob sich da noch etwas bewegte, da wieder, etwas hatte sich bewegt !
Ruckartig stoppte ich den Panzer, seine Ketten schliffen auf dem Teer der Straße, die Gumminoppen, die die Kettenglieder einst umgaben, rissen ab, quietschendes Metall bremste sich ab, Funken schlugen auf, bis ich schließlich stand. Da hatte ich die Pistole des Kommandanten gezogen, knöpfte die Bordsprechanlage von der Haube ab und kletterte aus der Fahrerluke und an der entgegen zur Schrottlaube gesetzten Seite vom Panzer herunter. Dann klickte der Schaft der Pistole, sie war fertiggeladen, denn ich wollte vorsichtig sein und so schlich ich mich leise an den Straßenrand, dort wo die Schrottlaube stand.
Der Schlag traf mich fast, kalter Schweiß breitete sich auf meiner Stirn aus, färbte die olivgrüne Sturmmaske dunkler, vor meinen zitternden Augen entpuppte sich das Skelett eines Menschen, vor dem Lenkrad sitzend, es regungslos mit beiden Händen umschließend, wahrscheinlich noch nicht einmal wissend, was überhaupt geschah. Sein Fleisch und seine Muskeln waren zu Asche verbrannt, von dem Sitz herunterrieselnd, nur bewegt vom ewigen trostlosen Wind.
 
Welch schrecklicher Tod wurde diesem armen Mann zum Verhängsnis, mir stellte sich die Frage, ob die nahegelegene Ortschaft überhaupt noch existierte, und was war mit der Stadt, mein Gott, was war mit Marie ? Waren sie alle tot, verbrannten sie alle in ihren Häusern, in ihren Autos oder auf der Straße ?
 
Doch irgendwie tröstete mich eine schwache Hoffnung über diese bösen Gedanken hinweg, der Stadt war bestimmt nichts passiert, was konnte auch so groß sein, was könnte eine so große Zerstörung hervorrufen, einen ganzen Landstrich ausradieren, es war unmöglich. Ich bestieg wieder den Panzer, beschloß aber beim nächsten Abstieg noch die Uzi mitzunehmen, denn ich hatte irgendwie Angst, alles war verwüstet, ich konnte mir keinen Reim darauf geben, was passiert war.
Dann gab ich wieder Gas, die beiden Auspüffe stießen dichten Qualm hervor und wiedermals bewegten die schweren harten Ketten den Panzer.
 
IV. In der Ortschaft
 
Nach ein paar Minuten erreichte ich die Ortschaft, dessen Hauptstraße, die mittels einer steinernen stabilen Brücke einen kleinen Fluß überquerte, sie trug den Panzer ganz ordentlich, doch in dem Fluß schwimmte nur Dreck, eine grünliche Brühe, die Trümmer und Geröll transportierte, bei Gott, unter ihnen waren leblose Körper begraben, die sich nur schwer durch den Schlamm kämpften.
Da zeigte sich durch die Bewegung ein Arm, dort hinten ein Bein, sie waren schon aufgequollen, anscheinend wurden sie schon längere Zeit durch den Fluß getragen. War das die Hölle oder nur ein sehr böser Traum ? Die Häuser der Ortschaft waren schwer beschädigt, die Fenster waren zerbrochen, Gardinen lagen auf der Straße oder hingen nur noch an ein paar tapferen Seilen, die durch den grausamen Wind gefoltert wurden. Jetzt wurde die Straße schmutziger, dreckiger, ich erkannte die Skelette einiger überraschter Menschen, sie lagen in jeder Ecke, der skelettierte Unterkörper eines der Opfer stand noch neben einer beschädigten Ampel, während sein Oberkörper schon auf dem harten Asphalt zersprungen war, der Wind bewegte es, es quietschte mit den Gelenken und schaukelte einen makabren Tanz.
 
Später erreichte ich einen kleinen Marktplatz, hier häuften sich die armen Skelette derer, die in der Feuerbrunst hilflos verbrannten, die verkohlten Gerippe hatten mir verraten, daß es gerade Markttag war, die Vorstellung, das hunderte von Menschen verbrannten, während sie gerade beim Einkaufen waren, verzog in meinem Gesicht eine bösartige Miene, ich dachte an meine Freunde, den Kommandanten und den Fahrer und wieder an Marie, lebte sie noch, oder verbrannte sie auch elendig in den Flammen des Inferno ? Ich entdeckte eine große Kirche, sie grenzte an den Marktplatz, war nur wenig beschädigt, Gottes Haus blieb also weitestgehend verschont, ich wollte sie mir etwas genauer ansehen und fuhr den Panzer nur wenige Meter weit an sie heran, wo ich abbremste.
 
