Daniela Hoppaus

Gott ist tot

(Phantastische Morde) - Daniela Hoppaus - lange Version

In der Versuchsanlage Beta-Zeta saß Michael gelangweilt an seinem Monitor und beobachtete, wie die Spezies A.1 -4567 im Freigehege seine Umgebung erkundete. Das Tier war gentechnisch modifiziert worden, um seine Anpassung an neue Umweltgegebenheiten zu erhöhen. In dieser Phase des Projekts war das Tier vom Labor in ein Freigehege mit anderen, unmodifizierten Tieren dieser Welt gebracht worden, um sein Verhalten zu beobachten. Durch die genetische Veränderung war Spezies A.1-4567 größer als seine unveränderten Artgenossen und hatte weniger Fell. Das Tier hielt sich abseits von den anderen, witterte vorsichtig und trank schließlich gierig aus dem Bach. Als Gabriele eintrat, fand sie Michael mit den Beinen auf seinem Schreibtisch, wie er gerade das Beobachtungsprotokoll ausfüllte.
"Was macht den unser Adam denn so?", fragte sie. Michael sah auf. "Er ist sehr vorsichtig, meidet die anderen Tiere … auch die, die seiner eigenen Art angehören. Schau!", er deutete auf den Monitor, "er sitzt alleine im Gras und spielt an sich rum." Gabriele nickte. "Er braucht ein Weibchen. Das habe ich vorige Woche schon dem Chef gesagt. Er wird sich nicht mit den anderen paaren können, dafür sind sie bereits zu unterschiedlich in ihrem Genmaterial." Michael spielte mit seinem Stift. "Dann nehmen wir eine Gen-Probe von ihm und züchten daraus ein Weibchen." "Ist bereits passiert" entgegnete Gabriele. "Im Sektor G311 wächst ein Weibchen mit derselben Modifizierung heran. Aufgrund des Wachstumsbeschleunigers müsste sie bald geschlechtsreif sein. Dann können wir sie zu ihm lassen." "Ich krieg hier echt nichts mit" beschwerte sich Michael. "Wann habt ihr ihm eine Probe entnommen?" "Noch bevor er freigelassen wurde, im Labor. Lucien testet die DNS, ob noch Erweiterungen vorgenommen werden können." Michael nickte. Diese Spezies eignete sich hervorragend für Genetische Modifizierungen. Darauf hatten sie nicht zu hoffen gewagt, als sie sich diesen Planeten mit seiner Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren ausgesucht hatten. Spezies A.1-4567 war eine der wenigen Arten, die die Mutationen angenommen und selbst weiterentwickelt hatte.
"Arbeitet Lucien noch an der neuronalen Vernetzungstechnologie, die Intelligenz bei Tieren hervorrufen soll?"
Gabriele schüttelte den Kopf. "Nur noch als Hobby. Der Chef ist jedenfalls der Meinung, dass es bei dieser Spezies noch zu früh ist. Falls Lucien überhaupt Erfolg haben sollte."
"Stimmt. Lucien's erster Versuch war nicht sehr erfolgreich." Beide kicherten. Lucien hatte versucht, einer Maus mittels seiner neurologischen Nanobots neue synaptische Verbindungen einzupflanzen, damit sie Sprache verstehen und sprechen konnte. Die Maus sprach, aber ihre Konversation drehte sich vor allem um Futter und Sex. Alle Versuche Luciens, das Vokabular der Maus zu erweitern, scheiterten daran, dass die Maus einfach kein Interesse daran hatte, Wörter zu lernen, mit denen sie nichts anzufangen wusste.
Die Maus war jetzt mit anderen Mäusen in einem Käfig auf Gamma-Zeta untergebracht, wo sie sich ausgesprochen wohl fühlte und sich nur dadurch von den anderen unterschied, dass sie ihr Futter a la Card bestellte und die Tierpfleger anbaggerte.
Plötzlich riss die Kommunikationsanlage Michael und Gabriele mit einem schrillen Pfeifen aus ihrem Gespräch:
"Überwachungstechniker M1a, bitte kommen Sie ins Chefbüro" Michael erhob sich. "Was G.O.T.T wohl will?", fragte er. Gabriele zuckte die Schultern und setzte sich auf den Stuhl, den Michael soeben geräumt hatte.
"Fröhlichen Nachtdienst" wünschte Michael ihr noch, dann verließ er den Raum.
