Der lang anhaltende Winter mit seiner klirrenden Kälte lässt nicht nur mich jedes Jahr auf einen sonnigen Frühling hoffen, der die von Schnee und Eis bedeckte Erde mit den im Winterschlaf ruhenden Pflanzen wieder zu neuem Leben erwecken soll.
Oft vergesse ich, dass mir kalt ist, wenn ich den Vögeln zusehe, denn im Herzen verspüre ich eine kaum vergleichbare Wärme, wenn sie ihr Morgenlied am nahen Tannenbaum vor meinem Schlafzimmerfenster voller Zuversicht trällern, obwohl die Futtersuche bei diesen Temperaturen um den Gefrierpunkt sicherlich schwer ist.
Ich kann öfters zusehen wie Amsel, Spatz oder Meise auf den bereitgestellten Futterplätzen am Balkon anderer Bewohner um ihre Rationen kämpfen und es ist lustig zu beobachten, welche Strategien von den Piepmätzen eingesetzt werden, um mit zornigem Gezwitscher den Konkurrenten den Rang abzuflattern.
Aber auch diese Jahr kommt der Frühling und mit ihm das Liebeswerben der Vögel und anderer Tierarten. Auf meinem Balkon und in der Parkanlage vor und hinter dem Haus geben sich Meisen, Grünlinge, Spatzen und Amseln im frischen Grün der Bäume und Sträucher ein Stelldichein.
Bereits am frühen Morgen, bevor die Dämmerung entschwindet, erklingen die unterschiedlichsten Vogellieder vom Tannenbaum gegenüber und es ist ein besonderes Konzerterlebnis, das ich täglich bei offenem Schlafzimmerfenster genießen darf. Wenn dann die Morgensonne ihre Strahlen über die Berggipfel schickt, sitzen abwechselnd die Singvögel auf der hohen Spitze des Tannenbaums, um im goldenen Schein des neu erwachten Tages ihre Liedchen zu schmettern.
Es zwitschert eine Meise
mir morgens froh ihr Lied
auf wunderbare Weise,
die in die Herzen zieht.
Sie plustert ihr Gefieder
und legt das Köpfchen schief,
ermuntert immer wieder,
bis ich ein *ziwitt* rief.
Ans Fenster klopft sie leise,
begehrt den Pinienkern;
den geb’ ich meiner Meise
als Leckerbissen gern.
Mit dem Lohbach, einem Biotop für viele Pflanzen und Tierarten, dem nahen Bergwald und der umliegenden Parkanlagen ist die Wohngegend am Rande der Stadt eine Oase der Erholung.
Eigentlich gibt es keinen triftigen Grund, weshalb ausgerechnet auf meinem Balkon nun bereits das dritte Mal ein Amselnest erbaut wurde, denn ich habe kein Futterhäuschen am Balkon und stelle auch im Winter kein Vogelfutter zur Verfügung.
Vielleicht wurde der Brutplatz auf meinem Balkon auch erwählt, um der drohenden Gefahr von herumstreunenden Katzen, die Jungvögel gerne zu ihrer Beute machen, zu entkommen.
Über den Gesang der Amseln, ihren verschiedensten Brutplätzen und ihren Gewohnheiten in der Nähe des Menschen zu leben, wurde schon viel geschrieben.
Was Amseln uns aber wirklich mit ihrem schönen Gesang sagen wollen, wird uns wohl für immer verborgen bleiben, erfreut uns aber jedes Jahr zur Frühlingszeit, besonders wenn der melodische Reviergesang des Männchens aus den nahen Grünanlagen tönt.
Jedenfalls ist trotz der schönen parkähnlichen Grünanlagen rund um unser Wohndomizil mein kleiner idyllisch gestalteter Balkon im letzten Stock des Hauses ein begehrter Brutplatz für die Amseln geworden, wie man der folgenden Erzählung und den von mir gemachten Fotos entnehmen kann.
Die Amsel nützt die Zeit der Chancen,
wenn Frühlingssonnenstrahlen tanzen
auf Blättern, die auf starken Zweigen
das Wachstum voller Triebe zeigen.
Sie baut ihr Nest, geschützt vorm Sturm,
hält Ausschau nach dem besten Wurm
und fängt Insekten kühn im Flug,
ist sangesfreudig und auch klug.