Wieder knöpfte ich den Stecker zur Bordsprechanlage ab, diesmal halfterte ich die Pistole und hielt die Uzi in vorhalte, wie ich es mir vorgenommen hatte, dann stieg ich vorsichtig ab. Die Straßen waren dicht verstaubt, anscheinend waren alle fort, oder tot, eines von beiden bestimmt. Erst vor den großen Toren der Kirche, die nur angelehnt waren, hörte ich dieses Summen, schreckliche Summen, hunderte, wenn nicht tausende von kleinen bräunlich schwarzen Fliegen hatten eine Grundlage zum Leben gefunden. In einiger Höhe an den beiden Torflügeln hangen zwei Menschen, an jeder Seite einer, eine Frau und ein Mann.
Sie waren nur spärlich bekleidet, ihr Gesicht schon soweit zerfallen, daß man es kaum noch erkennen konnte, doch sie hingen mit den Beinen nach oben, festgenagelt an dem festen Holz der Tore, dessen beide Seiten je ein halbes Pentagramm bildeten, schrecklich, wer konnte so etwas unmenschliches tun ? Die Fliegen krochen aus den Aughöhlen des Mannes, manche umschwärmten mich, dachten wohl neues Territorium erobert zu haben, doch ich wirbelte sie fort und sie widmeten sich der Frau, die sie von Innen her aufzufressen drohten, pah !
ich betrachtete dieses Schauspiel nicht weiter, sondern drückte langsam die eine Torhälfte auf, Schauer breitete sich mir über den Rücken aus, ich verspürte den kalten Atem der Angst, als ich die große Messehalle betrat, die Luft war angenehm kühl. Meine aufsteigende Angst und Unruhe war es, die beschloß die Uzi näher an meinem Körper zu halten und vorsichtiger zu sein, irgendetwas war hier und es war bestimmt böse. Eine nähere Betrachtung des Raumes brachte einen wunderschönen Altar zum Vorschein, das Kreuz Jesu hatte man verdreht, es stand auf dem Kopf, der steinernen Statue hatte man den Kopf abgeschlagen und ihn zusammen mit dem Kreuze auf den Altar gestellt, bestialisch, eine grauenhafte Tat, die, wie ich meinte nur Unmenschen oder besser Bestien ausüben könnten. Der Altar wurde plötzlich durch das helle Sonnenlicht bestrahlt und seine Schönheit verschwand vollends, als ich alte Blutkrusten auf ihm erkennen konnte, mich packte ein Würgegefühl und wieder verspürte ich diesen seltsamen Schwindel.
 
V. Die Kirche und mein Kampf gegen Andros und die Sekte
 
Plötzlich knallten die beiden Tore zu, daß es bei mir nur so donnerte, vor Schreck hätte ich beinahe der Abzug der Uzi durch meinen Zeigefinger betätigt, doch ich faßte mich, als ich in den kleinen Raum hinter dem Altar sehen konnte, eigentlich ein Raum, nur für den Priester, doch seltsame Wesen hatten dort Kerzen entzündet, schwach beleuchtet zeigten sie sich in schwarzen dicken Kutten, die ihre Gesichter ganz und gar einhüllten, sie waren etwas kleiner als ich, anscheinend waren es Menschen, mein Herz pochte einen Schlag höher, ich hatte Überlebende gefunden ...
 
Oder waren es nur Perverse, eine Sekte verrückter Okkultisten, die Menschen an ihre Tore hefteten, als seien es Plakate, die Hoffnung löste sich mit einem Male auf und wurde durch Angst und Hass ersetzt.
 
"Fremder !" ertönte die krächzende Stimme von einem von ihnen, "Du betrittst heiligen Boden !", zischte ein Anderer bösartig, seine Augen funkelten ein wenig rötlich beim Sprechen, beruhigten sich dann jedoch wieder.
 
