Klaus-Peter Behrens

Florida, eine Rundreise, Tag 6, Von St. Augustin nach Cape C.

Tag 6, Von alten Gemäuern und futuristischen Raketen

 

Wie gewohnt brechen wir um 8.00 Uhr zu unserer heutigen Erkundungstour auf. Leider spielt das Wetter jedoch immer noch nicht mit. 10 C sind wirklich zu wenig für Florida. Für alle die, die diese Tour vielleicht auch einmal planen sei tröstend erwähnt, dass hier normalerweise auch zwanzig Grad Celsius herrschen. Wir hatten einfach Pech und die kältesten Tage seit hundert Jahren erwischt. Also lassen Sie sich von unseren erlebten Temperaturen nicht schrecken.

Für die Erkundung von St. Augustin parken wir den Wagen direkt am Castillo de San Marco. Hier gibt es reichlich Parkplätze. Das Fort ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Man kann entlang dem breiten Burgraben gut um das Fort herumwandern und die noch immer mit Kanonen bewehrten Zinnen bewundern. Freunde der Fotographie bekommen hier Gelegenheit zu ein paar guten Schnappschüssen. Wer Lust hat, kann die Anlage auch von innen besichtigen. Das ehemalige Munitionslager, das Gefängnis, der Wachturm und eine Kapelle können gegen ein geringes Eintrittsgeld, ich glaube, es waren 5 Dollar, erkundet werden. Angesichts der kalten Winde, die vom Atlantik her kommend um das Gemäuer aus Kalksandstein fegen, verzichten wir allerdings darauf. Stattdessen queren wir die kleine Straße, die unterhalb des Festung verläuft. Gegenüber liegt ein altes Stadttor. Durchschreitet man dieses, gelangt man nach kurzem Marsch auf die Rückseite des maurisch angehauchten Ponce de Leon Hotels, das heute ein Elite-College ist. Hier werden überall Pferdekutschen für die Touristen bereit gemacht. Wir umrunden das College, das Anfang des neunzehnten Jahrhunderts von Henry Flagler, der zu dieser Zeit begann, das Eisenbahnnetz Floridas auszubauen, für betuchte Klientel errichtet wurde und gelangen auf die Vorderseite. Hier befindet sich eindeutig der schönste Platz von St. Augustine. Auf allen vier Seiten dokumentieren im spanischen Neobarock gestylte Bauwerke die Pracht längst vergangener Zeiten. Die Mitte des Platzes ziert ein hübscher Springbrunnen. Wir sind begeistert und haben trotz der niedrigen Temperaturen das Gefühl, irgendwo in Madrid gelandet zu sein.

Auch hier kann man wieder verschiedene Sachen besichtigen. Auf keinen Fall verpassen sollte man das Innere des Ponce de Leon Hotels. Die hohe, runde Kuppel des Eingangssaales mit der umlaufenden Galerie, auf der man in bequemen Ledersesseln den Luxus des neunzehnten Jahrhunderts nachempfinden kann, ist ein besonderes Erlebnis. Bilder hierzu findet man in dem bereits erwähnten Buch "Florida" von Christian Pranger und Claudia Bette-Wenngatz aus dem Artcolor Verlag auf Seite 32, 33. Wer den Drang zu noch mehr Kultur verspürt, verlässt das College wieder und besucht auf der anderen Seite das Lighter Museum, das eine große Sammlung der Kunst des 19. Jahrhunderts birgt. Da wir, wie bereits erwähnt, keine rechte Begeisterung für Museen aufbringen können, verlassen wir das Ponce de Leon College – jetzt eher bekannt unter der Bezeichnung Flagler- College – und wandern die Straße links hinunter. Wir überqueren eine Straße, kommen an einem altehrwürdigen Gebäude vorbei, auf dessen Vorplatz ein paar Kanonen stehen und erreichen schließlich die malerische St. George-Street, die man auf keinen Fall verpassen darf. Als Fußgängerzone gestaltet bietet sie eine Zeitreise in die Vergangenheit an. Hier steht unter anderem das älteste Haus und die älteste hölzerne Schule Amerikas. Wer das ganze noch authentischer erleben will, sollte das Restored Spanish Quarter Museum besuchen, wo kostümierte Schauspieler lebensnah den Alltag der Soldaten nach spielen.

Aber auch weitere Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Nähe sind einen Abstecher wert. So zum Beispiel der Oldest Store, ein Kramladen, der mit Waren aus der Zeit der Jahrhundertwende bestückt ist. Er liegt in der 4 Artillery Lane.

