Reinhard Schanzer

Ost- Erlebnisse eines Wessies

 Die ZT- Story

(erschienen unter dem Titel: „Die unendliche Geschichte")

 

Schon lange habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir neben meinen anderen Oldtimer - Traktoren auch mal einen Schönebeck Fortschritt ZT aus der ehemaligen DDR zuzulegen. Diese Dinger haben mich schon vor über 20 Jahren sehr beeindruckt, als ich sie zum erstenmal (noch in der damaligen DDR) gesehen habe. Außerdem könnte ich eh einen größeren Traktor mit Allradantrieb für Erdarbeiten (z.B. planieren) gut gebrauchen.
Nun ist es endlich soweit: Im Internet bei eBay habe ich so ein Monstrum gefunden. Es ist ein ZT 303 mit Allrad- Antrieb, sieht ziemlich heruntergekommen aus und steht in Unseburg bei Magdeburg (Kreis Aschersleben).
Laut Artikelbeschreibung sollte er jedoch technisch noch in Ordnung sein und vor kurzem noch im Ernteeinsatz gewesen sein. Außerdem ist es lt. Kfz- Brief ein Baujahr 1973 mit einem Austauschmotor des IFA W50 mit 125 PS, den es so nie gegeben hat. Eine Rarität also?
Originaltext: „KFL- Aufbau von 1972, hat 125 PS- Motor drin und fährt 42 km/h. Elektrik ist in einem guten Zustand, der ZT ist Top, gibt nix zu meckern, Bleche sind alle rostfrei. Angemeldet ist er auch noch".
Der Preis ist auch noch annehmbar und so schlage ich, bzw. meine Schwester „daddei62" nach kurzer Überlegung zu.
Mit der Abholung habe ich eine Spedition beauftragt, denn auf eigener Achse wage ich nicht, das Ding zu transportieren. Es sind immerhin ca. 550 km bis Magdeburg, das wären incl. Anreise mit dem Zug mindestens 3 bis 4 Tagesreisen. Und das in diesem Zustand!
Leider möchte der Typ keine Betriebsanleitung dafür herausrücken, obwohl er mehrere davon hat. Angeblich ist er selbst ZT- Fan.
Aber warum verkloppt er ihn dann??? Seltsam...

Im Internet suche ich nach Daten und Beschreibungen und werde nach kurzer Suche dort bei www.ddr-landmaschinen.de fündig. Diese Seite ist besonders gut und informativ aufgemacht und die ZT- Baureihe ist dort auch sehr ausführlich beschrieben. Sogar mit Typenliste nach Fahrgestelnummern. Man sieht sofort, daß es sich um einen glühenden Enthusiasten in Sachen ZT handeln muß. Nur schade, daß man die Bilder und technischen Zeichnungen nicht herunterladen kann.
Auf unsere Anfrage hin (bezügl. der unklaren FG- Nr. und des Baujahres des ZT) bekommen wir auch sofort eine nette und vor allem ausführliche Antwort.
Der Typ heißt Jan Welkerling, stammt eigentlich aus der ehemaligen DDR (Erzgebirge) und arbeitet mittlerweile als Lokführer in Nürnberg. Er macht auch einen sehr umgänglichen und netten Eindruck. Er erklärt mir auch, was KFL ist und warnt mich sogar noch vor dem Ankauf dieses ZT, den er anscheinend (ebenso wie den Verkäufer) persönlich kennt?
Es ist aber schon zu spät: Der Kaufpreis wurde schon online überwiesen und die Spedition mit der Abholung beauftragt.

Als ich den ZT zwei Tage später mit einer roten Nummer bei der Spedition abhole, steht bereits eine Menschentraube darum herum. Einige lachen herzhaft darüber, wer denn wohl so blöd sein kann, so einen Schrotthaufen zu kaufen und dazu sogar noch Geld für den Transport auszugeben. Bei anderen dagegen kann man nur ein schadenfrohes Grinsen erkennen.
Ich selbst bin ziemlich geschockt über den verwahrlosten Zustand des Traktors. Ganz so schlimm hatte er auf den Bildern dann doch nicht ausgesehen.
Ich hatte ja ganz sicher kein neuwertiges Fahrzeug erwartet, aber so einen Haufen Schrott nun auch wieder nicht. Die beiden Batterien sind kaputt, die ausgebaute Kardanwelle für den Frontantrieb liegt in der Fahrerkabine, die Oberlenker, die Zugstangen, die Unterlenker mit den Ketten und die Abdeckung der Kupplungsglocke fehlen vollständig.

