Ivana Landrakis warf noch einmal einen kurzen Blick auf den Monitor, der ihr eine Aussicht auf die hinter ihr in der Unendlichkeit verschwindende Raumstation DS9 gestattete. Den Großteil ihres knapp fünfunddreissigjährigen Lebens hatte sie nur diesem einen einzigen Zweck gewidmet, dem Leben im Weltraum, dem rast- und ziellosen Wandern zwischen den zahllosen Sternen des so schier unermeßlichen Weltenraumes, von einem Planeten zum nächsten, von Raumstation zu Raumstation, immer wie auf jener Suche nach einem Ziel, daß sie selbst nicht kannte.
Auf der fernen Erde geboren, in einem fast schon zurückgeblieben zu nennenden Dorf in der sanften, so grünen Hügellandschaft Irlands, hatte sie schon als kleines Kind sehnsüchtig zu den Sternen hinauf gestarrt. Ihre Pflegeeltern erzählten ihr zwar unaufhörlich jene Geschichten von denen, die dort hinauf gegangen waren und ein ähnlich jämmerliches Ende gefunden hatten wie Ivana’s leibliche Eltern, die damals, nur wenige Monate nach Ivana’s Geburt in den Kampfeinsatz gegen eine Flotte der Romulaner gezogen und niemals mehr heimgekehrt waren, doch das tat ihrer großen Sehnsucht keinen Abbruch.
Auch all die Schauergeschichten, wie die von Paddy McTie etwa, dem Jungen aus Dublin, der beim Reaktorbrand der Fairy Queen elendig zugrunde gegangen war, oder von „Young“ Mary Mallone, die bei einem der ersten Angriffe der Romulaner starb, als ihr Raumschiff auf einen Schlag seine gesamte Luft verloren hatte, schienen sie nicht im geringsten zu rühren.
Immer wieder und wieder schilderten ihre Pflegeeltern ihr diese schrecklichen Ereignisse in den blutrünstigsten Farben, doch Ivana hörte ihre Worte kaum und hob statt dessen nur ihre dunklen Augen, das Erbe ihrer griechischen Urgroßeltern, wie ihre Mutter immer zu sagen pflegte, umso öfter zu den Sternen und träumte von den Wundern, die dort ganz allein auf sie wartet würden.
So wurde Ivana schließlich 13, ein Datum der Entscheidung. Hier trennten sich zum ersten Mal in ihrem Leben die Pfade auf dem Weg zum Erwachsen werden ganz krass. Nun mußte sie die Entscheidung fällen, ob sie zur normalen Schule in der nächsten Kleinstadt gehen würde und sich somit defakto für eine Zukunft auf der von den meisten Föderationsbürgern fast verächtlich als provinziell genannten Erde entschied, oder ob ihr der Sinn nach einer der vielen Vorstufenakademien der Föderation stand, die gerade auf der Erde in nahezu allen Fachrichtungen vertreten waren.
Und ausgerechnet an diesem verhängnisvollen Geburtstag kam dann ihr Cousin Tom aus Belfast zu Besuch, um sich von der Familie zu verabschieden. Am nächsten Tag, so erzählte er allen voller Stolz, beginne sein Dienst an Bord des Handelsraumschiffes Morningstar, das zu einer der ganz großen Föderations-Handelsstationen nahe der Grenze zum Reich der Klingonen fliegen werde.
An diesem Tag schien für Ivana alles andere unwichtig geworden zu sein. Gebannt lauschte sie Tom’s Geschichten, der von seiner Ausbildung in der Schule für Handelsnavigatoren auf dem Mond erzählte, von seinem ersten Spaziergang außerhalb eines Raumschiffes im ganz freien Weltraum zwischen Erde und Mars, von der aufregenden und schließlich doch erfolgreichen Suche nach einem seiner Schulkameraden, der sich mit einem Schulungsshuttle und fahrlässigen 8 Stunden Energievorrat im Asteroidengürtel verirrt hatte, von den seltsamen Handelsgütern ferner Welten, von exotischen Gästen aus anderen Zivilisationen und, zu Ivana’s Entzücken und zum Entsetzen ihrer Pflegeeltern, von dem unendlich schönen Gefühl, der Erde entronnen zu sein und die schiere Unendlichkeit des Weltalls sein Zuhause nennen zu können.
Als Tom an diesem Abend von einem Zubringershuttle der Sirius-Traders-Kooperative direkt vor Ivana’s Haustür abgeholt wurde, war es ihr, als würde bereits ein großes Stück ihrer Seele mit ihm hinauffliegen in jene verlockende unendliche Weite des All, in jene Weite, in der, wie sie voller Inbrunst hoffte, ihr Lebensweg sie führen würde.
Lange noch, als alle anderen schon längst wieder im Hause verschwunden waren, stand sie noch da und sah hinauf zu jenem Gewölbe aus schwarzer Leere und glitzernden Sterne, die gleich lockenden Edelsteinen nur auf sie zu warten schienen.
Dann, ihr schlanker Körper wurde in der gleichen Sekunde von einem fast lautlosen Schluchzen geschüttelt, zog eine gleißende Sternschnuppe über den dunklen Sommerhimmel, hinterließ für Sekundenbruchteile eine leuchtende Spur am Firmament und erlosch in einen Schauer von rasch ersterbenden Funken.
‘Ein Wunsch, ein Wunsch!’ so rasten die Gedanken in ihrem Kopf und ihre Lippen formten einen unhörbaren Satz:
„Ich ... ich wünsche mir, zwischen den Sterne leben zu dürfen!“
Später einmal nach diesem Moment ihres Lebens gefragt, hätte Ivana nicht zu sagen vermocht, ob ihr Leben von da an von Wunsch, Wille oder Vorsehung gelenkt worden sei, nur eines vermochte sie mit Bestimmtheit zu sagen; ihr Weg würde sie dort hinaus führen, wo die Wunder der Unendlichkeit auf sie warteten.
Ivane ging weder zu einer der normalen Schulen in der nächsten Stadt, noch nach Inverness in die Begabtenklasse, die sie auf Anraten ihrer Lehrer besuchen sollte, sondern zum Entsetzen ihrer Pflegeeltern auf das technische Handelsseminar in Thule, wo sie bereits nach vier Jahren ihre ersten Diplome in Handelsrecht und Astronavigation erwarb.
Mit 19 errang sie bei den Handelssimulationsspielen anläßlich des Besuches einer Ferengidelegation auf der Erde die höchstmögliche aller Punktezahlen durch die nahezu perfekte Kombination von technischem Wissen und kaufmännischem Geschick.
Dadurch fiel sie dem ehrenwerten Trenek, einem einflußreichen Ferengisippenherrn und einem der bestem Geschäftsfreunde des damaligen Nagus der Ferengi auf. Er ließ ihr noch am selben Abend durch einen unterwürfigen Sendboten einen seltenen Artefakt aus dem fernen Klingonenreich überbringen und ausrichten, daß sie mit ihren Fähigkeiten durchaus einen, wenn auch noch nicht perfekten, männlichen Ferengihändler abgeben könne.
Dieses wirklich exorbitante Kompliment zählte nicht nur in Ferengikreisen mehr als alle Siege bei Handelsspielen und seine Auswirkungen zeigten sich schon wenige Stunden später, als gleich drei Handelshäuser ihr eine Handelsoption anboten. Ivana konnte nun einfach wählen, wohin sie die Gezeiten des unendlich Kosmos tragen sollten.
Die Sirius-Traders boten ihr einen Posten als Vizeverwalterin eines Handelsposten auf der neuen Tradebase Panschab an, die First Terra Unlimited Imports würden sie ohne zu Zögern mit dem kaufmännischen Kommando eines Rundreisehandelsraumers betrauen und zuletzt bot ihr sogar die andorianische Botschaft den Posten eines Handelsattaches auf der Erde an, was wohl jeder Absolvent ihrer Schule mit Freuden akzeptiert hätte.
Doch genau das waren die typischen Karriereangebote, die Ivana nun ganz und gar nicht wollte. Sie suchte das Abenteuer Weltraum, Reisen in unbekannte Fernen und wollte nicht an einem Punkt festsitzen oder immerzu mit einem Handelsschiff die gleiche Route befahren.
Ein paar Wochen später, sie war immer noch ohne jedwede Vorstellung von ihrer weiteren Zukunft, beendete sie ihre Ausbildung mit einer Sonderprüfung vor dem obersten Komitee der Starfleet und der Handelsakademie mit höchster Auszeichnung.
