Bernd Mayer

Fomalhaut

Das Pionierschiff stand startbereit in der Wüste Texas und wartete begierig auf ihre Besatzung. Terraforming-Wissenschaftlerin Dr. Ricarda Winsley stand vor dem gigantischen Raumschiff mit über 500 Meter Länge. Sie bestaunte die absolut reine Aussenhaut, welche sich mathematisch perfekt in den morgendlichen Himmel Floridas schmiegte. In riesigen schwarzen Lettern waren ihre Herkunft und ihr Name zu sehen. Universal Space Agency. Die Boston war ein schönes Schiff.

Wenn du das Ding noch länger anstarrst, verpaßt du noch den Start.“, erschreckte sie eine Stimme hinter ihr. Sie mußte sich nicht umdrehen um zu wissen, wer da mit ihr sprach.

Das werde ich auf keinen Fall, Norman.“ Der Sensorspezialist, ihr langjähriger Freund und Partner, Norman Ipollito stand neben ihr, in den selben weiß-blauen Raumfahrersuit, wie sie. Sein blondes Haar, war militärisch kurzgeschnitten. Seine braunen Augen haben die gleichen schrecklichen Bilder wie ihre kybernetischen Augen in den Marswüsten und Habitaten gesehen. Kein Mensch wurde vom dritten Weltkrieg, oder besser dem ersten Konzernkrieg, verschont. Ricarda strich sich durch ihr langes rotes Haar, welches sie sich nach so langer Zeit endlich wieder wachsen lassen durfte. Unbewußt berührte sie aber das Narbengewebe an ihrem Nacken, die sie immer wieder an diesen schrecklichen Feldzug auf Makura City erinnern wird. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ein weiß-blauer Truppentransporter, leise über sie hinweg fegte und bei der Rampe landete.

Unsere Crew.“, sagte Norman überflüssigerweise. Ricarda nickte nur. Sie konnte es kaum erwarten.

Komm. Sonst verpassen wir den Flug tatsächlich.“ Mit diesen Worten griff sie Norman unter seinen rechten Arm und führte ihn zur Rampe, wo die Crew in einem Lift zum Raumschiff gebracht wurde.


Stellvertretender Missionsleiter Henry W. Llewynn betrat das Rednerpult. Vor ihm versammelten sich ausgesuchte Journalisten aller wichtigen Nachrichtensender und Magazine. Sie alle gehörten der Universal Technologies Information Network an. Für einen kurzen Augenblick war Llewynn versucht den Kopf zu schütteln. Was sollte dieser Zirkus. Die Freiheit der Medien war seit Jahrzehnten Tod und ich muß dieses archaisches Überbleibsel veranstalten, damit meine Vorgesetzten zufrieden sind und der Schein gewahrt blieb. Seufzend begab er sich in sein Schicksal und begann die Konferenz.

Das Ziel dieser Mission“, begann er, „ist das Sonnensystem Fomalhaut. Unsere wieder errichtete Beobachtungsstation Cyclops auf der Rückseite des Mondes hat vielversprechende Daten über einen erdähnlichen Planeten erhalten. Das Kolonieschiff Boston wird in exakt 30 Minuten von der kürzlich errichteten General-McCormick-Raumhafen in Texas starten. Bilder vom Start wird von unseren USA-Mitarbeitern sofort zu ihren Sendern und elektronischen Verlagen gesendet. Fragen?“ Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Wer leitet die Mission?“, kam die Frage von einem Journalisten in der ersten Reihe. Idiot. Das wird alles in den Daten stehen, die ihr alle bekommt.

Dr. Ricarda Winsley, die weitreichende Erfolge im Bereich der Terraforming und Besiedelung auf dem Mars errungen hatte, zusammen mit Sensorexperte Norman Ipolllito. Das Kolonieschiff selber wird von der dritten Raumflotte der Universal Space Agency geflogen. Captain Leveraux ist der Kommandant.“

Wie lange wird die Reise dauern?“, fragte ein anderer Journalist, auswechselbar wie der erste, dachte sich Llewynn. Ach die Marionetten können reden? Er biß sich in die Unterlippe.

Da die Tachyonentechnologie erst seit acht Jahren zur Verfügung steht, können wir nur durch unsere anderen Missionen davon ausgehen, das die Boston in maximal 48 Stunden ankommen wird. Sonst noch Fragen?“ Wehe wenn ihr noch irgendwelche dummen, sinnlosen Fragen stellt, drohte er mit Gedanken, die versammelten Journalisten. Sobald die Besiedelung des Weltraums normal geworden ist und die Bevölkerung sich nicht mehr davon beeindrucken läßt, werdet ihr zurück gepfiffen, dachte er sich. Ich habe wirklich besseres zu tun.


Die Crew von Ricarda Winsley bezog ihre Quartiere in der Boston. Die Ausrüstung mit Kohlendioxidfiltern, Zelten, Kommunikationssatelliten, mobilen Laboren wurde mindestens zwanzig mal kontrolliert und war einwandfrei. Eine Stimme ertönte über den internen Funk des Raumschiffes.

Start in T minus 25 Minuten!“ Ricarda verstaute schnell ihre wenigen Habseligkeiten in ihren Spind. Ihr Quartier war eine vier Mann Kabine mit einer Waschzelle. Sie teilte ihn mit Norman Ipollito, dem Exobiologen Ursus Andrews und der Geologin Victoria Liedermann aus dem konföderierten Europa. Sie ging wieder aus dem kleinen Zimmer, der eigentlich nur aus zwei Hochbetten bestand und fuhr mit einem Lift zur Brücke.

Als sie ausstieg sah sie geschäftige Betriebsamkeit im Kopf des Raumschiffes. Soldaten der dritten Raumflotte waren dabei Daten einzugeben, Parameter zu korrigieren und Geräte zu kalibrieren. Sie verstand nichts davon. Aber der Anblick der Uniformen ließ sie an die kalten Nächte auf dem Mars denken. An Schmerzen und Leid beim Absturz. Es war so lange her und trotzdem war es wie gestern gewesen.

Ihr ziviles Passagierraumschiff hatte trotz allem Soldaten an Bord. Sie war mit ihrer Mutter auf dem Weg zu ihrer neuen Heimat. New Seattle. Der Anlaufhafen für alle Emigranten von der Erde. Es war so aufregend und spannend. Nach dem Wiedereintritt in die dünne Marsatmosphäre wurden sie angegriffen. Japanische Kampfgleiter feuerten auf das ungepanzerte Raumschiff. Die Außenwand explodierte. Automatisch schlossen sich die Notfallhelme um die Köpfe der Passagiere. Die Soldaten waren fast alle tot oder lagen in einem gräßlichen Todeskampf, da die Geschosse die dünnen Raumanzüge perforiert haben. Ein junger Soldat ergriff in seiner Agonie schmerzhaft ihren Arm und flehte das Kind, das sie damals war, mit seinen blutunterlaufenen Augen an, ihn von seinem Schmerz zu erlösen. Brutal kam der Aufprall. Überall war dieser Sand. Versuchte sie zu ersticken. Die Kälte, die durch den fehlfunktionierenden Notfallraumanzug durchkam, zerrte an ihren kleinen Körper. Ihre Mutter verschwand für immer in den Trümmern und in der Marswüste.

Dr. Winsley nehme ich an?“ Die Stimme des Captains lies sie aus den Erinnerungen aufschrecken. Sie nickte nur und reichte ihm die Hand. Der Kanadier zog seinen schwarzen Handschuh aus und gab ihr einen kräftigen Händedruck mit seiner künstlichen kalten Hand aus glänzendem Chrom. Das verwunderte sie. Ein Mann in seiner Position hatte sicherlich genug Geld oder Einfluß um sich einer dieser teureren geklonten Gliedmaßen zu leisten. Statt dessen hatte er diese kalte Variante gewählt.

