Christine von Holtei-Cyrkiel

Arbeit mach das Leben süß


Arbeit macht das Leben süß.
Welche Arbeit soll ich mir aussuchen? Meine Hände sind nicht gebunden, und ich kann mich nach jeder Richtung hin frei entfalten.
Die meisten verdienen ihr Brot mit irgend etwas, wovon sie früher keinen Schimmer hatte. Sie melden sich mutig irgendwo.
Jetzt kaufe ich mir Zeitung, da gibt es viele Anzeigen. Es handelt sich um folgendes: Bote gesucht. Packer. Staplerfahrer. Manager mit Kapital. Buchbinder. Austräger. WC-Manager mit französische- und englische Sprache.
Die eine gibt mir einen Stich: "Wir bitten dringend alle, die rasch reich werden möchten, sich im eigenen Interesse zu melden. Agentur IDEAL. Glück Str.1"
Auch dem unglücklichsten Menschen lacht einmal im Leben das Glück. Dann heißt es handeln und nicht lange überlegen.
Die Straße liegt außer der Stadt und besteht aus zwei Häusern. Das greiseste Haus trägt Nr.1 und hier hängt oberhalb des Kellereingangs seitlich eine Tafel. "IDEAL - Glück Str.1"
Ich stemme die Kellertür zum IDEAL auf, steige in den Keller hinab, ordne aber zuvor meine Gedanken. Im Keller ist es stockfinster, nirgends eine Tür, dann springt von irgendwo ein Mann zu mir heran und führt mich in ein Zimmer. An der Wand steht ein altes Sofa mit heraushängenden Sprungfedern. Daneben ein schäbiger Tisch. Ein sehr magerer junger Mann beugte sich darüber und kratzt irgend etwas. "Bitte, setzen Sie sich", sagt er, zeigt auf dem Sofa, und kratzt weiter. Grauenvoll, grauenvolle Stille.
Plötzlich tritt ein blondes Fräulein ein. "Wer ist an der Reihe? Komm Sie bitte mit!"
Das andere Zimmer, hat ebenfalls kein Fenster. In der Mitte sortiert ein kleiner alter Mann Papierschnitzel, recht aufgeregt.
"Sie wünschen?"
"Wegen der Annonce..."
"Tja", sagte er. "Also, womit wollen Sie reich werden? Das sind nur Formalitäten, mein Herr. Diskretion zugesichert. Ich frage nur, warum wollen Sie reich werden?"
Er läßt mich nicht ausreden.
Plötzlich wendet sich der kleine Mann mir zu und breitet die Arme mit den Zetteln aus, als wollte er mich segnen. Wenn das kein Wahnsinniger ist, ist es ein sehr präziser Mann. Also, genau das, was ich brauche.
"Ich bitte um den höchsten Reichtum, ich möchte nämlich nicht noch einmal zurückkommen!"
"Den höchsten?! Ja, das macht alles, 150 Euro."
"Ist das alles, was ich kriege?"
"Nein, das ist das, was Sie mir Zahlen. Dafür bekommen Sie IDEEN, mein Herr. Sie ahnen nicht, was für Ideen Sie bekommen. Sie werden entzückt sein! Für diesen Betrag stehen Ihnen sämtliche Erläuterungen und Ratgeber zur Verfügung, wie man rasch zu Geld kommt."
"O ja." Sage ich mit ersterbender Stimme.
"Es gibt auch billigere Ausgaben... aber die enthalten nur die Erwerbsmöglichkeiten bis zu 1000 Euro im Monat. Damit kommen Sie nicht aus."
"Mit einem Wort, man muß diese Broschuren nur lesen und schon..."
"Na, passen Sie auf. Die Sache ist einfach! Wenn man entsprechend begab ist..."
"Wie erfährt man das?"
"Zum Beispiel, ein Beweis dafür ist, das Sie da sind. Sie machen einen Versuch. Sie bezahlen 150 Euro und..."
"Und wer ist unbegabt?"
"Der es nicht einmal mit Hilfe unserer Richtlinien zu etwas bringt. Lieber Herr, ich befasse mich nicht mit Trotteln. O du lieber Gott, was man ausstehen muß, wenn man Gutes tun will."
Ich denke, ich kann nach Hause gehen.
"Machen Sie sich keine Sorgen", sagte meine raue Stimme, "ich schicke Ihnen das Geld per Überweisung."
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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