Gabriele schaute auf den Monitor und zoomte näher an Spezies A.1-4567 ran. "Nun, Adam, wie geht’s dir denn heute?"
Unbehaglich saß Michael in seinem Sessel. Der Chef stand, mit dem Rücken zu ihm, hinter seinem Schreibtisch, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Michael kaute an seinen Nägeln und rutschte am Sitz hin und her. Er mochte es nicht, wenn er zum Chef zittert wurde, den er insgeheim immer G.O.T.T nannte. Großer Ober-Trottel der Technik. Sein richtiger Name allerdings war J'wahe n' alah. Michael grinste in sich hinein. Ja, der Chef war ein großartiger Techniker, aber eben ein Volltrottel, wenn es um die Dinge des Alltagslebens ging. Michael bemerkte, dass sein Chef seine Jacke wieder mal verkehrt herum angezogen hatte.
"Du hast Morgen früh wieder Dienst, Michael, nicht wahr?" Michael zuckte zusammen. "Nein, nein. Morgen früh ist Rafael dran. Ich habe am Nachmittag Dienst." "Hm." Der Chef drehte sich zu Michael um. "Sei's drum. Ich möchte morgen früh das Weibchen ins Gehege entlassen. Gabriele meinte, es sei an der Zeit." Michael zuckte die Schultern. "Und?" Der Chef runzelte die Stirn. "ich möchte, dass DU und Rafael die Beobachtung auf einen größeren Bereich als die Wasserstelle und ihre unmittelbare Umgebung ausdehnen. Ich möchte, dass das ganze Freigehege rund um die Uhr überwacht wird." "Kein Problem, Chef. Wir haben Kameras überall im Freigehege. Wir benutzen zwar nur die an der Wasserstelle, da Spezies A.1-4567 sich nie sehr weit davon wegbewegt. Er hat sich dort sogar einen Unterschlupf gebaut."
"Gut, gut. Trotzdem" Damit drehte der Chef Michael wieder den Rücken zu. Damit war er für jetzt entlassen. Michael erhob sich, verließ das Büro und machte sich auf den Weg zu seinen privaten Räumen. Unterwegs begegnete er Uriel, die gerade aus dem Wachstumslabor kam. "Hallo, Mike" grüßte Uriel. Er nickte ihr zu. "Wie geht’s deinem Projekt?" fragte er. "Es geht ihr gut, sie macht sich prächtig. Sie ist wunderschön im Vergleich zur unmodifizierten Spezies A.1-4567." "Darum geht’s morgen raus ins Freigehege." Uriel nickte. "Es ist schade, dass sie morgen rauskommt. Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen. Ich habe sie Lilith genannt. Gute Nacht , Mike." Damit drehte sie sich um und ging. Michael ging in die entgegengesetzte Richtung weiter zu seinem Quartier.

In der Versuchsanlage Beta-Zeta war Stille eingekehrt. Lucien saß noch vor seinem Terminal und folgte den Zahlenreihen, die unablässig über den Monitor liefen. Dabei kaute er an seinem Stift, murmelte hin und wieder oder kritzelte irgendwas auf einen Zettel. "Das gibt’s doch nicht." Er war wieder einmal gescheitert bei dem Versuch, einem unmodifizierten Tier eine Ladung neuronaler Nanobots zu injizieren. Die Nanobots hatten zwar sofort begonnen, Synapsenverbindungen anzulegen, brachten damit das Tier aber dazu, wahnsinnig zu werden und sich selbst zu zerfleischen. "Laut der Berechnung müsste alles stimmen. Das Hirn wächst, neue Nervenzellen und neue Verbindungen werden angelegt. Aber sie sind entweder nicht stabil, wachsen nicht weiter oder schaden der geistigen Gesundheit des Wirtes und zerstören ihn dabei." Er lehnte sich zurück und kaute weiter an seinem Stift. Dabei rief er eine Datei auf seinem Terminal auf und las eine Weile darin. "Bei den modifizierten Tieren gibt es scheinbar keine Unverträglichkeit.", murmelte er. "Der Chef hat schon bei der DNS darauf geachtet, dass die Modifikation erweiterbar ist. Unter Umständen können die Nanobots ihre Arbeit tun und werden danach vom Organismus wieder ausgeschieden."
