Harald Freyer

über einen Nebenbuhler

Meine Gnädigste,

 

ich bin noch immer völlig durcheinander, angesichts des in mir tobenden Gefühlschaos, verursacht zum einen durch die gestrige unerwartete Offerte des Fürsten, aber auch - und das ist das Bedauerliche -, durch Eure überaus prononcierte Reflexion Eures Zimmergenossen, dieses - wie nanntet Ihr ihn doch gleich? – Kastenfrosches, was in mir unwillkürlich die Frage aufwarf, was hat dieser, pardon, ’Arschkeks’, was Euch derart fasziniert, dass Ihr so viel Kraft darin verwendet, ihn mir unter allen Umständen nahe zu bringen und, Ihr werdet verzeihen, in mir der Eindruck eines gewissen Verständnisses für seine Allüren zu erwecken, he? Ich frage mich nur, - wieso bedarf es erst eines solches Unikums, um Euch wieder in der gebührenden Form zu mir zurückzuführen? Denn ehrlich gesagt ist Eure Korrespondenz in letzter Zeit doch etwas verflacht und zwar dergestalt, das Ihr vornehmlich über eigene Belange räsoniert, anstatt wie in der Anfangszeit auch auf die meinigen gebührend einzugehen. Folglich hat mich Euer eingehendes Studium seines Charakters eher befremdet als amüsiert, denn wie soll ein sensibler Charakter wie der meinige es verstehen, wenn Ihr jemanden, der Eurer Beschreibung nach eher Mitleid als Achtung verdient, in beinahe liebenwürdig-anrührender Weise ästimiert, anstatt dessen ganz offensichtlich hervortretenden negativen Eigenschaften entsprechend zu verurteilen, um die ganze Abscheulichkeit einer solchen Person hervorzukehren, wie es sich an dieser Stelle eigentlich gehörte? Ja, mehr noch, - kommt es nicht einer unverantwortlichen Verkehrung der Tatsachen gleich, etwas Verabscheuungswürdiges auf solch infame Weise zu ironisieren und ihm somit jegliche Abscheu zu nehmen, es sozusagen zu verharmlosen und mithin zu sympathisieren, anstatt diesem Dödel offen und ehrlich zu sagen, dass er ein Dödel ist? Ich fürchte nunmehr sogar, Ihr könntet ihm im Gegenzug von mir als einem verschrobenen ältlichen Kauz berichten, dessen Allüren Sie wiederum maßlos erheitert. Schon sehe ich Sie beide in Ihrem Dienstzimmer über mich spotten und sein feistes Gesicht zu einer breiten brüllenden Grimasse verzerrt, während Sie mich in den schrillsten Farben vor ihm karikieren - ein schreckliche Vision, ich weiß. Wieso ich darauf komme? - das ist ganz einfach, weil Ihr es auf absonderliche Weise versteht, diese im Grunde bedauerliche Dramatik derart zu persiflieren, dass mir beim Lesen Eurer Zeilen, ganz entgegen meiner Stimmung, ein spontanes Lachen aus der Kehle drang, was dazu führte, dass mich meine Mutti ganz erschrocken anschaute und ich ihr eine Erklärung allein aus Scham versagte. Jawohl, ich schämte mich und ärgerte mich zugleich über meine Scham, die doch in dieser Situation völlig unbegründet war, oder? Ich meine, wenn ich mich schon schäme, dann für einen ordentlichen Grund. Nur so geschieht das mit Würde, anderenfalls wird das ohnehin unangenehme Schamgefühl noch um ein vielfaches erbärmlicher, ähm, wenn Sie verstehen ...

 

Nicht dass ich jede Form von Amüsement hasse, im Gegenteil, ich lache gern und viel, nur muss es angemessen sein. In diesem Falle war es aber völlig unpässlich. Verstehen Sie mich bitte recht, meine Gnädigste, auch wenn ich diesen ’Pissfrosch’ nicht persönlich kenne, ist er mir durch Eure mehrfachen Beschreibungen mittlerweile doch sehr ’wirklich’ und vertraut geworden, so dass ich nicht anders kann, als ihn zu mögen, obgleich ich gerade das, nach allem, was sich von euch ständig höre, nicht sollte. Ich will ihn ja nicht gleich hassen, sondern mich lediglich über ihn amüsieren, doch das geht nur, wenn ich auf ihn herabschauen kann, d.h. ich keinerlei Konkurrenz für mich fürchten muss und sich das Ganze wie von selbst seiner Lächerlichkeit preisgibt. Doch gerade das versteht ihr hervorragend zu konterkarieren, so dass zuweilen ich es bin, der sich etwas veralbert fühlt, weil ich ihm eine gewisse Achtung entgegenzubringen beginne, was er ja nun wahrlich nicht verdient hat. Und nun bitte erklären Sie mir, wie das angehen kann? Oder liegt es am Ende gar in Eurer Absicht, mich auf diese Weise zu verwirren, ist es Teil eines Planes, mich auf solch perfide Weise zu verunsichern, um mich womöglich geschmeidig zu machen für Eure undurchsichtigen Pläne?