Mein Name ist Captain Pierre Leveraux von der dritten Raumflotte. Wir werden die Reise so reibungslos wie möglich über die Bühne bringen, aber dieser alte Schlachtkreuzer wurde sehr ... “, er sah verzweifelt nach allen Seiten und wedelte mit seiner natürlichen Hand herum, „wie soll ich sagen? Modifiziert.“

Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie alles zu vollster Zufriedenheit erledigen können. Wie lange wird der Flug dauern? Die Missioncontrol hat mir nur ausflüchtende Antworten gegeben.“

Sie sind Ihnen nicht ausgewichen. Das Problem an diesem verfluchten Tachyonenantrieb ist, das es noch viel zu jung ist. Es fehlen Tests, Untersuchungen, Forschungen und Feldversuche. Aber der Vorstand hat keine Zeit und kein Geld dafür. Die anderen Konzerne sind dabei neue Kolonien zu gründen, eine nach der anderen. Da kann die UT nicht nachstehen.“ Er beugte sich vor, damit nur sie ihn hörte. Sein Atem roch angenehm nach Minze. „Ich will Sie nicht verunsichern, aber entweder wir kommen heil irgendwo an, ein Glück wenn bei Fomalhaut, oder wir werden in Atome zerfetzt.“ Er sah sie abschätzig an und wartete auf eine Reaktion. Machte er Scherze? Er verzog keine Miene.

Vielen Dank für Ihre Ehrlichkeit.“ Sie gab ihm die Hand zur Verabschiedung und ging mit einem flauem Gefühl im Magen wieder in ihr Quartier. Verfluchter Dreckskerl dachte sie im Stillen.


Frigide.“, flüsterte Captain Leveraux, als die Wissenschaftlerin gegangen war.

Sir?“, fragte sein erster Offizier, der gerade die Verbindungsrelais in seinem Captainstuhl überprüfte.

Nichts, Ismael. Nichts.“ Sie hat wohl ihren Humor auf dem Mars gelassen. Natürlich waren Tests und Feldversuche unternommen worden, ansonsten könnten wir gleich auf einer Bombe starten. Er zog sich wieder seinen Handschuh an.

Wie sieht es aus? Gebt mir vielleicht einer mal Bericht?“, fragte er gereizt in die Runde. Mehrere Soldaten sahen sich verwirrt an. So junge und unbekannte Gesichter. Seine besten Kameraden hatte er in den letzten Raumschlachten um die übrig gebliebenen Gasminen von Jupiter verloren. Kurz bevor dieser Krieg zu ende war. Sie hatten fünf Jahre zusammen gedient. Es war auch Wahnsinn. Ein von Menschen geführtes und gesteuertes Schlachtschiff gegen semiautonome und kalte künstlichintelligente Killerdrohnen zu schicken. Sie alle starben. Ed und Rob, der verrückte Karsten, Naomi und die aufbrausende Cecile aus seiner Heimatstadt Montreal. Oh, wunderschöne Cecile. Die Erinnerung schmerzte ihn immer noch. Wie sie im Maschinenraum von diesen Trümmer halbzerfetzt wurde. Eingefroren in der ewigen Kälte des Weltraumes. Jedenfalls konnte ich sie auf die Erde bringen und zu ihrem Familiengrab bringen. Diese Rettungsaktion hatte mich meine Hand gekostet. Und ohne den implantierten Schmerzunterdrücker, wäre ich auch drauf gegangen. Er ballte seine Maschinenhand zur Faust.

Sir? Der Systemcheck ist beendet. Der Plasmaantrieb ist aufgetankt und voll funktionstüchtig. Die Lebenserhaltung und die sekundären Energieversorgung wurden dreimal gecheckt. Fusionsreaktor ist warm gelaufen. Tachyonenbeschleuniger. Hmmm. Im Stand-by Modus. Glaube ich.“ Oh, Herrgott im Himmel, welche Leute schicken die mir für so eine Mission, fragte er sich im Stillen und nickte nur lächelnd.

Also gut. Wie lange noch bis zum Start?“ Das wird eine holprige Fahrt.


Start in“, ertönte die Stimme der Missioncontrol durch alle Kanäle. „5!“ Die Stimme des Captains war zusammen mit der Missioncontrol zu hören. „4!“ Ricarda und die anderen waren in ihren verstärkte Sitze am Ende des Raumes festgegurtet. „3!“ Die Gurte war fest zugezurrt, das sie fast keine Luft mehr bekam, ihre Knöcheln stachen weiß hervor, so verkrampft hielt sie sich an den Lehnen fest. „2!“ Die letzte Sekunde wollte nicht vergehen. Sie kam ihr wie eine Unendlichkeit vor. „1!“

Zero! Boston lift off!“ Das mächtige Kolonieschiff zitterte und bebte durch den Plasmaantrieb. Innerlich fluchte Ricarda auf die Wissenschaftler, die bis heute kein Antigravitationsantrieb in Raumschiffen installiert haben. Die Energie um dieses tonnenschwere Schiff mit so einem Antrieb auszustatten konnte noch kein Fusionsreaktor produzieren. Sie betete das schnell eine neue Technologie dies möglich machte.

Orbit verlassen! Schalte um auf Ionenantrieb!“, ertönte die Stimme des Captains über Funk. Ein weiterer Ruck war durch das ganze Schiff zu spüren. Nach unendlichen Sekunden meldete sich die Stimme abermals.

Ich schalte nun auf Tachyonenbeschleunigung in 5, 4, 3, 2, 1!“ Kein Ruck. Nichts. Keine Explosion. Absolute Totenstille.

Da wir nicht tot sind denke ich wir sind ohne Probleme in das Tachyversum eingetreten.“, erscholl die amüsierte Stimme des Captains. „Sie können sich von ihren Sitzen lösen. Lebenserhaltung läuft auf 100 %. Künstliche Schwerkraft funktioniert einwandfrei.“

Ricarda löste sich hektisch vom beengenden Sitz und rannte zur Tür.

Was ist los Ricky?“, fragte Norman besorgt. Sie sah sich zu Norman um.

Willst du es denn nicht sehen?“, fragte sie ihn atemlos. Sie war so aufgeregt wie ein pubertärer Teenager.

Was?“

Das Tachyversum!“ Mit diesen Worten sprang sie aus dem Quartier und rannte mit klopfendem Herzen zur Brücke. Dort angekommen begrüßte sie Pierre mit einem herzlichen „Bonjour madame!“. Doch sie ignorierte den ihrem Geschmack viel zu fröhlichen Captain und alles um sich herum. Der Anblick des Tachyversum nahm ihre kompletten Sinne in Anspruch.

Es war ein grell weißes lautloses Nichts. Da draußen war nichts und es war unglaublich beeindruckend.

Beeindruckend nicht? Das ist erst mein zweiter Ausflug ins Tachyversum1.“, sagte Captain Leveraux selbstgefällig.

Atemberaubend.“, hauchte sie das unzureichende Wort heiser über ihre trockenen Lippen.

Unser NavComputer spinnt. Das Steuerungssystem für den Beschleuniger zeigt verwirrende Daten. Wie immer. Also egal wo wir landen, wir haben genug Ausrüstung um ein halbes Jahr zu überleben.“, gab der Erste Offizier lächelnd seinen Bericht ab. Der Captain nickte nur. Na toll, dachte sich Ricarda, der erste Offizier ist genauso ein Komiker wie der Captain.


Der Flug war mit Routine ausgefüllt und alle Erkenntnisse über das Tachyversum wurden durch ein spezielles Wissenschaftlerteam aufgezeichnet. Es bestand keine Verbindung zur Missioncontrol. Und Materie könnte ohne den Schutzschild des Beschleunigers nicht existieren. Nach nur 20 Stunden meldete sich die Stimme des Captains erneut.

Ich rate jedem Besatzungsmitglied zum nächsten Sicherheitssitz zu gehen!“ Ricarda war gerade im Lager, als der Durchruf kam. Sie gab Norman ihr Datensichtgerät und machte sich auf dem Weg zur Brücke.