Als sie an diesem Abend in Thule in ihrem kleinen Schülerappartment ihre wenigen Sachen für die Heimfahrt packte, gingen ihr die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf.
In diesen letzten Tagen an der Akademie von Thule war sie nicht zum Nachdenken gekommen und so rekapitulierte sie jetzt, während sie das Geschenk des Ferengi, den wertvollen klingonischen Dolch sehr sorgfältig zwischen ihren Kleidungsstücken verstaute, was alles noch zu bedenken sei, bevor sie ihre endgültige Entscheidung würde fällen können.
Ihre Mutter bat sie in jeder Tagespost inständig, doch auf Dauer nach Hause zurück zu kehren. Sie könne es ihr ermöglichen, ein eigenes kleines Handelsbüro in den bisher ungenutzten Räumen des Hauses zu eröffnen. Auch Tom hatte sich nach ihrem Erfolg bei den Handelsspielen mit einer Gratulation und den besten Wünschen für die bevorstehenden Prüfungen bei ihr gemeldet.
Er war im Moment auf einem Lazarettschiff und kurierte eine Verletzung aus, die er sich auf einem neuentdeckten Planeten zugezogen hatte. Ein paar der Eingeborenen hatten seine Landung für einen kriegerischen Akt gehalten und die Handelsdelegation mit ihren zwar mehr als primitiven, jedoch sehr wirksamen Waffen angegriffen. Pfeile, Speere und Keulen waren halt in manchen Situationen sogar den modernsten Waffen überlegen.
Ivana sichtete zum letzten Male die eingegangene Post auf ihrem Terminal, erledigte noch ein paar Behördensachen und schickte einen Genesungswunsch an Tom. Immer noch hatte sie keinerlei Vorstellung von dem, was sie nun in Zukunft machen würde. Tagelang hatte sie immer wieder die unzähligen Stellenangebote aus den Datenbanken miteinander verglichen und wieder verworfen. Denn kaum etwas davon hatte ihr wirklich zugesagt, und wenn, dann wurden entweder Männer gesucht oder Leute mit langjähriger Erfahrung.
Schon wollte Ivana ihr Multi-Info-Terminal bei der zuständigen zentralen Datenverwaltungsstelle endgültig abmelden und ihr Appartment zum letzten Male verlassen, als noch eine neue Nachricht für sie eintraf. Eher etwas ungeduldig als neugierig akzeptierte sie den Eingang und las den recht langen Text.
Sehr geehrte Absolventin der Handelsakademie,
wahrscheinlich ist Ihnen das Handelshaus Nobelrose of Venice kein Begriff. So werden Sie mein folgendes Angebot wahrscheinlich auch nicht als akzeptabel ansehen. Als ich dieses Unternehmen von meinem Vater übernahm, wie es bereits seit Generation die erstgeborenen Kinder unserer Familie von ihren Vätern übernahmen, war es bereits im Abstieg begriffen.
Stets handelten wir mit dem ungewöhnlichen, mit Raritäten und Spezialitäten, reisten in wenig bekannte Gegenden des Alls oder gar in kaufmännisches Neuland, um unsere Einzigartigkeit im Warenangebot zu wahren.
Doch, zu meinem Leidwesen, es war mir nie vergönnt, eine Frau zu finden, die mir die Kinder hätte schenken können, die unser Familienvermächtnis fortgesetzt hätten. Nun bin ich alt, zu alt um noch an meine Zukunft denken zu müssen.
Da hörte ich vom Nagus der Ferengi, einem alten Freund meiner Familie, daß es hier auf der Erde ein Talent geben solle, daß Nobelrose of Venice wieder zu dem machen könne, was es einmal war.
Er nannte mir ihren Namen und gab eine in Ferengiaugen schon beachtliche Referenz. Falls sie also Interesse hätten, für das Haus Nobelrose zu arbeiten, wäre ich jederzeit bereit sie in meinem Kontor zu empfangen, um einen für beide Seiten einträglichen Kontrakt zu schließen.
Mit kaufmännischen Grüßen
Armand Diaz de Segouro / Nobelrose of Venice
Dieser Tag war nach ihrer Entscheidung, das Handelsseminar in Thule zu besuchen, der zweite Meilenstein im Leben Ivana’s. Ein dritter sollte erst ganz an seinem Ende kommen, doch das konnte Ivana zu jenem Zeitpunkt weder wissen noch ahnen, denn ihr waren, wie allen Sterblichen, die aufs seltsamste verschlungenen Pfade der Zeit, des Raumes und der Dimensionen nur in ganz kleinen Bereichen sichtbar.
Noch am selben Abend brach sie kurzentschlossen nach Agadir auf und als sie schließlich mit drei Tagen Verspätung bei ihren in größter Sorge befindlichen Pflegeeltern erschien, ruhte in ihrem Gepäck ein Kontrakt, der sie als zu 33 1/3 % an allen Geschäften des Handelshauses Noblerose of Venice beteiligte.
Zwölf kurze und doch für sie selbst so lange Tage blieb sie im Hause ihrer Eltern; es wurde fast nur von vergangenen Zeiten geredet und wenn überhaupt von der Zukunft gesprochen wurde, dann schienen ihre Pflegeeltern es als einfach nicht existent anzusehen, daß ihre Tochter schon bald in unendliche Fernen ziehen würde.
Am Morgen ihres Abreisetages traf dann Tom’s Glückwunsch zu ihrer bestandenen Prüfung ein; zusammen mit einer Föderations-Eildepesche vom Starfleet Lazarettschiff Fleming, daß Tom am vorangegangenen Tage der Wirkung eines noch nicht identifizierten Giftes erlegen war, mit dem die Eingeborenen von Zerika 5 ihre Pfeile und Speere zu präparieren pflegten.
Ivana’s Eltern waren entsetzt und bestürmten sie, den Kontrakt mit Nobelrose sofort annulieren zu lassen. Doch Ivana blieb hart. Schließlich würde man auch in der grünen Hügellandschft Irlands irgendwann einmal sterben müssen. Erst vor drei Tagen sei ein Reiter bei Porters Farm vom Pferd gestürzt und zu Tode gekommen. Also zähle dieses Argument nicht und sie würde den einmal geschlossenen Vertrag mit Nobelrose of Venice unabänderlich erfüllen.
Als Ivana Stunden später in den Zubringer zum nächsten Shuttlehafen stieg, stand nur ihre Mutter am Gartentor. Ihr Vater hatte sich derweil, wilde Verwünschungen gegen alle Heiligen Irlands ausstoßend, in seine kleine Hobbywerkstatt zurückgezogen, um letzte Hand an irgendein antikes Möbelstück zu legen, das er in seiner Freizeit restaurierte.
Voller Trauer und doch erfüllt von einer unbändigen Erwartung blickte Ivana aus dem schmalen Heckfenster des Zubringers und sah die nun immer kleiner werdende Gestalt ihrer Mutter vor dem kleinen, altmodischen Bruchsteinhaus im Schleier ihrer aufsteigenden Tränen versinken.
Als sie ihren Blick schließlich doch nach vorne zwang, brach gerade die Sonne durch die Wolken und ließ die unzähligen Wassertropfen auf der Frontkuppel des Fahrzeugs wie winzige Diamanten aufblitzen.
‘Nun denn, auf zu neuen Ufern!’ dachte Ivana und schwor sich, bei ihrem nächsten Besuch zu Hause ihrem Vater beweisen zu können, daß ihr Weg der richtige gewesen sei.
Damals ahnte sie noch nicht, daß sie ihre Pflegeeltern nie wiedersehen würde. Vier Jahre später erreichte sie bei einem Wartungsstop ihres Raumschiffes Nobelrose an einer der antiquierten Werftstationen im ersten Magellansektor die Nachricht vom Tode ihrer Eltern beim Anschlag einer Terroristengruppe während der Föderationsolympiade auf der Erde im Stadion von Großlondon.
Ivana konnte trotz aller Bestürzung nicht weinen, längst waren die Sterne ihre Eltern, der Weltraum ihre Heimat geworden und es zog sie immer weiter fort; zu neuen Häfen, zu Regionen, in der die Menschen noch zu den ganz seltenen Exemplaren der intelligenten Spezies gehörten. Hin zu all den gerade entdeckten Planeten und Zivilisation.
‘Immer weiter fort und nie zweimal an einem Ort!’, das war jetzt ihr höchstes Lebensdogma und bei all den Göttern, Götzen und Dämonen, an die all die unzähligen Intelligenzen des Kosmos glauben mochten, niemals wieder würde sie sich an einen einzigen Ort, an eine einzige Welt fesseln lassen.