Während er so grübelte, fiel sein Blick auf die Tür zu Sektor G311. "Es gibt derzeit nur zwei modifizierte Tiere in dieser Station.", sinnierte er. "Und wenn ich Erfolgreich sein will, muss ich meine Tests am lebenden Objekt durchführen."
Er erhob sich, angelte nach seiner Identifikationskarte und schob sie in den Schlitz der Tür zum Sektor G311. Fast geräuschlos glitt die Tür auf und gab den Blick auf einen gläsernen Käfig frei, in dem Lilith, die weibliche modifizierte Spezies A.1-4567, zusammengerollt auf dem Boden lag und schlief. Lucien betrachtete sie. Ihr Körper war fast haarlos, eine Nebenwirkung der Genmodifikation, die auch beim Männchen, allerdings in weniger drastischer Form, aufgetreten war. Auch war sie groß und schlank, sah völlig anders aus als Spezies A.1-4566, aus der ihr Genmaterial entnommen worden war.
"Hallo, Schlafende Schönheit. ", flüsterte Lucien und näherte sich dem Käfig. In der Kühleinheit neben dem Käfig wurden die Phiolen mit den Nanobots aufbewahrt. Liese öffnete Lucien die Tür, holte eine Phiole heraus und brachte sie zu seinem Terminal zurück. Die Tür zum Sektor G311 ließ er offen. Am Terminal angekommen, holte er aus einer Lade im Schreibtisch eine Spritze, in die er die Phiole einspannte. Dann legte er die geladene Spritze unter einen Elektro- Emissions- Programmier-Laser, kurz EEPL genannt und starte den Uploadvorgang zur Programmierung der Nanobots. Er wählte Sprache inklusive umfangreichem Vokabular, er wollte nicht denselben Fehler wie mit der Maus noch einmal machen, indem er vergass, Wörterbuchdateien auf die Nanobots zu laden. Dann wählte er Abstraktionsvermögen, auf diese Entwicklung war er besonders stolz, und schließlich noch das Intelligenz-Basispaket, welches Dinge wie Werkzeugverwendung inkludierte.
Die Spritze mit den Nanobots leuchtete unter dem EEPL rosafarben auf. Als das Terminal meldete, dass der Ladevorgang abgeschlossen sei, nahm er die Spritze aus der Halterung und ging damit zurück in Sektor G311.
Am nächsten Morgen wurde das Weibchen ins Freigehege entlassen. Rafael beobachtete sie auf dem Monitor, wie sie den Glaskäfig verließ. Es wunderte ihn ein wenig, dass sie auf zwei Beinen ging statt wie das Männchen auf allen vieren. Vorsorglich schrieb er diese Besonderheit in das Protokoll, dachte sich aber nichts weiter dabei. Erst, als das Männchen sich dem Weibchen näherte und gewaltsam versuchte, sich mit ihr zu paaren, bemerkte er, dass sich ihre Lippen hektisch bewegten. Er schaltete das Mikrofon ein, dass am nächsten bei den beiden in einem Gebüsch montiert war und hörte, wie das Weibchen schrie: "Lass deine Dreckspfoten von mir, du widerlicher Scheißskerl!" Schnell drückte er den Alarmknopf, der umgehend die Sicherheitsleute herbeirief und verständigt danach den Chef. "Wir haben ein Problem mit dem Weibchen! Schnell, kommen Sie her und sehen Sie sich das an!"
Mittlerweile waren die Sicherheitsleute, in goldglänzenden Rüstungen und mit Laserwaffen ins Freigehege eingedrungen. Sie stießen das Männchen mit den Laserstöcken weg und zerrten das Weibchen aus dem Gehege.

In seinem Quartier wurde Lucien vom Alarm geweckt. Verschlafen überlegte er, was denn passiert sein könnte. Plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Blitz und schlagartig war er hellwach.
