Werner Kistler
Die Griechin
An meiner Bürotür klopfte es. Wer kam denn schon um diese Zeit in
mein Archiv? Draußen vor der Tür stand eine Krankenschwester.
Dunkle Augen und ein lustiger Wuschelkopf schauten mich an .Sie
überbrachte nur eine Krankenakte zum archivieren runter. Diesen
lustigen Lockenkopf hatte ich noch nie gesehen. Trotzdem entwickelte
sich schnell ein kleiner Plausch. So erfuhr ich, dass die Schwester
seit drei Wochen in der Klinik arbeitet, in Griechenland geboren
war und sich noch nicht so gut zurecht fand.
Immer öfters
erhielt ich in den nächsten Tagen Akten von der Frau überbracht und wie
es kommen musste, entwickelte sich schon nach kurzer Zeit eine gewisse
Sympathie untereinander. Beim letzen Besuch verab-
rederen wir uns zu einem ersten Treffen.
Heute
war nun das erste Mal, dass ich über Nacht blieb. Wir stellten fest,
dass uns doch eine ganze Menge Gemeinsamkeiten verbanden.
Als ich heute nach Hause kam, lagen Urlaubsprospekte von Griechenland auf dem Wohnzimmertisch aus-
gebreitet.
Den restlichen Tisch hatte sie festlich geschmückt. Königlich speisend
und Prospekte wälzend, verbrachten wir den Abend in trauter
Zweisamkeit. Gemeinsam hatten wir beschlossen, im kommenden Mai, einen
Urlaub in Griechenland zu verbringen. Warum ich nur meinen besten
dunklen Anzug mitnehmen sollte, blieb mir ein Rätsel
Der
Wonnemonat Mai- endlich Urlaub. Morgen sollte unser Flug nach Athen
starten. Einen Koffer alleine für meinen festlichen Anzug, Fliege und
Schuhe? Warum?
In Griechenland angekommen, wurden wir von einer großen
Meute Einheimischer stürmig begrüßt. Das sind alles meine Verwandten.
Na prima! In das Auto hinten mehr hinein gedrückt, ging die Fahrt
nicht in unser gebuchtes Hotel, sondern wir landeten in einem großen,
festlich hergerichteten Hinterhof. In einem Hinter-
zimmer
sollte ich mich rasch umziehen. Sollte das meine Hochzeit mit
Alexandra, so hieß die Griechin, etwa sein? Völlig überrumpelt kam ich
mir vor. So wollte ich auf keinem Fall heiraten.Zumal ich Alex erst gut
zwei Monate kannte.Jetzt sollte ich aber schnellstens handeln.Aus dem
Fenster schauend, stellte ich fest, dass sich unten ein Strohhaufen
befand. Mein Geld und den Ausweis einsteckend, sprang ich auf diesen
Haufen.
Unten stellte ich fest, dass ich mein Ticket vergessen hatte. Es steckte noch oben im Koffer. Für mich uner-
reichbar. Nun steckte ich aber tief in der Tinte. Schnell lief ich in den nahen Pinienwald.
Vom nahen Hof drangen nun aufgeregte Stimmen bis zu mir herüber. Ein Hund bellte. Plötzlich sehe ich zwei
Pickups
auf mein Versteck zu rasen. Auf den Ladeflächen stehen je zwei
verwegene Gestalten mit Gewehren in den Fäusten. Jetzt wird es mir aber
wirklich mulmig. Robbend dringe ich noch weiter in das Dickicht ein.
Meine
Kleidung zerreist dabei immer mehr. Dornen zwicken mich am ganzen
Körper. Aber die Fahrzeuge fahren am Unterholz vorbei. Nun habe ich
erst mal Zeit zur Neuorientierung. Was mache ich nun? Aussehend wie ein
Strolch, kann ich mich doch so niemals unter die Menschen wagen.
Hungernd und dürstend beginne ich meine Wanderung. Ein dunkler Schatten
huscht schlängeln über das heiße Teerband der Straße. Eine Schlange
schießt es mir durch den Kopf. Da habe ich eben in diesem Gestrüpp aber
Glück gehabt.
Schon wieder brechen die Geländewagen durch das
Holz. Noch immer stehen diese Kreaturen mit ihren Schießprügeln auf der
Ladefäche.Aber diese Flinten können mich nicht sehen. Was für ein
Glück. Zwei Tage
laufe ich mir nun schon die Füße platt. Habe
jetzt noch mehr Hunger und Durst und keine Aussichten, wie es weiter
gehen soll. Auf einer Landzunge steht eine kleine Kate.Qualm raucht aus
dem zerfransten Schornstein.
Also muss jemand anwesend sein.
Meinen ganzen Mut zusammen nehmend, klopfe ich an die windschiefe Türe.