"Ich bin Soldat, wer seid ihr ?" fragte ich vorsichtig, immer noch rätselnd, wer diese Menschen waren.
 
"Wir sind nur Diener !" kam die Antwort leise und ruhig zurück, "Andros, töte ihn !" giftete der rötlich funkelnde dann wieder haßerfüllt, diesmal leuchteten seine Augen knallig rot, ich war mir sicher er konnte mich nicht leiden.
 
Dann, ich träumte anscheinend, mit wem sprach dieser Kerl da, und wieso wollten sie mich töten. Lange Zeit zum überlegen blieb mir nicht, denn der Befehl wurde von dem angesprochenen Diener mit einem lauten Knurren empfangen und ich hörte ein Kettengerassel, es schliff hastig auf dem Mamorboden, war da nicht noch ein kleiner Tatzenschlag zu hören ? Und da war diese Funkeln, die Antwort auf meine Frage, ungefähr in Brusthöhe zu mir, es rannte und ich hörte ein wehrhaftes Gebell und das Fletschen von messerscharfen Zähne, die sich am Rand eines großen roten Schlundes befanden.
 
Jetzt erkannte ich den abgrundtiefen Schrecken, der da rasend schnell auf mich zulief, ein riesiger schwarzer Hund, mit ekeligen Geschwüren im ganzen Gesicht, die bald aufzuplatzen schienen, sein Sabber tropfte beim Rennen auf den Boden und er kam mir immer näher. Ich hatte die Uzi, es sollte kein Problem darstellen, diesem wandelnden Schrecken in eine Dose eitrigen Hundefutters zu verwandeln, verdammt ! der Verschluß klemmte, ich zog ihn vor und zurück, doch irgendetwas behinderte ihn, da sprang mich das große Wesen auch schon an.
Reflexhaft duckte ich mich unter diesem gewaltigen Koloß eitrigen Fleisches und schmierigen Felles.
 
Zur Seite rollend, während er in eine der Sitzreihen einschlug und mit seinen scharfen Zähnen ein Stück Lehne herausriß, brachte ich mich in eine stabile Stellung. Irgendetwas warnte mich damals, ließ eine seichte Gänsehaut auf meinem Rücken entstehen und ohne zu zögern sackte ich voll auf den Boden, über mir zog ein Lichtermeer aus verschiedenen Blau- und Rottönen hinweg, ein wahrer Wind seltsamer Energie, der mit vollem Donnern und Schmettern fächerartig in eine Steinwand einschlug, es sprengte den Putz aus den Ziegeln, wie tausende von kleinen Pfeilen es täten. Eine verkohlte kreisrunde Stelle blieb zurück und ich schaute ungläubig zu den Verkutteten, dieser Flammensturm schien von diesem Rotleuchter ausgegangen zu sein, ich mußte hier weg, bevor er mich lebendig gegrillt hätte. Schnellend blickte ich mich um, erkannte nur eine angelehnte Tür, auf die ich mit voller Energie aus dem Hocken zurannte, es war meine einzige Hoffnung. Von hinten hörte ich nur die giftigen Stimmen der krächzenden Kuttenleute, "Töte ihn Andros, töte ihn !", mein Gott, stehe mir bei !
Die Tür erreichte ich noch, bevor der gewaltige Kläffer mit der Sitzbank fertig war, viel Intelligenz hatte er anscheinend nicht, denn sonst wäre er mir sofort nachgerannt, aber vielleicht wollte er auch nicht gegrillt werden. Doch bevor ich diesen Gedankengang zu Ende denken konnte, blickte er mich todeswütig an und seine Beine rannten immer schneller, die Krallen schabten klackernd auf dem Boden, sie wollten etwas reißen, mich. Doch schmiß ich die Tür zu und bemerkte, daß ich in einer Art Lagerraum war, verzweifelt suchte ich einige Gegenstände, die ich einfach vor die Tür warf, um sie etwas zu blockieren, geschafft !
Ich schaute zum Fenster und stellte fest das nur ein schmaler dünner Schlitz vorhanden war, der Rest war mit Holz zugehämmert, verdammt, verdammt sei diese Welt in alle Ewigkeit ! Ich riß wie ein Wahnsinniger an den Brettern, die sich nur langsam und schwer aus dem Mauerwerk lösten, sie hatten sich wirklich alle Mühe gegeben sie dort festzunageln, da prallte auch schon Andros, der tollwütige Kläffer gegen die Tür und versuchte sie aufzustemmen, er mußte messerscharfe Krallen haben, denn er riß mit ihnen die Bretter aus der Tür, daß es mir nur so schwindlig wurde, Stück für Stück riß und biß er wütend dabei bellend und fauchend. Jetzt wußte ich, warum mir meine Mutter in meiner Kindheit nie einen Hund schenken wollte. Wie von Sinnen packte ich Brett für Brett, brach sie aus dem Mauerwerk, bis auch das Letzte entfernt war, ein kleiner Ausstieg stellte sich dar, gerade breit genug, sich hindurch zu pressen. Doch gerade beim Hochstemmen, die Hände waren schon der Freiheit nahe, machte sich mir eine schwere Last bemerkbar, Andros hatte mich schon angesprungen, riß mich zu Boden, als wäre ich nur ein leichtes Küken.
 
