Silvia Pree

Ciao, Bella

 
Sie war etwas Besonders für ihn.
Immer gewesen.
Hübsch.
Und liebenswürdig.
Immer freundlich.
Sie.
Heike.
Das nette Mädel von nebenan.
Nicht aufreizend.
Oder kokett.
Sondern so herrlich normal.
Wie wenige junge Frauen in dem Alter.
In ihrer Gegenwart hatte er sich immer so wohl gefühlt.
Seine Schüchternheit – wie weggeblasen.
Ganze Nächte hatten sie durchgeplaudert.
Nächte.
In denen ihm manchmal nach mehr gewesen war.
Nach mehr als nur reden.

Georg starrte auf die Fotographie.
Er seufzte leise.
Und dachte wieder an Heike.
Und wie sie immer seine Hand genommen hatte.
Ich lese dir jetzt aus der Hand.
Pass auf…
Das ist die Lebenslinie…
Dann alberte sie herum.
Bis sie beide schallend lachten.
Du wirst einmal ganz reich werden!
Und im Geld schwimmen.
Wie Dagobert Duck.
Georg lächelte verlegen.
Na ja.
Dann muss ich schon eine Millionärin heiraten.
Oder eine Prinzessin.
Mindestens…
Heike lächelte ihn sanft an.
Ihre Augen strahlten.
Vielleicht machst du dich selbständig.
Und wirst mit deiner Firma reich…
Georg wurde warm.
Lag es nur am G’spritzten?
Oder…?

Hey.
Ich habe dich neulich mit einer Brünetten gesehen.
Ist das deine Freundin?
Georg rang nach Worten.
Nein.
Eine Freundin…
Der Kollege lachte laut.
Bist du sicher?
So wie ihr zwei geschäkert habt?
Das sah nach mehr aus…
Und sehr echt…
Er schlug ihm leicht auf die Schulter.
Ich sag dir’s, nur.
Georg.
Die Kollege zwinkerte ihm zu.
Sehr anzüglich.
Zugreifen, ja?
Die Frucht ist reif…
Dann lachte er schallend.
Und Georg wusste nicht, was er sagen sollte.
Er hatte selber schon daran gedacht.
Immer wieder.
Aber er traute sich nicht…

Fährst du mit mir zu „Romeo und Julia“?
Läuft auf einer Freilichtbühne…
Ich habe Karten.
Hast du Lust?
Georgs Mund war ganz trocken.
Er konnte kaum sprechen.
Seine Stimme schien ihm unglaublich rau.
Heike lächelte.
Sie hatte die Arme verschränkt.
Und das Licht im Lokal fiel genau auf ihr Gesicht.
Wann sagtest du…?
Aber sicher.
Das müsste sich ausgehen…
Fein.
Fahren wir mit deinem Wagen?
Georg nickte.
Er hätte kein Wort herausgebracht.
Er wusste es genau.
Und er freute sich wie ein Schneekönig.
Heike fuhr mit ihm!
Vielleicht der erste Schritt…
…zu mehr.

Georg warf die Fernbedienung wütend in eine Ecke.
Am liebsten hätte er geheult.
Heike hatte ihn vor einer Stunde angerufen.
Und er hatte sofort geahnt, dass etwas nicht stimmte.
Heike wirkte unsicher.
Sie sprach sehr langsam.
Du, ich muss dir absagen.
Ich kann nun doch nicht mitkommen.
Mein Vater ist sehr krank.
Da kann ich nicht wegfahren…
Es tut mir so Leid….
Wir werden bald wieder was gemeinsam machen.
Ich verspreche es dir!
Ein schwacher Trost.
Am liebsten hätte er sich angetrunken.
Die Karten warf er weg.
Das Ganze interessierte ihn nicht.
Nicht ohne Heike…

Am bewussten Wochenende meldete sich sein Bruder.
Komm!
Igle dich nicht immer so ein!
Wir gehen heute einmal in eine Disco.
Gib dir einen Ruck!
Du solltest mal aus der Provinz heraus!
Georg hatte nachgegeben.
Fernsehen war auch keine Lösung.
Zumindest glaubte er das.
Bis sie in der Disco waren.
Unter lauter Leuten.
Eingepfercht wie in einer Hühnerfarm.
Eine junge Frau ging an ihm vorbei.
Ihr Dekolletee raubte ihm fast den Atem.
Die hämmernden Rhythmen dröhnten in seinen Ohren.
Und vibrierten in seinem Brustkorb.
Er fühlte sich deplaziert.
Aber sein Bruder zog ihn weiter.
Hier war es etwas ruhiger.
Sie setzten sich.
Und Georg sah sich um.
Wie konnte  man es hier nur aushalten?

Sein Blick fing sich weiter vorne.
Georg bekam große Augen.
Er stand auf.
Sein Bruder starrte ihn an.
Verständnislos.
Stimmt was nicht?
Georg schüttelte den Kopf.
Da vorne stand Heike.
Seine Heike.
Obwohl angeblich ihr Vater so schwer krank war.
Sie schäkerte mit einem großen, schlaksigen Burschen.
Sie hatte ihn belogen.
Eine Ausrede gebraucht.
Georg wandte sich ab.
Heike hatte ihn nicht gesehen.
Aber am liebsten wäre er aber hingegangen.
Und hätte sie gefragt.
Na, geht’s deinem Vater besser?
Aber er traute sich nicht.

Georg starrte wieder auf die Fotographie.
Heike lachte.
So lebendig.
Ciao, Bella.
Georg sagte die Worte mehr zu sich selbst.
Dann zerriss er die Fotographie.
Warf die Teile aus dem Fenster.
Sah ihnen beim Fallen zu.
Schloss die Augen.
Und spürte den Schmerz wieder.
Sie hatte ihn belogen.
Vielleicht nicht das Schlimmste.
Aber ihr lag nicht so viel an ihm.
Wie er immer gehofft hatte.
Das tat am meisten weh…

Für G.K.

Vivienne

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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