Da steht er nun, der große Hans. An der gleichen Stelle, wie
der kleine Hansi vor fünfzig Jahren.
Das alte Mietshaus ist längst weg,
gewichen einer Tiefgarage und einem modernen Neubauhaus, das schon dem Namen nach wesentlich besser
in die Grazer Neubaugasse passt als die alte Bruchbude seinerzeit.
Lange hatte er sich dagegen gesträubt, der alten Stätte
einen Besuch abzustatten. Steckten doch so viele Erinnerungen in ihr, wie
würden sie passen zum aktuellen Bild?
Ob der alte Marillenbaum die brutale Abrissaktion
überstanden hat? Wo wir Buben in einer Höhlung des damals schon morschen
Stammes einen geheimnisvollen Brief versteckt hatten, mit blühender Fantasie
überlegten, wer wohl in „hundert“ Jahren unsern Brief lesen würde.
Er steht natürlich nicht mehr, obwohl doch die große
Kastanie noch immer da ist.
Früher war sie die leibhaftige Wächterin an der
Grenze zwischen unserem und dem „Schuller“ Haus. Drohend wachten ihre mächtigen
Äste darüber, dass nicht schon wieder ein Ball nach drüben flog, Ergebnis unserer
übermütigen Bolzerei auf dem Hof.
Daneben stand früher die Waschküche, ein
kleiner Bau mit einem holzbefeuerten Kessel darin, wo meine Mutter wie alle
anderen Nachbarn nach einem genau ausgeklügelten Wochenplan ihre Wäsche
wuschen. Da war nichts mit „Montag ist Waschtag“.
Auf dem Hof davor standen früher zwei Holzmaste, zwischen
denen Wäscheleinen gespannt waren. Mit einer Kurbel konnte man die mit frisch
gewaschener Wäsche bestückten Leinen nach oben kurbeln, und sie hoffentlich
bald trocken wieder nach unten bewegen.
Falls nicht ein unvermittelter Regenguss dazwischen kam.
Oder ein technisches Missgeschick, wie damals, als die
Kurbel gerissen war und das Ergebnis stundenlanger Kocherei und anschließender
Behandlung auf dem geriffelten Waschbrett mit lautem Geratter nach unten
gerauscht war, hinein in den Matsch des Hofgeländes.
Das laute Gejohle von uns Buben, die wir die Tragweite
dieses Unglücks ja nicht im Mindesten verstanden, muss der guten Hausfrau noch
Jahre danach in den Ohren geklungen haben.
Weg ist sie, die Teppichklopfstange, die wir Kinder manchmal
zweckentfremdeten als Halterung für den Theatervorhang. Eine riesige alte Decke
hatten wir darüber gespannt, ich stand davor und verkaufte die Eintrittskarten
für die Vorstellung, die übrigen probten dahinter die Sketsche für unsere
langerwartete Theateraufführung.
Für die Erheiterung der Zuschauer hatten wohl eher unsere
Spiel“kunst“ und die häufigen Hänger und Versprecher gesorgt denn unser
schauspielerisches Talent. Aber wir Buben fühlten uns wie die „Kollegen“ vom
Burgtheater.
Wehmütig blickt der Besucher in die Richtung, in die sich
früher unser großer Obstgarten erstreckt hatte. Die Wiese, unser Ersatz für das
Fußballstadion. Wo war sie geblieben, die unermessliche Weite des Geländes? Na
ja, für uns kleine Steppkes sah natürlich die ganze Welt größer aus als heute.
Wie schön wäre es, könnte man die Zeit noch mal
zurückdrehen, all die Abenteuer noch mal erleben, die Spiele, all die Streiche,
die wir der Nachbarin gespielt hatten.
Ob die Kinder heute glücklicher sind mit all ihren
Playstations, Gameboys und I-Pods?
Nachdenklich geht er zurück, in die heutige Welt, je weiter
er sich von der alten Stätte entfernt, desto mehr verschwinden sie aus seinen
Gedanken.
Die Erinnerungen.