Davon war aber in der Artikelbeschreibung nicht die Rede!!!
Anspringen tut er selbstverständlich auch nicht, auch nicht mit Starthilfe aus dem Auto.
Einer der Zuschauer hat bereits schon mal so ein Ungetüm näher gesehen und kennt sich wohl auch etwas aus damit.
Mit einer zweiten schweren Starterbatterie und etwas Startpilot kriegen wir den Motor nach längerem Orgeln sogar zum Laufen. Er dröhnt, qualmt, stinkt und raucht fürchterlich.
Die Einspritzpumpe tropft inzwischen an mehreren Stellen, bis sich auf dem Boden eine größere Pfütze Diesel gebildet hat. Der Motor läuft sehr instabil und nur auf höherer Drehzahl.
Ich nutze die Gelegenheit, mich ganz schnell aus dem Staub zu machen und wage es auch nicht, den Motor ausgehen zu lassen oder gar abzuwürgen. Ich wüßte auch nicht, wie ich das Monster wieder zum Laufen kriegen sollte. Ich schwitze ganz schön, obwohl es heute nicht heiß ist.

Die 3 km bis zu mir nach Hause läuft er so leidlich, stinkend und mit größerem Dieselverlust, aber immerhin. Die Schaltung ist gar nicht so schlimm, wie ich erwartet hätte, aber die Kupplung ist zumindest sehr gewöhnungsbedürftig. Außerdem zieht der Motor nicht richtig. Von den angegebenen 125 PS hat dieser Motor höchstens noch ca. 50 bis 60!
Der letzte Ernteeinsatz liegt wahrscheinlich bereits weit über 10 Jahre zurück? Seltsamerweise hat er aber vor kurzem noch eine nagelneue Lichtmaschine erhalten???

Zuhause angekommen baue ich erst mal die Batterien aus, um sie zu füllen und zu laden. Vielleicht kann man sie ja doch noch retten?
Weit gefehlt: Sie sind beide nicht nur leer, sondern mausetot!
Anschließend wasche ich den Traktor erst mal 2Tage lang mit dem Dampfstrahler, um den gröbsten Dreck zu entfernen.

Am ersten Tag glaube ich schon, die Welt geht unter. Vor meiner Werkstatt liegt bereits fast eine Tonne bester Ackerboden aus den neuen Bundesländern, durchsetzt mit Fett- und Ölklumpen.
Das hat mir gerade noch gefehlt!
Ich wollte eigentlich mit dem Traktor mehrere hundert Kubikmeter Auffüllmaterial einebnen und planieren, hatte aber nicht im Traum daran gedacht, dieses Material gleich mitgeliefert zu bekommen. Toll!
Es zeigt sich so nach und nach, daß noch mehrere Sachen nicht funktionieren, z.B. das Lastschalt- Getriebe, bzw. die Unterlaststufe und die Luftunterstützung der Kupplung. Auch die elektromagnetische Lüfterkupplung, die Sperre der Vorderachse mit Anzeige, die Flammstart- Anlage, das Thermostat und diverse andere Sachen wie einfach durchgezwickte Kabel und schadhafte Leuchten.
Die kurze Überlegung, gleich den Schrotthändler anzurufen, verwerfe ich jedoch wieder. Immerhin hat er mittlerweise auch richtig Geld gekostet.

Am zweiten Tag lichtet sich der Schmutz bereits etwas und darunter kommt mehr und mehr interessante Technik zum Vorschein: Sehr einfach, schwer und plump aufgebaut, aber auch sehr reparaturfreundlich und gut zugänglich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Zwar nicht unbedingt der letzte Schrei der Technik, aber immerhin eine sehr robuste und solide Bauart und für diese Zeit (1967) bereits erstaunlich fortschrittlich.
Aha! Deshalb also der Name „Fortschritt"?