Brechend knallte mein Körper auf den harten Steinboden, mit beiden kraftvollen Tatzen preßte er meine Arme fest, so daß ich sie kaum noch spürte, seine Krallen machten sich bereits in meiner Haut bemerkbar, sie stachen, wie scharfe Nadeln. Der monströse vereiterte Schädel sauste zu mir hinab, beißend versuchte er meinen Hals zu treffen, um ihn mir durchzubeißen, doch im allerletzten Moment stemmte ich ihn mit meinen schwarzen Stiefeln kräftig nach vorn. Sein Gebiß schnappte kurz vor meiner Nase zu, Sabber tropfte auf meine Panzerbrille, dann löste sich dieser Körper von mir, flog mit einem hellen Jaulen durch den kleinen Raum, um in einem Haufen voll mit Gerümpel polternd und heulend einzuschlagen. Hastig und bestimmt, noch auf dem Boden kauernd, riß ich meine Pistole aus dem Halfter und zog den Schlitten kraftvoll durch. Diesmal war er schneller, er war verdammt schnell, abermals sprang er mich an, noch bevor ich den Abzug durchdrücken konnte, Verzweiflung packte mich, mein Puls raste, ich preßte mich so nah an den Boden, wie es nur ging und knapp verfehlte das teuflische Gebiß meinen Kopf und sauste in den staubigen Boden. Plötzlich schmerzte mein rechter Arm und die Pistole glitt mir aus den Fingern, sie schoß über den Boden von mir weg, knallte an eine Wand. Diese Bestie hatte nach mir mit einer seiner tödlichen Krallen im Sprung geschlagen und getroffen, der Schmerz war fast unerträglich, ich blutete. Noch bevor ich mich rühren konnte, noch bevor ich überhaupt die Situation begreifen konnte, hatte sich die wilde Bestie wieder erhoben, mich angesprungen, wieder lag ich unter ihm, nicht fern ab von seinen klaffenden, stinkenden und schnappenden Zähnen, die sich fest in mein Fleisch graben wollten. Ich umklammerte den Schädel dieses Ungeheuers und versuchte ihn daran zu hindern, den meinigen zu zerbeißen, ich war mir sicher, daß er mir in den Schädel gebissen hätte, so zerspränge dieser wie eine kleine Nudel, die bei zu großem Druck brach.
 
Es gelang mir dann doch noch seinen Kopf zu halten, er preßte wie verrückt gegen meine zerkrampften Hände, er hatte wahnsinnige Kraft, ich blickte genau in seine Augen und er in die Meinen, ich konnte den tiefen Schmerz erkennen, den er in sich trug und fast dachte ich, er beruhigte sich, doch ich schlug weit fehl, er riß mit einem wahnsinnigen Bellen und Kläffen sein Maul breit auf, es schoß auf mein Gesicht zu, ich konnte ihn nicht halten. Zeitgleich riß ich nur meinen Schädel mit einem starken Ruck beiseite und seine scharfen Zähne schlugen auf den harten Steinboden, er jaulte, doch ich schlug meine rechte Faust hammerhart auf seinen Nacken, wieder war ein Jaulen zu hören, bitterlich vor Schmerzen, jetzt erst konnte ich die Bestie von mir stoßen, ich hatte mich befreit, wenn auch nur für die Bruchteile einer Sekunde. Schmerzerfüllt raffte ich mich auf, sah das Monster winselnd am Boden liegend, es versuchte sich ebenfalls aufzuraffen, hatte es denn niemals genug ?
 
