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Jede meiner vier Töchter hatte ihren eigenen Geschmack.
Leider bezog sich es nicht nur auf deren Vorstellung von Mode. Zu der äußerte ich mich schon lange nicht mehr, dachte aber mit Grauen an die Jeans mit eingearbeiteter Klimaanlage. Löcher am Po, Löcher in der Kniegegend, Ausgucklöcher für die Waden. (Auch Waden möchten etwas von der Welt sehen!).
Leider konnte ich diesen Anblick selbst dann nicht aus meinem Gedächtnis verdrängen, wenn meine Töchter morgens endlich zur Schule abmarschiert waren. Denn, betrat ich die Küche, guckte mir dort das geliebte Sieb entgegen, mit noch mehr Löchern. Es fungierte sozusagen als metallene optische Hosenvertretung, die meinen Beinkleiderfrust einfach ignorierte und ihn wie Luft behandelte.
Dem konnte ich auch nicht ausweichen, denn mein Leben spielte sich selbst bei herrlichstem Sommersonnenwetter hauptsächlich in der Küche ab. Als engagierter Mutter interessierte mich von morgens bis abends ausschließlich das Wohl der Kinder. Mein größtes Glück war es, sie von vorne bis hinten und möglichst noch rund um die Uhr zu bedienen. Aber das befand ich noch als zuwenig der Zuwendung. So spielte ich, mir der großen damit verbundenen Verantwortung bewusst, außerdem eifrigst Köchin für sie.
Das war nun recht kompliziert. Sie aßen beileibe nicht alle alles. Die älteste Tochter mochte keine Tomaten, die zweite keinen Käse, die dritte keine Eier und die vierte so rein gar nichts. Der war ich dann sehr dankbar.
Reingarnichts war eigentlich äusserst praktisch, arbeitssparend und stand nach extrem kurzer Zubereitungszeit, nämlich so ungefähr gar keiner Minute, verlockend auf dem von mir liebevoll gedeckten Tisch. Das betreffende Töchterchen strahlte mich dann an. Doch die Blicke der Anderen würden mich nach kurzem ungläubigen Staunen erdolchen.
Notgedrungen nahm ich von diesem mir so angenehmen Gedanken Abstand. Nein, ich müsste ein Gericht finden, das allen schmeckte!
Ich kaufte sämtliche Kochbuchbestände von Düsseldorf auf, verzweifelt hoffend, sie präsentierten mir irgendwelche Mahlzeiten ohne Tomaten, Käse und Eier. Doch selbst die berühmtesten Köche dieser Welt standen meinem Problem anscheinend absolut hilflos gegenüber. Überall leucteten mir in satten Farben die gelungendsten Fotos von Tomaten, Käse und Eiern entgegen. Der Not gehorchend flitzte ich in die Stadt, erstand ein zusätzliches Regal für die Küche, verstaute all diese wunderschönen Kochbücher darauf und vergass sie tunlichst.
Ab und an gönnte ich mir ja doch Ferien von meinem Küchenaufenthalt und einen ausgiebigen Lebensmitteleinkaufsbummel bei Spar. Wie ich mich dunkel erinnerte(der letzte Einkauf war schon so lange her!), lagen dort auf einem der Regale ganz viele Illustrierten aus mit ganz vielen Seiten, die man ganz lange durchblättern konnte. Ab und zu, wenn die Zeit reichte, auch durchlesen durfte.
Mir war die Zeit gesonnen. Ich durfte schmökern. Wahlos griff ich mir eines der Hefte. Es war die Elternzeitschrift. Das war die, die den Erwachsenen immer erklärte, an allem Unglück im Umgang mit dem lieben Nachwuchs seien allein die Erziehungsberechtigten schuld, die sie diesbezüglich durch die Bank alle zu Irren im Geiste erklärte. Dem Nachwuchs durfte noch nicht einmal Schelte angedroht werden. Dessen zarte Kinderseele konnte dran zerbrechen. Den Erziehungsberechtigten musste eigentlich deren Berechtigung zum Erziehen entzogen und stasttdessen den Kindern übertragen werden, damit aus den Großen dann richtige Erwachsene würden.
Als ich diese letzte Bemerkung gelesen hatte, entschloss ich mich, mir das Weitere nicht anzutun, blätterte die Seite schnellstens um. Mit dieser Entscheidung beeinflusste ich nichtsahnend mein Schicksal, wie ich dann jubelnd feststellte. Denn mir sahen Viele wunderschöne bunte Menüs doch tatsächlich ohne Eier, ohne Tomaten und ohne Käse entgegen. Lauter Kartoffelgerichte!! Es erschien mir wie ein Wink des Himmels. Ja, es gäbe Bratkartoffeln! Die mochten alle Kinder. Zu denen könnte ich sogar Töchterchen Reingarnichts überreden.
Frohgemut tänzelte ich nach Hause, marschierte nun leichten Herzens in die dann geliebte Küche. Ich garte gleich 2 Kilo Kartoffeln, schnitt sie in Scheibchen, mischte Zwiebelwürfel darunter, gab alles in die Pfanne und streute noch Gewürze darüber. Es bruzzelte. Schnell zog der Bratkartoffeldurft durchs ganze Haus. Es roch einfach köstlich.
Gespannt wartete ich auf das Eintreffen meiner Kinderschar. Es klingelte. Gottlob, sie waren alle gleichzeitig zurück. So konnte das gemeinsame gemütliche Mittagessen beginnen.
Sie entdeckten die Bratkartoffeln. Statt strahlender Gesichter urplötzlich beleidigt-finstere Mienen. Tochter Nr.1 machte den Anfang:
"Ich mag keine Bratkartoffeln!"
Ihre jüngere Schwester schloss sich an.
" Ich auch nicht!"
Die noch jüngeren Zwillinge plapperten brav nach, was die Großen gesagt hatten. Die waren ja schon soo weise und mussten es wissen. Meine Vier waren ausnahmsweise ein- und derselben Meinung:
"Nicht mit uns!"
Die dampfenden Teller blieben unberührt, das Besteck wurde ostentativ zur Seite geschoben.
Ich stand dort mit der Pfanne in der Hand und kämpfte gegen aufkommende Wut. Nein, so ginge das nicht mehr weiter. Ich wehrte mich. Ganz langsam kehrte ich meinem Nachwuchs den Rücken zu und wandte mich zur Spüle.
"Herr, gib`mir bitte eine Idee, was ich tun kann, um dieses Theater endgültig auf friedliche Weise zu beenden, bevor ich denen sonst noch eine klebe!"
Der Herrgott hatte Erbarmen und ich in den nächsten Sekunde den richtigen Einfall. Mit einem denn doch relativ uneeleganten Schwung riss ich die Pfanne hoch und knallte sie mit voller Wucht ins Becken.
Aus der Runde am Tisch war kein Laut zu vernehmen. Nichts...Totenstille! So etwas kannten sie von mir nicht. Das hatte ihre Mama noch nie getan. Langsam wandte ich mich wieder meiner Kinderschar zu: Fassungslose Gesichter, offen stehende Münder.
"Es reicht mir jetzt!", bemerkte ich mit gefährlicher Ruhe in der Stimme. "Nicht mehr mit mir!"
Noch am selben Tage erklärten meine Töchter die Bratkartoffeln zu ihrer Lieblingsspeise! |
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