Je mehr Teile und Aggregate ich unter der zentimeterdicken Dreckkruste hervorschäle, um so mehr gefällt er mir. Alle Abdeckungen, Platten, die Batterien und den Sitz habe ich bereits ausgebaut, um besser an die einzelnen Aggregate heranzukommen.
Er hat beim Umbau auch bereits die vollhydraulische Lenkung der späteren Baujahre erhalten. Der Motor ist eine Lizenzfertigung von MAN und wurde auch im IFA- Lkw W50 verbaut. Der Traktor hat bereits eine Ölzentrifuge, Getriebebremse, 2 riesige Bremsbänder an der Hinterachse mit Planetengetriebe und sogar ein Lastschaltgetriebe, bzw. eine Unterlast- Stufe.
Das Getriebe selbst ist ein Riesen- Klotz und sieht aus, als wenn es aus einer Planierraupe stammen würde. Die Schmierung des Getriebes erfolgt zwangsweise mit einer separaten Pumpe.
Für den abgebauten Frontlader sind noch die Hydraulikleitungen und ein weiterer Steuerkreis vorhanden.
Auch ein Zapfwellenantrieb mit 2 Geschwindigkeiten ist vorhanden. Die Vorderachse glaube ich ebenfalls schon mal bei einem alten MAN Lkw aus den späten 50ern oder den frühen 60ern gesehen zu haben?
Öl im Motor und im Kompressor ist fast nicht vorhanden, das Getriebe ist innen trocken wie die Wüste Sahara. Dafür befindet sich im Luftkessel ca. 20 Liter Wasser/ Öl- Gemisch.
Und so ist der noch gelaufen??? Erstaunlich!

Am nächsten Tag kommt vom Verkäufer eine eMail. Er meint, ich sehe ja, daß der ZT nichts Dramatisches hat. Nur ein bißchen Lack...
Aber anbei der Originaltext: (wörtlich übernommen)
Hallo,
Ja nun ist der ZT gut angekommen???Dann sehen sie ja das der ZT nichts Dramatisches an sich hat!!!!Ausser Farbe aber das wussten sie ja.Ja wie gesagt da mit den Batterien habe ich mich vermacht wusste nun nicht das wir noch welche da haben.Und Einsprietzpumpe ist nur ein Klaks .Kardanwelle ist ja nun schon geklärt worden warum die abkam!!!!
Da sie nun denken der ZT stammt von 6 Jahre früher dann müssen sie den Herr Welkerling Fragen was KFL ist der iwrd ihnen das Erklären und dann wissen sie auch warum der nen Rahmen vom ZT 300 hat.
Sollte nun noch interesse sein an einer Bedienanweisung bitte bescheid sagen habe nun eine für sie Organisiert für 25 € plus Versand.
So Grüße aus Unseburg Stephan

Sollten teile gebraucht werden mal anfragen habe fute Kontakte. Zu meinen ZT Freunden

