Katja Heinrich

Sodbrennen - 18. Im Restaurant

 

Mein Freund ist ein mutiger Mann, er will mit mir heute in einem Restaurant essen. Mit mir!!!!
Ich habe zugestimmt, denn es ist unser Jahrestag. Ihm zuliebe will ich mich zusammenreißen, denn er hat es nicht immer leicht mit mir, glaube ich.
Klaus weiß auch, dass meine Therapie mich zu immer neuen Aufgaben zwingt – und er versucht mich nun darin zu unterstützen. Daher fand er wohl auch die Idee, auswärts zu essen, sehr gut und angebracht.
Drei Restaurants stehen zur Auswahl – ein Chinamann (um Gottes Willen, wer isst denn so was?) – eine anscheinend sehr edle Pizzeria (Horror, ich hasse Pizza!!!!) und ein deutsches Lokal – das klingt doch gut! Also gehen wir dorthin.
Mein Freund  ist guter Dinge, ich auch.
Heute fahre ich. In der Tiefgarage muss ich mich zunächst wieder einmal über meine Nachbarparkerin erzürnen. Die Frau fährt einen Kleinstwagen, einen Fiat Panda oder so was, aber sie parkt grundsätzlich mindestens auf der Trennlinie zu meinem Platz, so dass ich mit meinem Audi mehr oder weniger an der Wand kleben muss, die meinen Parkplatz auf den anderen Seite einschränkt. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich dort ein- oder ausparke. Ich habe ihr schon einen Zettel an die Windschutzscheibe gehängt. Nutzt nichts. Sie kann es einfach nicht. Oder sie kann nicht lesen.
Zu allem Überfluss reiße ich mir beim Öffnen der Wagentür noch einen Nagel ab. Das geht ja heiter los.
Autos werden von Männern am Reißbrett entworfen, die denken natürlich nicht über frauenfreundliche Türgriffe nach.
Ist mir schon so oft passiert, dass ich mir im, am oder ums Auto herum einen Nagel ein- oder abgerissen habe. Das tut nicht nur höllisch weh, sondern ist auch noch hochgradig ärgerlich, wenn man sie mal alle gleichlang hat.
Fluchend steige ich ins Auto, Klaus folgt mir mit hochgezogenen Augenbrauen.
Wenigstens ist die Straße frei und wir kommen ohne weitere Probleme beim Restaurant an. Meine Laune steigt minimal.
Hoffnungsvoll betreten wir das Lokal, zu meinem Entzücken sind nur sehr wenig Menschen da.
Wir bekommen einen wunderbar abgeschiedenen Platz, setzen uns und der Ober reicht uns die Speisekarte, der wir uns widmen nachdem wir die Getränke bestellt haben (Cola für mich – was sonst?).
Plötzlich betritt eine Großfamilie das Lokal.
Ich kriege Atemnot, Eltern mit fünf(!) Kindern und den Großeltern als Sahnehaube.
Wie hypnotisiert beobachte ich, wie diese vielen Menschen sich in unserer unmittelbaren Nähe drei Tische zusammenschieben und daran niederlassen.
Warum benehmen sich solche Menschen so als ob ihnen die Welt gehört? Ungeachtet der befremdeten Blicke rundum gebärden sie sich wie Wilde. Kriegen die sich selbst noch mit?
Wie können die sich das überhaupt leisten, mit so vielen Leuten essen zu gehen? Nun, das ist nicht mein Problem, mein Problem ist ihre Anwesenheit!
Klaus betrachtet mich mit offensichtlich angehaltenem Atem und versucht dann meine Aufmerksamkeit wieder auf die Speisekarte zu lenken. Seine Augenbrauen versinken bereits im Haaransatz.
Der nächste Vorfall ereignet sich bei der Bestellung.
Ich möchte ein Wiener Schnitzel, allerdings unpaniert, dazu Bratkartoffeln statt Pommes und Gemüse statt Salat. Das stürzt den Kellner in eine Glaubenskrise. Erst versucht dieser Kellner mit so viel Hirn wie ein durchschnittlicher bemooster Waldesrandkiesel mir klar zu machen, dass das nicht ginge, aber nach kurzem Zähnefletschen meinerseits ist es doch möglich.
Klaus scheint vor Scham im Boden versinken zu wollen. Unkompliziert gibt er seine Bestellung auf, Hackbraten wie er in der Karte steht. Wie langweilig!
 