Was soll das Ricarda? Wir sollen doch ... “, rief er noch hinter her, als sich schon die Türen des Lifts hinter ihr schlossen. Der Lift brauchte länger als gewöhnlich. Kein Wunder, es war auch roter Sand im ...

Roter Sand?“, schrie plötzlich Ricarda und die Enge ließ die Worte hallen. Immer mehr Sand rieselte durch die feine Ritzen, füllte die Kammer aus. Tropfen für Tropfen kam Blut hinzu. Knietief stand sie in diesem Gemisch. Eisenoxid Sand. Marswüstensand. Getränkt mit menschlichem Blut. Der Lift hielt an und der Sand erreichte ihre Hüften. Ihre Sinne schwanden und wanderten durch Zeit und Raum. Zurück zum Mars.


Vorwärts!“, schrie Sergeant Caprelli. Ihr Scouttrupp hat sich innerhalb von 20 Minuten von fünf auf drei reduziert. Die engen Wohnblöcke der japanischen Kolonie waren klaustrophobisch. Und tödlich.

Spinnst du? Da vorne wartet sicherlich ein weiterer Scharfschütze!“, protestierte Private Lepetit.

Das war ein Befehl, Private!“, fauchte der Italiener. Sie waren in einem völlig zerschossenen Sushirestaurant. Der Geruch von künstlichen oder vielleicht sogar echtem Fisch hing immer noch in der Luft. Ricarda war schweißgebadet.

Ok, Angsthase. Ich gehe zu erst. Dann folgt ihr mir zur anderen Straßenseite, da haben wir mehr Überblick. Verstanden?“ Wir nickten nur. Caprelli ging um die Theke herum und rannte zur anderen Straßenseite. Nichts passierte. Hinter einer massiven Telefonzelle blieb er in Deckung.

Na los!“, hörten wir ihn über Funk. Lepetit sah Ricarda lächelnd an und sprang hinter der Theke hervor, danach sie. Caprelli sah sich um und hechtete durch den offenen Vordereingang des Elektronikgeschäftes. Sein Schrei hallte durch die Straßenschluchten. Vier hauchdünne Monomoldrähte waren unsichtbar im Türrahmen versteckt gewesen. Sie schnitten sich durch alles. Panzerung, Haut, Fleisch, Knochen, Ausrüstung. Blut überall Blut. Eine Brandgranate explodierte in ihrem Rücken. Sie waren in eine Falle geraten. Schmerz füllte ihren Verstand aus. Blut, Feuer und Schmerzen.


Die Türen des Lifts öffneten sich. Leveraux sah von seinen Anzeigen auf. Sofort sprang er auf und stützte die Wissenschaftlerin, bevor sie ohnmächtig auf den Boden fallen konnte. Sie roch intensiv nach Schweiß. Angstschweiß. Er schleppte sie auf einen Sicherheitssitz.

Dr. Winsley!“ Seine Stimme weckte sie. Sie sah schrecklich bleich aus.

Was?“ Sie sah verwirrt aus, gefangen in einem Alptraum.

Sie waren ohnmächtig im Lift.“

Und der Sand?“ Sie sah nach dem Lift. Die Türen waren geschlossen. Nichts war zu sehen.

Sand? Da war kein Sand.“ Nicht nur ihr Humor, auch ihren Verstand hat sie auf dem Mars gelassen. Na hoffentlich kommt sie mit dem Arbeitsstress zurecht. Sie sah an ihn vorbei.

Sind wir angekommen?“ Er nickte schwach.

Mit einigen Verlusten.“, sagte er. Sie runzelte die Stirn und bemerkte die zerfetzte Kopfstütze von Lt. Nilson.

Lt. Nilson hat sich umgebracht, kurz bevor Sie ankamen. Kurz bevor Fomalhaut auf unseren Schirmen erschien. Wir wären fast in den Planeten gerast!“, sagte er erschöpft. Dieser verfluchte Tachyonenbeschleuniger. Die psychologischen Auswirkungen sollten vielleicht auch untersucht werden. Erst der Suizid, dann der Zusammenbruch der Chefwissenschaftlerin und meine schlechte Laune.

Captain! Wir haben ein fremdes Raumschiff auf 334.220.493!“, meldete ein Sensoroffizier besorgt. Leveraux ging zum Offizier sah sich die Zeichen auf dem dreidimensionalen Sichtgerät an.

Außerirdische?“, fragte ein anderer Leutnant aufgeregt. Oh, genau. Dafür habe jetzt keinen Nerv. Erstkontakt mit Aliens. Ich bin zu müde für diesen Scheiß. Hoffentlich sind sie feindlich gesinnt. Ein schneller Tod wäre jetzt genau das richtige. Er mußte bei diesem Gedanken lächeln.

Nein. Oni Bauweise. Es sind Kolonisten vom Japanischen Kaiserreich.“, meldete der Sensoroffizier erlösend.

Sie rufen uns!“, schrie der Kommunikationsoffizier panisch. Er sollte sich Sorgen machen, wenn sie uns nicht gerufen hätten. Schwachkopf. So jung, so unerfahren.

Stellen Sie durch!“, befahl er nur.

Raumschiff der Universal Technologies! Wir warnen Sie! Der Planet Fomalhaut ist unbewohnbar!“ Die Stimme des Japaners wirkte panikerfüllt, wie auf einer Flucht.

Die Verbindung wurde unterbrochen.“ Na, toll. Was sollte denn das? Der Captain schloß seine Augen und massierte seine pochende Schläfen.

Das Schiff verschwindet in den Tachyversum. Sie haben noch eine Boje abgeschossen.“

Was für eine?“

Eine Warnboje. Hier.“ In fünf verschiedenen Sprachen wurde immer derselbe Satz wiederholt und erfüllte die Brücke.

Fomalhaut ist unbewohnbar!“

Sehr seltsam.“, murmelte Leveraux. Ricarda Winsley stand mit wackligen Beinen auf und ging zum Captain. Sie sah sich das dreidimensionale Bild des Weltraumes um das Raumschiff herum. Das Sonnensystem hatte nur einen Planeten. Dieser war im lebensfähigen Bereich. Die Boje war im Orbit dieses Planeten gefangen.

Beginnen wir mit unserer Arbeit. Und Captain Leveraux meinen Beileid für Nilson.“, sagte Winsley als sie die Treppen herunter stieg um ihre Crew zu unterrichten. Leveraux nickte nur schweigend und starrte auf das holographische Abbild des Planeten Fomalhaut vor ihm. Fängt ja toll an.


Ricarda Winsleys Crew war im Besprechungszimmer versammelt. Es waren zwanzig ausgewählte Wissenschaftler, Forscher und deren Assistenten. Geologen, Exobiologen, Sensorspezialisten, Robotertechniker und Terraformer. Hinter ihr war das dreidimensionale Bild vom Planeten Fomalhaut, das sich schmutzig grau-grün um 23° Neigung um die eigene Achse drehte. Ein kleiner schwarzer Mond wie aus purem Onyx umkreiste diesen Planeten.

Fomalhaut ist ein Klasse D Planet. Bedingt bewohnbar. Dr. Liedermann wird zusammen mit Sensorspezialist Chew Lee die geologischen Daten sammeln. Franklin wird eine Drohne runterschicken, um Daten über Atmosphäre, Gravitation, Strahlung und exobiologische Lebensformen sammeln. Diese Daten wird jedem zur Verfügung stehen. Ich werde mit Norman mit den zusammengetragenen Ergebnissen einen Landeplatz und einen Terraforming Plan zusammenstellen. Alle anderen wissen was sie zu tun haben. Und noch etwas egal was die Boje der Oni Corp meint, dieser Planet kann besiedelt werden! Fomalhaut ist ab 23:59:59 Interstellarer Zeit eine Kolonie der Universal Technologies und untersteht dessen Rechtsprechung. Ein ganzer Planet wartet auf uns! An die Arbeit!“ Die versammelte Mannschaft stand auf und verschwand unter Gemurmel aus den drei verschiedenen Ausgängen. Norman blieb als einziger sitzen und wartet bis alle gegangen waren.