Ich bin ganz schön sauer über diese dumm - freche Masche und schreibe eine gepfefferte Mail mit den gravierendsten Mängeln zurück:
Nur ein bißchen Lack???
Ich höre wohl nicht richtig? Wir haben das "Schmuckstück" gestern bei der Spedition abgeholt. Es sind bereits mehrere Leute darum herumgestanden und haben sich köstlich darüber amüsiert, wie jemand so blöd sein kann, so einen Haufen Schrott zu kaufen und dann sogar noch Geld für den Transport auszugeben.
Wir haben den Traktor mit 2 Batterien der Spedition zum Laufen gebracht und konnten sogar die 3 km bis zu uns nach Hause fahren, aber fragen Sie bitte nicht wie!
Aber nun zur Sache:
Die Batterien sind nicht nur leer, sondern beide mausetot.
Es fehlen sowohl die Unterteile der Hubstangen, als auch die Unterlenker und die Spannketten des Krafthebers, die Anhängerschiene, sowie die untere Abdeckplatte des Kupplungsgehäuses.
Beide Reifen auf der rechten Seite sind glatt.
Die Beleuchtung ist teilweise defekt.
Der Motor springt sehr schwer an, stinkt und raucht und hat keine Leistung!
Die Federkammer der Einspritzpumpe läuft voll Diesel, ferner hat die Einspritzpumpe an mehreren Stellen massiven Kraftstoffverlust.
Diverse andere Fehler wie z.B. die fehlende Luftunterstützung der Kupplung, kaputte Frostschutzpumpe und Thermostat, sowie nicht funktionsfähige Lastschaltstufe, Lüfterkupplung und Flammstartanlage sind auch vorhanden.
Es würde aber zu weit führen, dies alles hier aufzuzählen.
Von dem äußerst verwahrlosten Zustand möchte ich erst gar nicht sprechen, denn diesen konnte man ja bereits auf den Bildern z.T. erkennen.
Ich habe ganz sicher keinen gepflegten und neuwertigen Traktor erwartet und ein gewisses Risiko geht man bei einem Kauf über das Internet immer ein, da man die Ware in den meisten Fällen wegen der Entfernung nicht vorher besichtigen kann.
Von einer defekten Einspritzpumpe aber war in der Artikelbeschreibung keine Rede, ebenfalls nicht von kaputten Batterien und fehlenden Ober- und Unterlenkern!
Auch die Reifen wurden bei Anfrage als "noch gut" beschrieben.
Die falsche Angabe des tatsächlichen Baujahres ist mir eigentlich egal, aber es wäre fair gewesen, auch darauf hinzuweisen (auch wenn wir Wessies nicht wissen, was KFL ist).
Bitte lesen Sie noch einmal Ihre Artikelbeschreibung aufmerksam durch!
Unter „fahrbereit mit Elektrik in gutem Zustand, sowie Top, gibt nix zu meckern" versteht man im allgemeinen etwas völlig anderes, als was da angekommen ist. Finden Sie nicht auch?
Wir hatten Ihnen bereits mitgeteilt, daß wir den Traktor für Erdarbeiten mit der Heckschaufel benötigen würden.
Dieses ist durch die fehlenden Teile aber leider überhaupt nicht möglich.
Haben Sie einen konstruktiven Lösungsvorschlag für dieses Problem?
(evtl. Nachlieferung der fehlenden Teile?)
An einer Betriebsanleitung für 25,- Euro besteht kein Interesse mehr, die habe ich bereits gratis aus dem Internet.
Übrigens: Die Fahrzeugpapiere sind ebenfalls noch nicht eingetroffen.
Bitte um Rückantwort.

Jetzt bin ich aber gespannt, wie der Typ darauf reagiert.

1 Tag später:
Der Typ hat schon reagiert. Hier wieder der Originaltext:
„Ja hallo also nun ist es aber Elektrik wurde erst gemacht also bei uns war das O.k.So dann was für ein Deckel der ZT hatte sowas nie nur von der Fabrik aus.Die Ackerteile sind wenn sie den Bildern gefolgt sind dann wa dort zu sehen das die nicht dran sind so und gefragt vor Auktionsende haben sie auch nicht.einsprietzpumpe wenn die Defenkt währe würde der ZT nicht anspringen.Sowohl mein Vater als auch ich haben den ZT bis 42 km/h gebracht und das der nun nix leistet glaube ich nicht.Ja nun das die Einsprietzpumpe leckt ist uch nicht war ihr bruder hätte nur gesehen das die Dichtubg gemacht werden soll.Rausnehmen ausbrennen und wieder rein wo ist da das problem.So reifen ist eben mal so das wir die Reifen nehmen müssen die wir haben und wenn eben einer kaputt geht mit den jahren dann kommt eben ein anderer dran und das war der.Ja batterien das da welche drin sind ist ja nun ne andere Sache wir haben nur Traktoren gekauft wo keine drin sind.also und habe gesagt das wir die doch noch stehen haben.Die Arme kann ich besorgen lassen für 300€ Ja und bilder sagen alles.Licht wie gesagt ist o.k. ja wir können damit leben wir arbeiten Jahrelang mit dem teil nun soll er weg und andere haben nur dran zu mekkern der ist o.k. sowas ist doch nicht toll das dann noh sachen kommen.Von unserer sache der ZT lief letztes Jahr noch in der Ernte als Frontlader Tüv hatt er auch immer bekommen nur nach der Ernte haben wir uns bessere Technik gekauft und den ZT verkauft.nun also Farbe drauf sieht er toll aus so und Flügen können sie mit dem ZT auch.
Mfg Stephan