Um ihre Brut gut aufzuziehen,
muss jeder Vogel sich bemühen,
den Futterplatz auch gut beschützen
und auf den Eiern wärmend sitzen.
(c) Ingrid Riedl
Ein Brutplatz am Balkon
Um auch im Winter meinen Balkon mit etwas Grün zu schmücken, pflanzte ich veredelte Zwergpinien, Wachholder und gab dazu in die von den Geranien verlassenen Blumenkästen Tannen- und Fichtenzweige.
Mein Blick aus dem Wohnzimmerfenster traf immer wieder auf ein Amselpaar, das sich in Abständen abwechselnd auf dem Balkongeländer niederließ, als wollten sie mich begrüßen.
Ein besonderer Schnappschuss gelang mir, als sich ein Amselpärchen am Balkon-Geländer traf, wo ich ein paar Pinienkerne und Rosinen hingelegt hatte.
Ohne die bereitgestellten Leckerbissen aufzupicken, standen sie sich stolz gegenüber und ihr Blickkontakt mit der Körperhaltung ließ vermuten, dass hier ein Liebeswerben stattfand.
Das tiefschwarze Männchen sträubte in geduckter Haltung sein Gefieder, tänzelte hin und her und wie mit einer unterwürfigen Geste überließ er dem Weibchen die begehrten Delikatessen. Anschließend flog er auf den Dachrand des Hauses und verkündete trillernd mit stolz geschwellter Brust seinen Artgenossen, dass er nun hier für Nachwuchs sorgen wird.
Als ich an einem sonnigen Maitag der ersten Woche im Wonnemonat meine Geranien, Pelargonien, Margariten und das kleine Jasminbäumchen mit seinen zarten, weißen Sternchenblüten pflanzte, entdeckte ich die Spuren am Boden des Balkons, die Vögel beim Nestbau hinterlassen.
Einzelne trockene Halme, Zweige, Gräser und verstreute Blumenerde lagen rund um den Blumekasten mit den Koniferen, neben der das noch nicht ganz fertige Vogelnest erahnen ließ, dass es hier Nachwuchs geben wird.
Erst später entdeckte ich, dass sich im Blumenkasten hinter dem hölzernen Rankgitter mit dem wilden Efeu ein Reservevogelnest befand, das aber zum Brüten nicht mehr geeignet war, da ich es - versehentlich – nicht wissend – tüchtig begossen hatte.
Vorsichtig guckte ich in das noch leere kunstvoll gebaute Nest, welches die naturgegebene Architektur der Vogelwelt widerspiegelt, holte meine kleine Digital-Kamera (ohne optischen Zoom), um dieses Werk fotografisch festzuhalten und hoffte auf die Wiederkehr der beiden Vogeleltern, die hier offensichtlich ihren Brutplatz errichten wollten.
Und dann war es soweit.
Bereits ein paar Tage später, als der Nestbau beendet war, sah ich die etwas größere, graubraun gefiederte Amselmutter brütend im Nest sitzen und wusste nun, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das erste Ei gelegt ist.
Vorsichtig, um die brütende Amsel nicht zu erschrecken, öffnete ich künftig leise meine Balkontüre, sah durch das Fenster in das Eck, wo der grüne Blumenkasten mit der Konifere stand, die mit ihren Zweigen nur die Einsicht erschwerte, aber nicht vor den Witterungseinflüssen schützen konnte, damit das Nest unversehrt und trocken bleiben konnte.
Die brütende Amsel schien gar nicht so scheu zu sein, wie allgemein angenommen, denn sie signalisierte mir, als ich mich näherte, mit gurrenden Tönen, dass sie sich hier anscheinend wohl fühlte.
Aufgeplustert saß sie stundenlang im mit Halmen gepolsterten Nest und war nur zur Futtersuche kurz unterwegs, um unter Hecken und Sträuchern Futter zu finden.
Sonnenblumen- und Pinienkerne, wie kleine Apfelspalten legte ich in ein Schälchen und auf das Bistrotischchen, was von meinen Vogelgästen gerne angenommen wurde und auch den Amselvater anlockte, der zwischendurch seiner brütenden Gefährtin Würmer, Insekten, Beeren und Samen mitbrachte, um ihr das Brüten zu erleichtern und sie bei Kräften zu halten.