Was hältst du wirklich von der Boje?“, fragte er besorgt.

Ich weiß es nicht. Die Oni Corp würde niemals ein ganzes Sonnensystem aufgeben.“ Norman schaute sie zweifelnd an, sie zuckte aber nur die Schulter.


Franklin nahm das Glasfaserkabel aus der Verkleidung an der Wand und verband den Kontakt mit seinem Nackenimplantat. Er traute der kabellosen Verbindung seit der Makura Offensive nicht mehr. Sofort aktivierte er die Verbindung zur DC Explorer Drohne. Seine Sinne wurden abgeschaltet und neue Sinne überfluteten sein Gehirn. Sein Herz waren jetzt die Brennstoffzellen der Drohne, sein Blut wurde durch Hydraulikflüssigkeit ersetzt, seine Augen waren hochauflösenden 360° Kameras und eine Palette von Sensoren. Franklin wurde praktisch zur Drohne. Er startete die Abschußsequenz, nachdem er seine Checkliste in wenigen Nanosekunden durchging. Die Schleuse wurde von der Brücke aus geöffnet und mit einem unglaublichen Gefühl der Beschleunigung, die jeden menschlichen Körper zerfetzt hätte, raste die Drohne dem Planeten entgegen. Seine Kameraaugen zeichneten alles auf. Kurze Zeit vergaß er zu atmen, da er sich im Weltraum befand. Aber sein Körper war ja im Kontrollraum. Das passierte ihm immer wieder. Ein Lächeln durchzuckte kurz sein komaähnliches Gesicht.

Was für eine Scheißkugel!“, formten seine Lippen als sein Geist gerade die äußeren Schichten der Atmosphäre durchbrach. Feuerzungen versuchten seinen Körper zu verzehren, doch die Verkleidung hielt den Tausenden von Grad Hitze stand. Unaufhörlich sammelten seine Sensoren Daten über die Atmosphäre. Kaum war der Eintritt überwunden, riß ein Sturm aus schwefelgelben Wolken und grauen Nebelfetzen an dem Antigravitationsantrieb der Drohne. Ein Fluch kam über seine Lippen, als er verzweifelt geistig mit der Steuerung kämpfte.

In der Scheißbrühe sieht man ja gar nichts.“, fluchte er nun laut. Er schaltete auf alle Wellenlängen der Kameras um, um eine bessere Sicht zu erhalten. Da durchbrach er endlich die Wolkendecke.

Verdammter Dreck!“ Seine Sensoren haben keine Kollisionswarnung gegeben, aber dennoch ragte vor ihm eine gigantische Gebirgskette auf. Mit einem halsbrecherischen Manöver schwenkte er sich knapp an der völligen Zerstörung vorbei. Mit bebenden Herzen und schweißnassem Körper, den er nicht registrierte, flog er über das Gebirge hinweg und ging im Tal auf Tiefflug, um einen guten Landeplatz zu finden. Schwarze Flüsse flossen träge unter ihm durch eine trostlose Steinwüstenlandschaft. Hin und wieder durchbrachen moosartige Pflanzen die graue Einöde. Sie sahen widerlich aus, befand er. Er landet neben einer dieser Flüsse, nachdem er mit Sensoren, den Untergrund überprüft hatte. Landefüsse streckten sich nach dem weichem Moos aus und versanken aber nur ein paar Millimeter. Sofort begann er Proben des Mooses zu nehmen, eine Bodensonde schoß er durch die granitharte Planetenoberfläche, und etwas Fomalhaut Wasser sammelte er in seinem Innersten. Der Laborcomputer im Explorer verwandelte die Proben in pure elektronische Daten und schickte sie zum Hauptrechner in der Boston.


Ricarda stand vor dem Datensichtgerät und las die ersten Ergebnisse der Drohne laut vor sich her.

Schwerkraft: 1,2 Erdstandards. Atmosphäre: 71% CO2, 1 % Sauerstoff, 10% Stickstoff, 13 % Schwefel, 2 % Argon, 3 % Xenon. Hoher Anteil an Schwebeteilchen, was auf hohe Vulkanaktivitäten schließen läßt. Niedrige Luftfeuchtigkeit. 10% der Oberfläche mit ungenießbarem, eklig schwarzen“, Ricarda mußte Lächeln, sie liebte die persönliche Art von Franklin seine Daten zu übermitteln, „Wasser bedeckt. Das momentane Wetter ist beschissen, aber ich denke so sieht es hier jeden Tag aus. Momentane Temperatur: 3° Celsius. Überdurchschnittlich hohe Strahlung, aber nicht bedenklich. Ungefährliche exobiologische Bakterien und Pflanzen entdeckt. Keine Insekten oder ähnliches. Keine Fauna, kein intelligentes Leben oder Spuren davon auf oder um den Planeten. Jedenfalls habe ich noch nichts davon gesehen. Geologische Daten folgen.“

Norman sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Ich verstehe nicht wieso die Oni Corp meint der Planet sei unbewohnbar. Er stinkt vielleicht wie die Hölle selbst, aber nichts was eine Kolonisation oder Terraforming ausschließen würde.“, begann er.

Sie zuckte nur die Schulter und sah sich die geologischen Daten an. Ein überraschter Ausdruck kam über ihr Gesicht.

Was ist?“, fragte Norman und beugte sich über die Schulter von Ricarda um die Daten zu lesen.

Mein Gott.“ war alles was er sagen konnte. Die blauen Buchstaben scrollten über den Schirm.

Geschätztes Vorkommen: 500 000 Tonnen Wolfram, 1,3 Millionen Tonnen Uran, 800 000 Tonnen Molybdän-Verbindungen, zwei Milliarden Gallonen Petrochemische Verbindungen (Anmerkung: jetzt weiß ich auch wieso die Flüsse Schwarz sind), weitere Erze folgen. Das sind nur Schätzungen und das ist nur hier zu finden. Was im Gebirge ist oder wo anders, möchte ich gar nicht Voraussagen. Franklin. Ende.


Ricarda hatte alle im Hangar versammeln lassen. Sie stand auf einem improvisiertem Podest aus Fässern und Stahlplatten. Sie haßte es eigentlich vor so vielen Menschen zu reden. Aber jetzt mußte sie professionell ihren Job machen.

Wie sich schon herumgesprochen hat ist Fomalhaut eine Goldgrube an seltenen Erzen. Doch trotz aller Vorfreude müssen wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren. Unser erstes Ziel ist eine permanente Station zu errichten. Ein Platz wurde schon gefunden. Er liegt nahe am Gebirge 810. Dort werden wir Unterkünfte, einen Fusionsreaktor, ein Treibhaus und eine Hochleistungs-Kommunikationseinheit errichten. Jeder hat in seinem Datensichtgerät seine Aufgaben zugeteilt bekommen. Danach werden wir auf die nächsten Schiffe warten, die Bergwerkgerätschaften auf Fomalhaut bringen. Fragen?“ Bitte, bitte, keine Fragen.

Verhaltenes Murmeln unter den Männern und Frauen, aber keiner stellte ein Frage. Danke.

Gut. An die Arbeit.“ Sofort strömten die Leute zu ihren Gerätschaften und Laderobotern, um die nötigen Materialien auf die Landungsboote zu bringen. Ricarda gab hier und dort persönliche Anweisungen, aber ansonsten hatte sie nichts mehr zu tun. So entschied sie sich zu Franklin zu gehen, der gerade dabei war eine Kriegsdrohne zu checken. Das Ungetüm war mit beeindruckenden Waffen und Sensorik ausgerüstet, selbst in abgeschaltetem Modus war es ein angsteinflösendes braunes Metallding. Dieses Modell hatte sie mehr als einmal gerettet. Dank Franklin. Mit schwarzer Farbe, kaum zu sehen war der Name Guardian auf der Stahlbrust zu erkennen. Das war sogar ihr Schutzengel vom Mars. Es müßte so um die 30 Jahre alt sein.