Es war dann irgendwo zwischen den großen, von unzähligen Latinumschürfern und auch diversen Glücksrittern heimgesuchten Staubfelder des Dreisonnensystems Darius und der antiquierten Handelsstation Babel IV, als sie zu Beginn des 12. Jahres ihrer ruhelosen Reise durch die ewige Unendlichkeit des Universums die Nachricht vom Tode ihres treuen Vertragspartners Armand Diaz de Segouro erreichte.
Voller trüber Gedanken und sich immer wieder fragend, ob sie denn ihrem Traum vom Leben in der Unendlichkeit des Universums all die Menschen opfern mußte, die ihr je etwas bedeutet hatten, erreichte sie mit Höchstgeschwindigkeit die Station Babel IV.
Beim Stationskommandanten, einem gelangweilt wirkenden jungen Föderationsbeamten, machte sie formell ihre Ansprüche auf den Besitz am gesamten Handelshaus Nobelrose of Venice geltend, wie es der Vertrag mit Armand einst so vorgesehen hatte. Zu ihrer großen Verwunderung waren binnen weniger Tage alle Formalitäten abgewickelt.
Das Glück des Reisenden war, wie immer, auf ihrer Seite. Schon ein paar Stunden nachdem sie die Besitztumspapiere erhalten hatte, fand sich schon ein finanzkräftiger Kaufinteressent. Ivana veräußerte kurzentschlossen die innerhalb der letzten Jahre wieder florierende Firma und ihr altes Schiff Nobelrose.
So verließ sie Babel IV als immens reiche Frau auf einem Passagierschnellschiff in Richtung Vulkansektor, wo sie eins der modernsten Einpersonenschiffe der bekannten Galaxis zu erwerben gedachte, um mit ihm dann endgültig und wirklich ungebunden durch die Weiten des Kosmos streifen zu können.
So ging ihr Traum schließlich in Erfüllung; mit der Nobelrose of Ireland, wie sie ihr neues Schiff benannte, brach sie von Vulkan aus zu den Welten des Gammaquadranten auf. Nicht länger als eine profane Händlerin würde sie die Weite des Universums durchstreifen, nein, vielmehr als eine Entdeckerin gedachte sie in Zukunft zu leben.
Es war kurz nach ihrem fünfunddreissigsten Geburtstag, die 3 letzten Flugtage durch ein nahezu unerforschtes Gebiet zu einer neu gegründeten Handelsstation waren aufgrund der ganz plötzlich auftretender Energiestürme mehr als turbulent gewesen.
Da geschah es, daß sie während der simulierten Nachtperiode an Bord ihres Schiffes völlig schweisgebadet aus dem Schlaf aufschreckte. Ein Alptraum hatte sie heimgesucht, ein Alptraum, in dem ihr ihre richtigen Eltern, die sie nur von alten Holo’s her kannte und Tom erschienen waren. Auch der gute alte Armand stand in diesem Traum an ihrem Bett.
Sie alle sprachen wie in Trauer von ihr und als sie ihnen sagen wolle, das sie nicht zu flüstern bräuchten, sie sei schon längst wach, merkte sie, das sie nicht mehr Herr ihrer Körperfunktionen war. Sie konnte sich nicht rühren, kein Wort sagen und fror entsetzlich. Doch der Alptraum war damit noch nicht zu Ende gewesen.
Plötzlich war ein ihr völlig fremder Mann erschienen, ein sehr aktraktiver, doch auch geheimnisvoll erscheinender Mann. Er hatte sich über sie gebeugt, ihr tief in die Augen gesehen und zu weinen begonnen. Unter Tränen hatte er dann das Betttuch ergriffen und es ihr wie einer Toten vorsichtig über den Kopf gelegt. Ivana wollte schreien, als der seidige Stoff ihr Gesicht berührte, doch kein Laut kam über ihre Lippen.
In diesem Moment war Ivana keuchend erwacht. Sie rang verzweifelt nach Atem und sog die Luft erleichtert in ihre Lungen. Schlagartig fühlte sie sich unwohl, ihr wurde übel und sie fror zudem entsetzlich. Zuerst dachte sie, die Lebenserhaltungssysteme hätten eine Fehlfunktion und würden sie mit vergifteter Atemluft versorgen, doch eine Nachfrage beim Computer und ein Blick auf die Kabinenkontrollen belehrten sie eines Besseren.
Ivana schleppte sich buchstäblich in die Hygienezelle, wo sie zum ersten mal für kurze Zeit das Bewußtsein verlor. Als sie wieder zu sich kam, heulte der Kollisionsalarm durchs Schiff und alle Annährungssysteme zeigten Gefahrenstufe Rot.
Ivana schaffte es mit letzter Kraft an die Kontrollen zu gelangen. Auf dem Panoramaschirm schwebte der riesige, graumetallische Ball einer Handelsstation in bedrohlicher Nähe. Der Computer hatte bereits das Nothaltemanöver eingeleitet, während aus den Lautsprechern unablässig eine mehr als aufgeregte Stimme erscholl, die das nicht identifizierte Raumschiff auf Kollisionskurs zum sofortigen Stoppen aufforderte.
„Hier ist die Nobelrose of Ireland unter Kommandantin Iva ......“ weiter kam sie nicht; wieder wurde es ihr schwarz vor Augen und sie stürzte schwer zu Boden.
„ ..... und ich kann ihnen in ihrem Fall nur empfehlen, das Wurmloch zu benutzen und sich an die Raumstation DS9 zu wenden. Mir ist ihre Erkrankung völlig unbekannt und ich kann nur lindernde Maßnahmen treffen. Doch der dortige Arzt, er hat eine Menge Erfahrung mit solch exotischen Erkrankungen und verfügt über ein ausgezeichnetes Instrumentarium. Außerdem soll er auch sehr charmant sein und eine Schwäche für schöne Frauen haben.“
Lächelnd half ihr der diensthabende Arzt der Station, ein alter Veteran aus dem Borgkonflikt, beim Aufstehen und hielt ihr die Tür zum Gang auf. Sein Gesicht war gezeichnet von einer seltsamen Narbe, die er sich laut seiner Erzählung im Krieg gegen die Borg geholt hatte. So konnte Ivana nicht einmal erahnen, ob sein so zuversichtliches Lächeln echt oder nur eine Folge der entstellenden Verletzung war.
„Ich werde sie noch zu ihrem Raumschiff begleiten, um dort ihrem Computer die notwendigen Anweisungen für ihre Behandlung zu geben. Ein wundervolles Schiff übrigens, daß erste seiner Baureihe, das je hier angedockt hat. Sie können stolz darauf sein!“ Plötzlich wurde sein Gesicht doch ein wenig ernster. „Ich lege ihnen nochmals nahe, nicht den Umweg über den Sektor Sigma B sieben Sideris zu wählen, sondern direkt zum Wurmloch zu fliegen. Jeder Tag, den sie eher dort eintreffen, könnte vielleicht wichtig für ihre Genesung sein!“
Ivana antwortete ihm nicht, ihre Gedanken kreisten um die viele wertvolle Zeit, die sie verlieren würde während eines Umweges über DS9. Sie hatte sich selbst 3 Jahre für eine Erkundung der am wenigsten bekannten Regionen des Gammaquadranten gegeben und jetzt gerade wegen ihrer Erkrankung diesen gewaltigen Umweg hinnehmen zu müssen, das paßte ihr absolut nicht ins Konzept.
Sie dankte dem Arzt der Handelsstation, beglich seine Rechnung mehr als großzügig und meldete sich bei der Hangarkontrolle als startbereit. Endlich wieder an Bord ihres Schiffes ließ sie sich vom Schiffscomputer die neusten Nachrichten aus dem bekannten Universum mitteilen.
Während die Nobelrose of Ireland durch das Startfeld glitt und den Hangar verließ, erfuhr sie so von der Entdeckung eines neuen Latinumfeldes in der Nähe des von den Romulanern beanspruchten System Periost, vom Fund mehrerer Millionen Jahre alter Ruinen auf einem Dunkelplaneten im Pferdekopfsektor und einem neuen, revolutionären Antriebsprinzip einer sonst, am galaktischen Standart gemessen, ziemlich unterentwickelten Rasse, daß einem Schiff angeblich eine Reise in Nullzeit von Stern zu Stern ermöglichte.
Schließlich forderte der Computer des Schiffes sie zur Eingabe ihres nächsten Zieles auf, da der Ausdockungsvorgang abgeschlossen sei und das Schiff sich nun in einer weiten Parkelipse um die Handelsstation befände.