Und in einer weiteren Mail heißt es:
Hallo ja nun was sie da noc geschildert haben ist sehr übertrieben ich weiß was ich angeboten habe im Entefekt ist der ZT Fahrbereit sie haben ihn nach Hause gefahren(mit den gängen müssen sie sich sicher erst einfuchsen)So wie die Bilder waren so ist der ZT auch also fällt weg das es Unterarme usw dazu gab.ja und das dort bei der Spedition Leute standen die sich über den ZT lustig gemaht haben da sag ich nichts zu!!!!!!????!!!!!!!!.Würde sie nur noch bitten eine Bewertung zu schreiben.Und gut ist habe für diese sache keine nerven mehr nur noch stress hier also bleibt das .Und wenn sie dem ZT halt fehler Zudichten das sie den von sich aus als umbrauchbar beschreiben dann ist es traurig wirklich.
MfG S.*****
P.S. wir haben auch schon Traktoren aussem Westen (Bayern) gekauft die sahen noch schlimmer aus und die wahren richtig teuer .

Ich bin tief beeindruckt über die Ausdruckskraft und vor allem die etwas eigenwillige Rechtschreibung von Herrn Stephan *****. Es war also gar keine dumm - freche Masche, sondern völlig authentisch?
Wo mag er nur zur Schule gegangen sein, und vor allem: wie lange??
Alle (blöden?) Vorurteile, die es im Westen über die Ossies gibt, wurden hiermit auf eindrucksvolle Weise treffend bestätigt.
Eine Ausnahmeerscheinung??? Wahrscheinlich, denn ich habe genügend andere Ossies kennengelernt, die überwiegend ganz normal, umgänglich und nett sind.
Naja, egal, jedenfalls bin ich mittlerweile schon richtig angefressen über diese Sache und ich schreibe ich ihm folgendes zurück:
Mit kaputten Leuchten und abgezwickten Kabeln ist eine Elektrik eben nicht Okay!
Wo leben Sie denn, wenn Sie so etwas behaupten? In Afrika???
Die Teile für den Kraftheber fehlen ebenfalls.
Ich habe schon gesehen, daß sie nicht montiert waren, als das Foto gemacht wurde, aber das heißt noch lange nicht, daß sie vollständig fehlen dürfen.
Und dann noch 300,- Euro zu verlangen für Teile, die eigentlich zum Traktor gehören finde ich eine Frechheit!
"Flügen?" (pflügen) möchte ich damit sicher nicht, sondern Erdreich planieren.
Mit fehlenden Zugstangen und Unterlenkern dürfte aber beides ziemlich unmöglich sein?
Die Einspritzpumpe saut an mehreren Stellen, so daß man eine breite Spur Diesel hinter sich herzieht, aber das wußten Sie auch vorher!
Er springt sehr schwer an, raucht und stinkt und hat kaum Leistung, aber auch das war Ihnen sicher bekannt.
Die Macken, die der Traktor alle hat, reichen schon von alleine. Da braucht man wirklich nichts mehr dazumachen.
Beschrieben wurde der Schrott jedenfalls völlig anders. Es war auch nicht die Rede davon, daß der Traktor gar nicht komplett ist, sondern bereits wesentliche Teile fehlen.
Wie haben Sie denn die 42 km/h gemessen? Etwa mit dem defekten Traktormeter und einer fehlenden Tachowelle? (beides Tatsachen)
Die kaputten Reifen nimmt kein TÜV auf der ganzen Welt mehr ab, nicht einmal im Osten!
Ebenfalls hat ein angeblich fahrbereiter Traktor auch Batterien, mit denen man den Traktor auch starten kann. Oder ist das im Osten ebenfalls anders?
Kurz und gut: Ich für mein Teil möchte dafür lieber gar keine Bewertung bei eBay abgeben, wenn Sie das ebenso halten.
Wenn Sie aber unbedingt eine Bewertung dafür haben möchten, so kann diese nur negativ ausfallen.
Für so einen Schrotthaufen noch eine positive Bewertung abzugeben, wäre ja wirklich blanker Hohn!
Ich habe jedenfalls mein Lehrgeld damit bezahlt und wünsche Ihnen weiterhin noch viel Erfolg bei Ihren betrügerischen Geschäften!
Übrigens: Die Fahrzeugpapiere habe ich trotz Mahnung bis heute noch immer nicht erhalten.
Wenn Sie diese auch noch unterschlagen wollen, dann gibt es aber ein dickes gerichtliches Nachspiel, das kann ich Ihnen jetzt schon versprechen. Das wird bestimmt nicht billig und bringt richtigen Streß mit sich. Dagegen wird das, was Sie jetzt als Streß verspüren, bestenfalls ein lauwarmes Lüftchen sein. Mittlerweile habe ich nämlich die Nase gestrichen voll von solchen betrügerischen Machenschaften.
Das Geschäft kam übrigens nicht mit Herrn *****, sondern mit Ihnen zustande, ebenfalls wurde der Kaufpreis auf Ihr Konto überwiesen!
In seiner letzten Mail wollte er nämlich plötzlich nichts mehr damit zu tun haben und alle weiteren Anfragen auf Herrn Ingolf ***** (seinen Vater?) verlegen. Aber daraus wird nichts.