Denkst du die Oni Corp wird zurückkehren?“, fragte sie ihn, als er die Munitionszuführung für die 20mm Kanone überprüfte.

Nein.“, sagte er knapp. Zu knapp. Irgend etwas stimmte nicht. Franklin war nie so mundfaul gewesen, außer im Gefecht. Beruhigend legte sie eine Hand auf seine Schulter.

Stimmt etwas nicht?“ Franklin legte langsam sein Diagnosegeräte beiseite, atmete tief ein und sah Ricarda tief in die Augen.

Der Planet ist es.“ Sie spürte es auch.

Ja ich weiß, er ist sehr unwirtlich.“ Er schüttelte energisch den Kopf.

Nein, das ist es nicht. Die Boje der Oni Corp, der Selbstmord des Leutnants als wir in Sichtweite Fomalhauts kamen. Dann die seltsame Art wie die Sensoren auf das Gebirge reagiert haben.“ Und mein Flashback, dachte sie im Stillen.

Das hast du aber nicht erwähnt, was stimmte nicht?“, unterbrach sie ihn.

Die Sensoren haben das Gebirge schlicht und ergreifend übersehen. Als hätte ein Störsender meine Sensoren lahmgelegt. Irgendwas stimmt mit dem Gebirge nicht. Ach was mit dem ganzen Planeten!“ Schnaubend packte er seine Geräte ein und stampfte kopfschüttelnd davon. So hatte Ricarda Franklin noch nie gesehen. Wenn wir schnell genug sind, dann werden wir in ein vielleicht zwei Wochen verschwunden sein und mit einem saftigen Gehalt nach Hause zurückkehren. Aber vielleicht ist es das. Die Erde sieht schlimmer aus als Fomalhaut. Vielleicht hat Franklin eine bessere Erde gesucht, so wie alle Menschen seit acht Jahren erfolglos danach suchen. Aus diesem Grund ist sie Terraformer geworden. Fomalhaut wird sie nicht besiegen. Nicht wie der Mars.


Die vier Landungsboote landeten mit den Technikern und Terraformer auf der ausgesuchten Stelle. Ätzender Regen kam blutrot von den eitrigen Wolken hernieder. Die Mannschaft mußte warten bis der Sturm vorüber war und so wurde im Bereitschaftsraum des Landungsbootes mit der Verpflegung ein Abendessen hergerichtet. Die Sonne, obwohl sie unter der schweren Wolkendecke nicht zu sehen war, ging unter und hüllte die Landungsboote in Dunkelheit. Der heulende Wind und der prasselnde schwere Regen umtobte sie und das Nichtstun zerrte an ihren Nerven.

Franklin stöpselte sich im Auftrag von Ricarda in die Explorer Drohne ein, die immer noch auf ihrem Landeplatz unweit der Landungsboote stand. Schnell überprüfte er, ob der Regen einigen Instrumenten Schaden zugefügt hatte. Er bekam ein negatives Ergebnis, der Drohne war nichts passiert. Er zog ihre Landungsbeine ins Innere und startete gleichzeitig den Antigravantrieb. Vor Ungeduld schoß er in die Luft und schwebte zu den Landungsboote. Lautlos und mit ausgeschalteten Scheinwerfern flog er direkt vor die Aussenkameras, die mit den Monitoren im Cockpit verbunden waren und die Illusion von Fenstern perfekt imitierte. Er funkte die Piloten an.

Hey!“, schrie er und schaltete die Scheinwerfer dabei an. Über Funk kamen die erschreckten Schreie der Besatzung.

Franklin du Bastard! Ich dachte schon die Aliens greifen an!“ fauchte der Transportercaptain ihn an.

Bring mich zu deinen Anführern Erdling!“ gab er zurück und schaltete lachend den Funk aus. Er überflog die vier Landungsboote, folgte dem Fluss zum Gebirge, was sein Ziel war. Es war ein dunkles Gebirge, tot und unheilverkündend. Düstergebirge wird er sie nennen. Ja ein passender Name. Der ölige Fluss schlängelte sich durch das graue Gestein. Irgendwie fehlte ihm die Blitze und der Donner. Auf dem Mars gab es auch keine Gewitter, er kannte sie nur vom Trivision. Sein Vater, ein hoher General, versprach ihm immer einen Ausflug auf die Erde, doch der Marskrieg hat alles zerstört. Seine Familie, seine Hoffnungen. Gedankenverloren schwebte er durch Schluchten und Glescherspalten. Und durchbrach die Regenwolken. Als er die weißen Ebenen sah, mußte er an die Indianergeschichten denken, die seine Halbblutmutter immer erzählte. Über die mysteriösen Wen-dee-gos. Indianische Yetis nannte mein Vater sie immer, aber sie waren für ihn immer mehr als das. Er stoppte und sah sich mit der 360° Kamera um. Eigentlich ist das Gebirge doch nicht so düster. Die weißen Ebenen haben irgendwie was Beruhigendes, etwas Reines. Er genoß den Anblick. Plötzlich erschreckte ihn eine Bewegung. Ein Tier? Er flog mit Höchstgeschwindigkeit zu der Stelle wo er einen Schatten zu glauben sah. Doch es war nichts zu sehen. Nur.

Oh mein Gott.“


Der Regen ließ einfach nicht nach. Die Sensoren meldeten dass die Regenwolken in drei Stunden verschwunden sein werden. Ricarda trommelte nervös auf dem Plastiktisch des überfüllten Bereitsschaftsraumes. Wieso haben die Metereologen und die Sensoren die Regenwolken und den Sturm nicht erkannt? Ricarda fluchte leise vor sich hin. Dieser Planet wehrte sich. Aber ich werde ihn bezwingen. Norman war wieder einmal an den Sensoren und scannte die Gegend, sicherlich zum Dutzenden Male. Dr. Alexijawarov und seine polnische Assistentin spielten virtuelles Schach, ein anderer las ein elektronisches Buch. Sie wußte einfach nicht was sie machen sollte, so stand sie geräuschvoll aus ihrem Stuhl auf und begab sich in den Lagerraum. Sie überprüfte sicherlich zum zehnten Mal die Ladung. Verdammt noch mal, fluchte sie. Sie öffnete das Schott und hörte plötzlich einen Schrei. Oder war es ein Wort? Jedenfalls war es Franklin. Sie kannte die Art seines Schreies, wenn seine Verbindung zu Drohne abrupt unterbrochen wurde. Ein Biofeedback mußte ihn erwischt haben. Sie rannte zum Interfacepult über dem der leblose Körper Franklins zusammengebrochen war. Blut lief ihm aus den Nasenlöchern. Sie sah auf dem 2D-Monitor nur ein schwarzgraues Rauschen. Die Explorer Drohne muß wohl zerstört worden sein. Sie aktivierte den Bordfunk.

Hier Ricarda Winsley. Ich brauche einen Arzt schnell!“, schrie sie voller Panik.

Verstanden!“, antwortete die besorgte Stimme des Captains. Sie beugte sich über den Körper und fühlte seinen Puls. Bitte tu mir das nicht. Bitte, flehte sie. Es war keiner mehr da. Franklin war tot. Ein geflüstertes Nein kam über ihre Lippen, sie schüttelte voller Unglaube den Kopf. Franklin war ihr Kamerad in den Wüstenkrieges des Mars gewesen, 10 Jahre lang. Zusammen hatten sie gräßliche Massaker und brutale Schlachten überlebt. Und nun stirbt er auf diesem gottverdammten Planeten! Auf meinen Befehl hin. Ich bin schuld an seinem Tod. Ich bin schuld. Als sie wieder aufsah, bewegte sich der Körper Franklins. Lebte er doch noch? Blitzschnell packten sie kräftige Arme, wahnsinnerfüllten Augen starrten sie an. Mit bleckenden Zähne fauchte er ein Wort.