Aber kaum stand ich aufrecht, hatte ich eine andere Gefahr weit unterschätzt, eine dicke Stahlstange schlug direkt neben mir im Gemäuer ein, der Putz fiel unter der Wucht des Schlages von der Wand. Es war einer dieser verrückten Kuttenleute, zum ersten Male sah ich sein Gesicht. Es war von Narben und Geschwüren übersäht, seine Augen waren leer, wieder holte er aus, schlug rasend schnell zu, doch abermals konnte ich ausweichen, aber nur knapp, er verfehlte meinen Hals nur um wenige Kratzer, krachend schlug die Stahlstange in dem Gemäuer ein, wieder rieselte der Putz. Ich war zu beschäftigt diesem Kerl auszuweichen und eine passende Angriffsgelegenheit abzuwarten, als sich ein dicker Lederstiefel in meine Seite grub, aus der Dunkelheit, dem Hinterhalt, hatte sich ein weiterer Kuttenmann angeschlichen. Der Schmerz war unausstehlich, fast blieb mir die Luft weg, ich sackte zusammen, wieder holte der Verrückte mit der Stahlstange aus, ich griff irgendetwas, es war eine kleine Holzstange, die ich ihm mit voller Wucht und vollem Haß gegen die Kniescheibe schlug, daß es nur so krachte, verzweifelt schrie er auf, die Stahlstange schlug auf dem Boden auf, er brach neben seinem Kumpanen zusammen, krümmte sich vor Schmerzen und hielt sich das Knie.
 
Doch mein Erfolg blieb nicht ohne einen happigen Gegenerfolg, Andros war wieder da, er stand an der Wand, scharrte mit seinen bestialischen Pfoten, daß sich Staub auftat, er schnaufte wie ein wilder Stier, bei allem Heiligen, was war das für eine Bestie aus der tiefsten Dunkelheit ? Der andere Kuttenmann schliff seinen Glaubensbruder aus dem Raum, er schrie immer noch wie verrückt, Pech gehabt ! dachte ich mir im Stillen, als ich mich aufraffte und den Raum langsam und immer Andros im Auge behaltend nach meiner Pistole absuchte, da war sie ! Sie lag dort wo Andros jetzt stand, dort von wo er jetzt zu einem gewaltigen Satz holte, doch ich wandte mich hindurch, gut unter ihm haltend, schliff ich über den staubigen Boden, riß mir dabei ein Knie auf, bis ich den Griff der Erlösung spürte, die Pistole, ich hatte sie ! Kaum drehte ich mich auf dem Boden um, den Finger schon am Abzug, spürte ich diese Wärme, die Wärme von Blut, das langsam meine Brust herunterlief, dann roch ich den übelriechenden Sabber, hörte das Fletschern von Fangzähnen, Andros hatte mich erwischt, in dem diffusen Licht dieser mit Gerümpel bedeckten Ecke, hatte er mich in die linke Schulter gebissen, Schmerz tat sich mir auf, stechender Schmerz, es war als ob alle Sehnen rissen, alle Knochen brachen, als ob er mir einen Teil des Schulter herausgerissen hätte, ich schrie, entsetzt und laut.
 
Meine Hände krampften sich zusammen, als Andros seinen Biß nicht lockerte, ich riß die Augen wieder auf, sah diesen anderen Kuttenmann, hatte er eine Pickhacke in der Hand, oh nein ! Blitzschnell holte er aus, ich zog meinen Kopf in Andros dichtes Fell, und hörte dieses Klacken, wenn eine Metallspitze auf harten Stein trifft, fast hätte er meinen Kopf erwischt, ich spürte schon, wie sich einige Haare aus ihren Fassungen rissen. Er schaute wahnsinnig drein, als er die Pickhacke wieder hochheben wollte. Und Andros lies immer noch nicht los, ich hatte dem Tier schon den Lauf an die Stirn gepreßt, doch immer weiter grub er sich in die Schulter ein, immer stärker wurden die Schmerzen, dann krümmte ich unter allen Anstrengungen den Zeigefinger am Abzug. Mit einem lauten Knall, der mir fast das rechte Ohr betäubte, jaulte das Tier kurz leise auf, Blut spritzte aus seinen Aughöhlen, lief mir auf den Körper und deckte die Wände mit Resten ein. Noch ehe der Hall des Knalls verendet war, war dieses bestialisches Monster in der Zeit verstrichen, ein lauter Knall und eine kleine Metallkugel beendeten sein vertanes Leben kurz und schmerzlos.
 