Es war herrlich, dieses Amselglück zu beobachten und ich nützte nahezu den überwiegenden Teil des Tages, immer wieder nachzusehen, ob schon ein Ei gelegt war.
Eines Tages hörte ich am Vormittag frohes Amselgezwitscher, sah die Amselmutter wegfliegen und beim Blick in das Nest das erste, hellblaugrau gescheckte Vogelei.
Nun war ich mir sicher; hier gibt es Nachwuchs und das nächste Ei wird nicht lange aus sich warten lassen.
So war es dann auch.
Aber die Natur wollte es anders.
Als zwei Eier im Nest lagen, brach die Vogelmutter abrupt ihr Brüten ab und ließ die zwei gelegten Eier im Stich.
Was die Ursache war, blieb ein Rätsel.
5 neue Amseleier
Nach einer Wartezeit von vierzehn Tagen, beschloss ich, das verlassene Vogelnest zu entfernen.
Kaum hatte ich begonnen, den Blumenkasten um das Nest zu erleichtern, flogen mit einem laut protestierenden „witt-witt-witt“ die Amseleltern auf den Balkon und ihren Gebärden zufolge, war es ihnen nicht Recht, dass ich den errichteten Brutplatz zerstöre.
Da ich das vermeintlich verlassene Nest jedoch bereits in einen Müllsack gegeben hatte und die zwei Amseleier (als Erinnerung) in ein Ostern-Körbchen, brach ich verunsichert meine Tätigkeit ab. Ich beließ aber die „Grube“ in der Blumenerde und entfernte mich, nicht ohne das weitere Geschehen vom Fenster des Balkons aus, weiter zu beobachten.
Und was sah ich da?
In Windeseile kam die Amselmutter in kurzen Abständen mit Halmen angeflogen, errichtete ein neues Heim in derselben Grube des Blumenkastens, während der Amselhahn als „Wächter“ an der Dachrinne - in naher Entfernung das Ganze im Auge behielt.
Es war phänomenal, mit welcher Geschwindigkeit und präziser Kunstfertigkeit das neue Nest errichtet wurde.
Ich bedauerte, dass sich kein optischer Zoom auf meiner Digital-Kamera befand und ich das Schauspiel nicht mit einer Filmkamera festhalten konnte.
Die werdende Amselmutter hatte es offensichtlich eilig, denn als das Nest in einer guten Stunde bezugsfertig war, legte sie anschließend gleich wieder ein Ei und es folgten weitere.
Jeden Tag kam ein Ei dazu und schließlich waren 5 Amseleier im Nest zu erblicken.
Die Amselmutter war nun überwiegend mit dem Brüten beschäftigt und der stolze Vater traf mehrmals täglich ein, um der brütenden Mutter Futter zu besorgen und um die frohe Kunde einer neuen Brut mit herrlichem Gesang zu bekräftigen.
Nach Recherchen über das Brutverhalten der Amseln, die zur Gattung der Drosseln gehört, erfuhr ich, dass das eigentliche Ausbrüten der gelegten Eier erst nach dem dritten Ei beginnt. Ob dies das Abbrechen des ersten Geleges begründet, entzieht sich meiner Kenntnis.
Es war eine wahre Augenweide, diesem Ereignis beizuwohnen und mit vorsichtigem Anschleichen, um das Paar bei ihrer Familiengründung nicht zu stören, gelang es mir, einige Fotos zu schießen, die das Wunder der Natur dokumentieren.
Spannend wurde es für mich, als zehn Tage später das erste und am nächsten Tag das zweite Junge schlüpfte und ich kurz vor Mittag zufällig den Zeitpunkt erhaschte, als noch ein Stück der aufgebrochenen Eierschale neben dem neugeborenen federlosen Piepmatz lag.
Oh, wie ist es angenehm
unter Mamas Schoß
und wir machen’s uns bequem
bis wir stark und groß.
Bevor die Mutter die letzte aufgebrochene Schale des Eis verzehrte, um dem frisch geschlüpften Erdenbürger Platz zu schaffen, konnte ich noch ein Foto machen.