Er wusste, dass es sich um das Weibchen handelte, welches seinen Berechnungen zufolge über ein hohes Maß an Intelligenz verfügen musste. Zwar hatte er nur halb damit gerechnet, dass sein Versuch Erfolg haben würde, aber wenn die Sicherheitsleute eingriffen, dann war wirklich etwas verdammt schief gelaufen. Schnell stand er auf, zog sich an und rannte in den Sektor G311. Erschrocken stellte er fest, dass sie nicht mehr da war. Jemand musste sie ins Freigehege entlassen haben. Bei dem Gedanken daran, was die intelligente Lilith beim Anblick ihres halb primitiven männlichen Gegenparts getan haben musste, wurde ihm heiß und kalt. Sein Versuch war vermutlich aufgeflogen. Er musste handeln. Die Spritze mit dem Rest der geladenen Nanobots lag noch im Kühlschrank neben dem Käfig. Er holte sie heraus und steckte sie ein. Dann floh er durch den Gang. Wenn sie ihn mit der Spritze fanden, würde das sein letzter Tag in der Versuchsanlage Beta-zeta sein. Er musste die Spritze verschwinden lassen und dann sehen, wie er sich aus der Affäre zog. In Gedanken versunken gelangte er zu einer der Schleusen, die ins Freigehege führten. Er zog seine Identifikationskarte und öffnete die Schleuse. Als die Schleuse sich hinter ihm wieder schloss, holte er die Spritze aus der Tasche. Sein Blick fiel auf einen Baum der bereits kleine, rote Früchte trug. Schnell injizierte er in ein paar der Früchte seine Nanobots. Dort würden sie keinen Schaden anrichten, denn auf Pflanzliche Strukturen reagierten die Nanobots nicht. Hier gab es keine Synapsen, deren Verbindungen sie ausbauen konnten. Die leere Spritze steckte er wieder ein und verließ das Freigehege wieder durch die Schleuse. Schnell begab er sich in sein Quartier und legte sich hin, als sei nichts geschehen.
Völlig fassungslos stand der Chef in seinem Büro am Fenster und blickte hinaus auf das Freigehege. Rafael, Michael und Gabriele standen hinter ihm und schauten sich unruhig an. Was war da bloß passiert? Gabriele ergriff als erstes das Wort. "Wir haben das Weibchen stärker modifiziert als das Männchen. Vielleicht …" Rafael fiel ihr ins Wort." Daran kann es nicht liegen. Ich hab genau gehört, dass sie gesprochen hat. Das kam in den Modifikationen nicht vor! Es war nicht vorgesehen!" "Aber es funktioniert.", warf Michael ein. "Es scheint, dass Lucien doch näher dran war mit seinen Versuchen, als er nach dem Fiasko mit der Maus dachte." Uriel trat ein. Alle Augen richteten sich auf sie. "Wir haben Lilith ruhig gestellt. Sie war völlig außer sich über diesen Vorfall, schrie und tobte und beschimpfte uns aufs Ärgste. Es ist mir völlig unverständlich, wie sie sich so entwickeln konnte. Die ursprüngliche Modifikation hat damit nichts zu tun, Jemand muss…" Mit einer Handbewegung unterbrach sie der Chef. "Nicht jemand, Lucien.", stellte er fest. Uriel bemerkte, dass er diesmal seine Schuhe verkehrt herum anhatte, was ihn zum humpeln brachte. "Wo ist er überhaupt?" Alle sahen sich an. Lucien war dem Alarm nicht gefolgt, hatte sich nicht im Büro gemeldet, wie es das Sicherheitsprotokoll in einem solchen Falle vorschrieb. Der Chef drückte auf einen Knopf der Kommunikationsanlage und befahl den Sicherheitsleuten, Lucien zu suchen. Uriel fragte: "Was soll nun mit Lilith geschehen?" Erschöpft ließ sich der Chef in seinen Sessel fallen und rieb sich die schmerzenden Füße. "Bringst sie ins neurologische Labor Gamma-Zeta. Die Kollegen dort sollen sie testen. Vielleicht ist alles nicht so schlimm."
Mit einer Handbewegung entließ er die ganze Truppe. Kurz darauf traten zwei gerüstete Sicherheitsleute mit Lucien in ihrer Mitte ein. "Sir, wir haben ihn in seinem Zimmer schlafend gefunden. Das hier haben wir bei ihm gefunden." Er hielt dem Chef die leere Spritze entgegen. Dieser nahm sie, betrachtete sie lange und sagte schließlich: "Laßt uns allein."
