Farhad Salmanian

Schah-Name

Schah-Name (i)
Eine Kurzgeschichte von: Amin Faghiri (ii)
Übersetzt von: Farhad Salmanian
Abends kam der Dorfvorsteher eilig. Vom Leib seines Pferdes schwebte Dampf.Der Schnurbart gezwirbelt, das Aussehen schrecklich und die Augen blutrot und Furcht erregend. Als wäre er zum Krieg gekommen. Kräftige Arme und breite Brust. Er war ein Mann von wuchtiger Statur. Ich sah ihn zögernd an und dachte gerade daran, wovon ich Petroleum für den Ofen beschaffen oder wie ich die Eier zum Abendessen kochen sollte, um Veränderungen herbeizuführen.
Der Blick des Dorfvorstehers war voll von Stolz und Würde. Er hatte den Blick auf den Berg und dessen unerreichbare Höhen geheftet.
"Wann wollen Sie zur Stadt reiten?"
"Früh am Morgen."
"Das hab ich von Raschid gehört." Sein Sohn Raschid war in der dritten Schulklasse.
 "Möchtest du etwas?"
"Ja, ich brauche ein Schahname. Ich bin sehr traurig."
Ich sah die Wüste, den Berg, das Pferd und den Fluss an, die von der Trasse der Schule zu sehen waren. Als hätte sich die Welt vergrößert.
Mit einem Sprung setzte er sich auf den Sattel des Pferdes. Das Pferd Ließ ihn nicht aufsteigen. Es schwang den Hals hin und her und gehorchte ihn nicht. Aber nach dem heftigen Hieb des Dorfvorstehers galoppierte es. Als wäre er ein Vogel, der sich von mir entfernte. Ich weiß nicht, warum ich fühlte, dass ihn zahlreiche Reiter in Empfang nahmen. Dann sah ich Afrassiab (iii), der sich zur Flucht gewendet hatte. In der Wüste ertönten das Kampfesgetümmel der Reiter und Wiehern der Pferde überall. Das Klirren der Schwerter hatte die Wüste erfüllt.
 Diesmal kam der Dorfvorsteher am Morgen. Er hatte sich ruhig auf den Sattel gesetzt. Von der Wüste her war keine Stimme mehr zu hören. Alles war trübselig, sogar die Sonne. Das Pferd brachte ihn zur Trasse der Schule. Den zweispitzigen Hut hatte er bis zu Augenbrauen heruntergezogen. Er grüßte mich nicht und stieg (vom Pferd) nicht ab. Das Schahname warf er auf meinen Schoss und schrie:
"Das ist doch kein wahres Schahname. Es gibt ja keinen Rosstam (iv) drin!"
Dann zog er die Zügel. Das Pferd gehorchte ihm, drehte auf die Hinterbeine und entfernte sich. Es ging nicht zum Dorf, sondern stürzte in die Mitte der Wüste. Zitternd nahm ich das Buch. Ich hatte es eilig gekauft und nicht einmal durchgeblättert. Das Buch behandelte nur die Sassaniden (v). Der letzte Band von dem Brochim-Schahname. Das kränkte mich. Er kann doch selber Rosstam sein. Den Dorfvorsteher meine ich. Ich erhob den Kopf und sah die Wüste an: Der Dorfvorsteher hatte sich auf den Hügel neben dem Fluss gesetzt und sein Pferd weidete neben ihm.
Auf dem gegenseitigen Flussufer konnte man das Heerlager von Afrassiab sehen.


i Wörtliche Übersetzung: Königsbuch; ein sehr berühmtes persisches Nationalepos, das im Verlauf von 30 Jahren durch Abu l-Ghasem Ferdoussi (934 – 1020 nach Chr.), den iranischen Dichter, in Versen geschrieben worden ist.

ii Schriftsteller, geb. 1945 in Schiraz, Schullehrer in Dörfern von Kerman und Schiraz, er lebt noch in Schiraz.

iii Der König von Turan, das Nachbarland von Iran in Schahname iv Der mythische Held von Schahname, der wundersame Kräfte besaß. Er ist die Hauptfigur des Buches. v Pers. Dynastie, regierte 224–651 nach Chr. nach Sassan, dem Großvater des ersten Sassanidenherrschers Ardaschir I.

(iv) Die mythische Sagengestalt aus Schahname.

(v) pers. Herrscherdynastie (224-651).

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Andreas ist seit seiner frühesten Kindheit mit einer schweren unheilbaren Krankheit konfrontiert und musste den größten Teil seines Lebens in Betreuungseinrichtungen verbringen..Das Aufschreiben seiner Geschichte ist für Andreas ein Weg etwas Sichtbares zu hinterlassen. Für alle, die im Sozialbereich tätig sind, ist es eine authentische und aufschlussreiche Beschreibung aus der Sicht eines Betroffenen.

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