Daniel Lehmann

Die Nummer 2

Die Nummer 2

Auf unseren kleinen Bettchen standen unsere Nachnamen, Braun und Schulz, wir lagen direkt nebeneinander im Marienhospital, unsere Mütter sagten, dass wir beide wie Engel ausgesehen haben.
 
Sie lernten sich damals auf der Entbindungsstation kennen, wir beide haben davon aber anfänglich selbst nicht viel mitbekommen, erst als wir älter wurden und meine Mutter von meinem Vater verlassen wurde, erst da sahen wir uns wieder und wurden später beste Freunde.
 
Ich kann mich noch gut an unsere ersten Annäherungsversuche erinnern, wie ich schüchtern am Rockzipfel meiner Mutter hing und mir euer prachtvolles Haus ansah, riesig war es, sogar ein Pool im Keller besaßt ihr und du warst voll locker, hast mir auf den Oberarm gehauen und gesagt: „Ich bin der Frank, willst du mein Zimmer sehen? Ich habe da eine irre große Ritterburg!“ Ich weiß nicht warum, aber das hat mir imponiert wie du das gesagt hast, in einem so entspannten Ton das es mir zum ersten Mal leicht viel, mich von meiner Mutter zu lösen.
 Nachdem du mir all deine Spielsachen gezeigt hattest, spielten wir noch den ganzen Tag zusammen und wir stritten uns nicht ein einziges Mal, zwischen uns war so eine unsichtbare Kette die uns verband.
 Dass wir am gleichen Tag Geburtstag haben erzählten uns unsere Mütter noch am selben Abend, wir konnten es gar nicht fassen, dass wir nicht nur im gleichen Alter sondern auch noch am selben Tag geboren waren.
 Unsere Mütter erzählten uns, das Du ganze sieben Minuten früher als ich geboren wurdest. Du schlüpftest direkt in die Rolle des Älteren und wolltest in allem der Erste sein.
 Mit der Zeit nervte es mich in allem die Nummer 2 zu sein. 

Selbst bei Konfrontationen mit anderen Kindern, die uns ärgerten wolltest du stehts den Vortritt und ehrlich gesagt war das der einzige Vorteil die Nummer 2 zu sein.
 Das eine mal hast du allerdings übelst auf die Mütze bekommen, ich muss zugeben, der Junge war auch mindestens einen halben Kopf größer als du und für ein Kind schon von recht stämmiger Statur.
 Eigentlich wollte er mich verprügeln, aber du bist mal wieder für mich in die Bresche gesprungen, hast gezeigt wie viel dir unsere Freundschaft bedeutet. Du hast bei der Prügelei einen Milchzahn verloren, weil dieses Kind dich mit der Faust geschlagen hat, kein Schwitzkasten, schubsen oder Wurf, nein, er schlug dir mit seiner Faust mitten in dein Gesicht.
 Als du da so hilflos am Boden lagst, musste ich zum ersten mal in meinem Leben eingreifen, ich war plötzlich auf mich allein gestellt, hatte die Chance bekommen aus dem Schatten der Nummer 1 herauszutreten, also rannte ich mit lautem Getöse auf dieses riesige Kind zu; ich sah damals im Fernsehen eine Kindersendung in der über Notwehr geredet wurde, dieser Meister des Karate sagte, man könne einen psychologischen Effekt bei seinem Gegner erzielen wenn man beim Angriff laut brüllt.
 Bei diesem Fiesling, der meinem besten Freund den ersten Milchzahn ausgeschlagen hatte, wirkte das allerdings überhaupt nicht, so das ich mir das Geschrei für spätere derartige Begegnungen schnell wieder abgewöhnte.
 Dieser Koloss lachte mich aus, ich jedoch rannte weiter mit lautem Getöse auf ihn zu und als er den ernst seiner Lage begriff, hörte er schließlich auf mit seinem Gelächter und haute er auch mir eine rein. Ich verlor keinen Zahn, stattdessen zeichnete sich ein blaues Auge aus diesem Kampf in meinem Gesicht ab.
 Wir lernten damals, dass die Guten nicht immer gewinnen, aber unsere Wunden trugen wir zu jener Zeit nicht ohne einen gewissen Stolz. Ich zeigte jedem anderen Kind gerne meine Wunden, stolzierte wie ein Gockel um die Mädchen herum und erzählte von dem irren Kampf den wir boten.
 Unsere Gegner; es wurden für unsere Geschichte vier an der Zahl, sahen noch viel schlimmer aus bezeugten wir.
 Wir ließen uns feiern, aalten uns im Ruhm.
 Ich erfreute mich endlich mal ein bisschen aus deinem Schatten treten zu können, doch das währte nicht lange, denn du trafst es mit deiner Zahnlücke mal wieder besser wie ich, denn die Mädchen standen auf dein neu gewonnenes Lächeln.
 