Während wir auf unser Essen warten, versucht Klaus mit mir Konversation zu machen, ich bin nur leider immer wieder abgelenkt von dieser Großfamilie.
Scheinbar haben sie vorbestellt, denn eine Kellnerin – eine wirklich peinliche Gesichtsfünf im Kubik - bringt bereits Salat. Während die Kinder noch auf ihren Stühlen und unter dem Tisch herumturnen, beginnt die Mutter bereits  Opa mit dem Salat zu füttern. Dabei geht durch die Unkonzentriertheit der Frau (die versucht, gleichzeitig alle fünf offensichtlich antiautoritär erzogenen Kinder im Zaum zu halten, während ihr Gatte mit gierigem Blick der Kellnerin hinterher hechelt) immer die Hälfte daneben. Wie gut, dass Opa ein Lätzchen umhat – auf dem nun mittlerweile ein großer Teil des Karottensalats gelandet ist.
Offenbar mag Opa auch keinen Mais, denn den spuckt er wieder aus.
Angeekelt klebt mein Blick an diesem Szenario fest.
Eines der Kinder hat nun wohl begriffen, dass Mama sich mehr dem Großvater als ihm widmet und fängt an laut vor sich her singend um den Tisch herum zu rennen.
Den Vater beeinträchtigt das in keiner Weise, seinen geilen Blick vom Arsch der Kellnerin zu nehmen.
Ich merke, wie mein Kopf anfängt zu hämmern und fühle mich bereits satt.
Klaus greift nach meiner Hand und versucht meinen
Blick wieder auf sich zu ziehen, aber ich bin aufs negativste fasziniert vom Treiben der Familie.
Augenscheinlich steht die Mutter kurz vorm Schlaganfall, ihr Kopf ist ziemlich rot. Ich bin gespannt, was passieren wird.
Mama versucht nun ihren Gatten zum Eingreifen zu bewegen, der aber registriert sie gar nicht. Da platzt ihr der Kragen, er fängt sich eine Ohrfeige und dazu eine Standpauke. Mutter schimpft ihr sechstes (mit den Großeltern gerechnet ihr achtes) Kind.
Der Vater schaut beschämt (die anderen Gäste betroffen weg), reagiert aber dennoch. Mit kurzen leisen Worten (die ich leider nicht verstehe, auch wenn ich mich noch so weit herüberbeuge) bringt er seine Kinder zur Räson – augenblicklich kehrt Ruhe ein - und geht anschließend mit Opa zur Toilette.
Zufrieden lehnt sich Mama zurück.
Als Vater und Opa von der Toilette zurückkommen, steht das Essen auf dem Tisch und die gesamte Familie beginnt still und friedlich zu essen.
 
Fast bedauernd wende ich mich wieder Klaus zu, zünde mir eine Zigarette an und stelle fest, dass kein Aschenbecher auf dem Tisch steht. Sofort bemüht sich Klaus den Ober heran zu winken, der aber hat Pause oder ist auf dem Klo oder raucht selbst gerade eine.
Das ist mir allerdings herzlich egal, wenn der nicht bald mit einem Aschenbecher erscheint – wie es als Bringheinz seine verdammte Pflicht ist – werde ich auf den Boden aschen.
Mein Herz fängt an zu rasen.
Langsam fühle ich mich überfordert.
Der Dienstpinsel hat Glück, gerade noch rechtzeitig sieht er, dass ich rauche und bringt pflichtschuldig endlich den dämlichen Aschenbecher.
Da das Essen auf sich warten lässt, zünde ich mir gleich die zweite Zigarette an – und Sekunden später steht der Kellner mit den Tellern am Tisch. Netterweise stimmt das Essen mit meiner Bestellung überein. Erstaunlich!
Ich will aber jetzt erst meine Zigarette rauchen.
Damit bringe ich ihn aus dem Konzept, denn er hat ja eingetrichtert bekommen, dass der Ascher vom Tisch gehört, wenn das Essen kommt. Tja, Darling, warum hast du dir auch diesen Beruf ausgewählt? Wärst du mal schön weiter zur Schule gegangen, dann würdest du hier sitzen und arme Kellner quälen. Die Welt ist eine Wanderbühne.
Der Bedienfritz lässt den Ascher erstmal stehen.
Genussvoll qualme ich die Kippe fertig und will dann mit dem Essen anfangen.
Leider hat der dumme Kellner mittlerweile den Aschenbecher vergessen und der stinkt uns nun die Nase zu. Das kann ich ja gar nicht leiden. Angesäuert beginne ich mit dem Fuß zu tippeln.
Um Frieden bemüht will Klaus das Objekt meines Zorns aus meinem Gesichtskreis entfernen, aber ich halte ihn davon ab.
Ich will, dass der geistige Tiefflieger seinen Job macht, sonst werde ich ungemütlich!
Klaus rutscht unbehaglich auf seinem Stuhl umher, vermutlich bereut er schon geraume Zeit, dass er mir bei meinen Therapie-Aufgaben zur Seite stehen wollte. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
Ich werde nichts essen, bevor nicht dieser stinkende Aschenbecher vom Tisch verschwunden ist.
Nachdem mein Essen unangetastet fast komplett erkaltet ist, kommt der Kellner an den Tisch und fragt, ob etwas mit dem Gericht nicht stimme.
Ich erkläre ihm die Sachlage und verlange warmes Essen zu bekommen.
Mit verdrehten Augen (ich bin kurz versucht ihm deswegen ein Bein zu stellen, werde aber von Klaus mit einem scharfen Blick davon abgehalten) nimmt er Teller und Aschenbecher an sich und eilt von dannen. Vermutlich wird er sich in der Küche über mich auslassen, aber das ist mir egal. Ich bestehe auf warmes Essen, schließlich zahle ich ja auch dafür. Oder Klaus.
 
Servicewüste Deutschland!
 
 
(c) Katja Heinrich

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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