Joana Angelides

Engel wider Willen,

 

Also, eigentlich wollte ich gar kein Engel werden, wollte nicht in den Himmel.

Ich habe mir das Dasein im Himmel immer sehr fad vorgestellt und hatte Recht damit.

Vormittags schiebe ich Wolken am Himmel hin und her, was gar nicht so leicht ist. Manche sind eben Regenwolken, schwer und nass, blubbern und sind rutschig. Da kann einem schon hin und wieder eine auskommen und die knallt dann gegen eine andere. Das ergibt Strafpunkte.

Vielleicht reißen sie mir eine Feder aus den Flügeln?

 

Nachmittag dann helfe ich in der Aufnahme aus. Da werden die Neuankömmlinge registriert, der jeweiligen Gruppe zugeteilt und in weiße Hemden gekleidet.

Manche sind zickig und haben an dem Schnitt, an der Länge und am Ausschnitt was auszusetzen.

Die reihe ich dann zu den Nörglern ein, die müssen wieder nach rückwärts in der Warteschlange und länger warten. Dann nörgeln sie nicht mehr.

 

Abends dann muss ich, sitzend auf einer Wolke und im Finstern, Harfe spielen. Wo ich doch Schlagzeuger war und Harfe nicht ausstehen kann. Auch die Musikstücke sind nicht so schwungvoll, wie ich es gewohnt bin!

 

Dabei hat es so gut angefangen.

 

Nach meinem Autounfall war ich geradewegs in die Hölle unterwegs, als mich jemand am Kragen packt und empor zog und auf die Himmelsleiter schubste.

Es war mein Schutzengel.

 

"Was ist?", fragte ich erstaunt.

 

"Du gehörst in den Himmel, hast im letzten Moment ein kleines Kind gerettet, das auf die Fahrbahn lief!", Klang es hell und freudig.

 

Das muss aber eine Reflexhandlung gewesen sein, ich pfiff gerade meine Lieblingsmelodie und hatte die Augen geschlossen und den Fuss am Gaspedal. Schließlich war die Fahrbahn schnurgerade und niemand vor mir. Da traf ich dann den einzigen Baum weit und breit.

 

"Außerdem hast du vorige Woche an ein Hilfsprojekt für die dritte Welt eine große Summe gespendet."

 

Das war ein Irrtum von mir, habe die Erlagscheine verwechselt.

 

"Niemals hast du deine Frau betrogen, warst ein treuer Ehemann!", säuselte mein Schutzengel.

 

Ich war halt immer sehr vorsichtig und schließlich müssen Schutzengel ja auch einmal schlafen.

 

"Du hast auch niemals gelogen!", zwinkerte er

 

Ich wußte, dass ich gut war, aber sooo gut?

 

"Arbeitsam und fleißig warst du auch immer!", mein Schutzengel verdrehte bewundernd die Augen dabei.

 

Naja, ist mir ja nichts übrig geblieben, hatte zwei Ehefrauen und sechs Kinder, davon 4 von Nichtehefrauen, zu versorgen.

 

"Dass deine Ehe geschieden wurde war ja nicht deine Schuld. Deine erste Ehefrau hat so gar nicht zu dir gepaßt! Die anderen Kinder, außerhalb deiner Ehen waren Gottesgeschenke, Gott liebt Kinder."

 

Diese Einstellung kommt daher, dass mein Schutzengel ebenfalls männlich ist. Schließlich müssen wir Männer ja zusammen halten. Jeder braucht eine Lobby.

 

Wie vorher schon erwähnt, wollte ich ja eigentlich in die Hölle. Mein bester Freund ist dort und auch die halbe Fußballmannschaft, sicher fehlt ihnen ein Tormann, der ich ja war.

Es ist warm dort und schummrig.

Auch die Kantine soll besser sein. Ist ja keine Kunst, haben die ja dort auch einen Grill mit glühender Holzkohle.

 

"Aber, ich habe geflucht, war nie in der Kirche und habe als Kind aus dem Opferstock die Münzen herausgeholt. Mein Abendgebet habe ich auch immer ausgelassen und meine zweite Ehe war nicht kirchlich abgesegnet!"

 

"Ach, nobody is perfect, so kleine Fehler übersehen wir!", sprach der Engel und flog von dannen.

 

Und, schwupps, war ich Himmel. Na die müssen aber Personalmangel haben, bei dieser Aufweichung der Kriterien!

 

Ich bin ein Opfer der Quotenjagd.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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