Endlich lockerte sich der Biß, bei seinem Tode löste Andros seine Zähne aus seinem Fleisch, schaute fast mit dankendem Gesichtsausdruck in meine Richtung.
Der Kuttenmann mit der Pickhacke blieb erstarrt stehen, war er doch voll bedeckt mit dem Blut, daß aus Andros Hinterkopf bei dem Knall geschossen war. Doch seine Starrheit löste sich allzu schnell, er hob die Pickhacke und kam schreiend auf mich zugerannt, holte dabei schwungvoll aus. Noch zweimal krümmte ich den Abzug, beide Male schossen die tödlichen Kugeln der Pistole auf den stürmenden Kuttenmann zu und trafen ihn im Brustkörper, er wurde zwangsläufig von mir gestoppt, sackte auf die Knie. Sofort stieß ich diesen stinkenden Fellkörper von mir, sprang mit aller Kraft auf, die Schulter schmerzte, mein ganzer Körper schmerzte und ich hörte diese wahnsinnigen Kuttenleute kommen, sie mußten Verstärkung geholt haben, der Gestoppte war indessen immer noch nicht verendet, sondern sprach in diesem giftigen Gesichtsausdruck ein seltsames Wort zu mir.
 
Er stand genau vor mir, seine Pickhacke fiel zu Boden und er murmelte diese Wörter, dann erkannte ich blaue und rote Farbschimmer, die sich in seinen Händen bildeten, seine Augen leuchteten rötlich auf. Da krümmte sich der Abzug ein weiteres Mal und das Projektil zerschnitt förmlich die knappe Luft zwischen
dem Lauf und seiner Stirn, still fiel er nach hinten, dabei breitete sich ein mächtiges Feuer aus seinen Händen aus, es riß den Toten Körper zu sich und brachte ihn in einem zauberhaften Farbenspiel zum Brennen. Die Anderen waren nah, ich hörte sie, ich zog mich mit aller Kraft diese kleine Luke empor, hörte hinter mir die entsetzten Schreie meiner Peiniger, während ich mich einfach fallen ließ und auf dem steinigen Boden eines Gehwegs darunter einschlug, es war aber nicht hoch, wenigstens hatte ich die Kerle abgehängt. Dann raffte ich mich auf, lief schnellstens zu meinem Panzer, doch dieser fuhr bereits an mir vorbei, beschleunigte aber nur wenig, verdammt, irgendein Irrer hatte sich meinen Panzer geschnappt und wollte mit ihm abhauen.
 
"Tötet diesen Heuchler !" schrien die Kuttenleute, die bereits aus dem Haupteingang angelaufen kamen.
 
Verdammt noch mal, ich feuerte die beiden letzten Schüsse auf diese miesen Heuchler, ich traf zwei, nein, nur einen davon brachte ich zum fallen, der andere humpelte mir weiterhin nach, es war die reinste Meute, und die wollten sicherlich keine Autogramme von mir. Mit meiner letzten Kraft erreichte ich noch ein Stück vom Tarnnetz, daß hinten ein wenig vom Panzer herunterhing, dann lies ich mich einige Meter weit schleifen, dieser Irre am Steuer hatte schon ganz schön beschleunigt, wahrscheinlich hatte er diese Kuttenleute selbst auf den Fersen. Mit allen Kräften zerrend, schaffte ich es das Dach des Panzer zu erreichen, wo ich den blonden Schopf eines kranken Mannes erkennen konnte.
 
Fahrtwind peitschte mir ins Gesicht, die Kuttenleute waren längst abgehängt, das war also schon erledigt. Heimlich kroch ich durch die offene Luke des Maschinengewehrs, daß ich auf die Lafette angebaut hatte. Im Panzer halfterte ich wieder die Pistole, machte die Uzi bereit, sie klemmte ein wenig, doch jetzt ließ sie sich gut spannen, dann bewegte ich mich kriechend zu dem Kranken.
 
