Sandra Berner

Neulich auf der Baby-Party

Wenn man als Kinderhasserin auf einer Welcome-Baby-Party eingeladen ist, kann das schon mal verheerende Folgen haben.
Ich für meinen Teil halte Kinder ja für etwas, was man sich wirklich sparen kann. Auf lautes Babygebrüll, Sabberei, sperrige Kinderwagen und Passanten, die ein „Gucki Gucki Ei-tei-tei“ in die Richtung des Sprösslings quieken, kann ich getrost verzichten. Auch auf typische Frauen (Mutter-)Gespräche, die sich um neueste Windelentwicklungen, Babybrei und Dinkelvollkornzwieback-Sonderangebote bei DM oder Schlecker drehen spornen mich nicht zur Kinderproduktion an.
Sehr glücklich verlasse ich jeden kindergeweihten Ort nach ein paar Stunden wieder, um mich seelenruhig und überaus zufrieden meinem sehr unkomplizierten und vergleichsweise anspruchslosen Hund zu widmen. Wie der Beagle da so liegt und schnarcht, manchmal von der wilden Jagd träumt und dabei womöglich ein Reh oder ein Wildschwein reißt, überkommen mich zärtlich Muttergefühle. Ich herze dann das Pelzgesicht, drücke ihm ein paar Küsse auf den Kopf, lächele über sein unwilliges Brummen, rümpfe die Nase ob des Mundgeruchs des liebenswerten Köters und erfreue mich an meiner und seiner Zuneigung, die wir füreinander empfinden. Niemals wird Emma, so der Name des Beagles, mit einem grün gefärbten Haarschopf und ein paar Sicherheitsnadeln im Ohr nach Hause kommen und die Anarchie predigen. Auch werde ich mir keine Sorgen um zu hohe Telefonrechnungen machen müssen, keine ungeliebten potentiellen Schwiegersöhne empfangen oder mir durch die Kinderzimmertüre das Geplärre von geistig minderbemittelten Boygroups anhören müssen. Schwangerschaftstest, die erste Periode, schlechte Schulnoten und jugendliche Aufmüpfigkeit werden mir erspart bleiben.
Nun sitze ich aber erstmal fest. Zwischen Miriam, kinderlos, 23 Jahre alt und ebenfalls kinderhassend und Dorothea, 32 Jahre alt, zukünftige Mutter und Schwester der Gastgeberin Kerstin, 29 Jahre alt, 35. Schwangerschaftswoche, Wasser in den Beinen und launisch. Außer Miriam und mir gibt es keine Kinderlosen auf der Party. Jeder hat oder erwartet zumindest eins der halslosen Wesen, das einen für den Rest des Lebens in die Verantwortung nimmt.
„Und, Sandra, wann ist´s denn bei Euch so weit?“ attackiert mich Jutta, 36 Jahre, zwei Kinder (Jonas, vier Jahre alt und Sofie, acht Jahre alt. Jonas war ein Unfall. Tropi (das heißt: trotz Pille)).
„Ach, eigentlich will ich gar keine Kinder“ gebe ich zurück.
Stille.
Alle Augen richten sich auf mich.
Irgendwo im Hintergrund fällt eine Kuchengabel aufs Parkett.
Zeitlupe.
Alle starren mich an. Verurteilen mich. Richten über mich. Sandra, die Kinderhasserin. Unmenschlich. Abschaum. Hilft nicht, die Wirtschaft anzukurbeln. Lässt die Erde sterben.
„Oh... Ach so... Naja, muss ja jeder selber wissen“ lächelt Jutta unsicher zurück und ich zucke merklich zusammen, als Jutta viel härter als nötig die Gabel in den wehrlosen Käsekuchen rammt.
„Aber ich habe einen sehr süßen Hund“ stammele ich, verzweifelt hoffend, dadurch Mildheit in den Muttertieren hervorzurufen.
Wieder Stille. Alle blicken mich an.
Lässt ihren Hund auf unsere Kinderspielplätze kacken.
Eine ihre Bestien wird sicher bald mein geliebtes und wertvolles, die Welt erhaltendes Kind fressen.
„Der ist aus einem Tierversuchslabor“ flüstere ich. Letzte Hoffnung, dadurch zu beweisen, was ich für ein guter, die Welt rettender Mensch bin. Auch ohne Kind.
„Mhm. Schön.“ sagt Jutta. „Ach Kerstin, der Kuchen ist wahrlich köstlich. Wer hat denn den zubereitet?“

Ich bin eine Aussätzige, ein Stück nutzloses Menschenfleisch. Werde mit meinem blöden Köter nicht die Welt retten. Erhalte nicht die Rentenkassen und werde in sechzig Jahren oder so ins Altersheim abgeschoben, wo mich keines meiner Kinder besuchen kommt. Habe ja keine Kinder.

Miriam und ich schweigen auf der Rückfahrt. Sie überlegt, ob sie Kinder will. Ich überlege, wo ich möglichst schnell einen Mann herbekomme, der mich die Welt rettende Kinder auf Mutter Erde setzen lässt.

Als ich nach Hause komme liegt Emma der Beagle auf dem Sofa vor dem Fernseher. Zu ihren Füßen, auf dem neuen Teppich, sitzt mein Freund und reibt sich die Augen.
„Schatz, machst Du mir ein Kind?“ Nie sah man einen Mann so schnell aufspringen. Emma, aufgeschreckt, steht hinter ihm und lugt schüchtern hinter seinem Knie hervor. Begutachtet mich und hofft, dass ich nicht durchgedreht bin.
„Wieso? Hatten wir nicht gesagt, wir wollen keine Kinder?“
„Aber dann gehör ich nicht zur Clique!“
„Zu welcher Clique?“
„Na DIE Clique! Du weißt schon: Diese Kind-mit-Pärchen-Clique. Geschwollene Beine, schlechte Laune, viel Hormone, nervendes Gebrüll, Nachts aufstehen, nie wieder Freiheit, viel Streit, dicker Bauch, noch dickerer Hintern, keinen Sex mehr, kein Urlaub, keine Freude, nur noch Freunde die auch Kinder haben, Babybecken im Freibad, Opel Astra Kombi, Ikea Kinderzimmer und so weiter.“
Mit weit aufgerissenen Augen sieht er mich an. Geht langsam ein paar Schritte rückwärts. Tastet nach… einer Beruhigungsspritze oder so.

Als ich am Abend versuche, meinen Freund ein bisschen auf Touren zu bringen, erklärt er mir, er habe irgendwie Kopfschmerzen und sei total müde. Das ist mal eine nette Alternative zu meiner Migräne. Für die Zukunft werde ich mir merken, dass ich wohl bei nächster vorkommender Unlust auf Sex das Thema Kind anschneiden sollte…

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Meine Gedanken bewegen sich frei von Andreas Arbesleitner



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