Jessica Fischer

Lenas Ferien

Ach, ist es nicht herrlich, wenn man Ferien hat und einfach nichts tun muss? Spät aufstehen, Frühstück um zwölf (frühestens), sich bis zum Abend mit aufwachen Zeit lassen und dann eventuell irgendwo mit Freunden hingehen, um frühs um vier langsam ins Bett zu wackeln. Ja, Ferien sind schon was Schönes.
 
Wäre da nicht die Realität. Zum Beispiel meine Mutter, die morgens um sieben fröhlich-munter ins Zimmer reingestürmt kommt und ruft: „So ein schöner Morgen! Und die Sonne! Lena, das musst du dir ansehen!“. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, meine Augen zu öffnen, sondern lasse nur ein leises Knurren hören. „Aber Lena! Du kannst doch nicht jeden Tag bis Abends schlafen! Lena!!!“ Ich heb schwerfällig den Arm, zeige auf die Tür und sage verschlafen: „Raus.“ Jetzt hab ich es wieder geschafft: sie rastet aus. „Lena, nicht in diesem Ton! Was erlaubst du dir eigentlich…!“ Blablabla.
 
Bis heute verstehe ich nicht, warum alle Weiber so schnell ausrasten müssen. Macht man mal einen Fehler, sofort: „Lena!“ Mein Gott, ich wollte doch nur schlafen. Frau kann doch nicht erwarten, dass ich alles von den Augen ablese. Ich weis, ich höre mich an wie ein Kerl, bin aber rein biologisch weiblich. Sicher, ich denke genauso, wie jede andere Frau auch, allerdings muss ich ja deswegen nicht gleich wegen allem einen Aufstand machen. Wenn ich halt bis Mittag schlafe, ist das doch okay, wenigstens tue ich dann keinem weh mit meinem Unverständnis.
 
Meistens ist es so, dass ich dann sowieso nicht mehr einschlafen kann, wenn meine Mutter einmal in meinem Zimmer war. Also kullere ich einfach nur so in meinem Bett rum. Aber selbst das ist zu viel verlangt. Ich wohne im Neubau und über mir ein Weib in meinem Alter. Ich mach es kurz: Sie ist dumm, relativ attraktiv und leicht zu haben. Nur auf Party aus. Und lange schlafen tut die auch nicht. Während ich also versuche, nichts zu tun geschweige denn zu denken höre ich über mir: „Hump, hump, hump. Push me, and than just touch me, so I can get my satisfaction” Jeden Morgen von um acht bis um zwei immer nur “Satisfaction”. Ich hab echt keinen Bock mehr. Also tue ich das einzig logische: ich greif neben mein Bett, angele den Besen den ich extra dafür bereitgelegt habe, und schlag damit gegen die Decke. Nix. „SCHNAUZE!!“, brülle ich also. „Oh Entschuldigung!“ kommt es von oben zurück. Die Musik wird leiser gestellt, nur um eine halbe Stunde wieder voll aufgedreht zu werden. Und warum erzähle ich das alles? Um Ihnen, lieber Leser, klar zu machen, wie ein stinknormaler Ferienmorgen bei mir aussieht. Und jetzt versuchen Sie mal, komplett gut gelaunt aus dem Bett zu springen und irgendwas Sinnvolles anzufangen. Nix da. Nada. Niente.
 
 Nachdem ich nun also wieder einmal ein weiteres Stückchen Styropor-Platte von der Decke gehauen hatte, schlurfte ich aus dem Bett und in die Küche, einen Tee machen. Das Fenster ist offen und von draußen kommen diese kreischenden Kinderstimmen hoch. Ich ignoriere die Kopfschmerzen und beweg mich langsam mit meinem Tee wieder Richtung Zimmer. Dort angekommen, erst mal hinlegen und nachdenken, was man denn heut so schönes mit sich anfangen will: hmm…ja...doch so viel. Also greif ich mir ein Buch und fange an zu lesen, nur um mir bewusst zu werden, dass ich zwar zwei Absätze weiter, dafür aber nicht ein Wort davon aufgenommen hatte. Fazit: doch nicht lesen. Hmm….was dann? Irgendwann um zwei oder um drei findet man mich dann vor dem Computer, wie ich im Internet irgendwelchen Mist angucke oder mich mit irgendwelchen Leuten unterhalte – quasi nix tue.
 