Mittlerweile habe ich bereits den dritten Tag nur mit der Reinigung des Traktors verbracht und er ist noch immer nicht wirklich sauber, so daß man mit dem Lackieren, bzw. dem Grundieren beginnen könnte. Ausgebeult und geschweißt müßte auch noch einiges werden.
Ich habe mir auch bereits vorgestellt, wie er einmal werden sollte: Rahmen, Motor und Getriebe hellgrau wie im Original, die Blechteile und Verkleidungen dagegen in einem satten Grün. (RAL 6005?) Die Kabine dagegen möchte ich innen und außen in Weiß halten, ebenfalls die Lüftungsgitter und die Felgen. Das Ganze vielleicht noch mit einem schnittigen Dekor, ebenfalls in Grün und Weiß?
Vorher aber muß er erst mal von der technischen Seite her soweit instandgesetzt werden, daß alles wieder so funktioniert, wie es eigentlich sein sollte. Arbeiten sollte man damit ja schließlich auch können.
Nach getaner Arbeit aber sollte er sein Gnadenbrot erhalten. Sprich: Er sollte noch ein paarmal im Jahr auf diversen Traktortreffen in unserer Region durch seine imposante Erscheinung und seine eigenwillige Technik das staunende Publikum faszinieren. Die meisten Leute im Westen haben ja noch nie so ein Monstrum in Natura gesehen.
Gut aussehen sollte er dazu natürlich auch, damit man sich nicht zu schämen braucht damit. Ich fürchte jedoch, das wird bei diesem Zustand des Traktors wohl zu einer größeren Reparatur- Orgie ausarten?

Jan Welkerling hat sich auch wieder gemeldet. Er teilt uns mit, daß Herr Stephan ***** erst 15 Jahre alt ist. Nun ist auch das Rätsel um seine etwas eigenwillige Rechtschreibung und Ausdrucksweise gelöst.

Es sind einige Tage vergangen und ich habe mich inzwischen mit dem Vater des Verkäufers - also mit dem Eigentümer des Traktors, Herrn ***** - telefonisch darauf geeinigt, daß er mir zwei gebrauchte Reifen und die fehlenden Teile der Hydraulik kostenfrei nachliefern läßt. Er macht auch einen völlig anderen Eindruck als sein mißratener Balg. Man kann sich mit ihm völlig normal und kultiviert unterhalten. Somit scheint hier der Apfel ziemlich weit vom Stamm gekullert zu sein.

Mehrere Tage verbracht mit Abschleifen, Grundieren und Lackieren. Ich habe mich für die Kombination grün / weiß entschieden. (RAL6011 / RAL9001) Mehrere offensichtliche Mängel wurden bei der Gelegenheit auch gleich mit behoben.
Das Öl von der Einspritzpumpe und dem Regler wollte ich auch ablassen und erneuern.

Wie bitte??? ÖL ??? Hahahahaha!