"Mach Platz !" forderte ich mit zu allem erfüllter Stimme, "Hau ab !", dabei die Uzi in seine Seite drückend.
 
Er gehorchte mir, ohne daß ich weiteren Druck ausüben mußte und kroch nach hinten, zum Glück hatten wir die Ortschaft bereits verlassen und waren auf einer einsamen Landstraße. Die Bremsen des Panzers taten wieder ihr Bestes, quietschend und schleifend blieben wir stehen. Dann schaute ich nach unten, wo der Kranke sich in eine Ecke verkrochen hatte, ich betätigte das Bordlicht und der Innenraum wurde etwas erhellt. Jetzt dröhnte die Hinterluke vorsichtig mit einem Knopfdruck nach unten, das Tageslicht traf uns erneut und ich blickte zu dem Kerl, der zitterte, als sei er ein Fisch, der an Land gespült wurde.
 
"Steig aus !" befahl ich ihm, "Verschwinde, bevor ich es mir anders überlege !" fuchtelte ich mit der Uzi.
 
Er schien mich nicht zu verstehen, denn er sah mich nur seltsam an, seinen Lumpen nach zu urteilen war er keiner der Kuttenleute, dennoch war er für mich ein gemeiner Dieb, ein Kranker, der mich fast das Leben kostete, weil er mit meinem Panzer stiften gehen wollte. Ich zog den Schlitten der Uzi noch ein weiteres Mal durch, signalisierte ihm damit, daß ich es Ernst meine und deutete mit der Waffe in der Hand zum Ausgang, wenn er schon keine Worte verstand, dann verstand er auf jeden Fall diese Sprache. Wie ein Häufchen Elend raffte er sich auf, und stieg die Rampe hinunter, bis er auf dem Asphalt der öden Straße war, irgendwie tat er mir Leid, er schien hilflos. Und nachdem er ein paar Meter weit gelaufen war, blickte er kummervoll zurück, irgendwie erwärmte sich mein Herz, ich dachte an meine Familie, meinen Bruder, an Marie.
 
"Na komm schon zurück !" rief ich ihm nach und da plötzlich erhellte sich sein Gesicht, so wie es der Sonnenschein mit dem Morgen tat. Er rannte aufgeregt schnell zurück, setzte sich neben mich auf die Sitzbank der Funkanlage.
 
"Ich weiß was passiert ist !" keuchte er und mußte danach zweimal kräftig husten, "Ich kann dir alles erzählen und erklären !"
Ob dies stimmte, daß wußte ich zu diesem Zeitpunkt nicht, aber vielleicht wußte er sogar mehr als ich, langsam aber sicher erweckte dieser junge Mann, den ich nicht als viel älter einschätzte, als ich es damals war, meine Neugier.
 
"Okay, vielleicht kann ich dich hier brauchen !" sagte ich bestimmt.
 
VI. Mein Name ist Bill ! und die Geschichte der Welt
 
Er freute sich immer mehr und musterte aufgeregt das Innenleben des Panzers, doch ich bat ihn erst einmal etwas zu essen an, eine Konserve, deren Inhalt ihn fast zur Verzückung brachte, er war so ausgehungert, hatte wahrscheinlich schon lange nichts mehr zu sich genommen. Dann tatschte er an meiner olivgrünen Weste, ich griff gerade nach seiner Hand, als er schon das Papier des Schokoriegels in der Hand hielt, er atmete tief aus, "Oh !"
Was hatte er jetzt schon wieder ?
 
"Du bist Bill !"
"Nein, ich heiße" wollte ich klarstellen, doch abrupt unterbrach er mich.
 
"Du bist Bill !" sagte er wichtigtuend.
 
Er war wirklich verrückt, na gut, sollte er mich doch nach einem Schokoriegel nennen, vielleicht beruhigte ihn das ein wenig.
 
"Nun, was weißt du, was ist passiert ?" fragte ich mit entschlossener Stimme.
 
"Ich habe es gesehen, das Licht des Untergang, den großen grellen Blitz !" erzählte er hastig, so daß er eine leichte Gänsehaut bekam und er dabei kaum richtig kauen konnte.
 
Seine Haut wies schwarze Flecken auf, was mochte er wohl gehabt haben, außerdem war sie aschepfahl, er bedeckte sich nur durch schäbige Lumpen, seine Haare waren grau, nicht blond, wie ich zuerst dachte, jetzt hätte ich ihn eher für einen alten Greis gehalten, denn für einen jungen Mann.
 