Im Sektor G311 beugte sich Uriel über einen weiblichen Fötus der Spezies A.1-4567. Als Lilith den ihr zugedachten Partner verweigerte, hatte der Computer automatisch ein neues, modifiziertes Weibchen ausgeworfen, welches nun mittels Wachstumspräperaten schnellstmöglich zur Geschlechtsreife gebracht werden sollte. Das Projekt sah Nachwuchs von modifizierten Eltern vor. Es war der Kern der Studie, ob sich zwei gleichartig modifizierte Wesen vermehren konnten und, wenn ja, wie würde der Nachwuchs beschaffen sein? Würde er die gleiche DNS wie das Elternpaar aufweisen oder würde die Modifikation verloren gehen oder würde eine völlig neue Lebensform entstehen? Uriel war verärgert. Wenn wirklich Lucien für das Desaster verantwortlich war, hatte er die monatelange Arbeit an ihrem Projekt mit einem Schlag zunichte gemacht. Sie verpasste dem Fötus noch eine antibiotische Lösung und startete dann den Wachstumsprozess. "So, kleine Eva. Morgen früh bist du ausgewachsen."
Lucien war fassungslos. Der Chef hatte ihn gefeuert. Wütend rannte er den Gang entlang zu seinem Quartier. Er hatte Zeit bis zum nächsten Mittag um seine Sachen zu packen und dann mit dem Prädikat "unehrenhaft aus dem Dienst entlassen" nach Hause zu fliegen.
Am Gang begegnete er Michael. "hast du wirklich deine Nanobots in das Weibchen injiziert?", fragte er. Lucien schnaubte. "Es war ein voller Erfolg! Wir haben sogar eine Partie Schach gespielt. Die Nanobots funktionieren einwandfrei mit modifizierten Genen. Nur unmodifizierte DNS hat keine Akzeptanz gegenüber den Änderungen in der Gehirnstruktur. Ich musste es einfach versuchen." Michael nickte. "und jetzt ist G.O.T.T. sauer, weil du ihm sein Projekt verdorben hast. Ich kann ihn ja verstehen. Aber vielleicht, wenn die Kollegen auf Gamma-Zeta mit deiner Lilith zufrieden sind, überlegt er es sich noch und holt sich zurück." "Danke, Michael.", seufzte Lucien. "Aber dein G.O.T.T, wie du ihn nennst, hat von Anfang an auf meine Arbeit runter gesehen, als sei ich ein armer Irrer, der Mäuse mit Sprache ausstattet, damit sie ihre Pfleger sexuell belästigen." Michael grinste. "na ja, die Maus war ein Meisterwerk. Und immerhin ist sie nach wie vor die Attraktion auf Gamma-Zeta." Lucien neigte den Kopf. Nur mühsam beherrschte er sich. Am liebsten hätte er geweint. Er hatte bewiesen, dass es möglich war, primitive, wenn auch modifizierte Lebensformen mit Intelligenz auszustatten. "Nun, vielleicht kannst du ja zu Hause auf dich und deine Arbeit aufmerksam machen. Ich bin sicher, daraus lässt sich was machen. Vielleicht eine neue Art von Haustier für Kinder." Lucien musste sich zusammen nehmen, um Michael nicht zu schlagen. Haustiere für Kinder! Wo sie doch ganze Welten besiedeln könnten mit künstlich geschaffenen, intelligenten Leben! Wütend drehte er sich weg und stapfte weiter den Korridor entlang. Michael schaute ihm bedauernd nach.
Die Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse. Gabriele beobachtete das Männchen, dass scheinbar verzweifelt auf der Suche nach seinem Weibchen im Freigehege hin und her lief und jaulte. Mehr aus Langeweile schoss sie einen Betäubungspfeil auf ihn ab, der aus einem Baum heraus in seiner Nähe kam und ihm am Oberschenkel traf. Fast augenblicklich schlief er ein. Dann zog sie Ihre Identifikationskarte und ging zur Schleuse, um noch ein paar letzte Proben vom Männchen zu nehmen.
Am nächsten Morgen war Eva soweit. Uriel hatte die ganze Nacht auf ihren Schützling aufgepasst, ihr beim Wachsen zugesehen, die Anzeigen ständig im Auge und die Finger auf den Reglern. Als sie am Morgen sicher war, dass Eva nichts passiert war und sie geschlechtsreif war, gab sie den Befehl zur Öffnung der Schleuse ins Freigehege. Eva trat neugierig ins Sonnenlicht, wobei sie halb auf zwei Beinen ging, sich aber immer wieder mit den Vorderpfoten abstütze. Das Männchen, mittlerweile wieder aufgewacht, rieb sich seine Rippen, die ihm aus unerfindlichen Gründen schmerzten. Er roch Eva, die unsicher auf ihn zukam und schnupperte. Beobachtet von Uriel und Michael im Versuchslabor, ging die Paarung schnell vor sich.