Und dann kommt wieder meine Mutter: „Bring mal den Müll runter!“ Och nee, nich wirklich, denke ich mir. Bis ganz runter und dann wieder ganz hoch in den dritten Stock. Dabei bin ich doch gerade so beschäftigt?! Schließlich habe ich Ferien! Aber irgendwie versteht meine Mutter das nicht so ganz. Also renn ich runter, wieder hoch. Dann noch das in den Keller bringen, das aus dem Auto holen, schnell was zur Oma in den Nachbareingang bringen, freundlich lächeln, wieder zurück… tolle Ferien.
 
Man müsste meinen, abends wäre Ruhe. Jaha, mütterlicherseits vielleicht, aber dann gibt’s ja noch die tollen Freunde mit ihren Kuppelversuchen. Meistens ruft mich Caro an: „Kommst du mit zur Bowlingbahn Billard spielen?“ Na klar, damit ich dir und deinen Freund beim Speichelaustausch zuschauen kann. Nene, nix da. Also ehrlich sein und „Nein“ sagen. Ich kann gar nicht glauben, dass so viele Menschen nicht „Nein“ sagen können, ich tu das immer. So als Hobby quasi. Caro ist im Endeffekt beleidigt, sie würde auch mitkommen, wenn ich sie frage. Ja, das war zweimal im letzten halben Jahr und sie ruft täglich an. Kaum ist sie abgewimmelt, kommt auch schon der nächste Anruf: Madlen. Sie ist zwar Single, aber trotzdem überzeugte Kupplerin. Außerdem sind die Kerle von ihr immer so sehr geblendet, dass ich quasi ihren Schatten spiele. Nee, nich so ganz meine Vorstellung von Spaß. Aber sie lässt sich nicht abwimmeln, also auf ins Getümmel.
 
Natürlich zur Bowlingbahn. Klar, wer noch da ist: Caro und Frank, ihr Freund. Schmatz, Schmus, Schmatz, Schmus. Und zwischendurch ein beleidigtes: „Na bist ja doch da!“ nachdem man mich nach einer halben Stunde auch mal mitbekommen hat. Ehrlich: egal wie tief mein Dekolletee auch ist, Madlen fällt mehr auf. Vermutlich weil sie blondierte Haare hat. So geht das dann den ganzen Abend. Hier und da noch ein dummer Witz von den Kerlen in der Clique, so was wie: „Na kleine Dicke?“ Dabei ist Madlen dicker als ich. Oder dann erfährt man so was wie „Dennis hat gesagt, du wärst auch ein ganz guter Tittenfick.“ Chauvinistisches Arschloch. Erst mich um Hilfe bitten, und dann so was. Als ob ich was für meine etwas größeren Brüste könnte. Klar, ich hab mal eben bei Gott angerufen und Bescheid gesagt. Echt, manche Typen denken nicht nach, wenn sie den Mund aufmachen.
 

So geht es dann bis kurz nach Mitternacht, da kommt man zu Hause an. Natürlich wurde man nicht auf dem Heimweg begleitet. Warum auch? Ich kann mich auch ganz gut alleine wehren. Man legt sich ins Bett, oben hört man jemanden brechen: natürlich Satisfactiongirl. Na wenigst höre ich sie dann mal diese Nacht nicht stöhnen. So geht dann ein weiterer toller Ferientag zu Ende. Yeah. Auf ein Neues, auf dass meine Mutter wieder frühs um sieben reinstürmt.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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