Gegen 10.00 Uhr haben wir unserer Einschätzung nach das Wesentliche in St. Augustine gesehen und machen uns nun auf unsere lange Reise Richtung Süden. 1000 Km bis nach Key West. Auch hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Entweder man nimmt die 95, die unseren Autobahnen entspricht oder die 1, die eher an eine Bundesstraße erinnert. Wir entschließen uns für die schnellere Alternative und gelangen so nach rund zwei Stunden Fahrt nach Cape Canaveral. Der Space Port an der SR 405 ist problemlos zu finden. Große Hinweisschilder und Raketen am Wegesrand weisen den Weg. Wir parken unseren Wagen auf dem riesigen Parkplatz und streben dem Eingang zu. Erfreulicherweise hat sich das Wetter verbessert. Zwar ist der Himmel noch immer ein wenig bedeckt, aber die Temperaturen sind mit ca. 20 C deutlich angenehmer als in St. Augustine. Am Eingang erwarten uns mehrere Kassen und eine verwirrende Anzeige der verschiedenen Ticketmöglichkeiten. Wir entscheiden uns für das Standardticket (28 US$ p.P.) inklusive einer zweistündigen Busfahrt über das Gelände, der sogenannten Red Tour. Erfreulicherweise muß man nicht lange Anstehen. Nach dem Passieren der Kasse steht allerdings noch die Taschenkontrolle auf dem Programm. Sogar mein Camcorder wird sorgsam auf seine Funktion geprüft, bevor wir hindurch dürfen. Wir halten uns zunächst rechts und streben dem Raketengarten zu. Hier stehen diverse Raketen herum die den Eindruck erwecken, als seien sie geradewegs aus einem alten Luc Orient Comic entsprungen. Ganz fehl liegen wir mit unserer Vermutung nicht, denn aus den Beschilderungen entnehmen wir, dass diese Raketen nie geflogen sind, sondern lediglich aus optischen Gründen gebaut und hier aufgestellt wurden. Wir sind enttäuscht und streben nunmehr in die entgegen gesetzte Richtung. Dabei passieren wir diverse Kinos, in denen die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Filme zum Thema Raumfahrt gezeigt werden. Wir testen ein paar, sind jedoch enttäuscht von dem Inhalt und der Qualität, mit einer Ausnahme, doch dazu später. Angesichts der langen Schlangen vor den Bussen entscheiden wir uns, lieber gleich anzustellen, bevor wir die letzte Fahrt verpassen. Darauf sollte jeder, der einmal hierher kommt achten. Die Wartezeiten sind immens, und wenn man sich nicht rechtzeitig anstellt, ist der Zug im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren.