 

Ich habe lange mit mir gerungen, meine Mutter in diesen meinen inneren Kampf einzuweihen, da sie sehr sensibel ist und zu vorschnellen Reaktionen neigt. Letztlich habe ich es doch getan, und was soll ich Euch sagen? Sie hat mich daraufhin mit großen Augen angeschaut und mit erhobenem Zeigefinger gemahnt: „Junge, sei vorsichtig.“ Natürlich sagt sie so etwas öfter und eigentlich kann ich es nicht mehr hören, aber in diesem Falle war es die Tonlage. Sie sagte das nämlich in einem ’kläglichen Alt’, anstatt wie sonst in dem für sie so typischen ’singenden Sopran’. Ich hörte es sofort und war wie elektrisiert, das können Sie mir glauben. Ich fragte also nach, warum sie das so sagte und nicht so. Doch sie bestritt das und behauptete, es wie immer gesagt zu haben. Mir jedoch, als ein Mensch, der auf seine Sinne voll vertrauen kann, konnte sie nichts vormachen und ich wiederholte meine Feststellung mit beharrlicher Vehemenz, worauf sie mich wie aus Protest mehrfach mit verschiedenster Stimmlagen anschnarrte, wobei dieses “sei vorsichtig, Junge“ einen albernen, geradezu grotesken Ausdruck annahm, der mich unwillkürlich beleidigen musste. Das löste in mir einen schlimmen Affekt dergestalt aus, dass ich erneut lauthals zu lachen begann, obgleich ich das gar nicht wollte. Nun frage ich Sie allen ernstes, ist es noch normal, wenn man innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Male auf solche Weise zu einem Lachen entgegen der eigentlichen Gefühlsstimmung gezwungen wird? Dieses Lachen war natürlich böse, das gebe ich zu, aber ich vermochte es einfach nicht zu stoppen, geschweige zu steuern.

 

Seither frage ich mich, was soll das alles? Warum quälen Sie mich unter dem Deckmantel vornehmlicher Erheiterungen, die in Wahrheit keine sind? Einerseits würde ich Sie ja gerne in den Arm nehmen, an mich drücken und Ihnen alles nur erdenklichen Liebe wünschen, denn ich fühle noch immer eine unglaubliche Wärme, wenn ich an Sie denke, andererseits jedoch könnte ich Sie regelrecht erwürgen, weil sie nicht so sind, wie ich sie gerne hätte und ich das verdammte Gefühl einer Narretei nicht los werde. Natürlich wäre es Unfug, Sie aufzufordern, zu sein, wie ich Sie gern hätte. Selbst wenn Sie dem nachkämen, würde das meinen neuerlichen Unfrieden wecken, denn es wäre nicht echt und Unechtes wiederum könnte ich auf Dauer nicht wirklich lieben, was aber wiederum vonnöten wäre, wollte ich ihr Herz wirklich gewinnen. Darum müssen Sie so bleiben wie Sie sind, damit ich mich weiter über Sie echauffieren kann, damit meine Endorphine weiter wie bisher verrückt spielen und mir einmal mehr vor Augen führen, wie sehr ich Euch doch bereits ins Herz geschlossen habe, selbst auf die Gefahr, dass mich Eure kantige Art eines Tages erschlagen könnte, wie es Mutti bereits prophezeite. Hassliebe ist wohl die schlimmste, weil innigste Form aller Lieben, vielleicht aber auch aufrichtigste, und ich bin geradezu befangen von den vielen, einander widerstrebenden Gefühlen für Sie, deren Spannbreite von einem zum anderen Extrem reichen und mich in der Endkonsequenz, trotz aller Widersprüchlichkeit, auf ungekannte Weise entzücken, so dass ich auf sie nicht mehr verzichten möchte – ungeachtet aller mütterlichen Warnungen.

 

 

Euer heute etwas leicht verwirrter Heinzi B.

 
 
PS.: übrigens gibts auf dem Brocken Hefeklöße 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.10.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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