Einen Augenblick zögerte Ivana noch, wägte im Geist die Alternativen ab, die sich ihr anboten, doch dann gab sie Befehl, den Kurs auf den Sektor B sieben Sideris zu setzen. Dort hatten ein paar wagemutige Vermesser vor einigen Wochen ein Objekt entdeckt, daß das quasistellare Objekt 1347/SB7 in einem Orbit von fast einem dreiviertel Lichtjahr umkreiste. Obwohl größer als eine normale Sonne vom G-Typ wie etwa die irdische, sollte auf seiner Oberfläche nur knapp ein G Schwerkraft herrschen.
Man vermutete nun, daß dieses neu entdeckte Objekt hohl und nicht natürlicher Herkunft sei. Eine solche einmalige Gelegenheit ließ sich Ivana natürlich nur ungern entgehen und so vertraute sie einfach darauf, daß die Therapie des altgedienten Handelsstationsarztes alle Probleme mit ihrer Gesundheit beseitigt habe und befahl dem Schiff, mit voller Warpenergie Kurs auf den Quasar 1347/SB7 zu nehmen.
Vier Tage waren vergangen und fast dreissig Prozent der Strecke lag bereits hinter ihr, als sie mit gelindem Schrecken festsstellen mußte, daß nun trotz der wirklich mehr als peinlich genauen Einhaltung all der Behandlungsvorschriften durch das bordeigene medizin - technische System erneut die alten Symptome ihrer Erkrankung auftraten. Nun doch ein wenig besorgt beobachtete sie die ersten Anzeichen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes.
Sie litt unter Schwindelanfälle, ständiger Übelkeit und dazu verlor sie in immer kürzeren Intervallen stets für ein paar Sekunden das Bewußtsein. Sie schlief auch kaum noch, denn dann suchten sie wieder diese schrecklichen, im Moment des Aufwaches aber ganz einfach so aus ihrer Erinnerung verschwindende Alpträume heim.
Am dritten Tage nach dem erneuten Auftreten der Krankheitssymtome wachte sie zum x-ten Male aus einer kurzen Bewußtlosigkeit auf und stellte fest, das der Medocontrol, den sie seit einigen Tagen an ihrem Handgelenk trug, fast nur noch orangefarbene oder sogar rote Werte anzeigte. Ob sie es wollte oder nicht, jetzt mußte sie aufgeben und Kurs auf DS9 und das Wurmloch nehmen.
Mit vor Schwäche fast versagender Stimme befahl sie dem Schiffscomputer, den Kurs sofort zu ändern. Nach wenigen Sekunden hatten sich die Sternkonstellationen auf dem Panoramamonitor völlig geändert, das Schiff hatte den alten Kurs um fast 150° korrigiert und beschleunigte nun mit Höchstwerten auf das Wurmloch zu.
Endlich entspannte Ivana sich ein wenig und ließ es zu, daß die aufdringliche Medoeinheit ihres Kontrollsessels ihr einige Kubikzentimeter jenes Kompositmedikamentes verabreichte, daß ihre Krankheit zwar nicht heilen konnte, aber zumindest bislang immer für eine, wenn auch kurzfristige, Besserung gesorgt hatte.
Kopfschüttelnd betrachtete sie danach die leicht oszillierenden Anzeigen ihres Medocontrol, die trotz des Medikaments weiter im Gefahrenbereich blieben. Irgendetwas stimmte mit dem Gerät wohl nicht, denn sie selbst fühlte sich bereits wieder fast normal. Mit neuer Zuversicht und dem verlockenden Gedanken an eine heiße Dusche und ein kräftiges Essen stand sie aus dem Kontrollsessel auf.
Doch schon nach einigen wenigen, ganz vorsichtigen Schritten umfing sie erneut der schwarze Schleier einer Bewußtlosigkeit und sie stürzte schwer zu Boden, während der Computer lapidar das Erreichen der maximalen Warpgeschwindigkeit meldete.
Als Ivana die Augen wieder aufschlug, war sie von ihr unbekannten Menschen umringt. Sie befand sich bestimmt nicht mehr an Bord ihres Schiffes, sondern in einem Raum, der sie an die überall ähnlichen Krankenstationen auf den Handelsstützpunkten erinnerte.
Ein junger Mann mit arabisch wirkenden Gesichtszügen und sanften Augen beugte sich gerade über sie, um sich dann, ein paar unverständliche Worte murmelnd, mit einer obskuren Maschine zu beschäftigen, die ihren rechten Arm fast völlig umschloß. Eine noch junge Bajoranerin entfernte gleichzeitig eine Infusioneinheit von ihrem linken Arm. Ivana wehrte barsch die helfenden Hände einer zweiten Frau ab und versuchte, aus eigener Kraft aufzustehen; doch sie war zu schwach.
„Gott sei Dank, sie sind endlich wieder bei Bewußtsein! Ich bin Julian Bashir, Arzt auf DS9. Sie brauchen sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen, wir kümmern uns um sie!“ Lächelnd half er ihr, sich aufzusetzen. „Machen sie sich keine Gedanken, ihr Schiff ist vollkommen intakt. Übrigens, ein wundervolles Fahrzeug! Es hat dank seiner Notsysteme erkannt, daß sie nicht mehr in der Lage waren, dem Computer neue Anweisungen zu geben, als es das Wurmloch erreichte.“
Ivana stoppte seinen Redefluß mit einer schwachen Bewegung ihrer freien Hand.
„Doktor, sie müssen im Medospeicher meines Schiffscomputers nachsehen, dort befindet sich ein kompletter medizinischer Untersuchungsbericht meines letzten Arztes und die korrekte Behandlungsanweisung für meine Medoeinheit!“
„Strengen sie sich nicht durch zuviel Sprechen an, Ivana, ich habe bereits alle Daten von dort in meinen Computer überspielt! In ein paar Tagen sind sie wieder auf den Beinen! Und nun schlafen sie ein wenig. Es wird ihnen gut tun!“
Ivana ließ sich erschöpft zurücksinken und das Letzte, was sie noch bewußt wahrnahm, bevor der erste erholsame und taumlose Schlaf seit Tagen sie übermannte, waren diese sanften Augen in dem jungenhaften Gesicht.
Julian Bashir verließ erschöpft und deprimiert die Krankenstation. Einen Moment stand er auf dem Gang und versuchte Ordnung in seine Überlegungen und Gedanken zu bringen. Schließlichentschied er sich, nicht in sein Quatier zu gehen und schlug den Weg ein, der ihn zu Quark’s Bar führte.
Es war nach der momentanen Stationszeit früher Abend und schon recht viel Betrieb in dem Lokal. Julian suchte sich eine ruhige Nische nahe bei der Theke, wehrte die eindeutigen Avancen zweier ihm recht gut bekannter Dabomädchen ab und ließ sich schwer auf den bequemen Sitz fallen.
Nach zwei oder drei Gläsern antarianischen Arraks fühlte er sich schon wieder weitaus besser. Er gewann langsam ein klein wenig Abstand zu dem Problem, das er mit seiner neuen Patientin hatte und die jetzt beginnende Wirkung des Alkohol trug das ihre dazu bei. Doch das sollte sich rasch ändern, als ihn jemand mit einer unverkennbaren Stimme ansprach, die in Julian recht unliebsame Erinnerungen an vergangene Episoden wachrief.
„Hallo, alter Freund, Frauenliebling und Medicus! Schön zu sehen, daß sie ihren Patienten zwar das Trinken verbieten, aber im Selbstversuch die Gefahren des Alkohols gleichsam furchtlos zu analysieren suchen!“
Julian verschluckte sich prompt, fuhr erstickt hustend herum und blickte verschreckt in Q’s wie meist unbewegtes Gesicht. Abwehrend hob er die Hände, ganz so, als müsse er einen Angriff abwehren.
