Manfred Bieschke-Behm

FRÜHER trifft HEUTE

„Hallo du!“

„Meinst du mich?“

„Ja – ich meine dich!“

„Wer bist du – den ich hören, aber nicht sehen kann?“

Du kannst mich nicht sehen. Ich bin in dir.“

„Du bist in mir? Wie habe ich das zu verstehen?“

„Ich bin deine Vergangenheit!“

„Was will die Vergangenheit von mir?“

„Ich möchte mich mit dir auseinandersetzten. Mit dir reden“

„Du willst dich mit mir unterhalten! Worüber?“

„Über das was gewesen ist.“

„Über meine Vergangenheit?“

Ja, ich möchte mit dir über deine Vergangenheit reden denn schon lange spüre ich, dass du Schwierigkeiten hast, dich mit mir auseinander zusetzten. Wenn es zu einer          Unterhaltung kommen sollte, bin ich ganz fest davon überzeugt, dass wir beide davon profitieren.“

„Wie muss ich mir den Verlauf unserer Begegnung vorstellen?“

Ich habe mir vorgestellt,  dass ich dir  einzelne Lebensstationen erzähle von denen ich glaube, dass sie dein heutiges „Ich“ maßgeblich geprägt haben. Danach solltest du die Gelegenheit nutzen und mir mitteilen, wie das soeben gehörte auf dich wirkt. Ich bin mächtig gespannt, ob die Vorkommnisse, so wie ich sie abgespeichert habe, für dich heute noch an Bedeutung aktuell sind. Möglicherweise hast du im Laufe der Jahre eine andere Sichtweise bekommen und bewertest Begebenheiten aus heutiger Sicht anders. 

„Das hört sich ja kompliziert an?“

„Ich glaube, dass es einfacher ist als du denkst. Deshalb noch einmal anders  formuliert: Ich weiß, dass du dich viele Jahre sehr intensiv mit mir – deiner  Vergangenheit – beschäftigt hast. Nicht erst seit heute habe ich deshalb ein  schlechtes Gewissen, das kannst du mir glauben. Mein Egoismus hatte über lange Zeit nicht zugelassen, mich im Hintergrund zu halten. Immer wieder war es mir ein Bedürfnis mich in den Vordergrund zu bringen, denn so konnte ich dich beherrschen. Mir war es egal, ob du durch mich leidest oder sogar krank wurdest. Heute denke ich über meine Bestimmung differenzierter nach. Deshalb habe ich  mich immer mehr zurückgezogen. Ich wollte dir die Gelegenheit geben, dich freier und unbefangener entfalten zu können. Wenn ich ehrlich bin – und ich möchte das wir ehrlich miteinander umgehen – muss ich zugeben, dass es nicht meine Einsicht war, mein Verhalten dir gegenüber zu ändern. Du hast mich ganz schön in die Mangel  genommen. Manchmal waren die Urteile, die du über mich gefällt hast ganz schön schwere Brocken. Aber ich habe miterlebt wie du mit allen dir zur Verfügung stehenden Mitteln gegen mich gekämpft hast. Letztendlich habe ich eingesehen, dass es nicht bringt auf seine egoistischen Bedürfnisse zu beharren. Ich fühle mich in meiner jetzigen Rolle recht wohl und ich habe den Eindruck, dass es dir auch besser geht. Deshalb finde ich, dass der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung gerade günstig ist. Ich erkenne bei dir eine bisher nie dagewesene Stabilität. Du hast es   geschafft dich von mir  abzugrenzen, ohne mich - deine Vergangenheit - aus den Augen verloren zu haben. Ich weiß heute, dass die Gegenwart und die Zukunft  Vorrang vor der Vergangenheit haben. Jeder Zeitabschnitt hat seine Berechtigung. Aber ich weiß auch, dass sich Gegenwart und Zukunft sehr bald schon in Vergangenheit wandeln. Dieser Tatsachenbestand gefällt mir. Ich weiß. Dass ich meine Berechtigung nicht verloren habe und fühle mich deshalb auch nicht als  Verlierer sondern als gleichwertiger Partner.