Ich konnte erzählen so viel ich wollte, sie sahen zu jenem Zeitpunkt nur dich an, du warst mal wieder der Star, ich gönnte es dir, denn immerhin hatte ich meinen ersten kleinen Sieg errungen und zum ersten mal beweisen können, dass ich auch alleine klar kommen könnte.
 
Du bekamst damals deinen ersten Kuss, ich musste noch ganze drei Jahre warten es dir gleich zu tun, Jenny hieß sie, ich zog ihr in unserer ersten Begegnung in der großen Pause auf dem Schulhof den Rock hoch, als sie gerade beim Seilspringen war.
 
Sie hatte lange blonde Haare war zierlich und hatte das süßeste Lächeln der ganzen Schule, sie verfolgte mich nach diesem Streich, aber sie kriegte mich nicht.
 
Doch hatte ich ihre Aufmerksamkeit gewonnen, wir lächelten uns ab jenem Zeitpunkt immer wieder zu, wir nutzen jeden Moment der uns gegeben war, um unsere ersten Flirtversuche zu üben.
 
Jedes mal wenn wir in Zweierreihen darauf warteten, dass die Klassenlehrer uns in die Klassenzimmer führten, waren wir untrennbar voneinander, wurden wie magisch angezogen von unseren Blicken.
 
Es dauerte auch nicht lange und wir jagten uns in jeder Pause; wenn man von einer ersten, zwischen den Geschlechtern festen Beziehung sprechen kann, dann war, das wohl, abgesehen von meiner Mutter, die erste, die ich hatte.
 
Ganze drei Jahre nach deinem ersten Kuss, passierte es schließlich auch mir.
 
Jenny jagte mich mal wieder, nachdem ich sie ärgerte, sie trieb mich in die Eingangstür zur Sporthalle, in der für mich keine Fluchtmöglichkeit mehr existierte und dann passierte es, sie küsste mich auf die Wange.
 
Ich war zu diesem Zeitpunkt wohl der glücklichste Junge der ganzen Schule, immerhin hat mich das süßeste Mädchen das ich kannte, geküsst.
 
Du warst glaube ich, damals ein wenig eifersüchtig, denn wir hatten nach der Schule unseren ersten richtigen Streit. Wir kündigten unsere Freundschaft für mindestens eine Stunde.
 
Dann lachten wir über uns und schworen uns nicht mehr wegen einem Mädchen zu streiten, es gab nicht viel was mir in diesem Moment wichtiger war wie unsere Freundschaft.
 
Ich denke, auch du hattest zu jener Zeit dieses Gefühl, das wir uns brauchten, denn noch am selben Abend besiegelten wir unsere Freundschaft mit Blut.
 
Eine Nähnadel piekten wir uns in unsere Zeigefinger und drückten einen Tropfen Blut heraus um anschließend einen Schwur mit einer Berührung in der unser Blut zu einer Flüssigkeit vermischte, zu besiegeln.
 
Wir waren nun Brüder, untrennbar voneinander, wie Zwillinge waren wir ja schon am selben Tag geboren und nun waren wir richtige Brüder, verbunden durch viel mehr als dieses innere Band, das uns schon vorher aneinander fesselte.
 

Die Jahre vergingen und unsere Freundschaft wuchs mit uns, doch dann kam eine erneute Bewährungsprobe für Dich und mich.
 
Die Pupertät.
 
Sie ergriff erst Besitz von dir, wie konnte es auch anders sein. Ich gewöhnte mich so langsam daran in allem was uns beide betraf die Nummer 2 zu sein, aber es nagte trotzdem noch immer an mir, wie eine üble Angewohnheit die man einfach nicht ablegen kann.
 
Dir sprießen die ersten Stoppeln, Flaum nannten es unsere Mütter, was es zwar irgendwie verniedlichte, jedoch dessen ungeachtet nicht leichter für mich machte.
 
Meine liebe zu Gott wuchs zu jener Zeit, denn ich betete seit jenem Flaum von Dir jede Nacht um einen eben solchen, dabei verlor ich Dich ein wenig aus den Augen, denn du lerntest Alexandra kennen.
 
Ständig hörte ich: „Alexandra komm mal her!“ „Alexandra hast du das gesehen!“ Alexandra, Alexandra, Alexandra immer wieder fiel dieser Name und das ganze zwei Wochen lang.
 