„Nicht schon wieder sie! Ich habe genug von ihren Scherzen!“ Julian schüttelte den Kopf wie um eine Halluzination zu vertreiben und wandte sich wieder ernsthaft seinem Drink zu. „Sie sind nur eine Illusion, mehr nicht, eine Heimsuchung! Ich werde sie einfach ignorieren und sie werden sich in ein kleines Wölkchen sirianischen Mehlstaubs auflösen und -pscht- weg sind sie, einfach weg!“
„Nicht doch, Julian, ich habe weder vor, sie zu malträtieren, noch mich in Mehlstaub und Imatrialität aufzulösen! Ich bin sozusagen nur auf der Durchreise und wollte eigentlich den guten alten Quark ein wenig necken! Doch der ist, wie ich dem Gerede seiner Verwandten entnehmen kann, gerade in geheimer Mission für seinen Nagus unterwegs. Also, da denke ich mir doch, leiste deinem alten Freund Julian, Medicus und Frauenfreund, Bashir ein klein wenig Gesellschaft!“
Julian war schon nicht mehr ganz nüchtern, so hörte er nicht den spöttischen Unterton in Q’s Stimme. Erneut blickte er Q an, der hochaufgerichtet mit entwaffnendem Lächeln dastand und auf eine Antwort wartete.
„Gut, Q, ich will ihnen glauben, aber nur, wenn sie es wirklich ehrlich meinen! Setzen sie sich zu mir und wir nehmen ein, zwei Drinks gemeinsam, treiben Konversation und begraben unseren Zwist für den Augenblick!“
Unter schallendem Lachen schlug Q Julian kameradschaftlich und äußerst kräftig auf die Schulter, so das dieser vor Schmerz das Gesicht verzog, zog einen Stuhl heran und rief lauthals nach der Bedienung.
Eine halbe Stunde und etliche Drinks später erzählte Julian Q bereits freimütig von seiner neuen Problempatientin, während dieser sich in konzentriertes und nachdenkliches Schweigen hüllte.
„Hören sie mir überhaupt noch zu, sie übermachtiges Wesen?“
„Natürlich, die lächerlichen Probleme von Sterblichen erweckten schon immer mein Interesse. Ich verstehe die Problematik!“ sagte Q und schob Julian das nächste Glas mit Arrak hinüber.
„Sie hat sich also im Gammaquadranten in einem starken Feld von energetisch neutral entarteten Tachyonen aufgehalten, dazu wahrscheinlich eine destruktive Zeitpression erlebt und dabei wohl anscheinend auch noch eine um vieles zu hohe Dosis von T-Detateilchen der zweiten Ordnung abbekommen. Zu dem an sich schon unheilbaren Tachyonenfeldsyndrom kommt nun auch noch dieser rasante, auch nicht zu stoppende Verfall des Nervengewebes. Es ist sozusagen eine Art kosmischer Schwindsucht, gepaart mit der schwarzen Raumpest! Traurig, traurig, Julian! Doch als alter Medicus sage ich dir etwas: Trink mein Freund, das hilft der Patientin mehr als deine Medizin und ich werde versuchen, dir und ihr wirklich zu helfen!“
Als Julian mühsam und unter unsäglichen Kopfschmerzen die Augen aufschlug, stellte er fest, das er auf einem Bett seiner eigenen Krankenstation lag. In seiner Nähe hörte er Q’s Stimme, die leise und eindringlich zu jemandem sprach.
Zu jemandem! ..... Zu seiner Patientin!
Julian richtete sich ruckartig auf, das heißt er wollte sich aufrichten, doch plötzlich kreiste der Raum um ihn und er ließ sich stöhnend auf die Liege zurücksinken. Wie durch Watte hörte er Ivana’s Stimme, als sie Q antwortete.
„Ich bin mir sicher, ich habe sie schon einmal gesehen, Doktor, damals, in meinem allerersten Alptraum, als diese Krankheit bei mir ausbrach! Sie weinten und deckten ein Leichentuch über mein Gesicht! War es...., nein, ist es nicht so, ich werde also bald sterben, hier, an diesem Ort, in ihrer Anwesenheit!“
„Nicht doch, nein!“ Q lachte schallend und mit einer weit ausholenden Geste seiner Arme schien er die ganze Station umfassen zu wollen. „Man nennt mich hier Q! Doch ich bin mehr, bin anders, bin nicht so wie die Wesen, die dieses Universum mit Leben erfüllen sollen! Ich kann nicht weinen, niemals! Es ist mir nicht geben, daß ich wirkliche Tränen vergießen kann!“
Geheimnisvoll blickend drehte er den Kopf nach links und rechts, wie um sicher zu gehen das niemand sie belausche. Dann beugte er sich wieder zu ihr hinab und sprach fast flüsternd weiter.
„Also, mein Kind, keine Sorge, sie werden diese Station so verlassen, als hätten sie das Wort Krankheit noch nie gehört! So, nun werde ich mich um meinen anderen Patienten kümmern, ihm geht es vielfach schlechter als ihnen, denn er hat mit mir um die Wette getrunken und bedarf schnellstens kompetenter ärztlicher Hilfe!“
„Sind sie wahnsinnig, sie Scharlatan? Sie sind kein Arzt!“ Julian hatte es nach mehreren, äußerst kläglich verlaufenen Versuchen geschafft, sich zu erheben und Q unter Aufbietung aller ´Kraft aus der Krankenstation zu bugsieren, in der Ivana nun wieder tief und fest schlief. „Ich könnte sie .....!“
„Gemach, gemach, junger Freund und Kollege des Faches! Ich war mal Medicus in Italien, zu einer Zeit, als dort die Pest grassierte; auch als Schamane eines wilden Stammes habe ich so manche Erfahrungen sammeln können und als Psychologe war ich erst recht Klasse, wirklich, meine Dispute mit Sigmund Freud hätte man in der Literatur festhalten sollen!“
Julian war sprachlos; was maßte sich dieser aufgeblasene, selbsternannte Alleskönner bloß an?! Q und Arzt, niemals, nur über seine Leiche würde er ein zweites Mal an seine Patientin kommen!
„Hör mir jetzt gut zu, Dr. Bashir!“ Q faßte Julian recht grob bei den Schultern und schüttelte ihn regelrecht durch. „Sie wird sterben, bald, sehr bald, egal wer sie behandelt! Ich weiß es! Und du sollst es wissen! Ihr Tod ist von etwas mächtigerem bestimmt, als selbst ich es bin! So mächtig, daß selbst ich dafür nur eine unwichtige Ansammlung organisierter Moloküle bin! Es ist das Karma des Universums, das wir unserem Schicksal manchmal nicht entkommen können!“
Q ließ Julian jetzt genauso plötzlich los, wie er ihn ergriffen hatte und dieser taumelte durch die Nachwirkungen seines Alkoholexzesses stark geschwächt zurück bis an die äußere Wand der Krankenstation.
„Vor unendlich langer Zeit war ein großes Gebiet, größer als der ganze, der Föderation bekannte Sternenraum, verseucht von entarteten Tachyonen! Milliarden von Lebewesen gingen erbärmlich zugrunde, ganze Sternenimperien verschwanden aus dem Buch des Kosmos und Hochkulturen versanken im Grau der Geschichte, gegen die selbst mein Volk klein und erbärmlich erschienen wäre. Eine Veränderung der Energiekonstante in einer anderen, exotischen Dimension hatte diese Katastrophe ausgelöst. Fast eine halbe Million Jahre dauerte es, bis sich die entarteten Tachyonen wieder in das Gefüge von Raum und Zeit eingepasst hatten.“
Julian starrte Q bei dessen Ausführungen verwundert an. Nie zuvor hatte den geheimnisvollen Besucher, der sie oft unverhofft heimsuchte, so ernst und eindringlich reden hören.
„Bitte, Julian Bashir, du bist Arzt, ein Heiler, ein Helfer für die Kranken und für all die Verzweifelten! Ich beschwöre dich, glaube nur dieses eine, dieses allereinzige Mal an die Ernsthaftigkeit meiner Worte! Sie ist in eine lokale Subraumanomalie geraten, die für relativ kurze Zeit eine ganz ähnliche Entartung von Tachyonen verursacht hat, wie es in der fernen Vergangenheit geschah.“
Q schloss bei seinen Worten kurz die Augen, ein diffuses Licht umhüllte ihn vage, floß zusammen, an seinem wie bittend ausgestreckten Arm entlang und in seiner Handfläche erschien prompt eine kleine Phiole mit einer farblosen Flüssigkeit.
„Injiziere ihr das, und es wird ihr für eine relativ lange Zeit besser gehen denn je! Und dann laß sie gehen! Ihr bleibt nur noch eine so lächerlich geringe Spanne Leben in dieser Dimension und sie ist ein Kind des Raumes und könnte es nicht ertragen, in der Enge einer Raumstation oder auf dem Grunde des Luftozeans eines Planeten zu sterben!“
Julian schaute zweifelnd in die unergründlichen Augen Q’s, streckte zuerst ganz zögernd die Hand aus, um dann mit festen Griff das kleine Glasgefäß mit der so unscheinbaren Flüssigkeit an sich zu nehmen.
