Robert Gryczke

Dark Memories: Der letzte Brief des Arztes

 

Schande über mich, der ich diesen Brief verfasse.

Nun sitze ich hier, in meinem kleinen Kammer und schreibe letzten Worte um mein Gewissen noch zu reinigen bevor ich übertrete.

Gerade jetzt höre ich wieder die alte Kutsche. Die Behufung des alten Gauls klappert über das nassglänzende Kopfsteinpflaster, welches vom Dauerregen völlig glitschig geworden ist.

Ein ähnliches Geräusch entsteht auch wenn man einen schweren Gegenstand auf den deformierten Kopf eines Opfers fahren lässt. Immer wieder.

Nach acht oder neun Schlägen platzt die Schädeldecke auf. Das Enkephalon liegt frei. Ein Gehirn kann so viel Schönheit haben.

Ach Gott. Warum straftest Du mich diesem Wahn?

In diesem Moment streift mein Blick über die Innenstadt und ich erblicke Big Ben.

Nur noch wenige Minuten bis zum gewohnten Glockenschlag.

Gerade jetzt kommen mit der Erinnerung an die Melodei des Turmes auch die Erinnerungen an die unzähligen Handlungen, welche Ich im Namen des Allmächtigen begangen habe.

Die kleine Lichtfunzel unter der Ich diese Zeilen schreibe kommen meiner kriminologischen Vergangenheit gleich. Am Anfang klein und unbedeutend. Unwesentlich.

Je länger mein Licht brannte, umso länger wurde auch die Schatten meiner Taten.

Das einzige was immer gleich blieb waren meine Instrumente. Mein Fingerspitzengefühl am Skalpell. Das Skalpell als Verlängerung meiner Hand, wenn es durch die junge, Sündige Haut dringt.

Mord aus niederen Beweggründen lag mir seit jeher fern. Doch mit diesen Bastarden, mit Abschaum aus den Zeitungen, welche aus Nichtigkeit töten, werde ich verglichen.

Mit eben diesen werde ich verglichen. Man taufte mich um. Gab mir einen Titel.

Abscheulich. Warum dieser Unsinn? Weil diese engstirnigen Bauerntrampel nicht verstehen dass ich einer höheren Macht diene.

Meine Wenigkeit ist nur das ausführende Werkzeug. Ich bin das Skalpell einer anderen Macht.

Die Visionen. Die schmerzhaften Krampfanfälle bis hin zur Bewusstlosigkeit. Sie zehren mich auf.

Diese Pein muss ich ertragen seit jenem Tage als ich IHN traf.

Eine Zufallsbegegnung auf dem Boulevard. Vielleicht war es Paranoia aber ich bildete mir ein dass er durch seine schwarzen Zwicker hindurch direkt in meinen Kopf blicken konnte.

Sein Grinsen verlieh, seiner Ungewöhnlichkeit einen dunklen Aspekt. Ja "ungewöhnlich" ist das treffende Wort für Ihn.

Er ist offensichtlich kein Europäer. Vielleicht Inder. Unter seinem Bowler keine Haare zu befinden. Dunkle Zwicker. Langen Mantel mit Pelzkragen.

Seine Sachen waren schwarz, durchgängig schwarz. So schwarz wie seine Seele, da war ich mir sicher.

Sekundenlang kreuzten sich unsere Blicke und sein nahezu apathisches Grinsen...Oh Gott....dieses allwissende Lächeln. Er hat irgendetwas damit zu tun.

Nachts taucht er in meinen Träumen auf. Steht neben meinen Opfern und labt sich an dem Anblick der ausgeweideten Körper.

Reue. Abbitte. Irgendeine Art von Erlösung.

Er verfolgt mich. Seit Tagen bemerke ich wie er ständig da ist, irgendwo unsichtbar um mich herum. Auf der Straße. Beim Essen. Überall.

Außerhalb der Stadt. Sein Blick ist jedesmal da.

Im Traum flüstert er immer einen Namen. Einen Namen der nicht stimmen kann.

Dieser Name lässt mich nicht mehr los. Ich könnte schwören bei meinen Nachforschungen im Okkulten auf einen ähnlichen Namen gestoßen zu sein.

Die Verbindung wird mir zweifelsohne heute Nacht bewusst werden. Das Treffen, um welches er mich in seinem Brief bat, wird einer Offenbarung gleich kommen. Ich bin mir sicher.

Die heutige Nacht werde ich nicht überleben. Mein Gefühl sagt mir dass es eine Falle sein muss.

Mein Verstand sagt mir dass es unlogisch wäre, solche fatale Entscheidung zu treffen. Mediziner denken logisch.

Aber sein Angebot den Ursprung meines Treibens zu enthüllen ist zu verlockend um es auszuschlagen

Und so schreibe ich diese Zeilen nieder. Vielleicht als Warnung. Vielleicht um nicht ohne Erbe von dieser Welt gefegt zu werden.

 

Irgendwann im Leben eines Menschen kommt eine schwere Zeit. Bettelt man in dieser Zeit um Beistand wird dieser kommen.

Er wird verführerisch sein. Wünsche können plötzlich wahr werden und Illusionen nehmen Gestalt an.

Alles Ferne kommt so nah. Sehnsüchte werden befriedigt.

Blutzoll und Menschenopfer erscheinen weniger schlimm im Schatten der Perfektion.

Ich bereue und bereue nicht. Denn ich sterbe und sterbe nicht.

Ein Vertrag, geschlossen zwischen Mephisto und mir. Geschrieben in Blut und mit Blut besiegelt.

Heute Nacht erfüllt er sich. Sehnsüchtig, aber mit Angst erfüllt warte ich darauf dass er mir mein schwarzes Herz rausreißt.

Mephisto. Du Verführer. Scharlatan. Und doch Erfüller meiner Träume.

 

Mein Name wird heute Nacht mit mir zusammen vom Erdboden gewischt.

Niemanden interessiert der Tod eines armen, unbedeutenden Arztes.

Die Zeitungen werden mein Erbe weiterverbreiten - 

Das Erbe von JACK THE RIPPER

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.10.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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