Das nackte, rosafarbene Küken, das noch blind und unbeholfen seinen Schnabel gierig nach Futter heischend aus dem Nest reckte, wurde nahezu im Viertelstundentakt von den emsig herbeieilenden Eltern liebevoll gefüttert.
Piepsend recken sie die Köpfchen
hungrig aus dem Nest heraus,
würgen gierig in ihr Kröpfchen,
lassen keine Mahlzeit aus.
Das Gefieder ist noch spärlich,
und die Äuglein zu und blind,
doch wenn etwas gefährlich,
kommt die Amselma geschwind.
Vorne rein und hinten raus ist auch hier eine Gegebenheit, wenn die Verdauung klappen soll. Beide Elternteile hielten das Nest sauber, indem sie dem Piepmatz, die Exkremente vom Darmausgang mit dem Schnabel entfernten, was irgendwie recht lustig anzuschauen war, denn so unbeholfen die Kleinen auch waren - sie befolgten den Ablauf des Geschehens –sozusagen - blindlings.
Als das dritte Junge tags darauf das Licht der Welt erblickte, war Pause angesagt. Ob die weitere Familienplanung damit abgeschlossen war, konnte ich zum Zeitpunkt nicht erahnen, bemerkte jedoch, dass in den weiteren Tagen kein Küken mehr schlüpfte.
Die zwei intakten, übrig gebliebenen Eier wurden jedoch sorgfältig „gerollt und gewendet“ und von der Futter suchenden Mutter unter die Jungen geschoben, die darauf herumtrampelten, wenn der Kampf um das Futter begann, das die Eltern dem rivalisierenden Nachwuchs in die Hälse stopfte.
Immer der Reihe nach, und sorgfältig bedacht, dass auch der Kleinste zum Zuge kam, der von den älteren Geschwistern in die Ecke gedrängt wurde.
Es war erstaunlich, was die Kleinen so alles an Insekten und Würmern hinunterwürgten.
Um sich den Vorrang zu erkämpften, wenn es um die Fütterung ging, waren auch unfaire Methoden erlaubt.
Dass die um ein paar Tage älteren Jungen im Vorteil waren, war klar.
Die Eltern achteten aber genauestens auf gerechte Futterverteilung und starteten sofort wieder, um einen neuen Wurm zu liefern, wenn eines der Kleinen nicht zum Zuge kam. Zwischendurch holten sie auch meine bereitgestellten Leckerbissen an Pinienkerne, die sie besonders liebten und stopften sie ihrer Brut in den weit geöffneten Schnabel, wo der Schlund des langen Halses unendlich zu sein schien.
Vater füttert mit Geschick,
Fliegen, Würmer, fett und dick,
pickt vom Nest, was stört und zwickt,
bis wir müd’ und eingenickt.
Mit ihren langen, im Licht der Sonne – durchscheinenden, nur mit Flaum bedeckten Hälsen, reckten sie piepsend und bettelnd – ihre Schnäbel an Vater oder Mutters gefiederte Brust und signalisierten mit ihren übergroß wirkenden Schnäbeln, dass der Hunger noch nicht gestillt sei.
Die Mutter machte diesem Gezeter jäh ein Ende, wenn sie sich behutsam und aufplusternd auf das Nest setzte, wo sich die drei Piepmätze dann beschützt, satt und müde ihren Vogeltraum hingaben.
Doch der Schlaf der Jungvögel dauerte nie länger als eine halbe Stunde.
Fordernd bohrten sie sich dann durch das Gefieder der Mutter, die dem Anschein nach, manchmal überfordert schien, denn sie drängte die Kleinen immer wieder unter ihren Bauch.
Die restlichen zwei graublau gecheckten Eier lagen im Nest unter oder neben dem Nachwuchs, der sich aneinander kuschelte, auch deshalb, weil es entgegen der Jahreszeit ziemlich kühl war.
Um die Brut vor dem Regen zu schützen, spannte ich einen kleinen Sonnenschirm über das Nest, was sich als sehr vorteilhaft erwies, besonders als eines Tages zur Mittagszeit kirschgroße Hagelkörner vom Himmel hagelten.
Sichtlich erschrocken, saß die besorgte Amselmutter auf dem Nest, um ihre Jungen zu behüten, als es blitzte, donnerte und der Himmel seine Schleusen öffnete. Der Amselvater flog nach dem Gewitter triefend nass zur Brutstätte und schmetterte nach seiner Inspektion und Fütterung mit frischen Würmern - sichtlich zufrieden, seine erfreuliche Botschaft vom Dach des Nebenhauses.
