Bettina Traum

Hoffnung


"Hallo mein Engel, wie geht´s dir heute?" liebevoll streichelt sie über seine Wange und gibt ihm einen zarten Kuss auf die Stirn. Die ganzen Apparate und Schläuche die ihn umgeben ignoriert sie wieder, wie jeden Tag. Sie setzt sich auf dem Stuhl neben seinem Bett und streichelt zärtlich seine Hand. "Heut war vielleicht wieder ein stressiger Tag" beginnt sie zu erzählen. "Im Büro war wieder die Hölle los und die Urlaubsvertretung die sie uns geschickt haben, bekommt nichts auf die Reihe." Sie betrachtet sein blasses Gesicht. "Heute siehst du schon viel besser aus als gestern". Sie lächelt ihn an und versucht den schmerzhaften Stich in ihrem Herzen zu verdrängen. Stille. Sie fühlt die Tränen, die in ihr hochkommen und atmet tief durch. Nein, sie darf keine Schwäche zeigen, sie muss stark sein, für ihn. Sie muss ihm die Kraft geben, aus diesem Bett wieder raus zu kommen, ins Leben zurück zu finden, wieder an ihrer Seite zu sein. Viel Hoffnung haben ihr die Ärzte nicht gemacht, aber es besteht Hoffnung. Noch ist nichts verloren. Natürlich wird er es schaffen denkt sie sich immer wieder, er hat es mir ja versprochen. Ganz sicher wird er es schaffen, es ist nur eine Frage der Zeit, dachte sie weiter. Sie wollen doch zusammen alt werden. Wie dieses eine alte Ehepaar, das sie damals beim Spazierengehen im Stadtpark gesehen haben. Wir liebevoll hatte er seine Hand um sie gelegt. Sie saßen einfach nur da, ohne ein Wort zu sagen. Aber diese Vertrautheit, diese Zusammengehörigkeit, diese Liebe die sie beide umgab, das konnte man deutlich spüren. "So werden wir auch mal enden, wir zwei" sagte er ihr damals und lächelte sie liebevoll an. "Ich wünsche mir nichts mehr auf dieser Welt, als zusammen mit dir alt zu werden. Immer an deiner Seite zu sein, ich werde immer da sein." Sie öffnet ihre Augen und wischt sich hastig die Tränen aus dem Gesicht, er soll sie nicht so sehen. Hoffnungsvoll schaut sie ihn an. Seine Haare, so glanzlos, seine schönen Augen, so eingefallen, seine zärtlichen Lippen, so reglos. Ein Sauerstoffschlauch verunstaltet sein Gesicht, das sie schon so oft berührt und geküsst hat. Wie gerne würde sie mit ihm tauschen, ihm die Schmerzen nehmen, ihn aus diesem Bett endlich befreien, ihm sein Lächeln und seine Lebensfreude zurück schenken. Alles was sie tun kann, ist ihm Kraft zu geben. Da zu sein. Ihn am Leben teilhaben lassen. Ihm immer wieder sagen wie sehr sie ihn liebt, wie sehr sie ihn braucht. "Bald bist du wieder ganz gesund. Das verspreche ich dir. Und ich bin da und warte auf dich. Egal wie lange es dauern wird. Wir werden es zusammen schaffen. Du fehlst mir so sehr mein Engel." Ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. Sie steht auf und gibt ihm einen zärtlichen Abschiedskuss. "Ich liebe Dich" flüstert sie ihm ins Ohr und streichelt sanft seine blasse Wange. "Bis morgen mein Engel. Ich werde heut Nacht wieder von dir träumen". Dann verlässt sie mit schnellen Schritten das Krankenzimmer und lässt ihren Tränen freien Lauf ...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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