Wen-dee-go!“ Dann brach er über sie zusammen. Sie rollte ihn weg. Tränen stiegen in ihre Augen. In diesem Moment wurde das Schott geöffnet, ein Arzt und eine medizisch-technische Assistentin stürmten rein. Beide sahen verschlafen aus, dennoch machten sie ihre Untersuchung mit eingeübter Routine. Doch es war zu spät. Ricarda hatte ihn getötet.

Was ist passiert?“, fragte der Doktor.

Biofeedback!“, schluchzte sie und verschwand aus dem Raum. Sie mußte allein sein.


Das Wetter wird sich um drei Stunden verlängern.“, lautete die niederschmetternde Diagnose der Boston mehrere Kilometer über sie. Verdammt! Wir hätten einen Alternativlandeplatz noch aussuchen sollen dachte sich Norman.

Ok, Boston! Verstanden. Schicken Sie uns die geologischen Pläne des Planeten, damit wir einen anderen Landeplatz aussuchen können.“, befahl er.

Verstanden. Übertragung läuft.“ Doch der Kommunikationsoffizier neben ihm schüttelte den Kopf.

Boston! Wir erhalten keine Daten. Überprüfen Sie die Datenübertragung!“

Verstanden! Einen Moment.“


Auf der Brücke der Boston lief Leveraux zum Kommunikationsoffizier und sah auf die Daten auf dem Schirm. Der Soldaten war über Funk mit der Kommunikationseinheit des Schiffes verbunden. Leveraux haßte es sich selber einzuklinken. Es wäre dadurch vielleicht schneller, aber dies war kein Gefechtseinsatz und so war Zeit keine Bedeutung. Persönlicher Kontakt zu seiner Crew war ihm wichtiger als Einsatzeffizient, wie seine Vorgesetzten ihm immer sagten. Aber die neue Generation hatte sich so sehr an die Verbindung mit den Maschinen gewöhnt, das es für sie normal war. Für ihn war es unangenehm.

Was ist los?“, fragte er den Private.

Sehen Sie selber. Irgend etwas wird zu uns geschickt.“ Er zeigte auf die zweidimensionale Anzeige vor ihm.

Daten werden von Fomalhaut zu uns geschickt?“ Leveraux war verwirrt. Der Soldat nickte nur und sah ihn verwundert an.

Was soll ich machen?“, fragte er.

Trennen Sie sofort den Mainframe ...“, befahl er als er vom Sensoroffizier unterbrochen wurde.

Sir! Irgend etwas kommt auf uns zu!“ Panik schwebte in seiner Stimme. So jung, so unerfahren.

Was genau?“, fragte er gereizt und sah auf dem Monitor, das den schmutzigen Planeten zeigte. Kleine schwarze Punkte waren über der Atmosphäre zusehen, die rasendschnell zu ihnen flogen.

Ausweichmanöver!“, befahl er sofort. Doch ein Gefecht! „Und schicken Sie einen Notruf Priorität Eins über den Satelliten!“ Er aktivierte sein Maschineninterface und wollte sich gerade einklinken, in diesem Moment fiel der Strom aus. Die künstliche Schwerkraft versagte und die Schwerelosigkeit nahm von ihnen Besitz. Die absolute Dunkelheit füllte wie etwas Stoffliches die Brücke aus. Verdammt!

Alles ausgefallen! Wir sind manövrierunfähig, die Lebenserhaltung ist auf 0 %!“, schrie jemand voller Panik. Ein tiefes Grollen erfüllte die Brücke. Schläge auf der Aussenhaut. Ein Meteroitenschauer? Und wieso aktivierte sich nicht die Notstromsysteme? Er schwebte zur manuellen Steuerung und schaltete die Brennstoffzellen an. Rotes Licht erfüllte die Brücke, einige Systeme waren wieder online. Aber die Schwerkraft immer noch nicht.

Bericht!“, schrie er. Jemand weinte.

Lebenserhaltung auf 25 %.“

Hauptrechner ausgefallen. Alle Sensoren ausgefallen. Kommunikation ausgefallen.“

Wir haben Lecks! Auf Ebene 3, 4, 8 und 10!“, erfolgten die Antworten aus verschiedenen Richtungen. Eine Erschütterung riß das Schiff herum.

Irgendwas hat uns getroffen. Wir verlieren an Höhe.“ Der Monitor zeigte schemenhaft Fomalhaut, wieder den Weltraum, wieder Fomalhaut, wieder der Weltraum. Wir mußten schwer getroffen sein, um so herumzuwirbeln.

Evakuierung. Verlaßt das Schiff.“, befahl er und betätigte den Evakuierungsalarm der heulend das Schiff erfüllte. War ein kurzes Gastspiel auf der Boston, dachte er wehmütig. Sehr schade. Er sah schemenhafte Dinge auf den Aussenmonitoren. Namenlose Dinge. Und sie kamen durch die Hülle.


Sekunden wurden zu Minuten. Irgend etwas stimmte nicht. Plötzlich rief jemand über Funk die Brücke.

Norman, die Boston!“ Alle sahen sich verwirrt an. Doch aufeinmal durchbrach ein Lichtblitz die Wolkendecke. Das Pionierschiff stürzte unkontrolliert und in einem tödlichen Winkel in die Atmosphäre ein. Es zerbrach und seine Trümmer stürzten in feurigen Regen auf Fomalhaut.

Totenstille breitete sich in der Brücke aus.

Hier Landungsboot Beta. Was war das Landungsboot Alpha?“, knisterte der Funk. Keiner antwortete.

Landungsboot Alpha? Was zum Teufel war das?“ Erkenntnis ließ seine Frage angsterfüllt klingen. Ricarda ging zum Funk. Norman hat sie gar nicht kommen hören.

An alle! Das Mutterschiff ist abgestürzt, seine komplette Besatzung vermutlich tot.“ Sie wunderte sich wie sie so gefühllos sprach. Sie mußte hart schlucken. Sie hatte einiges erlebt auf dem Mars. Hat ihre Seele geschmiedet. Ihre Gefühle abgetötet. Jedenfalls redete sie sich das ein. Ihr pochendes Herz sagte ihr das Gegenteil.

Sobald der Sturm vorbei ist, werden wir eine Kommunikationseinheit aufbauen, um die Missioncontrol zu unterrichten. Landungsboot Alpha Ende.“

Das Unternehmen wurde langsam zu einem Desaster. Sind diese Erze wirklich so viele Menschenleben wert? Für den Vorstand von Universal Space Agency sicherlich, sagte eine Stimme tief in ihr drinnen. Sie würden einen ganzen Kontinent opfern für soviel Erz. Sie verließ die Brücke und Tränen wollten kommen, doch die Tränendrüsen wurden schon lange entfernt. Kybernetische Augen weinen nicht. Langsam ging sie zu einer Schleuse, um allein zu sein. Ihre Gedanken waren verwirrend. Ihre Gefühle kochten über. Ein Unfall nach dem nächsten. Was ist das nur für ein Planet? Fomalhaut. Erst Lt. Nilson, dann Franklin, dann die Boston.

Ein Klopfen ließ sie aufschrecken. Es kam eindeutig von draußen. Sie stand auf und sah aus dem kleinen Fenster der Schleuse. Außer roter Regen war nichts zu sehen.

Wen-dee-go!“, hauchte eine Stimme. Sie schrie auf. Franklin stand draußen. Seine toten von Wahnsinn geweitete Augen starrten sie an. Nein, nein, nein pochte es in ihrem Kopf.

Wen-dee-go!“, hauchte er erneut. Sie rannte aus der Schleuse und floh kopflos in irgendeine Richtung. Irgend jemand hielt sie fest. Sie schlug um sich, doch er hielt sie nur noch fester.