„Ich mach’s, verdammt, ich weiß nicht warum, aber ich mache es! Ich hätte jeden Grund, es für eines ihrer grausamen Spiele zu halten, doch ein Gefühl sagt mir, daß es diesmal anders ist, anders sein muß!“
Abrupt wandte er sich ab und ließ einen jetzt doch etwas verdutzt schauenden Q auf dem Gang vor der Krankenstation zurück. Einen kurzen Moment schien die Gestalt noch materiell, dann löste sie sich in einen mehlähnlichen Staub auf, der lautlos zu Boden sank.
Julian vermeinte in der sich gerade schließenden Tür der Krankenstation ein Geräusch wie von einer starken Windboe zu vernehmen und wandte sich noch einmal zu Q um. Doch der Gang war leer, leer bis auf ein paar ganz feine, nahezu unsichtbare Staubschleier, die sich in der sanften Luftströmung der Klimaanlage verloren.
„So, meine Liebe, das hätten wir! Es kam mir ja fast schon wie ein Wunder vor, daß ich in einem Fachmagazin, daß Dr. Q mir mitgebracht hatte, von ihrer speziellen Erkrankung las. Auf Teseus VI hat man ein ähnliches Problem wie sie mit zurückkehrenden Prospektoren gehabt und zum Glück ließ sich dieses Medikament nach der per Subraumfunk gesandten Rezeptur relativ schnell und einfach in unserem Labor herstellen!“
Lächeln setzte Julian den Injektor ab, mit dem er Ivana die von Q stammende Substanz verabreicht hatte. Er wunderte sich darüber, wie leicht ihm dieses Lügengespinst von den Lippen kam, vermied es jedoch, ihr direkt in die Augen zu schauen.
„Sie werden sich in ein paar Stunden wieder wie neu fühlen. Das Serum heilt übrigens nicht nur die Krankheit, sondern immunisiert Sie zudem! Sie brauchen sich also keine Sorgen wegen eines Rückfalls oder einer Neuerkrankung machen. Ja, und wenn alles normal verläuft, dann kann ich Sie schon morgen oder übermorgen wieder auf das Universum loslassen!“
Ivana lächelte ihn strahlend an und ergriff seine Hand. Zuerst noch sehr unsicher, dann jedoch voller Selbstsicherheit ging sie neben ihm her. Nach einigen Metern ließ sie kurz seine Hand los, drehte sich behutsam um sich selbst, ergriff dann aber erneut seine Hand und schenkte ihm ein Lächeln, das er wohl für sehr, sehr lange Zeit nicht würde vergessen können.
„Danke, Doktor Bashir, sie können ganz bestimmt nicht ermessen, wie sehr ich ihnen danke! All die Arbeit, die noch vor mir liegt, all die Aufgaben. Ich werde überall im Universum jeden wissen lassen, daß sie mein Leben gerettet haben! Sie sind ein Arzt, dem ich jederzeit wieder mein Leben anvertrauen würde!“
Julian brachte sie fürsorglich zurück zu ihrem Bett, löste seine Hand fast verlegen aus der ihren und machte sich sofort geschäftig daran, seine Instrumente beiseite zu räumen. Nur aus den Augenwinkeln nahm er wahr, daß Ivana bereits wenige Augenblicke später wieder tief und fest eingeschlafen war. Julian atmete auf, doch tief verborgen am Grunde seiner Seele trug er jene Angst in sich, etwas falsches getan zu haben.
Was wäre, wenn Q ihn belogen hatte, wenn er, wie schon so oft sein diabolisches Spiel mit den Menschen trieb? Wie sollte er, Julian Bashir, Arzt und an einen jahrhunderte alten Eid gebunden, den Menschen zu helfen, mit jener beängstigenden Alternative leben, das Q’s Medizin ein noch größeres Teufelswerk sein mochte als ihre Krankheit es darstellte?
Julian konnte sich einfach keine Antwort auf diese Fragen geben und so verließ er den Raum und wanderte ziellos durch die ungewohnt stillen Gänge und Hallen von DS9, weiter und weiter, immer das Damoklesschwert über sich erahnend, das Q ihn nur für eines seiner grausamen Spielchen benutzte, bis er dann plötzlich vor einem verschlossenen Schott stand, daß seinen weiteren Weg blockierte. Es war das Schott, daß zur Beobachtungskabine der großen Zentralschleuse führte.
„Schott öffnen! Dr. Julian Bashir! Medizinische Kontrolle der Räumlichkeiten!“ befahl er mit einer Stimme, die ihm selbst unheimlich fremd vorkam.
Summend glitt das dreifache Sicherheitsschott auf und gab den Weg frei in den fast beängstigend engen Kontrollraum. Zwei, drei schnelle Schritte brachten ihn durch den Raum und während sich hinter ihm das Sicherheitsschott bereits lautlos wieder schloß, stützte er sich mit beiden Händen an jener fast mannsgroßen, transparenten Halbkugel ab, die ihn jetzt einzig und allein noch von dem tödlichen Vakuum des freien Weltraumes trennte.
„Warum hast du ihr das angetan? Warum nur?“ schrie er in die schweigende Leere vor der Kuppel, doch nur der dumpfe Nachhall seiner eigenen Stimme in dem engen Raum antwortete ihm und so schlug er mit geballten Fäusten in einer hilflosen, stummen Geste der Verzweiflung gegen die gefühllose Fläche aus Ultraglas.
Wiederum schweifte dann sein Blick schweigend hinaus zu den Sternen, zu dieser unendlichen Leere des ewigen Alls, zu diesem Weg ohne Ziel; vorbei an der majestetischen Schönheit des Wurmlochs, daß wie eine sich gerade entfaltende Blüte in der samtenen Schwärze des Nichts schwebte und er verlor sich dort, wo Zeit und Raum, Leben und Tod, Sein und Nichtsein keine Bedeutung mehr zu haben schienen, wo nichts mehr zählte, außer eben jenem ewigen, dem allumfassenden Nichts.
Ivana’s Blick wandte sich von der in der Tiefe des Alls entschwindenden Raumstation ab und dem nun vor ihr liegenden Weg zu. Das Wurmloch erstrahlte direkt vor ihrem Schiff und schien dabei die Erhabenheit des Alls mit seiner Harmonie von Farben vervollständigen zu wollen.
In wenigen Augenblicken würde sie durch dieses wahrhaft unwirkliche Gemälde inmitten der tiefen Schwärze des Weltraumes zurückkehren in den Gammaquadranten, zurückkehren an jenen Ort, wo hunderte von unentdeckten Wundern allein auf sie warten mochten.
Im ersten Moment erschrak sie, als sie die sanfte Berührung einer Hand auf ihrer Schulter spürte, doch dann fiel ihr der Passagier ein, den sie bis zum Fernhandelsstützpunkt Farpoint X auf der anderen Seite des Wurmlochs mitzunehmen gedachte. Sie wandte sich ihm zu und blickte in jene unergründlichen Augen, aus denen ihr stets ein unfaßbare Hauch der kosmischen Unendlichkeit entgegen zu wehen schien.
„Ach, Q, sie haben mich fast erschreckt! Es ist seltsam, einen Gast an Bord zu haben, wenn man ansonsten immer allein reist.“ Sie blickte immer noch in diese Augen, in denen sich nun zwei winzige Abbilder des Wurmlochs zu spiegeln begannen. „Ich freue mich richtig, den Übergang diesmal bei vollem Bewußtsein erleben zu können! Und das habe ich ja nicht zuletzt auch ihnen zu verdanken!“
Q antworte nicht sofort; er blickte mit ihr gemeinsam in den unwirklichen Wirbel aus farbigem Licht und wartete auf den Eintritt in jenes seltsame Energiefeld, daß das Schiff und seine Insassen in den Gammaquadranten bringen würde.
„Ja, diese Einsamkeit, ich kenne sie, weiß um ihre Schönheit, auch um ihre vielen Schrecknisse! Doch gerade genieße ich es, mit ihnen gemeinsam auf dies kleine Spektakel aus Energie und Licht zu schauen, das die Menschen so phantasielos und profan nur das Wurmloch nennen.“
In diesem Moment erreichte das Schiff das Wurmloch und trat ein in diese seltsame Region, über deren wahre Beschaffenheit sich ganze Legionen von Wissenschaftlern noch immer den Kopf zerbrachen. Es tauchte ein in den verwirrenden Wirbel der Farben, drang tiefer und tiefer ein in diese Allegorie aus Sinneseindrücken, die ein jedes Wesen dieses Universums tief in seiner Seele berühren würde.
