Andreas Michel

Dog Walk - Die alte Frau aus Wake Forest

Viele
Leute wundern sich im Dorf, wie die nun schon 85 Jahre alte Frau
Patti Newman mit ihrem kleinen braun-schwarzen Mischling Stappa in
dem fast 4 Meilen entfernten Forsthaus mitten im Wald leben kann.Selten
sah man die Frau im Dorf einkaufen oder Post aufgeben. Einige hielten
die alte Frau für etwas verrückt, verwirrt und
altersstarrsinnig. Alleine mit einem Hund in einer gottverlassenen
Gegend zu leben, in dem selten Wanderer oder Touristen vorbeikommen.
Ihr Haus stand im Wake Forest.
In
dem Wald, in dem vor 3 Jahren ein Mörder ein junges Paar mit
einem Hund eiskalt aufgeschlitzt hat und an den Füßen an
einen alten, knorrigen Baum aufhängte. Mrs. Newman hielt diese
Geschichte immer für unglaub-würdig. Sie dachte, man wolle
ihr nur Angst einjagen um sie aus der Hütte rauszujagen und dann
aus dem Haus ein Restaurant am See zu eröffnen.
Wake
Forest ist ein riesen großes Areal mit drei Flüssen, die
alle in den Lake Norewin fließen. Früher waren an
Wochenenden viele Angler am See und Leute die ihr Wochenende im
ruhigen Land verbringen wollten um sich von dem wöchentlichen
Arbeitsstress in der Stadt zu erholen.
Doch
seit dem Mord vor drei Jahren, lassen sich nur noch Schaulustige und
lebensmüde Abenteurer darauf ein, durch den Wake Forest zu
gehen.
Man
vermutet der Mörder ist der Einsiedler mehrere Meilen weit in
Wake Forest. Doch beweisen konnte man ihm schon seit drei Jahren
nichts. Viele Leute halten ihn für schizophren. Doch
letztendlich reden alle Leute nur auf Gerüchten und keiner weiß
den genauen Hintergrund am Mord des jungen Paares mit dem Hund.

Mrs.
Newman sitzt oft auf der Steinbank vor ihrer Holzhütte die an
einem kleinen Weiher in Wake Forest liegt. Ihr Mann ist schon vor
über fünfzehn Jahren an einem Bootsunglück auf dem
Lake Norewin ertrunken. Seine Leiche hatte man nie gefunden. Seitdem
schloss sich Mrs. Newman immer mehr von der Gesellschaft aus und
pflegte eigentlich nur guten Kontakt mit dem Polizisten Peter Blueman
der sie alle paar Tage besuchte um nach dem Rechten zu sehen. Ihre
einzige Gesellschaft allerdings war immer ihr Hund Stappa.
Inzwischen
auch schon fünf Jahre alt. Er saß eines Tages vor ihrer
Haustüre. Seitdem geht er nicht mehr von ihrer Seite.
An
diesem Tag strich ein frischer Wind über den Weiher, hinab die
kahlen Hügel direkt in den Wald hinein.
Man
konnte das Rauschen der Bäume noch ziemlich tief in das Holz
hören.
Dieser
Tag, war überhaupt sehr merkwürdig. Der ganze Wald war
verhältnismäßig still, wenige Vögel flogen über
den See. Vereinzelt flatterten ein paar Krähen über das
Gemüsebeet hinter dem Haus von Mrs. Newman. Für einen
Sommertag war dieser Tag ein besonders milder schon fast frisch,
unangenehmer geworden. Mrs. Newman nahm ihren verdrehten
Wurzelholzstock den sie von ihrem Mann einmal geschenkt bekommen
hatte und ging ein paar Schritte um den Garten zu der Hofeinfahrt um
nach ihren Blumen zu sehen. Ihr Haus sieht aus wie ein altes
Forsthaus, wenig Garten und Grünflächen, da ringsum hohe
Tannen und Fichten das Sonnenlicht abfangen. Das Dach ist stark
vermoost, aber schaut trotzdem schön und einladend aus.