Ricarda beruhige dich!“, flüsterte Norman immer und immer wieder bis sie endlich wieder in der Realität war. Ihr Atem ging stoßweise und ihr Herz zersprang vor Adrenalin. Warme Arme umfaßten sie.

Norman!“ Sie weinte in seine Schulter. Ließ ihren ganzen Schmerz heraus, während er ihren Rücken streichelte und beruhigende Worte in ihr Ohr flüsterte. Ein Weinen ohne Tränen.

Was passiert hier?“, schluchzte sie.

Ich weiß es nicht.“ Er war genauso hilflos wie sie. Sie sahen sich einige Zeit an, dann ging ihr eine Idee durch den Kopf.

Was hat die Drohne als Letztes gesehen?“, fragte sie, was nur ein fragender Blick von Norman auslöste.

Bitte?“

Schauen wir nach.“ Mit klopfendem Herzen führte sie ihn zum Kontrollraum, indem Franklin starb. Ein eiskalter Schauer lief über ihren Rücken, als sie sich auf den selben Stuhl setzte. Sie nahm das Kabel und verband es mit ihrem Kontakt an der Schläfe. Sie suchte die Datenbanken nach den gewünschten Bildern.


Sie flog auf die Gletscher der Düstergebirge zu. Düstergebirge? Sie lächelte. Das war Franklins Aufzeichnungen eindeutig. Seine letzten Bilder und Gedanken. Trinär2 gespeichert. Auf einmal blieb sie auf einer Ebene stehen. Das Wort Wendeego kam ihr in den Sinn. Was war das zum Teufel? Eine Bewegung war zu sehen. Dort flog sie hin. Frische Spuren im Schnee waren zu erkennen. Drei runde Vertiefungen hinten, eine längliche vorne. Ein Schatten überlagerte das Bild, doch bevor die 360° Kamera wieder hoch schwenken konnte wurde die Drohne zerstört. Mit etwas was einem Tentakel als ähnliches kam. Schwärze füllte den Monitor und ihren Verstand aus.

Irgend etwas ist da im Düstergebirge!“, hauchte sie. Sie spürte das es kein Tier war. Kein Tier griff eine Drohne an.

Düstergebirge?“, fragte Norman verwirrt.

So hat Franklin das Gebirge 810 genannt.“ Tumult auf den Gängen unterbrach ihre Gedanken. Ricarda und Norman liefen auf dem Gang, wo sich mehrere Leute versammelt haben. Ein junger Techniker mit einer Pistole bewaffnet hielt die anderen zurück. Woher zum Teufel hatte er die Waffe? Hinter ihm war eine Tür zu einer Schleuse offen. Langsam schritt er in die Schleuse hinein.

Bleibt zurück!“, schrie er die Leute an. Sie machten Anstalten ihn davon abzuhalten rauszugehen.

Es ist nur Regen! Ich will raus!“, schrie er, schloß mit diesen Worten die Tür, drehte sich um und öffnete die andere Schleusentür.

Nein! Jason! Nein!“, rief eine braunhaarige junge Technikerin. Sie versuchte die Tür zu öffnen, es war aber unmöglich. Der Junge sprang heraus. Seine Qualen konnte niemand hören. Seine Kleidung löste sich dampfend von seinem Körper. Sein Gesicht wurde eine blutige Masse, doch selbst die Knochen hielten den starkätzenden Regen nicht stand. So löste sich sein Körper in eine blutige Masse auf. Der Boden nahm die Nährstoffe begierig auf.

Verdammt!“, schrie Ricarda die Leute an. „Wieso konnte ihn keiner aufhalten! Es sind schon genug Menschen auf Fomalhaut gestorben!“ Alle sahen schuldig auf den Boden. Wütend ging sie zurück zum Kontrollraum. Norman folgte ihr.

Was hast du vor?“, fragte Norman besorgt.

Ich schau mir die Düstergebirge genauer an!“, sagte sie nur, ging auf dem Gefechtsroboter zu, den Franklin vorsichtshalber mitgenommen hat. Guardian.

Den kannst du nicht steuern! Du hast kein Remotecontroller implantiert!“, sagte er mit einer dunklen Vorahnung in seiner Stimme. Ohne Antwort öffnete sie das kleine Einmann Cockpit des Roboters und kletterte hinein. Dieses Monstrum konnte man auch manuell steuern. Sie legte sich die Gurte an. Ihre Hände verschwanden in den schwarzen Kontollhandschuhen. Lichter begannen zu leuchten.

Das kannst du nicht machen! Du bringst dich um!“, protestierte Norman. Sie schloß das Exoskelett. Mit einem fauchenden elektronischen Kreischen erwachte der alte Kriegsroboter zum Leben. Seine Schulterscheinwerfer erwachten blendend zum Leben. Seine zwei bedrohlichen Pranken gingen auf und zu.

Niemand wird heute mehr sterben!“, sagte sie durch die Aussenacousticscheiben und schritt auf mächtigen Stahlbeinen auf die Maschinenschleuse zu. Guardian wird mich beschützen, wie er es immer getan hat, nicht wahr?


Der Kriegsroboter hatte seine Beine angezogen und Ricarda benutzte den Antigravantrieb um zu den Gletscherhöhen bei den Düstergebirgen zu kommen. Kleine Monitore zeigten ihr alle möglichen Daten an. Von der Außentemperatur über ihren Vorrat an Atemluft bis zur Munitionsanzeige. Sie flog mit 80 km/h über den Fluß und war bald an den Gebirgen angekommen. Den Funk hatte sie abgeschaltet, sie wollte die Überredungskünste von Norman nicht hören. Egal was da in den Gebirgen auf sie wartet, sie wird es mit 20mm Hochgeschwindigkeitskugeln und Laser in die Hölle jagen. Die Sensoren zeigten nichts Verdächtiges, so schoß sie zur Ebene, wo die Überreste der Drohne kaum noch zu sehen waren. Die Explorer wurde regelrecht zerfetzt und in ihre Bestandteile zerlegt. Sie scannte die Gegend nach Leben oder Bewegung. Doch nichts war zu finden, auch keine Spuren im Schnee. Sie flog etwas weiter nach Westen. Auch hier war nichts zu sehen. Sie drehte sich einmal um die Achse. Es war nirgends etwas zu finden. Frustriert wollte sie schon aufgeben. Bis ihr Bewegungsdetektor sich lautstark meldete. Sie fuhr ihre Beine wieder aus um besseren Halt zu finden, wenn die Kanone anfängt zu feuern, die sie gerade aus ihrem Rückpanzer ausfuhr. Die drei Rohre fingen an sich langsam zu drehen. Sie ging vorsichtig, aber dennoch mit Riesenschritten auf die Bewegung zu. Ihre Scheinwerfer leuchtete in einen Höhleneingang. Ricarda lächelte. Dort also versteckt ihr euch! Sie lief vorsichtig weiter. Der Lichtkegel traf die tiefschwarzen Wände. Hieroglyphen unglaublicher Schönheit waren in den Wänden eingraviert. Unmögliche geometrische Zeichen und phantastische Symbolen waren in perfekter Symbiose ineinander verschnörkelt. Das frenetische Piepen des Bewegungsmelders kam ihr nicht zu Bewußtsein, während sie mit den riesigen Pranken des Roboters die Linien nachzuzeichnen versuchte. Eine Zusammenstoß ließ den Roboter erzittern und die Scheinwerfer wurden zerstört. Dunkelheit legte sich um sie. Nur die Lichter der Monitore und Sensoren erleuchteten ihr Gesicht. Ihr eigenes Keuchen übertönte alle anderen Geräusche. Panik erfüllte sie. Verzweifelt suchte sie ein Ziel, als ein weiterer Schlag sie taumeln ließ. Sie drückte ab und drehte sich dabei. Ich werde euch erwischen! Das Mündungsfeuer über ihrer rechten Schulter ließ kurzzeitig die Welt in Flammen aufgehen. Die Zeichen an den Wänden wurden aus den Gestein geschleudert als die heißen Kugeln alles zerfetzte was ihnen im Weg war.


