Wenn ein nahestehender Mensch stirbt, hat man häufig ein Amputations- Gefühl, gerade so, als wäre ein Stück von sich selbst verlorengegangen oder abgetrennt worden.
Deshalb ist es wichtig, von dem Toten in angemessener Weise Abschied zu nehmen.
Zunächst ist es wichtig, den Toten zu
· sehen
· fühlen
· riechen
Diese Verhaltensmuster ist keinesfalls eine Erfindung unserer hochkultivierten Gesellschaft, sondern hat ihren Ursprung bereits in der Anthropologie, also in grauer Vorzeit des Menschen.
Oft hat man danach den Wunsch nach Abgeschiedenheit und Isolation. Dem sollte auch nachgegeben werden (evtl. sogar durch einige Tage Urlaub).
In einigen Kulturen ist es sogar vorgeschrieben, daß die Angehörigen des Toten sich für eine bestimmte Zeit von der Gesellschaft absondern. Die jüdische Tradition z.B. schreibt nach der Beisetzung eines Angehörigen eine Absonderungszeit von 7 Tagen vor. In anderen Kulturen gelten andere Zeiten.
Es darf nur nicht der Zeitpunkt übersehen werden, ins Leben zurückzukehren.
„Rein in die Isolation, aber auch wieder heraus"!
Meistens ist es dabei sehr hilfreich, die Todesstätte des Verstorbenen / Verunglückten zu besuchen. (auch dieses Verhalten stammt aus grauer Vorzeit) Kein Mensch braucht sich also deswegen zu schämen.
Wenn dieses nicht möglich ist, dann sollte wenigstens die Grabstätte aufgesucht werden, falls es eine gibt
Sollte auch dieses nicht möglich sein, (z.B. Seebestattung, Verschüttung, etc.) so sollte der Ort aufgesucht werden, der einen besonderen Bezug zu dem Toten hat. Dies kann z. B. sein Lieblingsort sein, die Stelle, wo er zum letzten mal gesehen wurde, oder eine offizielle Gedenkstätte.
Hilfreich ist auch, einen (oder mehrere) Abschiedsbriefe schreiben, um sich auch formell zu verabschieden. Dies ist besonders dann angebracht, wenn noch etwas offen ist, was nicht mehr ausdiskutiert oder geklärt werden konnte.
Die Zustellung solcher Briefe bleibt dem persönlichen Empfinden des Hinterbliebenen überlassen.
Sie können anschließend vernichtet, aber unter Umständen auch „zugestellt" werden.
Auch Wut oder Zorn sollte unbedingt zugelassen werden, auch wenn es auf den ersten Blick nicht für einen Trauernden angemessen erscheint.
(Wut und Zorn sind „heiße" Gefühle, welche die Kälte des Todes und der Trauer überwinden können).
Ferner sollten auch falsche Besitzansprüche unbedingt aufgegeben werden, seien diese nun persönlicher oder auch materieller Natur.
Auch wenn dieses möglicherweise sehr schwer ist.
Diese Ansprüche sind absurd und behindern uns nur bei der Verabschiedung des Toten.
Man sollte sich von dem Toten am besten dort verabschieden, wo er gelebt hat, z.B. in seiner Wohnung, in seinem Bett, auf seinem Stuhl, etc. Wenn irgendwie möglich, nicht in einer Leichenhalle, der Gerichtsmedizin, der Pathologie, etc., die keine natürlichen Umfelder des Toten darstellen.
Man sollte sich deshalb den Toten nicht „stehlen" lassen.
Der Tod ist Teil des Lebens!
Der Tote sollte nicht verdrängt, aufgebahrt und weggesperrt werden, damit kein unbekanntes Mysterium geschaffen wird.
Die alte ländliche Sitte der Totenwache z.B. hatte neben der Sorge um einen eventuellen Scheintod durchaus auch eine tiefere psychologische Bedeutung für die Hinterbliebenen, um sich den Raum und die Zeit zu geben, sich von dem Toten verabschieden zu können, bevor er weggebracht wird.
