Wolfgang Scholmanns

Ein nächtliches Angelerlebnis

Es konnte nicht mehr lange dauern bis die Dunkelheit heran brach, denn am Horizont tauchte die Sonne ihr feuriges Rot schon in die Fluten des alten Flößerhafens. Mein Sohn und ich hatten am Nordufer unser Lager aufgeschlagen um hier in den ruhigen nächtlichen Stunden ein paar Aale zu fangen. Schon des Öfteren hatten wir hier gute Erfolge erzielen können. Ausgerüstet mit frischen Wurmködern und stabilem Angelgerät, welches man für den Aalfang benötigt, warteten wir auf die Dunkelheit, denn der Aal ist ein Nachträuber und am Tage nur selten unterwegs um Nahrung aufzunehmen. Unsere Klapphocker hatten wir direkt ans Ufer gestellt, so dass unsere Gummistiefel im Wasser standen. Zwischen uns stand der Eimer mit Tauwürmern, die wir in der letzten Nacht noch fleißig gesucht hatten. Um unseren Angelplatz ein wenig zu beleuchten, hatten wir ein Einkochglas mitgebracht, in das wir eine von diesen Friedhofskerzen stellten, die 24 Stunden brennen. Ein paar alte Tücher, die wir unter unseren Stühlen liegen hatten, sollten uns dabei behilflich sein, die schleimigen Aale besser greifen zu können. So ein Aal, wenn man ihn mit der nackten Hand packt, windet sich im Nu wieder aus ihr hinaus, denn seine schleimige Haut ist so glitschig, dass es unmöglich ist ihn ohne Tuch festzuhalten. Wir bestückten unsere Angelhaken mit Würmern und warfen sie weit hinaus, genau an die Stelle des Sees, wo wir bei den letzten Angelausflügen so erfolgreich waren. Mittlerweile war es schon ganz schön finster geworden . Als Bissanzeiger hatten wir Leuchtposen auf den Angelschnüren befestigt, so dass uns auch bei dieser Dunkelheit jeder Zupfer eines Fisches, an dem auf dem Grund des Sees liegenden Köders, angezeigt wurde. Unweit des Ufers paddelten zwei Schwäne hin und her, die wohl darauf hofften, ein paar Brotkrumen zu bekommen, denn oft verwöhnten Spaziergänger diese Tiere mit so einem Leckerbissen. Plötzlich versank die Leuchtpose meines Sohnes in den Fluten des Sees und es gab einen kräftigen Ruck in seiner Angel. Er schlug an und bemerkte beim Einholen der Angelschnur, dass es sich um ein ziemlich großes Exemplar der Gattung Aal handelte das da an seinem Haken hing. Nach einigen vergeblichen Fluchtversuchen die der Aal unternahm, landete mein Sohn ihn sicher und fachmännisch in seinem Kescher. Es war ein großer Bursche, mit einer Länge von 82cm und einem geschätzten Gewicht von ca. 2 Pfund. Ich half ihm diesen schleimigen Gesellen aus den Maschen des Keschers zu befreien und nachdem ich ihn mit Hilfe eines dieser alten Tücher sicher gegriffen hatte, löste mein Sohn den Haken aus dem Maul dieses Fisches. Wir verstauten ihn in einen mitgebrachten Eimer mit Deckel und freuten uns über diesen frühen Fang. Inzwischen hatte sich auch meine Leuchtpose in Bewegung gesetzt und eilte stetig Richtung Ufer. Ich wollte gerade die Schnur aufrollen die ja, weil der Fisch Richtung Ufer zog ,immer schlaffer wurde, da bemerkte ich, dass sich einer dieser Schwäne in ihr verfangen hatte. Nun war guter Rat teuer. Wie sollte ich mich verhalten um dieses Tier zu befreien? Ich drehte ein wenig an meiner Rolle und als die Angelschnur so ziemlich auf Spannung war, machte der Schwan einen so gewaltigen Fluchtversuch, dass diese riss. Der Schwan, froh über seine wiedererlangte Freiheit, flüchtete eilig in Richtung des gegenüberliegenden Ufers und ich war heilfroh, dass diese Aktion so ziemlich problemlos über die Bühne gegangen war. Nun hieß es, eine der Ersatzleuchtposen auf die Schnur zu ziehen und einen frischen Köder auf den neugebundenen Angelhaken zu ziehen. Mein Sohn half mir bei dieser Neumontage, indem er mir mit der Taschenlampe leuchtete. Nach einer Weile saßen wir wieder zufrieden auf unseren Hockern und harrten der Dinge die da kommen würden. Es tat sich nichts mehr und irgendwann war mein Sohn, gelangweilt von dem starren Blick auf die Leuchtpose, eingeschlafen. Auch ich döste ein wenig, hörte aber wie das Zwitschern einiger Vögel das baldige Tagerwachen ankündigten. Ich fing schon an einige Sachen ins Auto zu laden, denn zum Frühstück wollten wir doch wieder zu Hause sein. Als ich zurückkehrte, sah ich meinen Sohn wild mit seiner Angel hantieren. Sollte er doch noch einen Fisch am Haken haben? Beim Näherkommen bemerkte ich dann die Ursache seiner Aufregung. Ein großer Hecht, mit einem Gewicht von mindestens 15 Pfund und einer Länge von ca. einem Meter hatte sich mit den Kiemen in seiner Angelschnur verfangen. Auch er unternahm einige Fluchtversuche, wurde aber nach einiger Zeit kraftlos und ließ sich mühelos ans Ufer ziehen. Es bereitete uns einige Mühe, diesen kapitalen Fisch aus seiner Not zu befreien aber nach ein paar Minuten, konnten wir ihn dann wieder unversehrt ins Wasser setzen. Eine Weile stand er noch unter der Wasseroberfläche um neue Kräfte zu sammeln, tauchte aber dann bald in die Tiefe des alten Flößerhafens.Diese Geschichte liegt nun schon viele Jahre zurück und unsere gemeinsamen Angelausflüge sind sehr selten geworden, aber die Erinnerung an dieses nächtliche Angelerlebnis ist immer noch fest in unserem Gedächtnis verankert.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.07.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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