Ivana fühlte sich plötzlich leicht, ganz leicht und beschwingt, wie sie sich einst auf den grünen Wiesen Irlands gefühlt hatte. Damals, als sie durch die sanften grünen Hügel gestreift war, unter jeden Stein blickte und in jedes Baumloch, immer in der Hoffnung, einen Blick auf einen Zwerg oder eine Fee zu erhaschen zu können.
Ganz fest hatte sie in ihrer Kindheit an jene uralten Mythen und Märchen geglaubt, die man ihr damals erzählte; von der sagenhaften Fairy Queen, der Feenkönigin, von jenen ganz winzigen Menschen, die tagein, tagaus den großen Schatz ihres Zwergenkönigs, einen Topf voller Gold bewachten, dabei die lustigsten Lieder sangen und sich ihres Lebens freuten.
Einen Moment lang glaubte sie gar in dem Energiewirbel, der die Nobelrose of Ireland wie ein samtenes Tuch umgab, eine grüne, hügelige Landschaft zu sehen. Doch dann glitten sie wieder hinaus in den freien Weltraum, das Wurmloch fiel hinter ihnen zurück in die Schwärze des Alls und das Schiff nahm Kurs auf Farpoint X, eine der letzten Handelsstationen vor der Grenze zu den unerforschten Territorien.
Vier Tage dauerte der Flug bereits und Farpoint X lag nur noch knapp einund wanzig Flugstunden entfernt, als der Schiffscomputer Ivana ein nicht zu identifizierendes Objekt meldete, daß sich gerade anschickte, die Nobelrose of Ireland einzuholen. Es flog mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit und näherte sich somit beängstigend schnell. Vergeblich versuchte Ivana, einen Kontakt zu dem fremdartigen Schiff zu bekommen, daß jetzt bereits sehr klar und deutlich in der optischen Erfassung sichtbar war.
Es hatte die Form eines riesigen Diamanten, glitt mühelos mit fast Warp 20 durch das All und gleiste in schier unendlicher Farbenpracht. Seltsamerweise spürte sie keinerlei Angst vor diesem riesigen Objekt; es erschien ihr einfach zu schön, um eine Gefahr darstellen zu können.
Binnen weniger Augenblicke hatte es seine Geschwindigkeit der der Nobelrose of Ireland angepasst und war längsseits gegangen. Völlig gebannt starrte Ivana nun auf die gleißende Außenfläche des Schiffes und ihr Blick verlor sich in dem verwirrenden Spiel der Farben, daß den Sichtschirm fast völlig erfüllte.
„Oh, es tut mir leid, wenn es sie erschreckt hat! Ich vergaß ihnen zu sagen, daß sich kurz vor Farpoint X mein altes Schiff zu uns gesellen würde. Wissen Sie, es war sozusagen einmal mein Heim, meine Zuflucht, wenigsten für eine gewisse Zeit. Ich benötige es ja eigentlich nicht um zu reisen, wo hin immer ich will! Aber manchmal macht es auch mir halt einen gewissen Spaß, sich nur mit vier- oder fünfhundertfacher Warpgeschwindigkeit durch diese niederen Dimension zu bewegen!“
„Ihr altes Schiff?“ Ivana blickte Q mehr als überrascht an, wandte ihren Blick dann aber sofort wieder dem Hauptsichtschirm zu, auf. „Oh, bei allen Feen Irlands, es ist bestimmt das mit Abstand schnellste und schönste, was ich je auf meinen Fahrten gesehen habe! Welches Volk bringt so ein Wunderwerk zustande?“
„Gebaut hat es der Gedanke, der bloße Wunsch es zu erschaffen. Seine Existenz verdankt es der Phantasie und der Urkraft des Universums!“ Q lachte auf, als er den ungläubigen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah und streckte seine Hände nach dem Bild auf dem Sichtschirm aus. „Es ist erträumt worden aus reiner Energie, vom größten Materiemeister eines Volkes, dessen Existenz zu weit entfernt in Raum und Zeit von eurer Nische des Kosmos ist, als das ihr je von ihnen gehört hättet oder hören könntet. Der große Baumeister aller Welten und Dimensionen hat dieses geniale Individum einst mit der großen Gabe des Materieträumens bedacht, die die Herstellung dieses Kleinod der Raumfahrttechnik erst möglich machte.“
Ivana’s leuchtende Augen verrieten ihren innigsten Wunsch sofort. Dieses herrliche Schiff; ein einziges mal nur mit ihm die Unendlichkeit durchkreuzen, seine ganze Schnelligkeit erleben, von seinen pfeilschnellen, imaginären Flügeln im Aufwind der unvorstellbaren Kräfte seines Antriebes von Stern zu Stern getragen zu werden.
Q lächelte sein unergründliches Lächeln, das Ivana so in seinen Bann schlug und seine immer noch wie beschwörend ausgestreckten Hände wiesen dabei auf das Schiff aus Licht und Glanz.
„Bitte, my Lady, es steht euch frei, es auszuprobieren.“ Vor Ivana’s Augen schien eine der riesigen Facettenflächen auf dem Leib des Schiffes ein wenig von ihrem gleißenden Glanz zu verlieren und entpuppte sich als Andockstelle. Wie von einer Geisterhand dirigiert schwebte die Nobelrose in eine der regelrecht maßgeschneiderten Landebuchten hinein und kam ohne jedes Rucken zum Stillstand. Und das alles bei mehr als Warp sieben!
„Folgt mir, oh schöne Lady von der grünen Insel! Q lädt euch ein zur Besichtigung seines nur bescheidenen Besitzes!“
Es kam Ivana wie ein Traum vor, als sie Q schweigend durch die Luftschleuse der Nobelrose folgte. Ein kurzer Schlauch aus reinem Licht schien ihre Luftschleuse mit der seines Schiffes zu verbinden. Sie traten in eine Schleusenkammer, deren seltsam leuchtende Wände eine wohlig angenehme Wärme ausstrahlten. Das Außenschott schloß sich geräuschlos und eine vorher nicht sichtbare Tür tat sich geräuschlos auf.
Vor Ivana lag nun der wohl allersonderbarste Ausblick ihres Lebens. Eine weite, sanft gewellte Hügellandschaft erfüllte das unendlich scheinende Gewölbe des Schiffes, darüber eine honiggelbe Sonne, die sanft und freundlich aus dem azurblauen Himmel milde Wärme sandte. Uralte Bäume und märchenhaft blühende Blumen auf den grünen Wiesen ließen Ivana die Unwirklichkeit des Augenblicks vergessen.
Q ergriff sanft ihren Arm und sie begannen eine lange Wanderung durch die von ungezähligen Wundern erfüllte Landschaft seines Schiffes. Sie sah exotische Tiere, die an einem Bach von dem kristallklaren Wasser tranken, ein großes, anheimelndes Herrenhaus, das Q ein wenig spöttisch die Kommandobrücke nannte; sie wanderten weiter, vorbei an einem See, der das tiefe Blau des Himmels und das Grün der umliegenden Hügel spiegelte und erreichten schließlich ein kleines Schloss, dessen große Türen einladend offenstanden.
Drinnen wartete bereits eine festlich gedeckter Tafel auf sie, voller Speisen aus allen Regionen des Universums. Ivana nahm wie betäubt Platz an dieser Tafel und ließ sich von Q einen Pokal aus reinstem Kristall mit einem lieblich duftenden Wein gefüllt kredenzen. Ein lauer Wind spielte mit den hauchzarten Vorhägen der weit geöffneten Fenster und brachte den Gesang der Vögel mit sich.
„Willkommen nun im bescheidenen Quartier des Schiffseigners! Auf Euer Wohl, liebliche Lady Ivana, auf das ihr Euch hier so wohlfühlen werdet, wie ich mich zu anderen Zeiten hier wohlgefühlt habe!“
Sie tranken sich zu und Q ließ mit einer fast unmerklichen Bewegung seiner Hand leise Musik erklingen, das strahlend helle Licht erlosch und die Flammen von unzähligen Kerzen erfüllten den Raum mit einem warmen Leuchten. Q’s Festmahl für Lady Ivana hatte begonnen.