"Erzähle weiter !" forderte ich, dabei auf die nächste Konserve zeigend, die er sich hastig öffnete.
 
"Die Apokalypse, es war das Licht der Apokalypse, der Kampf ist entschieden !" plauderte er darauf los.
 
"Was für ein Kampf ?"
"Es war vor vielen Jahren, da schmiedete Gott mit dem Teufel einen festen Pakt.
Für eine bestimmte Zeitspanne sollte jeder versuchen die Menschen auf seine eigene Seite zu bringen, Gott versuchte die Menschen auf die gute zu bringen, der Teufel jedoch, versuchte die Menschen zum Bösen zu bekehren." er machte eine Pause, "Nun, nach dieser Zeit sollte die Apokalypse darüber entscheiden, wer diesen Kampf gewinnen sollte. Sieben Engel, für jeden Kontinent einer, sollten erscheinen und die Welt zerstören, jedes Lebewesen, jeden Graßhalm und jedes Korn sollte vernichtet werden, durch ein großes Feuer. Falls Gott der
Sieger war, sollten alle Gestorbenen im Paradies erwachen, falls der Teufel siegen sollte, kämen alle in die Hölle."
Er beendete seine Geschichte und verschränkte die Arme um ein kleines Stoßgebet zu sprechen, bei dem er die Augen fest verschloß.
 
"Wenn das die Apokalypse war, warum sind wir nicht im Paradies ?" unterbrach ich ihn ungläubig, aber er riß die Augen weit auf.
 
"Mein Guter" sprach er etwas leise werdend, "habe ich gesagt, Gott hätte gewonnen ?" und sein Gesicht verzerrte sich drastisch und unrealistisch.
 
Diese Worte zogen mein Herz fester zusammen und ich schluckte, war ich in der Hölle, oder war er nur ein kleiner Spinner, aber warum wußte er so gut bescheid ? Wer war er ?
 
"Die Welt ist tot !" fügte er hinzu, "Und wir sind die einzigen Zeugen der Apokalypse ! Du kannst es dir nicht vorstellen, ich sah die sieben Engel, ich sah das Licht und ich dachte ich wäre für diesen einen kurzen Augenblick unsichtbar, mein Leben spielte sich in sekundenschnelle noch einmal ab, ich bin der einzige der voll in dem Licht stand !" plauderte er stolz weiter, "ich blickte von dem Berg herab auf die Stadt und eine solche Energiewelle zog sich aus den Wolken empor, alles vernichtend und verbrennend, soweit dehnte sich die Zerstörung aus."
"Was ist mit der Stadt ?"
"Sie ist vernichtet, alle starben, ich hörte Millionen von Menschen schreien, schreien gegen eine Macht, gegen die sie keine Kraft hatten, gegen die sie sich nicht wehren konnten, alle wurden vernichtet." hauchte er jetzt etwas traurig.
 
Also war es wahr, die Stadt schien verloren, meinte er vielleicht, er habe einen Atompilz gesehen, gab es einen Atomkrieg, aber davon hätten sie doch uns auf der Übung als erste informiert ? Was war nun geschehen ? Trauer und Kummer packten mich, ich wollte mein Reiseziel ändern, nun wollte ich zur Stadt, zu Marie und zu meiner Familie, sie durften nicht tot sein.
 
"Du lügst !" fauchte ich ihn an, "nichts ist so stark, daß es eine ganze Stadt vernichten kann !"
"Ich sah es, mit wenigen anderen, die auch überlebten, der Himmel öffnete sich, ein mächtiger Energiestrahl, von wunderschönem blauen Licht, traf die Stadtmitte, dann breitete er sich wellenförmig auf dem Erdboden aus, vernichtete dabei sämtliche Häuser, Straßen, einfach alles wurde zerstört. Die Apokalypse ist mächtig, mächtiger als jede andere Waffe, es ist eine Waffe der Götter !"
"Wer bist du überhaupt ?" unterbrach ich seine fantastische Geschichte.
 
"Ich bin Fred, dein neuer Freund, dein einziger Freund !" antwortete er schnell, er lächelte wieder.
 
"Fred, wir wollen in die Stadt !"
"Ja !"

 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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