Zwei der Erstgeschlüpften hatten bereits eine Woche nach dem Schlüpfen ihre Äuglein offen und reagierten nun auch, wenn ich mich näherte mit einer Schutzhaltung, indem sie sich im Nest duckten.
Der Vater war nach wie vor die Autoritätsperson. Die Amselmutter agierte äußerst geduldig und liebevoll beschützend, ließ mich aber trotzdem nahe an das Nest heran und rückte zur Seite, um mir stolz ihre Brut zu zeigen, die sich unter ihr aufgeplustertes Gefieder kuschelte.
Dass die Erziehung der Amseleltern Früchte trug, konnte ich immer wieder mit Schmunzeln beobachten. Köstlich war es anzusehen, wenn sie in der Reihe bettelnd und piepsend auf die Nahrungszufuhr warteten und nach den Schlucken trippelnd ihren noch rosa Pürzel mit dem spärlichen Flaum in die Höhe reckten, damit Vater oder Mutter den Kot entfernt. Das Nest war immer reinlich und wurde im Laufe der Zeit von der Mutter so verändert, dass die Mulde darin immer höher ausgebaut war, um den Kleinen die Sicht besser zu ermöglichen.
Wie auf den Fotos (die ich gerne zur Verfügung stelle) zu sehen ist, fühlten sie sich sehr wohl an Mutters Seite, waren aber außer Rand und Band, wenn sich der Vater, den ich Monokel-Joe nannte, da das umrandete Auge vom seitlichen Blickwinkel aus gesehen, beinahe wie ein Monokel aussah, den mit frischen Insekten oder Würmern näherte. Ja, sie himmelten ihn regelrecht an, was er wohlwollend zur Kenntnis nahm, indem er anschließend seine Runde drehte und stolz seinen Gesang vom Dach ertönen ließ.
Flügge geworden
Zehn Tage nach dem ersten schlüpfte das letzte Küken und am selben Tag fanden bereits die ersten Flugversuche des ältesten Piepmatz statt, der sich aber vorerst mit ein paar ungeschickten Hüpfern nur am Boden des Balkons begnügen musste.
Wenn sie dann zum Fliegen starten,
werden Vater, Mutter warten,
um den Flug zu dirigieren,
dass sie nicht die Sicht verlieren.
Witt, witt witt und tschirp, triri,
dort am Baume visavis
werden alle später wohnen
und am Gipfel singend drohnen.
Ein übrig gebliebenes Ei (aus welchen Gründen auch immer), wurde von der Amselmutter tief unter die Halme des Nestes vergraben. Sie hat es später gefressen und sich so vielleicht einen Vorrat geschaffen. Als sie begann das Nest zuzuscharren und eine flache Ebene im Blumenkasten zu bilden, ahnte ich, dass sie nun die Kleinen lehren wird, ihre gebaute Startrampe zu nützen.
Ich betrachtete das erfreuliche Geschehen etwas versteckt vom Balkonfenster raus, um diese Lernübung nicht zu stören, auch deshalb, da sich das Elternpaar – überwiegend der Vater - sehr scheu und angriffslustig benahm, sah er die Kamera in meinen Händen.
Es war jedenfalls eine schöne Zeit, den lieben Amseleltern mit ihren Jungen zuzusehen und zu beobachten, wie zwei der Piepmätze die erste Probeflugstunde mit tapsenden Hüpfen innerhalb des Balkons bewältigte, um dann mutig ins nahe Grün zu starten, wo Büsche und Bäume einen Landeplatz bieten, der mit Schwung vom Balkon aus zu erreichen war.
Einer der Kleinen, am Bäuchlein noch rosa, mit kargem Flaum bedeckt, hatte die Landung nicht ganz geschafft und stürzte auf den asphaltierten Vorplatz des Hauses, wo er auf dem Weg zum Amselhimmel seine kurze Zeit des Daseins aushauchte.
Ja, es dauert nicht mehr lange,
bis ich selber Mücken fange,
Würmer und noch vieles mehr,
dann ist alles halb so schwer.
