Debabrata Mukherjee

Nur die Robe allein macht doch keinen Mönch

Keiner der sieben Mönche ist als Mönch geboren. Ich versuche mal herauszufinden, was für einen Grund sie gehabt hatten, überhaupt Mönch zu werden. Wollten sie vielleicht in dieser Weise der Menschheit dienen? Warum brauchen sie aber dann eine bestimmte Religion. Man kann doch auch ohne Religion der Menschheit behilflich sein.
 
Und der Bauer wurde auch nicht als Bauer geboren. Aber der Bauer wurde trotzdem Bauer und blieb auch Bauer. Er wollte nicht der Menschheit dienen. Er wollte nur sich helfen und schuftete deshalb jahraus jahrein auf dem Acker.
 
Eines Tages kamen die sieben Mönche und der Bauer zusammen. Es war Gewitter. Es donnerte, es blitzte und es hagelte. Der Bauer wollte heute nach der harten Arbeit etwas früher nach Hause gehen.
 
Ausgerechnet heute müßte es sein, dass er zu spät nach Hause käme. Seine Frau war hochschwanger und das Kind könnte jederzeit da sein. Gut, dass die Hebamme seit heute früh bei seiner Frau war.
 
Sie suchten Schutz in einer verlassenen Hütte.
 
Der erste Mönch war sehr sauer auf das Wetter. Er murmelte etwas vor sich hin, was sehr schwer zu verstehen war.
 
Der zweite Mönch dachte an seine Vergangenheit.
 
Der dritte Mönch öffnete ein Buch und wollte darin lesen. Er merkte, dass er nun ein bißchen Licht braucht.
 
Der vierte Mönch betete und betete.
 
Der fünfte Mönch kroch in eine Ecke der Hütte. Seit seiner Kindheit hat dieser immer Angst vor Gewitter.
 
Der sechste  Mönch summte eine Melodie, die mit dem Gewitter nicht zu tun hatte.
 
Der siebte Mönch zündete sich eine Zigarette an, die stets ausging.
 
Der erste Mönch brach die Stille. Die Männer waren zu lange wort- und sprachlos. Er sagte, “Sicher befindet sich unter uns ein Sündiger. Ansonsten hätten wir kein Unwetter.”
 
Der siebte Mönch: “Wie kommst du darauf?”
 
Der sechste Mönch: “Wenn es so weiter geht, kommt bald wieder sie Sintflut.”
 
Der Bauer: “Der Regen tut mir gut, ich meine, für meinen Acker. Ich wünsche mir, dass der Regen nicht sehr lange hält, sonst verdirbt das Saatgut unter Wasser.”
 
Der fünfte Mönch: “Du, mit deinem blöden Acker! Wir haben andere Sorgen.”
 
Der vierte Mönch: “Und die wäre...?”
 
Der dritte Mönch: “Apropos Sünde... . Wenn einer unter uns der Sündige sein sollte, müssen wir dringend etwas unternehmen, damit der Gott nun nur denjenigen bestraft, der gesündigt hat, und nicht uns alle auf einmal.”
 
Der zweite Mönch: “Und wie ist es festzustellen, wer unter uns der Sündige ist?”
 
Der dritte Mönch: “Das ist doch gar kein Problem. Wir können so vorgehen. Jeder von uns aus der Hütte hinausgehen bis zu dem Mandelbaum und hält sich dort mindestens fünf Minuten auf. Nicht alle auf einmal, sondern einer nach dem anderen.”
 
Der vierte Mönch: “Und was bezwecken wir damit?”
 
Der dritte Mönch: “Wenn einer der Sündige sein sollte, trifft ihn der Blitz.”
 
Der vierte Mönch: “Dann schlage ich vor, dass der mit dem guten Beispiel vorangehen, wer das vorgeschlagen hat. Also, ab geht die Post!”
 
Der dritte Mönch: “Wieso denn immer ich? Ich wollte doch gerade was lesen. Na gut! Wenn keiner vor mir wagt...! In fünf Minuten werdet ihr merken, dass ich nicht der Sündige bin.”
 
Der dritte Mönch ging hinaus. Es donnerte und blitzte sehr heftig. Minuten lang war der ganze Himmel hell beleuchtet. Man sah, dass der dritte Mönch den Mandelbaum erreicht hatte. Es passierte nichts.
 
Pudelnaß kam der dritte Mönch zurück. Und er ist am Leben geblieben. Stolz kündigte er an: “Seht ihr, ich habe nicht zu viel versprochen.”
 
Er kroch wieder in seine Ecke und wollte das Buch weiter lesen.
 
Nun hatte der fünfte Mönch furchtbare Angst. Er dachte an den Tag, wo er eine unschuldige Frau einfach hat sitzen lassen, die er geschwängert hatte. Damals war er noch kein Mönch, und er hätte diese Frau verehelichen sollen. Stattdessen ergriff er die Flucht ins Kloster. Lange Zeit danach konnte er das schlechte Gewissen nicht los. Er dachte, dass es vielleicht die Zeit gekommen sei, vom Gott die gerechte Strafe zu bekommen. Aber er kann nur aus diesem Grund die Tatsache nicht lange hinauszögern. Er verabschiedete sich formell von den anderen und ging dann hinaus.
 
Es blieb erstaunlicherweise alles ganz ruhig und der Mönch kam heil wieder zurück.
 
Es gab immer spannende Momente, wo die Mönche einer nach dem anderen zum Baum gingen und dann wieder in die Hütte zurückkamen. Kein Blitz traf sie, obwohl jeder von den Mönchen irgendeiner Weise im Leben Sünde begangen hatte.
 
Nun war der Bauer in der Reihe. Und die Mönche freuten sich sehr darauf, endlich mal wissen zu können, dass sie nicht die Sünder sind, deren Sünde so ein Unwetter verursacht haben könnte.
 
Der Bauer war gar nicht begeistert, so früh vom Blitz getroffen sein zu wollen. Seine Frau liegt zu dieser Zeit sicher im Wochenbett. Das Kind wird später nie wissen, wer der Vater war. Oder warum der Vater eigentlich sterben mußte. Der Bauer hätte nur noch eine Möglichkeit, um sein Leben retten zu können. Einfach die Flucht ergreifen. Aber wohin? Wenn Gott ihn tatsächlich sucht und bestrafen will, dann hat er nirgendwo ein Versteck. Auf die heftige Aufforderung der Mönche ging der Bauer ganz ungewollt aus der Hütte. Und es begann, das Gewitter noch stürmischer zu werden. Es blitzte, es donnerte und es hagelte, wie noch nie zuvor. Dann krachte ein Blitz. Der Bauer konnte es kaum glauben. Es stand sprachlos unter dem Baum. Nun hat er auch noch den einzigen Schutzplatz verloren. Die Hütte brannte samt mit den Mönchen bis zum Grundriß nieder.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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