Norman gab es auf mit Ricarda Kontakt herzustellen. Sie sagte ihm, wenn sie sich in einer Stunde nicht meldete, sollten alle Landungsboote starten und in den Orbit fliegen. Der Satellit müßte dann erreichbar sein, ansonsten müßten sie die Kommunikationseinheit irgendwo auf dem Planeten installieren und versuchen eine Nachricht abzuschicken. Er schaute auf die Uhr. Es waren über 62 Minuten her. Er würden den Planeten nicht so weiteres verlassen. Jedenfalls nicht ohne sie.


Schläge trommelten auf sie ein. Ihre Kanone war schon längst zu Schrott geschlagen worden. Ihr kleiner Handlaser unter ihren Pranken feuerte schon lange nicht mehr. Doch das weiße Blut auf ihrem Panzer zeugte davon, dass sie etwas getroffen hatte. Mühsam schlug sie mit ihrem Armen nach den unsichtbaren Angreifern. Es war zu dunkel und somit konnte sie nur undeutlich die Umrisse erkennen. Jedenfalls waren es dieselben Tentakeln, die die Drohne zerstörte. Plötzlich hörten die Angriffe auf. Sie drehte sich um die eigene Achse. Ein weiterer Schlag ließ sie taumeln, nur war es anders. Nicht gezielt. Eher zufällig getroffen. Schwerfällig trabte sie dem Ausgang entgegen. Ich muß hier raus. Ein weiterer Schlag und etwas überholte sie. Nein. Mehrere. Dunkle Gestalten flogen mit einem nervenzerfetzenden hohen schrillen Zirpen dem Ausgang entgegen und ihnen war es egal ob sie mit ihr zusammenstießen. Ein unendlicher Strom schwarzer Kreaturen ergoß sich aus den Düstergebirgen. Taumelnd kam sie aus der Dunkelheit und die helle Sonne blendete sie. Ricarda sah wie die schwarzen Schatten sich ins Tal stürzte. Wieso ist Norman noch nicht im Orbit? Verdammt flieg los! Sie schaltete den Funk ein.


Norman ging zur Brücke. Die Mannschaft döste vor sich hin, oder überprüfte irgendwelche Daten.

Bringen Sie uns hier weg!“, befahl er. Der Captain sah ihn skeptisch an. Ricarda hatte keinen Sauerstoff mehr. Sie müßte jetzt irgendwo tot liegen. Ein weiteres Opfer des verdammten Planeten. Und ich hab es zugelassen. Da haben wir den Krieg überlebt um auf dieser friedlichen Mission an Unfällen zu sterben.

Wohin?“, fragte der Captain.

Erst mal in den Orbit!“, flüsterte er erschöpft.

Aber die Boston!“, wandte der Kommunikationsoffizier ein.

Die Boston existiert nicht mehr. Und wir bald auch nicht mehr, wenn wir nicht bald Verbindung zur Missioncontrol bekommen.“ Die lauten Stimmen weckte die anderen auf.

Alles klar.“ Er wendete sich an den Kommunikationsoffizier, der sich auf irgendwas konzentrierte.

Äh, Sir? Dr. Winsley ist hier. Sie sagt wir sollen sofort starten.“ Norman war erleichtert.

Geben Sie sie mir!“, befahl er und er nahm den Kopfhörer.

Ricarda?“

Norman? Flieg sofort los! Sofort!“, schrie sie keuchend.

Wo bist du? Wir holen dich ab!“, ignorierte er ihren Befehl. Der Captain sah ihn fragend an.

Verdammt noch mal. Sie kommen auf euch zu. Startet sofort.“ Die Panik in ihrer Stimme erfaßte ihn. Er betätigte einige Tasten an der Kommunikationskonsole.

Landungsboot Alpha an alle. Kickstart!“ Genau in diesem Augenblick kamen sie. Schwarze geflügelte Kreaturen nur schemenhaft aus zu machen.

Was zum Teufel?“, sagte noch der Captain und bekreuzigte sich.

An alle! Kickstart!“ Die Antigravantriebe hoben das tonnenschwere Boot rasendschnell in die Luft, doch die Gestalten hefteten sich an die Aussenhaut. Ein Boot wurde so heftig angegriffen, dass es wieder zu Boden stürzte. In nur wenigen Sekunden war die Aussenhaut zerfetzt. Was mit der Besatzung passierte, wollte Norman nicht wissen. Die ersten Körper stießen gegen das Alpha Boot, was es heftig erzittern lies. Verzweifelt versuchte die Crew das Boot auf Kurs zu halten. Immer mehr Gestalten kamen hinzu. Sie kamen alle von den Düstergebirgen. Ein riesiger Strom aus schwarzen Leibern.

Wir haben mehrere Lecks in der Aussenhaut! Wir können nicht mehr in den Orbit!“, schrie der Captain über dem Lärm der flatternden Kreaturen und den schrillen Alarmtönen. Die Brücke wurde mit Schwefelgeruch angefüllt. Ein schrilles hohes Zirpen begleitete den Angriff. Eine Kamera wurde zerstört und ein Aussenmonitor des Cockpits zeigte nur noch Schnee.


Die Beine des Roboter konnte sie nicht mehr einfahren, sie waren zu sehr beschädigt. Warnlichter erfüllten ihr Blickfeld. Sie mußte tatenlos zu sehen, wie ein Landungsboot nach dem anderen von den Kreaturen zerfetzt wurden.


Fliegen Sie zu den Düstergebirgen.“ Das Alpha Boot schwankte gefährlich, immer mehr Warnlichter blinkten auf und versuchten die Aufmerksamkeit mit lauten Tönen auf sich zu lenken. Der Captain nickte nur, denn er wußte dass sie verloren waren, ob hier im Tal oder im Gebirge. Der Vorhang des roten Regens lichtete sich. Im Schnee war ein braunes Etwas zu erkennen. Es zeigte nach rechts. Der Funk war ausgefallen.

Da der Höhleneingang!“, rief Norman unnötigerweise, da die Steuerung und der Antrieb ausgefallen war, fiel das Boot wie ein Stein vom Himmel. Der Höhleneingang war wie ein gähnendes Maul, der Schlund zur Hölle.


Ricarda sah das Alpha Landungsboot auf sich zu kommen. Umringt von Dutzenden von Kreaturen, die die Aussenhaut aufschnitten und zerfetzten. Die Fluglage änderte sich ein wenig. Sie zeigte mit letzten Kräften auf den Höhleneingang. Das Landungsboot änderte ein letztes Mal seinen Kurs, bevor das Antigravfeld ausfiel. Es stürzte ab. Direkt zum Eingang.


Das Boot grub sich in das harte Gestein. Die Seiten wurden wie Papier weggerissen. Metallisches Kreischen erfüllte Normans Schädel. Die Monitore fielen aus, wurden in Tausenden von Splittern zerfetzt, die sich in sein Fleisch gruben. Am Ende fraß sich das Plasma des Fusionsreaktors durch seinen Körper.


Ricarda bekam keine Luft mehr. Ihr wurde schwindelig. Ihre Lunge füllten sich mit Kohlendioxid. Sie sah zur Rauchsäule, neben ihr. Nachdem das Boot explodiert war, war der Eingang eingestürzt. Die Kreaturen erhoben sich in die Luft zum Orbit. Das Warnlicht war das letzte was sie sah.


WARNING! Oxygen: 0% WARNING! Oxygen: 0% WARNING! Oxygen: 0% WARNING! Oxy


Die Kreaturen flogen an eine einsame Boje vorbei, die plärrend auf allen Kommunikationsfrequenzen die selbe Botschaft in fünf Sprachen verkündete:


„Fomalhaut ist unbewohnbar.“

1 Paralleluniversum in welchem nur Geschwindigkeiten über der Lichtgeschwindigkeit herrschen

2 Nachfolger von binären Computersystemen. Ein, Aus, Einaus.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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