Wir stellen uns also an und warten und warten und warten. Insgesamt eine gute Stunde lang, dann ist es endlich so weit. Wir haben einen Fensterplatz im Bus ergattert und harren gespannt der Dinge, die da kommen sollen. Doch da kommt zunächst nichts, abgesehen von Sümpfen die rechts und links der Straße vorbeiziehen. Der Busfahrer informiert uns darüber, dass Cape Canaveral inmitten eines riesigen Naturschutzgebietes gebaut wurde, in dem mehr Alligatoren leben, als es Mitarbeiter im Raumfahrtzentrum gibt. Nach guten zehn Minuten Fahrt kommen wir schließlich an dem 160 Meter hohen VAB-Gebäude (Vehicle Assembly Building) vorbei, in dem die Raketen auf die Trägerfahrzeuge montiert werden. Die Rückseite des Gebäudes besteht fast ausschließlich aus einer Doppeltür, vermutlich die höchste Tür der Welt. Das hat was! Von hier geht es weiter zu den Abschußrampen, die ohne Raketen allerdings nicht sehr spektakulär anmuten, zumal man sie nur von weitem bewudern kann. Aber selbst durch das 300 mm Teleobjektiv gewinnt man nur den Eindruck, einer Metallkonstruktion, die an eine Ölbohrturm erinnert. Das haben wir uns beeindruckender vorgestellt. Noch enttäuschter sind wir allerdings, als der Bus schließlich vor einem Gebäudekomplex anhält und der Fahrer uns mit den Worten entläßt, dass wir uns nun vor der Kantine befinden würden und er uns einen guten Appetit wünscht. Wir sind entrüstet! 28 Dollar um vor einer Kantine abgeladen zu werden. Auch die anderen Fahrgäste sind irritiert. Wir eine Herde Schafe warten wir nun vor einer überdimensionalen Tür auf den Einlass. Es vergehen gute zehn Minuten, dann öffnet sich die Tür endlich, und wir sind erstaunt. Unser Blick streift einen fensterlosen, großen Raum, an dessen Stirnseite eine Saturn 5 Rakete samt Umgebung aufgemalt ist und effektvoll ausgeleuchtet wird. Als wir alle den Raum betreten haben, schließt sich die Tür und der Effekt der angestrahlten Rakete wird noch plastischer. Allmählich dämmert es mir, dass sich unser Fahrer einen Spaß erlaubt hat. Dann öffnet sich eine weitere Tür und eine Frau erscheint, die uns erklärt, dass wir gleich in der Zeit zum 21. Juli 1969 zurück reisen werden, dem Tag, an dem die erste Rakete ihren Weg zum Mond antrat. Wir sind beeindruckt. Das klingt besser als Kantine. Willig folgen wir und der Rest der Herde der Frau in einen angrenzenden Raum und sich erneut verblüfft. Detailgetreu hat man hier das damalige Kontrollzentrum aufgebaut. Die Stirnseite nimmt eine riesige Leinwand ein, auf der man die rauchende, startbereite Rakete sieht. Camcorder beginnen zu filmen und Fotoapparate zu blitzen, als der Countdown beginnt. Ein Supererlebnis! Man gewinnt wirklich den Eindruck, als würde man den Start der Rakete live miterleben. Fantastisch. Doch es kommt noch besser. Nach dem Ende der Vorstellung verlassen wir das Kontrollzentrum durch eine andere Tür und finden uns unter den Triebwerken einer Saturn 5 Rakete wieder. Der Länge nach hängt die legendäre Rakete hier in einer riesigen Halle. Wahnsinn! Hier wird einem erst so richtig bewußt, wie groß diese Raketen waren. In jedes der 5 Triebwerke könnte man lässig ein Einfamilienhaus stellen. Auch ansonsten gibt es hier viel zu bewundern. Im hinteren Teil der Halle ist eine Original Raumkapsel ausgestellt, das Mondfahrzeug im Nachbau und vieles mehr, so dass man gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht. Als wir wieder im Bus zurückfahren sind wir uns einig. Das war mit das tollste, was wir bisher erlebt haben. Doch es warten noch zwei weitere Attraktionen, und damit komme ich zurück auf die Kinos. Sollten Sie jemals nach Cape Canaveral kommen, vergessen Sie getrost alle Kinofilme, die dort gezeigt werden, nur ein Kino dürfen Sie auf keinen Fall verpassen, das fünf Stockwerke hohe Imax-Kino. Leider reicht unsere Zeit nur für einen Film, aber der allein war es wert, hierher zu kommen. Das Besondere dieses Kinos ist nicht nur die gigantische Leinwand, sondern auch ihre gewölbte Form. Es ist daher unbedingt empfehlenswert, möglichst weit vorn zu sitzen. Dann hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Der Film, der uns gezeigt wird, fängt mit einem Space Shuttle Start an. Im Anschluß erlebt man aus der Perspektive des Space Shuttles eine Umrundung der Erde. Es wird wahrscheinlich schwer zu glauben sein, wenn man das liest, aber man hat wirklich das Gefühl, im Weltraum zu schweben. Der absolute Wahnsinn!! Es versteht sich von selbst, dass wir nach diesem Film natürlich schnurstracks zum Nachbau des Space-Shuttles gehen, um uns das einmal aus der Nähe anzusehen. Ja, und dann ist es auch schon wieder so weit. Ein weiterer ereignisreicher Tag geht zu Ende, und wir suchen unseren Wagen auf, fahren noch gute 100 Km Richtung Süden und erleben eine böse Überraschung. Es gibt weit und breit kein Zimmer, da am nächsten Tag ein Autorennen stattfindet. Bis 3.30 irren wir durch die Nacht, erfolglos. Dann lande ich infolge Übermüdung mit dem Wagen inmitten des Grünstreifens, der den Highway teilt, und nur einem Wunder haben wir es vermutlich zu verdanken, dass weder uns noch dem Wagen etwas passiert. Entschlossen steuere ich daraufhin den nächsten Parkplatz vor einem geschlossenen Frühstückscafe kurz vor Palm Beach an. Dann sehen wir der bitteren Tatsache ins Auge, drehen die Liegesitze hinunter und verbringen die ungemütlichste Nacht des Urlaubs. Eines versprechen wir uns allerdings gegenseitig, bevor wir in den Schlaf fallen. Ab jetzt werden wir ohne zu zögern rechtzeitig das erstbeste Motel nehmen, das frei ist. Dann heißt es noch ein paar Stunden Schlafen, denn am nächsten Morgen wollen wir schließlich wieder um 8.00 Uhr starten. Einen Augenblick überlege ich noch, ob wir nicht vielleicht ein wenig leichtsinnig sind, doch dann übermannt auch mich der Schlaf.

 

Wird fortgesetzt .....................

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-Peter Behrens).
Der Beitrag wurde von Klaus-Peter Behrens auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  • Autorensteckbrief
  • Klaus-Peter.Behrensgmx.de (Spam-Schutz - Bitte eMail-Adresse per Hand eintippen!)

  Klaus-Peter Behrens als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

Baader-Meinhof [...] (eBook) von Huberti Jentsch



Hubertus Jentsch präsentiert sein Buch "Baader-Meinhof - Täter, Sympathisanten, Opfer und Andere aus der Personenanalyse und Karmabetrachtung mit den Hubertus-Systemen" als gratis Version zum Online-Lesen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie Reiseberichte Vereinigte Staaten von Amerika

Weitere Beiträge von Klaus-Peter Behrens

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Artefaktmagie, Teil 24 von Klaus-Peter Behrens (Fantasy)
Blick vom Turm von Paul Rudolf Uhl (Reiseberichte)
Kolossale Kolosse von Norbert Wittke (Impressionen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen