Klaus-D. Heid

Der Prophet im eigenen Haus

Hab ich’s ihm nicht tausendmal gesagt? Habe ich ihn nicht immer und immer wieder angefleht, es endlich zu tun? Und er? Wie hat er reagiert? Ausgelacht hat er mich – wenn er sich überhaupt bequemte, mir einmal zuzuhören! Ausgelacht! Ich sehe mich noch ganz deutlich vor ihm stehen, als ich ihn zuletzt vor zwei Tagen bat, auf meinen Rat zu hören. Breit grinsend erwiderte er, dass ich ‚nicht so ein Theater’ machen solle. Trotzdem habe ich versucht, ihm ins Gewissen zu reden. Ich habe ihm sehr deutlich gemacht, was geschehen würde, wenn er wieder so tat, als ginge ihn das alles nichts an. Umsonst! Es war fast so, als wollte er es nicht begreifen. Mit einer mir völlig unverständlichen Ignoranz prallten alle meine Worte an ihm ab. Schlimmer noch. Er machte sich lustig über mich! Er lachte mich aus, als sei ich irgendein weltfremder Spinner, zu dem man immer lächelnd ‚Ja’ und ‚Amen’ sagte, während man in Gedanken längst woanders war.
Wie ein Idiot kam ich mir vor. Und doch! Sollte ich aufgeben, weil er nicht begriff, wie erst die Lage war? Sollte ich alle Bemühungen einstellen, weil er mir sein grinsendes ‚Leck mich am Arsch’ entgegenschleuderte? Was würde geschehen, wenn ich ihm den Gefallen tat und meinen Mund hielt? Was würde er machen, wenn ich mich einfach aus seinen Problemen heraushielt? Übertrieb ich es vielleicht? Blockte er nur so ab, weil ich ihm unbedingt helfen wollte? War ich schuld? Und was geschah, wenn ich mich zurückhielt – und wenn er es trotzdem nicht tat? Konnte es dann nicht zu spät sein? MUSSTE es dann nicht sogar zu spät sein?

Seit zwei Tagen gehen wir uns aus dem Weg. Ich habe mich entschlossen, ihn seinem Schicksal zu überlassen! Bin ich etwa meines Bruders Hüter? Trage ich die Verantwortung für sein Fehlverhalten? Er ist alt genug. Er muss selber wissen, was er tut und was er nicht tut! Mir kann später niemand einen Vorwurf machen, wenn es zu spät ist. Ich habe wirklich alles menschenmögliche versucht, um ihn vor Fehlern dieser Art zu schützen. Wenn er es jetzt noch nicht begriffen hat, kann ich’s wohl auch nicht mehr ändern! Er muss sehen, wie er nun zurechtkommt. Lange kann es ja nicht mehr dauern, bis er mit der knallharten Realität konfrontiert wird. Und dann? Dann werde ich vor dem Haufen seiner Scherben stehen – und alles wird zerschlagen sein, was ich für ihn aufbauen wollte. Er hätte es eben längst tun müssen! Er hat’s aber nicht getan und er wird es auch nicht tun. Da bin ich mir jetzt ganz sicher!

„Mach den Klodeckel nach dem Pinkeln zu!“

Er wird’s nicht lernen. Schade nur, dass ich es nie verstanden habe, ihn von der Dringlichkeit dieses Vorganges zu überzeugen. Schade. Wirklich sehr, sehr schade...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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