Alles was ich ablassen konnte, war Dieselkraftstoff, der sich hier eigentlich gar nicht befinden dürfte, wenn beim Kundendienst wirklich Öl aufgefüllt worden wäre.
KUNDENDIENST ! Schon wieder so ein böses Wort für einen Bürger der Ex - DDR!
Böse Zungen behaupten ja, ein ZT würde beim Abstellen ungefähr so klingen, als würde eine Fuhre Schott abgekippt.
Dieser ZT aber hat dieses Geräusch seltsamerweise nicht.
Mir schwant Schlimmes: Aus Erfahrung mit alten MAN- Lkw´s aus den späten 50ern und frühen 60ern weiß ich, daß dieses Geräusch beim Abstellen des Motors von der nachlaufenden Ölzentrifuge verursacht wird. Will heißen, daß bei diesem ZT die Zentrifuge weder nach- noch überhaupt läuft.

Im Übrigen ist es völlig egal, wo man hinfaßt: Man hat immer irgendetwas in der Hand, was kaputt ist oder nur dürftig zusammengepfuscht wurde. Man könnte dieses Spiel sogar mit verbundenen Augen erfolgreich spielen.
Beispielsweise, als ich zufällig das dicke Batteriekabel am Anlasser beiseite drücken wollte, löste sich sofort die Öse, die eigentlich angepreßt sein müßte. Sie wurde nur notdürftig mit Isolierband befestigt. Kontaktfehler sind natürlich die Folge.
Oder: Da gerade keine passende Batterieklemme zur Hand war, hat man einfach den Pluspol der Batterie soweit abgefeilt, bis eine Minus- Klemme paßte. Natürlich ohne die dazugehörige Klemmschraube.
Eine Polabdeckung war ebenfalls nicht vorhanden, also Kurzschluß beim Betreten der Abdeckplatte!
Auch sämtliche anderen elektrischen Kontakte und Verschraubungen z.B. am Batterieumschalter und an den Hauptsicherungen waren lose und mußten erst befestigt werden. In Verbindung mit einer undichten Kraftstoffanlage, einer fehlenden Kupplungsabdeckung und losen Kabeln ist das ein idealer Brandbeschleuniger bei der Heu- und Strohernte.
Kein Wunder also, daß im Osten des öfteren die Traktoren (und die Felder) brennen.

Es ist Unglaublich: Lieber wird etwas mehrmals völlig dilettantisch zusammengepfuscht, als einmal anständig repariert. Es wurde damit nichts gespart, sondern im Gegenteil mehr Schaden verursacht.
Ein ganzes Volk von Pfuschern! Ob das in der DDR System hatte?
Traurig genug, wenn ein Wessie, der von dieser Technik eigentlich sehr wenig weiß, nun dies alles reparieren muß, was die ostdeutschen „Fachleute" alles vermurkst haben. Wenn es umgekehrt wäre, so würde ich mich dafür in Grund und Boden schämen und sofort meinen Beruf an den Nagel hängen.
Zum zweitenmal in meinem Leben schäme ich mich dafür, einen deutschen Paß zu besitzen...

Ich frage mich auch allen Ernstes, was ostdeutsche Entwickler und Konstrukteure über 30 Jahre lang gemacht haben?
Trabbi´s und Wartburg sind ja nicht gerade ein leuchtendes Beispiel deutscher Ingenieurskunst, oder?
Wenn man mit Ossies ins Gespräch kommt und dabei die mangelhafte Technik anspricht, so kommt als Standardsatz fast immer: „Jaaa, unsere Ingenieure waren ja gezwungen, noch aus Scheiße Schokolade herzustellen".
Das ist natürlich blanker Unsinn, denn letztendlich ist ihnen auch das in 40 Jahren nie gelungen und gute Schokolade kommt eben immer noch aus der Schweiz.

Der ehemalige Besitzer des Traktors, Herr ***** hat mir mitgeteilt, daß der „Kosename" seines ZT „Toddi" war, aber ich habe beschlossen, ihn lieber „Traktor Chrutschow" zu nennen. Dabei denke ich an meinen ehemaligen tschechischen Aushilfs- Mechaniker Vaclav, der immer so tolle Story´s erzählen konnte. U.a. auch von einem Traktor Chrutschow aus der UdSSR, der eine so sagenhafte Laufruhe hatte, daß ihm beim Ackern die Plomben aus den Zähnen gefallen sind.
Bis heute weiß ich aber nicht genau, ob das nun an dem besagten Wunderwerk aus der UdSSR, oder an seinem tschechischen Zahnarzt gelegen hat?