Als
Mrs. Newman sich umdrehte und wieder zu ihrer Haustüre gehen
wollte hörte sie ein Fahrzeug den Waldweg hochfahren. Es war
Peter Blueman. Blueman ist der Polizist und zuständig für
alles im Dorf. Früher als Mrs. Newman's Mann noch gelebt hat,
kam er jeden Samstagnachmittag um eine Schachpartie zu spielen und
sich um die politischen Themen der letzten Woche aufzuregen. Mrs.
Newmann genoss diese Tage immer, wenn ein wenig Gesellschaft im Haus
war. Doch seit ihr Mann gestorben ist, kommt Blueman alle zwei Tage
um nach dem Rechten zu sehen, außerdem bringt er ihr hin und
wieder den Einkauf mit und anschließend unterhalten sie sich
dann bei einer Tasse Tee über die Geschehnisse im Dorf. Blueman
genoss viel Vertrauen. Schon vor einigen Jahren bekam er den
Zweitschlüssel des Hauses, um im Notfall Mrs. Newman helfen zu
können.
In
der Gegenwart von Blueman fühlte sie sich wieder wie vor
fünfzehn Jahren. Doch jedes Mal wenn Blueman wieder das Haus
verließ, in das Auto stieg und den Waldweg zurückfuhr bis
er in der Dunkelheit des Waldes verschwand, fühlte sie sich
wieder alt, alleingelassen und konnte nur noch mit ihrem Hund Stappa
über die verwelkten Blumen in ihrem Garten, das Wetter und ihr
bereits von Schnecken besetztes Gemüsebeet reden.
Oft
saß sie nur in ihrem Haus auf dem durchgesessenen Wildleder
Sessel, sah sich ihre alten Fotoalben an und kramte in der
Vergangenheit. Sie hatte eine komplette Wand in ihrem Wohnzimmer nur
mit Büchern, Bildern und verschiedenen Gläsern stehen. Über
dem offenen Kamin hing ein riesen großer Elchkopf den ihr Mann
einmal beim Jagen im Wake Forest geschossen hatte.
Es
war bereits sechzehn Uhr und Mrs. Newman entschloss sich nun doch
noch ihren Früchtetee aufzubrühen. Sie stand auf und ging
müden Schrittes in die Küche. An der Decke hingen überall
Kräuter und verschiedene Pflanzen aus ihrem Garten. Teilweise
versucht sie Kräuter zu trocknen
um sie dann in Kissen und Beutel zu stopfen, die einen starken
Kräutergeruch im Haus verteilen.
Als
sie zu ihrer Tasse im obersten Schrank griff, hörte sie ein
Geräusch um ihr Küchenfenster. Es ertönte ein dumpfer
schlag, als ob etwas auf den Waldboden gefallen wäre. Da Stappa
aber ruhig in seinem Strohkorb unter der Holzbank neben der Küchentür
lag und keinen Ton von sich gab, schenkte sie dem Geräusch keine
weitere Aufmerksamkeit.
Sie
nahm einen Teebeutel, ließ ihn in das heiße Wasser in
ihrer Tasse fallen und ging zum Küchentisch.
Plötzlich
schreckte sie auf, als ein großer Schatten an ihrem Fenster
vorbei zog. Diesesmal sah sie es aber eindeutig. Es muss etwas Großes
gewesen sein. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter, bis in
die Knie spürte sie noch den Schreck. In ihrer gebeugten Haltung
über ihre Tasse sah sie aus dem Fenster. Nach kurzer Zeit packte
sie der Mut. Sie rannte zur Küchentür und griff hinter den
Schrank um ihre noch von ihrem Mann hinterlassene Schrotflinte
hervorzuholen. Anschließend lief sie zur Tür hinaus über
die Veranda in den Garten um nach dem Ungetüm zu sehen.
