(Kolumne aus dem Buch "Frauenbilder - Ein Portrait" von Gabriele
Ritter)
Ist es nicht doch immer wieder so, dass man (oder doch eher:
Frau) sich oft, oftmals, immer öfter die Frage stellt: Und dieser Mann ist
nun dein Schicksal, dein Lebensgefährte, bis dass der Tod euch scheidet.
Kommen diese Gedanken nicht gerade besonders dann an die vorderste
Front unserer Sinne, wenn er unrasiert neben uns auf dem Sofa rumgammelt;
einzig und allein die Fernsehbedienung liebkosend?! Obwohl: Das ist auch gar
nicht weiter schlimm, denn seine Liebkosungen sind uns eigentlich auch gar
nicht mehr so recht willkommen.
Müde lächelnd, schauen wir darüber
hinweg, wenn er doch mal in einer wahnwitzigen Attacke seine Hand auf unser
Knie klatscht und freudig feststellt: "Schatz, Bayer Leverkusen schafft das
heute noch. Pass mal auf!" "Hmh, sicher", sagen wir und ziehen unser Knie
langsam wieder unter seiner Hand weg.
Doch über wie viel wollen wir
noch hinweg schauen?
Wollen wir weiterhin darüber hinweg schauen, dass
er sein Bäuchlein statt mit Situps fortan mit einem Bierchen nach dem
nächsten "trainiert"?
Und überhaupt: Wie oft wollen wir ihm
eigentlich noch seine Socken hinterher tragen; seine Barthaare aus dem
Waschbecken entfernen und uns noch sein Foto anschauen, um nicht zu
vergessen, wie er aussieht, weil seine Mitarbeiter ihn öfter zu Gesicht
bekommen als wir und die Kinder? Und wollen wir das Foto nicht doch lieber
zerreißen, wenn wir wieder mal von seinen Affären Wind bekommen haben?!
Wie oft wollen wir uns noch die Frage stellen, warum er lieber sein
blödes Auto einseift als uns den Rücken zu massieren? Wie lange wollen wir
noch seine furchtbaren Macho-Freunde anlächeln, obwohl wir sie im Grunde
unseres Herzens eigentlich zum Kotzen finden? Wie viele Male wollen wir uns
eigentlich noch von ihm belügen lassen, und wie häufig wollen wir noch auf
unseren Orgasmus verzichten, nur weil er mal wieder zu früh gekommen ist?
Wollen wir weiterhin unsere Wochenendpläne durch seine Hobbypläne
torpedieren lassen und darüber hinaus noch ewig lange Verständnis für seine
Karrierepläne aufbringen? Frage: Wie oft hat er denn eigentlich schon mal
für uns Verständnis aufgebracht, oder uns gesagt, dass er es toll findet,
wie wir alles managen? Und wie viele Male überrascht er uns, um uns eine
Freude zu machen? Wie häufig läßt er uns spüren, dass wir sein Leben
zutiefst bereichert haben? Und wann nimmt er sich Zeit, um wirklich für uns
da zu sein, wenn wir ihn brauchen? Wie ernst nimmt er unsere Probleme, und
wie oft unterbuttert er unsere Sorgen?
Wenn Sie sich bisher nicht
angesprochen fühlten, gratuliere ich Ihnen herzlich zu Ihrem Prachtexemplar
von Mann.
Passen Sie bitte weiterhin gut auf ihn auf, denn auch hier
herrscht das allgemeingültige Gesetz aus der Wirtschaft: Angebot und
Nachfrage.
Alle Anderen und damit vermutlich der überwiegende Teil von
uns, möchten am liebsten die Flucht ergreifen.
Während der eine Teil
unserer Frauenclique noch beharrlich an der Beziehung festhält und auf
bessere Zeiten hofft, hat der andere Teil mittlerweile das Handtuch
geworfen. Nach dem Motto: "Das kann doch alles gewesen sein", haben wir uns
getrennt, um uns auf die Suche nach Mr. Right oder wahlweise auch Mister
Perfect zu machen.
Da sich bei den daheim geblieben Frauen nicht viel
ändern wird, halte ich es an dieser Stelle für interessanter über die
Aussteigerinnen zu schreiben:
"Yiieehaaa! Freiheit! Neugier!
Wissbegier!" Das ist wohl unser erster Adrenalinkick. Designerklamotten und
eine neue Einrichtung, in der nur wir uns wohl fühlen, und ganz gewiß nicht
unser Ex, könnte unser zweiter Adrenalinkick sein.
Genial: Ein
ganzer Kühlschrank nur für uns!
Viel Platz für Magermilchjoghurts, Sekt,
Lippenstifte, Angorapullis und sonstige tolle Dinge. Aber:
Kein Platz
für Bier. Sorry.
Fußball? Um Gottes Willen:
Abhauen. Es sei
denn, es handelt sich um eine VIP-Einladung direkt ins Stadion, wo wir
unseren Gedanken freien Lauf lassen können, wenn die sexy verschwitzten und
durchtrainierten Körper der Spieler zum greifen nah an uns vorüberziehen.
Uups: Plötzlich entdecken wir ja wieder so ein Gefühl, dass wir ja
schon längst verdrängt hatten. Die einen nennen es: Erotik. Die anderen:
Sex.
Wir schreien innerlich "Wahnsinn!", wenn ein Date dem nächsten
folgt, und uns immer mehr die Erinnerung bewusst wird: Was habe ich
eigentlich in all den Jahren vor meiner "sexuellen Revolution"
gemacht?