So nach und nach kommen immer mehr Sachen zum Vorschein, die eigentlich nur durch eine bodenlose Schlamperei entstehen konnten.
Meine Vermutung mit der Ölzentrifuge hat sich bestätigt, als ich etwas später das Ölsieb und die Zentrifuge gereinigt habe: Es war so viel festgebackener Ölschlamm in der Zentrifuge, daß sich diese keinen Millimeter mehr bewegen konnte. Die Filterwirkung der Zentrifuge war somit völlig ausgefallen. Deshalb also auch kein Geräusch beim Abstellen des Motors!
Das Ding zu zerlegen, reinigen und wieder zusammenzubauen ist ja wirklich keine Hexerei, aber anscheinend waren sie sogar dazu entweder zu blöd oder zu faul? Alles, was man dazu braucht, ist ein neuer O- Ring und eine neue Papierdichtung, die man notfalls sogar selber machen könnte.

Die fehlenden Teile des Krafthebers sind inzwischen auch angekommen. Eine der Gewindespindeln ist völlig kaputt, die andere ziemlich ausgelutscht, die dazugehörigen Bolzen fehlen ganz. Dafür ist aber eine Ackerschiene mit einem verbogenen Aufnahmebolzen dabei. Die beiden Reifen sollten später nachgeliefert werden.
Naja, ich bin schon froh, daß ich wenigstens das noch bekommen habe. Die Gewindespindeln kann man evtl. reparieren und die Bolzen selber machen. Auf die Reifenaber warte ich noch heute.

Die Lackierarbeiten sind mittlerweile auch weitgehendst abgeschlossen und er macht zumindest optisch wieder einen guten Eindruck. Ein neues Typenschild habe ich auch schon. Das Traktormeter, die beiden Batterien und die Einspritzdüsen habe ich erneuert, Glysantin aufgefüllt und diverse Kleinigkeiten auch instandgesetzt, aber die undichte Einspritzpumpe macht mir noch Sorgen.
Eine angeblich „generalüberholte", die ich von einem anderen Ost- Mitbürger bei eBay ersteigert hatte, habe ich wieder zurückgeschickt, da sich diese in einem noch weit schlimmeren Zustand befand als die eingebaute.
Wie ich schon sagte: „Ein ganzes Land voller Pfuscher..."


Fortsetzung folgt...

 

Anmerkung: Aus Datenschutzgründen wurden die Realnamen der betreffenden Personen wurden durch Platzhalter (*****) unkenntlich gemacht.

Diese Geschichte hat ausnahmsweise mit Satire überhaupt nichts zu tun, sondern ist völlig Authentisch! (eimschließlich der Rechtschreibfehler)
Sollte sich ein Mitbürger aus den neuen Bundesländern Z.O.N.E. (zwischen Oder, Neiße und Elbe) davon persönlich angesprochen fühlen, so bitte ich bereits im Voraus um mildernde Umstände!

Kommentare und Bewertungen sind natürlich zu jeder Zeit herzlich Willkommen!
Schließlich möchte man ja auch wissen, ob der Nerv wirklich getroffen wurde, nicht wahr?

Viele Grüße: Reinhard Schanzer
Reinhard Schanzer, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Reinhard Schanzer).
Der Beitrag wurde von Reinhard Schanzer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Reinhard Schanzer

  Reinhard Schanzer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Kopfkissenliteratur von Gabi Mast



Alltagssatire, Glossen, skurrile Geschichten, mal ein Gedicht, Liebe oder Krimi – und nach 3-4 Seiten dürfen Sie getrost einschlafen. Meist mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen…Es sei denn, Sie haben noch Lust auf eine zweite Story.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (4)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wahre Geschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Reinhard Schanzer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Keiner mag mich! von Reinhard Schanzer (Gedanken)
Auf den Spuren meines Vaters von Anna Steinacher (Wahre Geschichten)
Pilgertour XII. von Rüdiger Nazar (Abenteuer)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen