13. März 2005 Hans Baldegger war ein Kleinfuhrunternehmer mit zwei oder drei Lastwagen und einem grossen Anhänger. Hans war nicht älter als 25 Jahre, ich war 12 Jahre alt. An schulfreien Nachmittagen machten wir Buben jeweils aus, wer mir Hans mitfahren durfte. Nun war das aber nicht so, dass wir einfach nur so mitgefahren sind, sondern, wenn notwendig, halfen wir auch tatkräftig beim Be - und Entladen mit.
Einmal musste eine Eisenbahnladung Kohle vom Bahnhof in Gossau für das Gaswerk in Herisau abgeholt werden. Ein Kran stand natürlich nicht zur Verfügung, also musste die ganze Fuhre vom Eisenbahnwagen in den Lastwagen notabene von Hand mittels Schaufeln oder Gabeln umgeladen werden. Diese Arbeit war sehr streng und schmutzig, aber machte Spass. Über Mund und Nase hatte mir Hans ein Tuch umgebunden, Selbstverständlich gab es zwischendurch einen z' Vieri und zu Trinken. Auf dem Heimweg von Baldeggers nach Hause wurde ich dann ganz komisch angeschaut und teilweise auch belächelt, aber ich wusste nicht warum.
Der krönende Abschluss dieses Nachmittags aber kam dann, als ich nach Hause kam ! erst dachte ich, meine Mutter sei übergeschnappt, als ich in die Küche trat, denn sie fing an zu schreien und zu wettern, dass es ihr die Stimme verschlug, ich verstand überhaupt nicht, was sie wollte und um was es eigentlich ging. Dabei wollte ich ihr doch nur von meiner heutigen Arbeit mit Hans erzählen, auf die ich sehr stolz war, denn ich hatte fünfzig Franken verdient, nebst einen tüchtigen z' Vieri. Als sich Mutter dann einiger massen beruhigt hatte, verstand ich nun auch, was sie mir schon die ganze Zeit mitzuteilen versuchte. Ich war durch und durch mit schwarzem Kohlestaub eingefärbt und eben dies war der Anlass für ihren Anfall. Eingangstüre schwarz, Boden schwarz und ich von oben bis unten schwarz. Ich durfte mich nicht mehr von der Stelle rühren, denn erst mussten Zeitungen von der Küche zum Bad ausgelegt werden, dann hiess es Kleider ausziehen und ab in die Badewanne. Als ich mich dann so im Spiegel betrachtete, wurde mir nun auch klar, warum mich auf der Strasse alle Leute so angeschaut haben und meine Mutter der massen ausgeflippt war. Und zu guter letzt wurden mir auch noch als Strafe die fünfzig Franken abgenommen. Schmutzarbeit hatte ich dann bei Hans keine mehr verrichtet.
Nun, es war in den Sommerferien und ein sehr schöner warmer Tag kündigte sich an, als ich früh Morgens um sechs Uhr meinen Vater zu seinem Arbeitsplatz begleitete, natürlich mit der Absicht, nachher mit Hans mitzufahren. " Aber nicht, dass du wieder schwarz eingefärbt nach Hause kommst " , meinte Vater und sagte noch, " die fünfzig Franken sind auf deinem Bankbüchlein, aber das nächste mal werden wir das Geld wirklich nicht mehr auf die Bank bringen ". Wir verabschiedeten uns, Vater ging in die Fabrik und auf eine Lastwagentour.
Eine Ladung Maschinen musste nach Zürich überführt werden und dies war mir recht so, zum einen musste ich nicht arbeiten und zum andern wurde ich nicht schmutzig. Die Fahrt nach Zürich kam dementsprechend eher eine Vergnügungsfahrt gleich, wir plauderten den ganzen Weg über dies und jenes, aus dem Autoradio trällerte irgend eine volkstümliche Musik, die jedoch im Motorenlärm des Lastwagens eher mehr als weniger unterging. Beide Fenster offen, mein rechter Ellbogen lässig aus dem Fenster haltend, fuhren wir mit gemächlichem Tempo auf Haupt - und Nebenstrassen unserem Ziel Zürich - Oerlikon entgegen. Eine Autobahn gab es damals noch nicht.
Auf der Rückreise mussten noch einige Paletten mit irgend welchen Teilen mitgenommen werden, die dann am Nachmittag nach Appenzell überführt werden mussten. Pünktlich um halbeins waren wir in Herisau und ich durfte bei Hans, dessen Mutter Spagetti mit Tomatensauce und Salat zubereitet hatte, mit essen.
Unterdessen stand der Lastwagen auf dem Hof der prallen, heissen Mittagssonne ausgesetzt und war dann als wir wegfahren wollten auch dem entsprechend aufgeheizt. Und der war dann wirklich sehr heiss, dass erst einmal tüchtig Durchzug gemacht werden musste. Die Mutter von Hans gab uns dann noch Frottiertücher mit, um die brand heissen Autositze abzudecken. " Bevor wir nach Appenzell fahren müssen wir noch einen Anhänger voll Strauballen nach Schwellbrunn fahren, kannst ihn ankoppeln, weisst ja wie das funktioniert ". Gesagt, getan und so fuhren wir dann nach Schwellbrunn, aber von einer Vergnügungsfahrt konnte nun nicht mehr gesprochen werden. Zur Sonnenhitze, die unsere Führerkabine tüchtig aufheizte, kam nun noch die Motorenwärme dazu und es wurde trotz offener Fenster unerträglich in der Lasterkabine. Wir waren beide klitschnass, der Schweiss lief uns buchstäblich aus der Haut. Ich verfiel in einen Zustand, den man Wachtraum nenne könnte, denn ich hörte plötzlich Kinderstimmen - und Geschrei und das plumpsen von Körper ins Wasser. In Gedanken war ich im Schwimmbad und träumte davon, wie schön jetzt eine Abkühlung wäre. " Das ist ja nicht zum aushalten ", sagte ich zu Hans, aber der meinte nur, dies sei eben Gewohnheitssache. Mein Schwimmbadtraum wurde indes immer heftiger und ich war froh, als ich dann in Schwellbrunn den Anhänger abkoppeln durfte. " Komm wir gehen noch etwas trinken, aber wir waschen uns vorher noch Kopf und Arme am Dorfbrunnen ". Am liebsten wäre ich samt den Kleider in den Brunnen gesprungen. Diese Abkühlung und Pause taten gut, aber der Laster stand wider an der Sonne und das tat dann weniger gut. Und auf der Fahrt nach Appenzell kam in mir wieder dieser Wachtraum mit all diesen Geräuschen vom Schwimmbad auf. " Weisst du was ", hörte ich wie von weit her Hans sagen, " ich kenne an der Sitter nicht allzu weit von der Strasse einen schönen Platz, wo man sogar schwimmen kann. Da wir ja eh schon kurze Hosen anhaben, könnten wir in denn auch gleich ein wenig schwimmen und uns abkühlen, was meinst du dazu ? ". Natürlich war ich von dieser Idee begeistert. Und so wurde auf der Rückfahrt von Appenzell nach Herisau mein Wachtraum Realität und es war erst noch viel schöner als im Schwimmbad.
Dieser Badeplatz befand sich abseits der Strasse, unweit einer alten, gedeckten Holzbrücke, die über die Sitter gespannt ist. Die eine Seite mit einer steil aufsteigenden aber nicht allzu hohen Felswand, die andere Uferseite war ebenfalls steil, aber bewaldet. Der Fluss ist so in eine Talmulde eingebettet, war aber denn noch recht besonnt. Die Sitter ist an dieser Stelle sehr breit und fliesst eher träge durch eine S - Kurve. Ein idyllischer Ort zum baden. Eine Sandbank mitten im Fluss sowie am äusseren Rand der S - Kurve luden gleich auch noch zum Sonnenbad. Noch viele Jahre besuchten ich zusammen mit Schulkameraden per Velo diesen idyllischen Badeplatz.
Für den nächsten Tag und den Rest der Sommerferien stand dann auch eher ein Schwimmbadbesuch auf dem Tagesprogramm. Und so wurde dann das Lastwagenfahren für diesen Sommer ad acta gelegt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.08.2005.
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