Michael drehte sich zu Uriel um, die kaum noch die Augen offen halten konnte. "Sieht so aus, als sei diesmal alles gut gegangen. Hoffentlich hat sie gleich empfangen, damit wir bald Ergebnisse haben." Uriel gähnte und nickte. "Ja, alles scheint gut zu sein. Ich geh jetzt ins Bett." Damit ging sie. Michael wünschte ihr noch eine gute Nacht, aber das hörte sie nicht mehr.
Lucien hatte seine Sachen gepackt. Er hatte auch bereits auf der Raumfähre eingecheckt und wartete auf der Plattform über der Anlage auf seinen Flug, als sein Blick über die Anlage schweifte und am Freigehege hängen blieb. Verstohlen sah er sich um. Niemand von den anderen Reisenden nahm Notiz von ihm. Also beschloß er, der Anlage einen letzten Besuch abzustatten.
Als Lucien bei der Schleuse zum Freigehege angekommen war, zögerte er nur kurz. Er wusste, heute hatte Michael Dienst. Lucien beschloss, eine Entdeckung durch Michael zu riskieren der würde vielleicht nicht gleich Alarm schlagen. Und außerdem, mehr als feuern konnte der Chef Lucien nicht. Im Freigehege fand Lucien Eva zusammengerollt unter dem Baum, den er am Vortag mit den Nanobots präpariert hatte. Neugierig sah sie zu ihm auf, schnupperte. Lucien streichelte ihr Haar. Lilith war schöner gewesen und außerdem intelligent. Sie hätte sogar eine von ihnen werden können. Lucien seufzte. Dann überkam ihn eine Idee. Er pflückte eine Frucht und gab Eva davon zu essen. Dann machte er sich davon. Als sie Nanobots in Evas Körper ihre Arbeit abgeschlossen hatten, saß Lucien bereits in der Raumfähre nach Hause.
Eva hingegen hatte ein wunderbares Erlebnis. In ihrem Kopf explodierten Farben und Bilder und sie saß verträumt unter dem Baum, den sie als Apfelbaum erkannte. Woher sie das wusste, ahnte sie nicht. Das Männchen, Adam näherte sich ihr schnüffelnd. Sie erinnerte sich an ihn und seine Berührung und strich ihm übers Haar. Als er versuchte, sich erneut mit ihr zu paaren, schob sie ihn weg und stopfte ihm ein Stück Apfel in den Mund. Verdutzt kaute er darauf rum, schluckte. Dann versuchte er erneut, sie dazu zu bringen, sich mit ihm zu paaren. Er zerrte an ihr und versuchte, sie zu drehen, damit er sie von hinten nehmen konnte. Sie wehrte sich schwach, tätschelte seinen Kopf. Plötzlich verdrehte er die Augen, und ließ von ihr ab und fiel rücklings ins Gras. Eva lächelte. Sie wusste, was er gerade erlebte und kuschelte sich an ihn.

Im Büro von J'wahe n' alah herrschte helle Aufregung. Michael versuchte, sich zu verteidigen. Er hatte nicht bemerkt, dass Lucien sich ins Freigehege geschlichen hatte. Uriel weinte, denn ein weiterer Versuch war zunichte gemacht Gabriele ballte hilflos die Fäuste und Rafael lief unruhig im Zimmer auf und ab. "Wo ist der Chef?", fragte er. Keiner der Anwesenden wusste es. Als endlich die Tür zum Büro aufging, drehten sich alle Köpfe und blickten erwartungsvoll. Der Chef trat ein, ein Handtuch um den Kopf geschlungen, ansonsten diesmal ordentlich gekleidet. "Es ist eine Katastrophe.", tönte er. "Wir werden diesen Planeten verlassen und das Versuchslabor Beta-Zeta auflassen müssen. Die Spezies A.1-4567 entzieht sich durch die ihr verliehene Intelligenz unserer Kontrolle. Alle Mitarbeiter haben bis heute Abend abflugbereit zu sein. Der Reinigungstrupp wird morgen früh alle Spuren unserer Anwesenheit tilgen und die Spezies A.1-4567 wird sich selbst überlassen."