„Laßt mich bitte Euer ergebener Diener sein, Euer Freund und Intimus zu dieser und zu jeder Stunde! Ich stehe von nun an zu Euren Diensten, zu jeder Zeit, an jedem Ort, oh, schöne Lady aus dem Land der grünen Hügel!“
Nach diesem wirklich einmaligen Festmahl führte Q Ivana in einen Pavillion im malerisch schönen Schlossgarten. Umgeben von sorgsam gepflegten Büschen und Hecken, am Ufer eines Teiches voller Seerosen, kredenzte er ihr den besten Kaffee des Universums, wie er behauptete und Ivana mußte ihm belustigt zustimmen.
Während sie dort schweigend saßen, Kaffee tranken und dem leisen Gesang der Vögel lauschten, drückte Q den ungewöhnlich angenehm duftenden Zigarillo, den er sich soeben erst genußvoll mit einer aus dem Nichts erschienenen Flamme entzündet hatte, entschlossen aus.
„Warum ist es mir erst jetzt eingefallen! Lady Ivana, verzeiht Eurem einfältigen Freund seine große Vergeßlichkeit! Aber was halten Ihr von einem kleinen, ganz ehrenwerten Geschäft unter so guten Freunden wie wir es hoffentlich sind?“ Q wartete nicht erst auf eine Antwort der total überraschten Ivana. In seiner Hand erschien flatternd ein Blatt Papier.
„Hier, dies sei unser Handelsvertrag! Sie, schöne Lady Ivana, nun, sie treten die Nobelrose of Ireland an mich ab und als Gegenleistung erhalten sie dieses Schiff! Nunja, ein kleiner Haken ist da noch; einen geringen Tribut müßten sie mir doch noch entrichten; . . . . . einen Kuß, einen Kuß von der schönsten aller Damen des gesamten Universums, die dieses Schiff jemals betrat!“
Ivana war vollkommen verwirrt! Dieses Angebot, es mußte ein Scherz sein, ein übler Scherz von diesem so undurchschaubaren Mann, dessen wahres Wesen sie einfach nicht erfassen konnte. Trotzdem warf sie einen Blick auf das nun vor ihr liegende Blatt. Tatsächlich, ein rechtsgültiger Kaufvertrag, offiziell von der Föderation entworfen!
Bestätigter Ankauf des Sternenschiffes Namens Q , gebaut in einer Werft des Sternenimperiums Pearl, zum Preise der Nobelrose of Ireland, gebaut auf der Lotranwerft im Vulkansektor und eines Kusses der bisherigen Eignerin Ivana Landrakis.
„Das kann ich doch nicht annehmen, nein, nie und nimmer!“
Q erhob sich süffisant lächelnd, kam langsam um den Tisch herum und ergriff einfach ihre Hand. Sanfte Schauer durchrannen ihren Körper, sein abgrundtiefer Blick fesselte ihre Augen fest an die seinen und als sich seine Lippen den ihren näherten, hörte sie ihn leise ein paar Worte flüstern.
„Nun denn, laßt uns unseren Vertrag gleich besiegeln . . . . !“
Wie kraftlos gab sie sich seiner sanften und doch so kraftvollen Umarmung hin, seine sinnlichen Lippen ließen ihr keine Möglichkeit mehr zu einer Entgegnung und sie sanken gemeinsam nieder auf jenes samtig weiche Gras, das der Boden des Pavillions war.
„Ich fühle mich so wundervoll, so glücklich, wie zwischen Wachen und Träumen! Ist dies alles Wirklichkeit, ist es real, Q? Halt mich bitte fest, so fest, wie Du nur kannst; ich möchte auch heute Nacht wieder in deinen Armen schlafen!“ Ivana schloß die Augen und genoß die Nähe dieses so faszinierenden und geheimnisvollen Mannes. „Q, mein Geliebter, ach, hätte ich Dich nur schon eher kennengelernt! Sag mir doch, wieviel Tage, wieviel Nächte sind wir nun schon hier in diesem Paradies?“
Er schwieg und fragend blickte sie ihm in die Augen, in jene Augen, in denen sich manchmal die eisige Unendlichkeit, manchmal auch das Feuer der Sterne zu spiegeln schien und die doch soviel milde Wärme ausstrahlen konnten.
„Sind es 25 gewesen oder 100, eher wohl 50 oder 75, ich kann es nicht sagen! Aber, es spielt für mich auch keine Rolle mehr! Das Universum mit seinen profanen Geheimnissen soll warten. Auf alles dort draußen werde ich verzichten können, auf all die unentdeckten Planeten und die nie gesehenen Wunder des Universums. Auf alles; nur für die Geborgenheit in Deiner Nähe!“
Wie berauscht von ihrem Glück fühlte Ivana den nahenden Schlaf und schmiegte sich wie bisher jeden Abend an Bord dieses seltsamen Schiffes noch enger an ihren Geliebeten. Wundervolle Sekunden lagen zwischen Wachen und Träumen, erfüllt mit jener erregenden Erinnerung an die vergangenen Tage mit ihren unzähligen Stunden voller Leidenschaft und Zärtlichkeit begleiteten sie in die sanfte Dunkelheit von Schlaf und Traum.
Und nur Q wußte, daß es diesmal der allerletzte Schlaf, der Schlaf des Todes war, der sie nun unmerklich umfing. Ein unendlich sanfter Schlaf; von Q’s Armen zärtlich beschützt und von seinen Gedanken begleitet verließ Ivanas Seele ihren sterbenden Körper und unsere Dimension.
Es ward still in diesem Moment, selbst die Vögel vergaßen ihren Gesang und das letzte Flüstern des Windes erstarb; eine noch nie gewesene Stille erfüllte das seltsame Schiff und das Universum selbst schien für eine Weile den Atem anzuhalten.
Dann erhob sich Q vorsichtig. Behutsam bettete er den leblosen Körper auf das so lebendig grüne Gras und während er den weiten, seidenen Umhang, den er trug, gesenkten Hauptes von seinen Schultern gleiten ließ und sanft über sie deckte, erschienen zwei wirkliche Tränen in seinen Augen.
„Farewell, Seele der schönen Lady, farewell! Dies war alles, was Q noch für Dich tun konnte!“
Die Nobelrose of Ireland erreichte DS9 am nächsten Tag. Seit ihrer Abreise waren für Julian Bashir und den Rest des Universums erst ganze 5 Tage vergangen. Das Schiff dockte automatisch an und niemand antwortete auf die Anfragen der Stationsbesatzung. So betrat schließlich ein Trupp Sicherheitsleute das Schiff durch das sich bereitwillig öffnende Schott.
An Bord fanden sie nur noch die sterblichen Überreste der Eignerin Ivana Landrakis. Julian Bashir bestätigte als verantwortlicher Arzt der Station offiziell den Tod der Schiffseignerin Ivana Landrakis und veranlaßte ihre Überführung nach Irland auf der Erde.
Er ließ es sich nicht nehmen, ihre Überführung selbst vorzubereiten. Als sich der Deckel des schlichten Transportbehälters langsam über ihrem Körper schloß, wunderte Julian Bashir sich, mit welch glücklichem Lächeln auf den Lippen sie gestorben war. Normalerweise hätte ihre Art von Krankheit sie unter allergrößten Schmerzen sterben lassen müssen.
Doch als er sie nun dieses letzte Mal betrachtete, bemerkte er die beiden tropfenförmigen Kristalle, die sich wie eingewachsen auf ihren Wangen befanden und in seinem Kopf hallte eine mächtige Stimme wider, die aus den Abgründen von Zeit und Raum zu kommen schien und ihm letzte Gewissheit gab:
„Dies, Julian, sind die Tränen von Q“
Vorheriger TitelNächster TitelDiese Geschichte ist eine von vier Kurzgeschichten um die Figur des "Q" im StarTrek-Universum, die eventuell auch einmal als "Q hoch 4" in Buchform erscheinen sollen.
Es ist mein erster Versuch, eine in diesem Bereich angesiedelte Geschichte zu schreiben, die vor allem den emotionalen Sinn des Lesers ansprechen soll.
Eine Kurzgeschichte um spezielle Computeranwender von Tilman Frank erscheint am 21.November 2005 in
"DIE DÜMMSTEN ANWENDER DEUTSCHLANDS"
Lerato-Verlag / Herausgeber: Gärtner/Auer/Mothe
Illustrationen: Tobias Thies / www.tobiasthies.de
Paperback - ca.170 Seiten - ca. 25 Illustrationen
ISBN: 3-938882-04-02
Preis: 9,95 EuroTilman Frank (+), Anmerkung zur Geschichte
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Tilman Frank (+)).
Der Beitrag wurde von Tilman Frank (+) auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.10.2005.
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Visionen. - An den Ufern der Unendlichkeit -
von Tilman Frank (+)
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