Ab einem gewissen Alter muss man einfach Sex gehabt haben, die Gesellschaft bestimmt das und gibt einem den ungefähren Termin vor, bis wann es spätestens zu passieren hat, damit man auch weiterhin als normal durchgeht.
Ich werde morgen 30.
Ich blicke auf mein Leben, vor allem auf mein Liebesleben, zurück.
Habe ich überhaupt ein Liebesleben gehabt?
Zählt es als Liebesleben, wenn ich in jemanden verliebt war?
Oder zählt nur körperlicher Kontakt mit dem anderen oder auch gleichen Geschlecht?
Wenn, ja dann habe ich nie ein Liebesleben gehabt, obwohl es wohl auf gleichgeschlechtlicher Ebene möglich gewesen wäre. Da ich aber durch und durch heterosexuell bin, kann ich am eigen Geschlecht nichts erotisch Anziehendes finden. Es ist für mich also auch nie als Ersatz für den mangelnden, besser gesagt nie vorhandenen sexuellen Kontakt mit dem anderen Geschlecht in Frage gekommen. Auch Sex mit Prostituierten nicht…
In letzter Zeit hat auch das andere Geschlecht seine Anziehungskraft auf mich verloren. Die ewige Monotonie meines Gefühlslebens, nur geben ohne etwas zu bekommen, die ewig unerwiderte Liebe, hat mich abstumpfen lassen, mich beinahe geschlechtslos werden lassen. Beinahe nur deswegen, weil der letzte Funke vom Trieb nach Zuneigung und Geschlechtsverkehr, der jahrelang nur ungebraucht im Boden meines Herzen versickert ist, sich jetzt ins Gegenteil verwandelt hat.
Ich war nie ein aufdringlicher oder gewalttätiger Mensch, doch in meiner jetzigen Gefühls- und Lebenslage verspüre ich immer mehr Hass. Jahrelang habe ich es nur damit abgetan, dass ich eben ein jähzorniger Typ Mensch bin. Doch die unaufhörlichen Aggressionen wurden mit der Zeit zu einem Geschwür in meinem Kopf, das in der Folge mein Herz verhärten und meine Seele verdunkeln ließ.
Da liegen sie nun vor mir, in ihrer gefesselten Schönheit und versuchen sich strampelnd zu befreien. Immer wieder rufen sie um Hilfe, obwohl die Knebel nur erstickende Laute aus ihren Mündern zulassen. Keiner kann sie retten, ihr Anmut und ihre Lieblichkeit werden hier vor meinen Augen schwinden, dahinwelken, wie kleine schwache Blumen, die unter dem gestrengen Blick der allmächtigen Sonne zu Staub vertrocknen. Ich werde es genießen, sie schreiend und zappelnd sterben zu sehen.
Stunde um Stunde weicht. Jede Minute, die vergeht und den Mädchen ein wenig mehr an Lebenskraft raubt, gibt mir selbst immer mehr Genugtuung für mein unerfülltes Leben. Ich kann es richtig fühlen, wie ihre schwindende Energie auf mich übergeht und mich tröstet. Ich versuche jeden einzelnen Tropfen aufzusaugen, um endlich den bereits mein Leben lang andauernden Durst endgültig stillen zu können.
Immer weniger bewegen sich ihre Körper. Die Panik und die Angst sind gewichen, es herrscht Resignation. Sie haben sich aufgegeben und mir damit meine Übermacht bestätigt. Aufgesprungene Lippen, verkrustete Augen und knochige Leiber verleihen meiner Person ein neues strahlendes Aussehen. Ich bin der Herr über die Zeit, verfüge nach Gutdünken über Leben und Tod.
Als sich die Augen aller geschlossen haben, ihre Häupter zur Seite gesunken sind und sich ihre Brustkörbe nicht mehr zum Atmen heben, in diesen Augenblick, in diesem einmaligen und siegreichen Moment, bin ich Herrscher über alles und jeden. Durch meine Venen wird nur mehr reine Kraft gepumpt. Ich stehe auf hebe meine Hände triumphierenden gen Himmel um den Götter zu trotzen.
Scheinbar eine Ewigkeit später ist der schönste Augenblick meines Lebens vorbei. Ich hebe meine rechte Hand an meinen Kopf und schieße ein Loch durch. Die Welt verschwimmt in Zeitlupe vor meinen Augen, mein Körper erschlafft und mein Geist macht sich auf den Weg in die Welt des Unergründlichen, hoffentlich aber des Schönen und Perfekten…