Ach ja, ich habe neben meinem Mann auf dem Sofa gesessen und
mir sein Fernsehprogramm angeschaut.
Egal: Fernsehen war gestern. Leben
ist heute. Und das tun wir auch: Wir drehen durch. Mit Leib und Seele, mit
Haut und Haaren und werden von unseren daheim gebliebenen Freundinnen um
unser freies Leben beneidet.
Am Anfang unseres neuen Lebens genießen wir
diesen wunderbaren Schwebezustand, doch irgendwann besinnen wir uns auf den
eigentlichen Sinn unserer Trennung: Wir wollten doch Mr. Right
finden.
Klar, kein Problem. Schließlich kennen wir mittlerweile viele
Männer. Doch bei ernster Betrachtung stellen wir fest: Ein Mr. Right war
noch nicht unter ihnen.
Patrick ist zu langweilig, Andreas zu
egoistisch. Michael ist gut im Bett, aber für Society-Anlässe nicht zu
gebrauchen. Mit Phillip hat man tolle Gespräche, aber der Sex: Also bitte.
Peter wäre eine Überlegung wert, aber Peter studiert noch mindestens drei
Jahre. Marcus hingegen ist beruflich etabliert, aber seine Haarpracht
stagniert.
Ergo: Alle unsere Männerbekanntschaften, zusammen in einer
Person, würden vielleicht einen Mr. Right ergeben, doch das geht ja leider
schlecht.
Mal gucken, was die Kontaktanzeigen hergeben. Natürlich
nur mal so aus Spaß, denn nötig haben wir das eigentlich nicht. Doch warum
lesen wir dann? Vermutlich deshalb, weil wir es doch nötig haben. Denn die
Fragen unserer daheim gebliebenen Freundinnen erdrücken uns zunehmend; und
so langsam finden wir auch keine Ausreden mehr, warum wir uns noch immer
nicht unseren Traummann geangelt haben.
"Heisser Kater sucht zarte
Schmusekatze", steht da. Wer braucht denn so was? Oder der hier: "Ich bin 26
und suche geile Frau, die mir was beibringen kann." Aha, schön mein Junge,
aber in der Hauptrolle "Erotiklehrerin" sehen wir uns nun gerade nicht.
Außerdem wollen wir keinen unerfahrenen Milchbubi. Wir wollen einen
Traummann.
Am besten schauen wir mal in den älteren Kategorien nach:
"Junger 37j sucht geilen Sex mit ihr oder Paar. Mache alles was Spass
macht!" Sorry, Babe, aber wer steht schon auf Wanderpokale?
Nächster
Versuch: "Welche Frau hat Lust, von mir verwöhnt zu werden und mich dafür zu
bestrafen?" Wie abtörnend. Nee, lass mal gut sein.
Na gut, einen
letzten Versuch wagen wir noch: "Ich bin 45 Jahre & gebunden und suche den
dauernden Seitensprung." Das ist ja gruselig. Das ist ja deprimierend. Das
kann doch nicht alles gewesen sein!
Versuch: "Suche ältere Frau ab
40, die weiß, was sie will - nämlich keine Beziehung." Wir geben es auf.
Das macht keinen Sinn. Hier werden wir Mr. Right niemals finden. Wir wollen
gerade die Zeitung zuschlagen, als uns doch noch eine ansprechende Anzeige
ins Auge fällt: "Netter Mann mit Haus & Garten sucht Lebensgefährtin." Na
also, geht doch. Geht nicht!
Denn nach einem Blinddate wissen wir:
Er sucht eine kostenlose Putzfrau, eine kostenlose Gärtnerin und einen
kostenlosen Hundesitter. Und damit steht fest: Er ist nicht das, was wir
suchen.
Frustriert liegen wir abends auf unserem Sofa und rufen
unsere daheim gebliebene Freundin an. Doch die hat keine Zeit. Ihr Mann hat
sie anläßlich des Jahrestags zum Essen eingeladen, und die beiden wollen
gleich einen schönen Abend miteinander verbringen. Na gut, dann rufen wir
eben morgen noch mal an.
Wir liegen immer noch auf unserem Sofa. Wir
starren an die Decke, und die Einsamkeit macht sich um uns herum breit. "Was
wohl unser Ex-Mann gerade macht?", denken wir. Ob er wohl gerade versucht,
sich sein Leibgericht zu kochen, was ihm aber bestimmt wieder anbrennen
wird?! Wenn wir ihn nicht anrufen, werden wir es wohl nie wissen. Aber
bereits zu diesem Zeitpunkt wissen wir: Er war kein schlechter Mann. Im
Grunde genommen war er sogar besser als all das, was wir nach ihm
kennengelernthaben. Letztlich wird uns bewusst: Wir wollen unseren Ex-Mann
zurück.
Wir wählen seine Nummer, es klingelt, und eine Frauenstimme
sagt: "Hallo?"
Oje, das ist schlimm. Aber es kommt noch schlimmer. Im
Hintergrund hören wir unseren Ex-Mann sagen: "Schatz, wer ist denn am
Telefon?"
Entsetzt legen wir auf. Na, der hat sich ja schnell getröstet.
Doch wenigstens haben wir jetzt eine neue Herausforderung, ein neues
Ziel: Wir suchen nicht mehr nach dem Traummann, sondern versuchen von nun an
die "Alptraumfrau" wieder loszuwerden.
Aber das ist eine andere
Geschichte.
Herzlichst
Ihre
Gabriele Ritter
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gabriele Ritter).
Der Beitrag wurde von Gabriele Ritter auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.07.2005.
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