Dann machte Alexandra Schluss, wahrscheinlich konnte sie ihren eigenen Namen schon selbst nicht mehr hören.
 
 
Es dauerte ganze drei Wochen bis du über Sie hinweg warst, zu jener Zeit fingst du auch an, dir Schnulzen von deutschen Schlagersängern anzuhören. Liebeskummer nannte es meine Mutter.
 
Ich fand es grausam, der Name Alexandra war mir da, fast schon wieder lieber.
 
Doch auch mich ergriff später der erste Liebesschmerz und da Du ja schon Erfahrungen damit hattest, gabst Du mir die besten Ratschläge.
 
Ich denke, ich habe nur durch dich, meinen ersten Liebeskummer in der hälfte der normalen Zeit durch stehen können.
  
Weißt Du noch als wir unser erstes Doppeldate hatten, ich fand es super, wir saßen beim  Italiener und bestellten uns Pizza, in der ganzen Gegend gab es keine bessere Magharita als bei Enzo.
 
Wir genossen es, endlich zur gleichen Zeit eine Freundin zu haben, wir kamen uns schon so erwachsen vor, wir bestellten uns das erste eigene Bier und genossen die Blicke der anderen Jugendlichen, die auch nicht älter waren als wir selbst und neidisch unsere Begleiterinnen angafften.
 
Lucy und Svenja hießen unsere Herzensdamen mit denen wir ganze zwei Monate unser Leben teilten, die beiden waren zuckersüß.
 
Ich erinnere mich allerdings noch gerne daran, wie ich bei Lucy meine ersten Versuche unternommen habe ihr unter den Pulli zu gehen.
 
Langsam und vorsichtig unternahm ich meinen ersten Versuch, mir wurde heiß und kalt zur selben Zeit doch als ich endlich am Ziel meiner Träume ankam, fragte sie: 
 „Und was hast du jetzt davon?“ und so hatte mein Selbstvertrauen damals einen ganz schönen Knacks bekommen.
 
Dir habe ich von diesem Spruch nie erzählt, ich wollte mir vor dir keine Blöße geben, immerhin ging es bei Dir und Svenja ja auch alles ohne solche Probleme.
 
Nach Svenja und Lucy sind wir immer gemeinsam auf Frauenfang gegangen, wir baggerten förmlich um die Wette, doch wie schon damals mit deiner Zahnlücke, hattest du mal wieder die besseren Chancen beim weiblichen Geschlecht und fuhrst öfters auch mal zweigleisig.
 
 Nachdem du deinen Autoführerschein machtest und deinen ersten Wagen von deinen Eltern bekamst, verloren wir uns eine zeitlang aus den Augen.
 
Du warst zu beschäftigt und erzähltest mir oft, du hast keine Zeit.
 
Ich litt seinerzeit, dachte unsere Freundschaft wäre nun zu Ende, doch als auch ich zirka ein Jahr später meinen Führerschein machte, war alles wieder beim alten und es war so als wenn unsere Freundschaft nie auf die Probe gestellt wurde.
 
Doch dann hast du geheiratet, Bettina hieß und zerstörte unsere Freundschaft, wir verloren und vollends aus den Augen, du zogst weg aus Dülmen nach Köln, der Job und deine Frau wollten es so.
 
Ich war nun auf mich allein gestellt, doch auch ich traf zu jener Zeit die Liebe meines Lebens im Cafe Huckemuck in dem wir oft zusammen rum hingen, lernte ich Daniela kennen.
 
Sie war schlichtweg einzigartig, traumhaft ihr Lächeln, wunderschön sah sie in diesem roten Kleid an diesem ersten Abend aus an dem ich sie für mich entdeckte.
 
Daniela zog mich aus dem tiefen Loch in das du mich gestoßen hast.
 
Ich liebte sie, ich vergaß dich, sie war nun meine beste Freundin und wir erzählten uns von nun an alles.
 Drei Jahre später schenkte mir Daniela eine Tochter, ich wurde der beneidenswerteste Mensch auf Erden. An dich dachte ich  überhaupt nicht mehr, ich war nun Vater.
 
Die nächste Zeit verbrachte ich viele Stunden am Tag mit meiner Frau und meiner Kleinen, Cathy tauften wir sie, jede freie Minute die ich hatte, nutzten wir gemeinsam.
 
Wir gingen viel spazieren, gingen in Freizeitparks, unternahmen ausgiebige Fahrradtouren, besuchten andere Eltern die wir im Kindergarten kennen lernten und sahen unserer Cathy beim spielen zu.
 
