René Großmann

Glück 2035

Jetzt lieg ich hier, im Jahre 2035. Es ist superschönes Wetter, ich liege auf dem Sonnendeck dieses riesigen Luxusdampfers auf dem Weg in so ein Palmenparadies. Ich schlürfe einen leckeren Cocktail und genieße das stahlblaue Meer. Die ersten 2 Monate meiner Pension hab ich mir genau so vorgestellt. Ich habe mir viel vorgenommen, so viel geplant. Als erstes wollte ich die große Kreuzfahrt machen, von der ich immer geträumt hab. Vorher noch kurz meinem Chef in den.. na, sie wissen schon treten. Naja, verbal hab ich das bei der Verabschiedung schon getan. 40 Jahre in der Firma hochgearbeitet und zum Dank gabs ne goldene Uhr, da konnt ich mir den Spruch „Warum sollte mich Zeit jetzt noch interessieren?“ nicht sparen. Dann hab ich erstmal die Zeit als Rentner genossen, mit all den Annehmlichkeiten. Ich habe eine schöne Eigentumswohnung. Hab ja schon früh an später gedacht (war das nicht ein Werbeslogan der 90er?), meine Lebensversicherung ist mir ausgezahlt worden (das dämliche Gesicht meines Versicherungsvertreters war eine Wonne, dachte wohl nicht, das ich bei 40 Kippen am Tag 63 Jahre werde...), ich habe keine Sorgen, bin finanziell abgesichert. Und jetzt lieg ich hier und genieße meinen Cocktail, starre auf das Meer, seh den Möwen zu und... ...
habe Angst.
Moment mal, was ist denn das jetzt? Wieso hab ich dieses komische Gefühl der Leere? Grad noch hab ich so einer Badenixe genüßlich leise hinterhergepfiffen (fand die übrigens nicht so toll, sollte mich mal altersangemessen benehmen...) und jetzt das? Ich hab doch alles, was ich brauche. Vor allem keine Probleme. In meinem Umfeld gibts genug Leute mit echten Problem, das kann ich ihnen sagen. Der Pit zum Beispiel. Geht auch in 2 Jahren in Rente. Aber hat der sich abgesichert? Ging ja auch gar nicht. 2 eigene Kinder, eins aus erster Ehe, dann die ganzen Enkelkinder. Das kostet Zeit und... Geld. Tja, damit habe ich nie Probleme. Ich wollte nie Kinder. Warum auch? Wache Nächte, Windeln wechseln, Kindergartenplatz suchen..und die Karriere bleibt auf der Strecke. Nein danke, nichts für mich. Ich bin ein Kämpfer, ein Karrieremann, immer nach vorn, durch nichts und niemanden aufhalten lassen. Vor allem nicht durch Kinder. Sollen sich die anderen damit rumschlagen, ich hab mein Leben und das will ich genießen.. wollte ich schon immer. Das ist meine Devise. Oder..na ja, war sie. Jetzt bin ich Pensionär, liege auf einem schönen Sonnendeck und denke nach. Eigentlich könnte ich ja zufrieden sein. Nur dieses komische Gefübl geht nicht weg. Verdammt, warum? Hab mich vor kurzem noch mit dem Pit unterhalten. Machte mir nicht den Anschein, als wenn er Angst vor der Rente hätte. Im Gegenteil, er schien sich drauf zu freuen. Als erstes mit den Enkeln in den Urlaub, und dann wollte er noch beim Anbau für seinen Sohn helfen. Und keine Angst vor finanziellen Engpässen. „Geld“, sagte er, „was ist schon Geld. Davon kann ich mir nicht das kaufen, was ich habe.“ Ich wußte damals nicht wirklich, was er meinte. Jetzt wird es mir klar.
Ich schließe die Augen, denke nach. Und mit einem Mal sehe ich diese Badenixe vor mir, die mich anschaut, dieser Blick, nicht kritisch, nicht lustvoll, gar nicht erotisch, eher fragend; ein Mädchen, das vom Alter her meine Tochter, ja meine Enkeltochter hätte sein können, dieser Blick von ihr, der sagen wollte: „Alter Mann, was ist? Ganz allein? Wo sind alle?“ Und der ich meine Antwort hätte geben können: „Wo sie alle sind? Ganz einfach: Es gibt sie nicht..."

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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