Deshalb nochmals mein Angebot: Las uns in den Dialog treten. Höre mir zu und erzähle mir wie du heute auf Grund deiner angesammelten Lebensjahre mit Geschichten aus deiner Vergangenheit umgehst.“

„Wozu soll das gut sein?“

„Ich bin davon überzeugt, dass diese Art der Kommunikation dich noch ein stückweit aus deinem Lebens-Labyrinth herausführen wird. Wenn du sogar den Ausgang fändest, wäre dies natürlich ein großer Triumph für dich. Aber wir sollten die  Erwartung nicht zu hoch ansetzten. Je höher die Erwartung – je größer die   Enttäuschung bei  Nichterfüllung.

Ich spüre, dass du auf der Suche nach dem Ausgang bist. Viele Windungen und Sackgassen hast du bereits erfolgreich hinter dich gelassen. Ich  erkenne aber auch noch den einen oder andern Irrweg. Ich verspreche mir von unserer Begegnung, dass sich viele „Ungereimtheiten“ aufklären oder zumindest an Bedrohlichkeit  verlieren werden. Deshalb nochmals die Frage: Währest du zu diesem Experiment bereit?“

„Du machst mich neugierig aber gleichzeitig auch ängstlich. Ich weiß nicht, ob ich das Abenteuer eingehen will und soll.“

„Was gibt es da lange zu überlegen? Es geht letztendlich um dich aber auch um mich! Wir können uns doch vertrauen – oder? Zwischen uns sollte es keine Hemmungen geben. Gewissermaßen sind wir von einander abhängig. Wir kennen uns lange genug. Du mich von früher und ich dich von gestern und heute.“

„Bevor ich „ja“ sage, habe ich noch eine Frage: Wer bist du wirklich, der mit mir spricht, den ich aber nicht sehe?“

„Ich bin dein gestern.“

„Hast du einen Namen?“

„Nenne mich „FRÜHER.“

„Gut – dann nenne du mich „HEUTE.“

„Wollen wir anfangen?“

„Ja FRÜHER, wir können beginnen!“……

Es begann ein langes intensives Gespräch. Am Ende waren Beide zufrieden. FRÜHER sah ein, dass er sich nicht ständig in den Vordergrund zu schieben hat und HEUTE hat begriffen, dass die Vergangenheit an Bedrohlichkeit verliert, wenn man die Eigenverantwortlich erkennt und  damit lebt.

Künftig werden sich FRÜHER und HEUTE nicht mehr gefährlich werden, denn sie wissen jetzt mehr voneinander. Sie zollen sich gegenseitigen Respekt. Wissen, dass sie zusammengehören aber sie wissen jetzt auch, dass es sich besser lebt wenn man sich nicht abhängig macht. 

Sie haben sich gegenseitig versprochen aufeinander aufzupassen. 

FRÜHER trifft HEUTE ist der Titel meiner Lebensgeschichte die ich gerade zu Paper bringe. Die Kurzgeschichte "FRÜHER trifft HEUTE" ist die Einleitung zu meinem Roman in dem
ich versuche mit mir in Einklang zu kommen. Ich gebe meinem FRÜHER (Vergangenheit) die Gelegenheit mit meinem HEUTE (Gegenwart) zu kommunizieren. Ich finde diese Vorgehensweise sehr spannend und bin neugierig mit welchem Ergebnis die Lebensbiographie enden wird.
Die Kapitel "Das Kondom", Mozart und der Knopf" und Der Glaskugel-Verführer" sind bereits fertig geschriebene Kapitel und können ebenfalls bei www.e-stories.de. gelesen werden. Ich wünsche viel Spaß und würde mich über eine Kommentierung freuen.
Manfred Bieschke-Behm
Manfred Bieschke-Behm, Anmerkung zur Geschichte

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