Ein alter Mann öffnet und schaut mich verwundert an. Irgendwie
muss ich jämmerlich aussehen. Nach einem Glas Wasser aus dem Brunnen
bittend, stelle ich fest, dass wir uns ja nicht verstehen können.
Trotzdem ahnt der Greis mein Anliegen und deutet auf den Schöpflöffel,
der am Brunnen hängt. Noch nie hat Wasser so gut geschmeckt. Nach dem
ich meine Ration Wasser getrunken habe, winkt der alte Mann mich in
sein Haus. Es wundert mich schon, dass er keine Angst vor mir hat.
Drinnen setze ich mich auf die hölzerne Bank. Nun kann ich mir auch
erklären, warum bei dieser Wärme, der Kamin trotzdem raucht. Fischer
ist der
Mann und er räuchert gerade seine gefangenen Fische. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen.Ein gold-
gelb geräucherter Fisch wird vor mir auf den Tisch gestellt."Iss": sagt plötzlich der Hausbesitzer und ich bin
äußerst
verwundert. Später erfahre ich die Geschichte des Mannes bei einem Glas
funkelndem Rotwein. Früher habe er lange in Deutschland gelebt. und
spreche daher doch recht gut deutsch. Auch ich berichte über mein
Erlebtes. Der alte Mann kann aber mein Verhalten nicht
verstehen. "Aber wenn das Herz nicht mitspielt!" Mein Zuhörer versucht
sich die vertrackte Geschichte zu erklären. Was ihm
offenbar schwer
fällt. "Die hiesigen Frauen sind sehr
häuslich und treu. Aber nun haben Sie sich eine ganze Sippe zum Feind
gemacht. Mitunter verstößt der Patriarch seine Tochter. Und sie
wird nie wieder einen Mann finden." Nach
einiger Zeit , zeigt der Rotwein seine Wirkung. Wir bekommen schwere Augenlider und jeder begibt sich zur
Nachtruhe.
Ich darf bleiben und ich bekomme die Couch zu gewiesen. Er selber
steigt die Stiege hoch, wo sich wohl sein Schlafzimmer befindet.
Mitten
in der Nacht schrecke ich durch dröhnende Motorgeräusche und
lautes Stimmengewirr draußen auf der Straße auf. Der Greis, wohl auch
durch den Lärm wach geworden, eilt mit wenigen Sprüngen die Stiege
herunter und winkt mir, ihm zu folgen. Er hob eine Falltür, die ich bis
dahin noch nicht bemerkt hatte hoch und
zeigt mit dem Finger
nach unten."Schnell hier hin. Laufe den Gang bis zum Strand herunter,
dann bist Du in Sicherheit." Nicht mal danken konnte ich dem Fischer.
Der dunkle Gang wand sich in Kehren durch massives
Felsgestein.
Schon hörte ich das Rauschen der Brandung und fühlte mich in
Sicherheit. Aber bis zum Morgen blieb ich noch in dem schützenden Gang.
Erst mit den ersten Sonnenstrahlen verließ ich die Höhle und
orientierte mich auf eine eventuelle Gefahr hin. Zum Glück hatte der
alte Mann mich schon mit frischer Kleidung versorgt. Diese stammten
noch von seinem Sohn. Als Anhalter und mit dem Bus erreichte ich
schließlich den Hafen von Piräus. Hier wollte ich als Schiffjunge auf
einem Kahn anheuern, der mich Richtung Deutschland brachte. Im
Hafen lag die "Santa Eulalia" ein Containerschiff Hier wollte ich
anheuern. Als ich dem Kapitän gegenüber stand, lächelte der Mann
nur. Einen Schiffsjungen mit dreißig Jahren hatte er
noch
nicht erlebt. Dafür wäre ich zu alt. Aber sie brauchten noch einen
Koch. Ob ich denn kochen könne? Nun daheim hatte ich schon öfters mein
Glück am Herd probiert. Schnell- viel zu schnell sagte ich ja. Nun
stand ich hier in der Kombüse eines hochmodernen Schiffes. Den
Vergleich mit einer Hotelküche konnte diese Küche standhalten.
Über
viele Umwege bin ich dann doch wieder nach Deutschland gelangt. Auch
die griechische Schwester stand eines Tages vor meiner Tür. Ein Koffer
kam geflogen. Mein Koffer! Alle meine Kleider verstreuten sich auf der
Erde. Entweder waren die Stücke zerrissen oder zerschnitten. Viel zu
spät bemerkte ich das Messer .Sie stach auf mich ein. Zum Glück
erwischte mein Gegenüber aber nur meinen Arm. Panikartig warf ich mich
gegen die Tür und warf sie zu.
Wenn das Schiff in drei Wochen wieder in Rotterdam anlegt, heuere ich wieder als Smutje an.
Werner Kistler
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.10.2005.
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