Das machten wir sowieso fast die ganze Zeit, wir sahen unserer Tochter beim spielen zu und zeigten ihr dabei die Welt.
 
Als Cathy fünf wurde, bekam Daniela Brustkrebs, wir suchten die besten Ärzte auf, die fanden sich allerdings nicht hier in Dülmen, also zogen wir in die nächstliegende große Stadt mit einem guten Krankenhaus.
 
Wir zogen nach Köln, in die Stadt in die du damals abgehauen bist.
 
Daniela konfrontierte mich zu jener Zeit immer wieder mit ihrem Tod, ich musste ihr versprechen, das wenn sie mal nicht mehr da ist, ich ihren Körper verbrennen lasse und ihre Asche über den Ozean verstreue.
 
Zu dieser Zeit hatte ich oft Angst sie zu verlieren, ich machte mir Gedanken über ein Leben ohne sie, dieses Gefühl der Einsamkeit und Leere, die ich empfand machte mich fast selbst krank.
 
Meine Frau hingegen war stark, natürlich wollte auch sie alt werden und Cathy beim erwachsen werden beobachten, aber sie glaubte an Gott und erzählte mir dann immer das sie uns von oben beobachten würde, wenn sie den Kampf gegen den Krebs nicht überlebe.
 
„Ich werde immer bei dir sein!“ sagte sie dann immer zu mir.
 
Ihr Kampf, unser Kampf, dauerte drei Jahre, dann erlag meine Frau Daniela der Krankheit, Cathy wurde gerade acht und brauchte mich zu jener Zeit mehr denn je.
 
Ich versuchte ihr weiterhin ein guter Vater zu sein, verkroch mich allerdings
abends wenn sie schlief hinter dem Alkohol um Ablenkung von Danielas Tod zu finden.
 
Ein endlos tiefes Loch hatte mich nun endgültig gefangen und ließ mich nicht mehr los, meine Möglichkeiten aus diesem Dunkel herauszukommen schrumpften immer mehr auf ein Minimum.
 
Ich besuchte immer öfters Kneipen, war
Nachts nicht mehr für meine Tochter da, verlor sie fast durch das Jugendamt, da mich die Nachbarn anschwärzten.
 
Sie sagten, ich kümmere mich nicht um meinen kleinen Schatz und das obwohl sie doch das einzige war, was mir auf dieser Welt noch etwas bedeutete.
 
Ich musste mich zusammen reißen, was mir eine Zeit auch ganz gut gelang, aber die Sucht zum Alkohol wurde immer stärker und machte alles nur noch schlimmer.
 
Als Cathy sich langsam von mir abwandte musste eine Lösung her, ich nahm meine ganze Kraft zusammen und ging zu den anonymen Alkoholikern, dort traf ich dich wieder.
 
Du warst alt geworden, hattest inzwischen drei Ehen hinter dir und ebenfalls ein Alkoholproblem.
 
Außerdem war deine Mutter gestorben, die einzige Frau die dir je wichtig war und deine Ex-Frauen verweigerten dir obendrein den Kontakt zu deinen Kindern. Gründe satt, der Sucht Alkohol zu verfallen.
 
Wir saßen direkt nebeneinander als ich aufstehen musste und mein Problem eingestehen sollte:
 
„Ich bin Alkoholiker!“ sprach ich entschlossen und du sahst mich mit weit aufgerissenen Augen an und fragtest:
 
„Ben, bist du das?“
 
Nummer 2, war der erste Gedanke, der deinen Worten durch den Kopf schossen.
 
Als dieses erste ungute Gefühl verschwand, war ich froh dich wieder zu sehen, denn nach dieser Versammlung von Ex-Trunkbolden, die sich gegenseitig Besserung gelobten, gingen wir noch in ein Cafe und erzählten uns alles was in den vergangenen Jahren passiert war.
 
Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich redete über all meine Probleme mit dir, als wärst du nie weg gewesen und unsere Freundschaft festigte sich schon wieder in nur diesem einem Gespräch.
 
Wir machten uns gegenseitig Mut, versuchten uns Kraft zu geben um den Kampf gegen den Alkohol zu gewinnen und ich muss sagen in dieser Unterhaltung, die wir beide hatten, habe ich kein einziges Mal an den teuflischen Fusel gedacht.
 
Ich war einfach nur noch froh dich wieder zu sehen.
 
Wir trafen uns seit jenem Tag wieder öfter, immerhin wohnten wir ja nun erneut in derselben Stadt, ich nahm Cathy so oft es ging mit und versuchte ihr wieder ein guter Vater zu sein.
 