Damit wandte er sich um und ließ seine Mitarbeiter allein.

Adam nahm Eva in seinen Arm. "Weißt du, " sagte er "Wir können hier nicht bleiben. Sie werden versuchen, uns zu töten, weil wir nicht das sind, was sie erwartet haben. Weil wir die Früchte gegessen haben." Eva blickte zu ihm auf. "Was willst du tun?", fragte sie. "Er zuckte die nackten Schultern. "Wir suchen einen Weg hier raus. Dann fangen wir ein neues Leben an." Er erhob sich. Sein Blick fiel auf die Schleuse. "Hier kam er rein, sagst du?" Eva nickte. Adam betastete die Schleuse. "Wie funktioniert das bloß?" In diesem Moment öffnete sich die Schleuse und Adam erblickte J'wahe n' alah, der immer noch das Handtuch auf dem Kopf trug. Er wich zurück und versteckte sich hinter einem Gebüsch. Eva kroch zu ihm. "Warum verbergt ihr euch vor mir?", fragte J'wahe n' alah. "Weil ich nackt bin.", antwortete Adam. "Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?" "Niemand. Ich weiß es!" "Komm hervor!", befahl J'wahe n' alah mit lauter Stimme. Er war wütend, dass seine Kreaturen sich ihm gegenüber so ablehnend verhielten. Adam packte einen Ast, der am Boden lag und wog ihn in der Hand. "Was willst du tun?", flüsterte Eva mit erschrockenen, großen Augen. "Um hier heraus zu kommen, müssen wir an ihm vorbei. Wir werden kämpfen müssen, um zu entkommen", antwortete er, erhob sich und stürzte sich mit einem lauten Brüllen auf J'wahe n' alah. Immer wieder schlug er mit dem Ast auf ihn ein, bis J'wahe n' alah schließlich regungslos am Boden lag. Dann nahm er ihn das Handtuch vom Kopf und wickelte es sich um die Lenden. Er zog dem toten J'wahe n' alah die Jacke aus und legte sie Eva um die Schultern. Dann packte er ihren Arm und zog sie in die Schleuse.

Am Abend hatten sich alle Mitarbeiter des Versuchslabors Beta-zeta auf der Plattform für Raumfähren eingefunden. Uriel unterhielt sich leise mit Gabriele. Die Stimmung war gedrückt. Keiner konnte es so richtig begreifen, wie Lucien die ganze Arbeit platzen lassen konnte. Rafael stand am Fenster, welches einen großartigen Ausblick über die Versuchsanlage bot. Er seufzte. Plötzlich gab es Alarm und Michael kam atemlos auf Rafael und die anderen zugelaufen. Sicherheitsleute waren überall. "Stellt euch vor, was passiert ist!", keuchte Michael, als er die anderen erreicht hatte. "Was? Was denn?" Alle Augen richteten sich auf Michael. "G.O.T.T. ist tot. Adam hat ihn erschlagen und ist mit Eva durch die Schleuse geflohen. Die Sicherheitsleute suchen sie bereits in der ganzen Anlage, aber es scheint, sie konnten ins Freie entwischen!" Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Michael schaute in betroffene Gesichter. Uriel ergriff schließlich als erste das Wort. "Sie werden, wenn die beiden nicht gefunden werden, den Planeten zum Sperrgebiet erklären." Gabriele stimmte ihr zu. "Möglicherweise überleben die beiden und gründen eine neue Zivilisation.", sagte sie. "Dann können wir in frühesten 2000 Jahren damit rechnen, dass wir hierher zurückkommen können" Rafael meinte: "Wenn das mal reicht. Aber vielleicht werden sie ja von wilden Tieren gefressen. Sicher ist, der Planet wird unter Quarantäne gestellt und nur vom All aus beobachtet werden. Schade. War ein netter Planet." Nur Michael sprach aus, was allen auf der Seele lag: "Schade um unseren Chef. Er hätte nicht allein ins Gehege gehen sollen, nach dem, was Lucien getan hat."
Als die Raumfähre den Planeten verließ, schaute Uriel lange zurück. Der Reinigungstrupp hatte nicht bis zum Morgen gewartet, um die Versuchsanlage zu demontieren. Bereits jetzt erkannte Uriel, dass ganze Gebäude bereits abgetragen worden waren. Bald würde nichts mehr daran erinnern, dass hier einst Beta-zeta stand.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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