Aufmerksam schlich sie um das Haus herum mit gezückter Flinte
und schrie: „Wenn ich dich erwische, dann, dann... kannst du was
erleben, erleben kannst du dann was!“
Doch
das einzige was sie hörte war wieder nur der Wind, der noch
immer stark über den See hinein in den Wald wehte. Sie drehte
sich mit dem Rücken zur Eingangstür ihres Hauses und ging
in langsamen schritten mit gezückter Flinte rückwärts
die Verandatreppen hinein ins Haus.
Als
sie hintersich die Türe wieder verriegelte schüttelte sie
nur den Kopf und stellte ihre Flinte wieder hinter der Küchentüre
ab. „Jetzt ist es soweit, jetzt sehe ich schon Gespenster am
helllichten Tage“, sagte sie und schüttelte ganz ungläubig
den Kopf.
Als
es dann schönlangsam dunkel wurde, die Sonne hinter den Bäumen
nur noch ganz wenig hervorkam und es auf dem See schon orange-rötlich
schimmerte, entschied sie sich heute die Fensterläden zu
schließen.
Unwohl
war ihr nun doch. Als sie dann ringsum ihr Haus die Fensterläden
alle geschlossen hatte, wusste sie, dass sie sich nun wie in einer
Festung befand. So schnell konnte sie jetzt keiner überfallen
versuchte sie sich ständig einzureden. Eine ganze dreiviertel
Stunde ist vergangen bis die alte Frau ihre Fensterläden alle
geschlossen hatte und die Tür, durch die Stappa die ganze Zeit
hinaus in den Garten und wieder in das Haus flitzte, abgesperrt
hatte. Danach war sie erschöpft und wollte sich schon bald
bettfertig machen.
Zur
Sicherheit stellte sie ihr Telefon, welches normalerweise direkt
neben der Eingangstüre auf einem kleinen Tischchen stand diesmal
auf die geschwungene Holztreppe. Leider reichte das Kabel ihres
Apparates nicht bis ins Schlafzimmer im ersten Stock, aber zur Treppe
war es aus allen Winkeln ihres
Hauses gleich weit entfernt und dies schien ihr am sichersten zu
sein.
Sie
wusste nicht warum sie jetzt auf ihre Sicherheit so bedacht war.
Schließlich ist ihr noch nie etwas Schlimmes zugestoßen
und auch ist ihr seit dem Vorfall von heute Nachmittag nichts mehr
Ungewöhnliches passiert was sie beängstigen müsste.
Aber Mrs. Newman hatte irgendwie das Gefühl beobachtet zu
werden. Unwohl war ihr nun doch.
    So
ganz allein im Wald.

 
Nachdem
sie im Bad fertig war und das noch warme Badewasser aus der Wanne
gelassen hatte, hängte sie ihr feuchtes Handtuch noch über
die Galerie über dem Wohnzimmer. Es knackste und zischte unten
im Kamin, indem sie zuvor noch ein Feuer angeheizt hatte. Stappa, ihr
treuer Begleiter war bereits aus seinem Körbchen verschwunden.
„Wahrscheinlich hat er sich während dem Bad wieder hoch ins
Schlafzimmer unter das Bett gelegt wie jeden Abend“, dachte sie.
Einen Augenblick verbrachte Mrs. Newman noch gebeugt an dem Geländer
der Galerie bevor sie sich dann in Richtung Schlafzimmer langsam
umdrehte und müden Schrittes durch die Tür ging.
Als
sie ihr Bett aufgeschüttelt hatte und sich dann hineinlegte,
hörte sie noch den Wind leise über das Dach wehen. Sonst
mochte sie das Geräusch des Windes immer gerne, doch heute war
ihr das Geräusch fremd und unheimlich geworden.