Den Satz „Papa, ich hab dich lieb!“ hörte ich wieder öfter, er gab mir Kraft, die Lebenskraft die ich schon früher hätte haben können, aber erst jetzt sah ich wieder Perspektiven in meinem Leben.
 
Du hast mich wachgerüttelt und mir die Augen für meine Tochter geöffnet, dafür danke ich dir.
 
Als Cathy dreizehn wurde bekam ich die Asche meiner Frau aus dem Krematorium, endlich konnte ich ihren Wunsch erfüllen und ihre Überreste verstreuen.
 
Im Krematorium erzählte man mir allerdings, dass man die Asche nicht einfach so verstreuen darf, also informierte ich mich und bekam den Tipp von Dir sie in den Niederlanden über dem Wasser zu verstreuen, da es dort wohl erlaubt sein sollte.
 
Ich fuhr mit Cathy nach Amsterdam um meiner Frau den letzten Wunsch zu erfüllen, wir stellten uns auf eine der vielen Brücken und nahmen Abschied von Daniela, der Frau und Mutter die wir liebten.
 
Cathy erzählte mir später, dass sie in diesem Augenblick wirklich loslassen konnte, sie dachte an ihre Mama und sah sie in ihren Gedanken als wenn sie noch ein letztes Mal vor ihr stehen würde. Sie hatte ihr weißes Nachthemd an, dass sie immer zum schlafen trug und ihre Haare tanzten mit der leichten Brise die vom Westen herkam,  erzählte sie mir, dann ging sie sich mit einem Lächeln und einer verabschiedenen Geste von ihr um anschließend über dem glitzernden Wasserspiegel hinweg zu schweben.
 
Ich fand diese Vorstellung schön, denn sie gab mir das Gefühl das Daniela mich wirklich von oben beobachtete und immer bei mir sein wird.
 
Als Cathy später Bernd heiratete warst du auch eingeladen, inzwischen warst du ja auch schon ein Teil unserer Familie geworden, du gehörtest dazu.
 
Wir feierten sehr lange, es war richtig schön, du erzähltest mir an diesem Tag, dass du der glücklichste Mensch auf Erden bist und dass meine Tochter dir wie eine eigenes Kind ans Herz gewachsen ist.
 
Du bedanktest dich bei mir, dass ich dich in meine Familie aufgenommen habe, schließlich durftest du ja deine eigenen Kinder nie sehen, aber in diesen Moment, vergaßest du all das, du warst einfach nur noch glücklich, erzähltest du mir.
 
Ich sah in diesem Moment zum ersten Mal deinen entspannten Gesichtsausdruck wieder, der mich als Kind schon so beeindruckte, dann gingst du und kamst nie wieder.
 
Ein Autounfall ließ dich aus dem Leben scheiden, im Polizeibericht stand, du hattest Alkohol getrunken, ich habe es auf der Hochzeit nicht bemerkt und machte mir deswegen lange Zeit Vorwürfe.
 
Jetzt im Nachhinein denke ich, du hast dich erst später betrunken, nach der eigentlichen Feier.
 
Ich weiß nicht warum du rückfällig geworden bist, aber eigentlich ist das nun auch nicht mehr wichtig, es ist lange vorbei.
 
Ich bin noch oft traurig, wenn ich wie jetzt an deinem Grabstein stehe, denke oft an dich, meinen besten Freund den ich im Leben hatte, die Nummer Eins.
 
Mein Leben war erfüllt, ich bin alt geworden wie du siehst, ich erlebte auch ohne dich noch viel in meinem Leben, sah wie meine Enkel groß wurden, ging auf Reisen und sah viel von der Welt, aber das weißt du ja sicher.
 
Daniela und Du, ihr hattet immer ein Auge auf mich, ihr habt mein ganzes Leben auf mich aufgepasst und wenn ich in Momenten wie diesem nach oben schaue und bemerke wie sich die dichte Wolkendecke an einer kleinen Stelle löst und ein Lichtstrahl hervor lugt und Teile meiner Umgebung hell erleuchtet, bin ich mir sicher das ihr immer bei mir sein werdet.
 
Weißt du noch unsere Mütter erzählten uns damals, wir sahen aus wie zwei Engel, noch liegt Braun nicht wieder neben Schulz, aber wenn es so weit ist, wirst du mich wahrscheinlich am Himmelstor empfangen und mir wie damals als wir uns kennen lernten auf den Oberarm hauen und mir alles zeigen wollen, da bin ich mir sicher.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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