Anna Sieselbst

Vor dem Hutgeschäft

 

Eine Stadt irgendwo in Österreich, mit vielen Touristen, Schlössern, an jeder Ecke ein Souvenirladen, das Klima frisch und angenehm. Die Luft durchtränkt von Kultur, überall unbegabte Musiker, und die Touristen, die sich wie Einwohner fühlen, sich in einer echten, unverfälschten Stadt wähnen, werfen viel zu viel Geld in die Hüte, die speckig und krumm zu den Füßen der unbegabten Musiker stehen.

Eine Frau mit einer Geige steht vor einem Hutgeschäft, fidelt ein Stück von Mozart, sie ist nicht schlecht, aber manchmal sticht ein falscher Ton heraus, das hören selbst die Touristen. Das Hutgeschäft ist gut besucht, ein Mann mittleren Alters sucht einen Hut für die Schwester. Die Verkäuferin raschelt mit Seidenpapier, hebt Hütchen aus ihren Schachteln und erklärt, wie kunstvoll die Ränder verarbeitet worden seien, und er, er lässt den Blick aus dem Fenster fahren, lauscht dem Geigenspiel, zuckt gelegentlich zusammen, wenn ein falscher Ton erklingt, wird müde. Und als die Verkäuferin nach ihren Erläuterungen endlich schweigt, nimmt er das erstbeste Hütchen, lässt es schön verpacken und tritt dann in die kühle Mittagsluft, ein Luft fast wie in den Bergen, nur nicht sofrisch.

Er sieht die Frau, ihre Augen suchen die Wolken, sie sieht aus, als versuche sie sich die Partitur vor Augen zu führen. Ihre Nasenflügel zittern vor Konzentration und hingebungsvoll spielt sie, betont nur manchmal falsche Töne, ihr Haar bauscht sich, die Wimpern federn leicht, er beobachtet sie, die Wimpern. Nicht getuscht, aber gepflegt, lang und elastisch federn sie, wie der Rücken eines schönen Pferdes.

Plötzlich senkt sie den Blick, sieht ihn an, quält sich weiter, möchte eigentlich gar nicht mehr spielen, sondern innehalten und ihn vielleicht ansprechen. Er spürt die harten Kanten der Hutschachtel, ein wenig quetscht er sie, bis sich die Pappe wellt und an den Ecken staut.

Sie starrt weiter, und er starrt zurück, ihre Wimpern zittern im Gleichtakt mit den Nasenflügeln.

Er macht einen Schritt, spürt, wie sein Körper sich erhebt, langsam, gleichmäßig, und dann nach unten stürzt, er versucht, so majestätisch zu schreiten, da stolpert er gar unmajestätisch, und sie lacht glucksend.

Irritiert, fast unfreundlich, starrt er sie an, und sie schrickt zurück.

Das war das Ende ihrer Liebe.

Er geht weiter, die Hutschachtel ein wenig fester unter den Arm geklemmt, sie beendet den Mozart, fängt mit einem neuen an und hat auf einmal das Gefühl weinen zu wollen.

Dabei weiß sie doch selber nicht wieso. 

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