Als
sie begann müde zu werden knipste sie ihre Nachtischlampe aus
und hielt ihre Hand noch kurz unter das Bett. Stappa schleckt jeden
Abend vor dem Einschlafen Mrs. Newman's Hand ab. So war sie sich
sicher, dass er bei ihr im Schlafzimmer war. Einmal hatte sie
vergessen ihre Hand vor dem Einschlafen unter das Bett zu halten,
doch Stappa sprang nach kurzer Zeit auf das Bett und beschwerte sich
laut, dass seine Gewohnheiten nicht eingehalten wurden. Doch auch
diesesmal schleckte die raue, feucht-warme Zunge über ihre Hand.
Nach
einer Weile wachte sie durch ein merkwürdiges Geräusch auf.
Sie wusste nicht wie lange sie schon geschlafen hatte. Es muss aber
etwas länger gewesen sein, da bereits der Mond durch ihr
Dachfenster schien.
Als
sie genauer hinhörte, hörte sie ein sehr leises: „Tropf...,
tropf..., tropf...“
Erst
versuchte sich Mrs. Newman umzudrehen und weiterzuschlafen, doch das
Geräusch brachte sie so aus der Ruhe, dass sie aufstand und im
dunklen ins Badezimmer schlich um nach dem Wasserhahn zu sehen.
Im
Bad angekommen schaltete sie das Licht neben der Tür an.
-
Stille! -
Sie
sah zum Wasserhahn in der Badewanne sowie am Waschbecken, doch kein
Tropfen drang aus dem Hahn. Auch sonst kam kein Geräusch aus dem
Badezimmer.
Also
ging sie wieder zurück zu ihrem warmen Bett und versuchte
weiterzuschlafen. Während sie an die Decke starrte und
überlegte, wurde ihre Hand ein erneutes Mal abgeschleckt und
Mrs. Newman knipste kurz darauf das Leselicht aus.
Das
Leselicht gerade ausgeknipst und wieder zur Seite gedreht hörte
sie nachdem es wieder stiller im Raum wurde irgendwo aus den dunklen
Zimmern ihres Hauses ein leises aber deutliches: „Tropf...,
tropf..., tropf...“
Schon
fast genervt und verärgert stand die alte Mrs. Newman
wieder im Bett und machte sich diesmal auf den Weg in die Küche
um dort nach dem Wasser zu sehen.
Knarrzend
über die alte Holztreppe hinunter ins Wohnzimmer bis in die
Küche. Doch je weiter sie zur Küche gelang, desto leiser
wurde das Geräusch. „Das muss von draußen kommen“,
zischte sie undeutlich.
Als
sie ein paar leise Schritte aus der Küche, in Richtung Haustüre
ging merkte Mrs. Newman, dass das Tropfen leise durch die Kellertür
drang.
Mit
großen Schritten, aber vom Alter gekennzeichnet, ging sie die
Kellertreppe hinunter. Als sie leise die Tür öffnete hörte
Mrs. Newman es klar und deutlich: TROPF . . ., . . .TROPF. . . , . .
. TROPF . . . !
Da
sie durch das Dunkel nur ein Einmachglas im Schrank schimmern sah
machte sie links von ihr das Licht in dem stock finsteren Kellerraum
an.
Schlagartig,
noch in dem selben Augenblick, sackte sie zu Boden und schrie vor
Schreck, Angst und Verzweiflung, als sie ihren treuen Wegbegleiter
Stappa, aufgeschlitzt an der Wäscheleine hängen sah, von
dem das Blut auf den kalten Steinboden in dessen Blutlache tropfte.
Im
Hintergrund an der weißen Wand stand ganz groß, mit
blutiger Schrift:
AUCH MÖRDER SCHLECKEN HÄNDE!
Ohne
nachzudenken, ging Mrs. Newman so schnell sie konnte mit tränenden
Augen und voller Wut die Kellertreppe hinauf und sah die offene
Haustüre, durch die der kalt-nasse Wind hineinwehte und der
Mörder das alte Forsthaus in Wake Forest gerade verlassen hatte.

 © by A. M. "Wood" alias Andreas Michel 2005.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.07.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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