Jetzt ist mir noch angst und bange,
weil ich nicht zum Baum gelange,
wo die Freunde fröhlich singen,
uns ein Ständchen täglich bringen.
Schließlich flog das letzte Junge aus dem Nest, das die Amseleltern mit lockenden Rufen und mit Würmern im Schnabel ihr Geleit gaben. Bevor es jedoch den nicht ungefährlichen Flug aus dem vierten Stock wagte, hüpfte der gut entwickelte Sprössling auf den danebenliegende Blumenkasten hinter dem rankenden Efeu, von wo er den Start wagte und zu meiner Beruhigung in den dichten Ästen des Birkenbaumes seinen Halt fand.
Alle anderen der Amselfamilie und deren Freunde, besuchen mich heute noch regelmäßig und die Leckerbissen wie Rosinen und Pinienkerne, die ich bereit stelle, werden mit Flügelschlag und lautem Gezwitscher gerne angenommen und verzehrt.
DAS BRUTVERHALTEN
Zusammenfassend kann ich berichten, dass die Brutzeit ab dem ersten gelegten Ei in etwa 8 bis 14 Tage dauert und die Jungen nach dem Ausschlüpfen ihr Sehvermögen nach meinen Beobachtungen in ca. 6 Tagen erlangen und je nach Entwicklung in ungefähr 10 bis 12 Tagen von den Eltern geleitet, das Nest verlassen, auch wenn die Flugsicherheit nicht gegeben ist.
Je weniger Jungen aufgezogen werden, desto besser ist ihre Versorgung mit ausreichend Futter und ihr Gedeihen.
Nicht nur Natur- und Musikwissenschaftler erforschten ihre Tonsprache und die zu Musik gebrachten Stücke (Hoffmann, Szöke u.a.) zeigen, dass ihr einzigartige Klangzauber ein besonderes Flair hat.
Die Amsel – oder Schwarzdrossel – (Turdus merula), ursprünglich ein reiner Waldvogel, passte sich dem Menschen im Laufe der Zeit an und wurde zu einer der im menschlichen Siedlungsraum am häufigsten auftretenden Brutvogelarten. In begrünten Städten, Parkanlagen und Dörfern.
In seinem Buch beschreibt Prof. Dr. Heinz Tiessen die Musik der Natur so treffend, dass ich seinen Worten mit Begeisterung zitiere: “Die Amsel ist, mit den menschlichen Maßstäben von Melodik, Harmonik und Rhythmik gemessen, der musikalisch höchststehende Singvogel Mitteleuropas”.
Dieser Erkenntnis, kann ich nur mit voller Begeisterung zustimmen, denn das morgendliche Vogelkonzert einer Amsel hat auch mich gefesselt und durch meine Beobachtungen war mir das Glück hold, nicht nur den Amseln zu lauschen, sondern auch ihre Brutgewohnheiten zu erkunden.
Ein
Nest baut die weibliche Amsel etwa dreimal im Jahr innerhalb weniger Stunden aus Halmen, Gräsern und Moos im Geäst von Sträuchern oder Bäumen. Darin legt sie die 4-5 bräunlich gefleckten, etwas hellblau-grünlichen
Eier in wenigen Tagen.
Nach knapp zwei Wochen verlassen sie das Nest, obwohl sie noch nicht fliegen können und so eine leichte Beute von Katzen,
Elstern,
Eichelhähern usw. werden. Von den Eltern werden sie durch ein "
zieh-zieh" bei Gefahr aus der Luft, durch ein sehr kräftiges „witt-witt-witt“ und "
kix-kix-kix" bei Gefahr am Boden gewarnt.
Bei allen über 65 Drosselarten der Gattung Turdus, mit Ausnahme der hier beschriebenen Amsel, weist das Brustgefieder dreieckige dunkle Flecken auf, eine Drosselzeichnung. Daher kommt der Name Drossel. Außerhalb des Brutgeschäftes im Herbst finden sie sich zu größeren Gruppen zusammen.
"Amsel, Drossel, Fink und Star, und die ganze Vogelschar...":
Schon seit Generationen sorgt dieses Kinderlied für Verwirrung. Denn eigentlich gehört die Amsel, auch Schwarzdrossel genannt, als eine von 200 Unterarten zur Drosselfamilie.