In dieser Zeit lernt man oft, zu begreifen, was der Tod ist, damit danach das Leben wieder intensiver gefühlt werden kann.
Leider ist diese alte Sitte in unserer „hochkultivierten" Gesellschaft beinahe ausgestorben.
Den Toten mit eigenen Augen zu sehen, ist ungemein wichtig, denn alles, was nicht gesehen wird, das wird vom Menschen später mit Phantasievorstellungen aufgefüllt, die zumeist in keinster Weise der Realität entsprechen.
Zu einem angemessenen Abschied von dem Toten gehört auch die Trauer, in welcher Form auch immer diese besteht. Es gibt dazu keine allgemeinverbindlichen Regeln.
Da die Trauer etwas sehr persönliches ist, wird sie auch von jedem Menschen auf seine ganz persönliche Art vollzogen. Es ist blanker Unsinn, einem allgemeinem oder gesellschaftlich anerkanntem Bild der Trauer entsprechen zu wollen.
Man sollte sich auch nicht dazu verleiten lassen, die Trauer eines anderen Menschen zu beurteilen. Sowohl die Dauer, als auch die Intensität ist individuell sehr verschieden.
Dieses beurteilen zu wollen, ist eine große Anmaßung und kann der Sache mit Sicherheit nicht gerecht werden.
Wichtig ist nur, daß die Trauer nicht unterdrückt wird, denn unterdrückte Trauer macht krank (z.B. Depressionen, Schlafstörungen, etc.)
Häufig wird der Fehler gemacht, Betroffene, - und im besonderen Kinder - von dem Toten fernzuhalten und damit vermeintlich zu „schonen". Dabei sind gerade Kinder die besten Trauerbegleiter, denn sie nehmen den Tod noch viel natürlicher und unkomplizierter auf als die meisten Erwachsenen.
Die Kindertrauer und auch die Geschwistertrauer sollte dabei auf keinen Fall übersehen werden und in die eigene Trauer mit einbezogen werden. Auch sie haben ein natürliches Anrecht darauf.
Wenn es gelungen ist, sich von dem Toten zu verabschieden, sollte auch der Trauerprozeß abgeschlossen und nicht konserviert werden. Es sollte auf keinen Fall - vermeintlich dem Toten zuliebe - ein „Museum" geschaffen werden. (z.B. Gegenstände, Bilder, ja manchmal ganze „Altäre")
In einem Museum ist alles tot. Der Weg zurück ins Leben wird dadurch nur unnötig erschwert, manchmal sogar gänzlich verhindert.
Wenn es nötig ist, sollte sogar ein Ortswechsel (Wohnung, Haus, Wohnort) in Erwägung gezogen werden.
Manchmal reicht jedoch bereits das Umstellen oder Auswechseln von Möbeln und Bildern aus, um einen neuen Beziehungsraum zu schaffen.
Wenn es sich bei dem Toten um den Lebenspartner gehandelt hat, kann es sehr hilfreich sein, wenn man nach der ganz individuellen Trauerzeit ihm seinen neuen Lebenspartner „vorstellt", sie gewissermaßen miteinander „bekanntmacht".
Wenn man so will, kann man sich dabei auch die „Erlaubnis" holen, sein weiteres Leben mit einem neuen Partner zu gestalten, ohne daß dabei der Tote in Vergessenheit geraten muß.
Dadurch kann erfolgreich verhindert werden, daß eine ungute Rivalität entsteht, die eine neue Beziehung nur unnötig belasten würde.
Auch kann dadurch klargestellt werden, daß es eine Zeit „davor" gab, und es eine Zeit „danach" gibt, ohne daß diese beiden Lebensepochen zueinander in Konkurrenz stehen, sondern daß sie in chronologischer Reihenfolge ablaufen.
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