Harald Freyer

Ilka II

             

Der Anschlusszug hatte über eine Stunde Verspätung und das Abteil war wiederum so voll, dass sie die ganze Zeit stehen musste. Doch nun war sie endlich am Ziel. Zwar spürte sie bei jeder Regung ihre schlaffen Glieder, die der durchwachten Nacht immer mehr Tribut zollten, doch aufgrund der zahllosen Nachtdienste, die sie schon auf den verschiedensten Stationen ihres Krankenhauses verrichtet hatte, war sie es gewohnt, Schwäche und Müdigkeit zu verdrängen. Dieses K. war ein verschlafenes Örtchen, das sich auf guten drei Kilometern Länge in einem schmalen Streifen vor der Küste erstreckte. Meist aus Kurheimen und Ferienhäusern bestehend, die mit ihren hölzernen, weißgetünchten Fassaden freundlich in der Sonne glänzten, besaß es den leisen Charme einer mecklenburgischen Kleinstadt. Man sah kaum Fahrzeuge, nur vereinzelt bummelten Erholungssuchende an der Uferpromenade entlang. Das Wetter war schön und hochsommerlich warm und die wenigen Wolkenfetzen verloren sich im leuchtenden Azur des Himmels. Das Ferienheim, wovon Mutter so geschwärmt hatte, befand sich an der Westseite und war über eine schnurgerade Straße zu erreichen. Am Toreingang waren Arbeiter mit Grabungen beschäftigt, so daß man einige Bretter über die Grube vor der Zufahrt gelegt hatte. Der sich anschließende Asphaltweg, welcher nicht befahren werden durfte, wurde zu beiden Seiten von frisch gemähten Rasenflächen flankiert, wo in sorgsam ausgestochenen Rabatten rote und gelbe Tulpen blühten. Nach etwa hundert Metern verschwand er in einem schattigen Wäldchen. Hier roch es nach getrocknetem Harz und Tannengrün, und der ständige Wind, der in den Bäumen rauschte, verriet die Küstennähe. Etwas unbestimmt Frohes, das sie mit innerer Leichtigkeit beschwingte, ließ eine Woge der Heiterkeit in ihr aufsteigen und die warmen Sonnenstrahlen wie eine zärtliche Liebkosung fühlen. Das Hauptgebäude, ein zweigeschossiger, weißgetünchter Backsteintrakt mit großen, hellen Fenstern, befand sich inmitten hoher Kiefern. Vor dem zweiflügligen, gläsernen Eingangstür befand sich ein größerer Platz, an dessen Seiten Bänke unter efeuumwundenen Marmorarkaden aufgestellt waren, während sich hinter dem Haus, in einigem Abstand eine schier endlose Sanddüne zur Übermannshöhe aufwallte. Diese war an mehreren Stellen durchbrochen, wobei mit Lattenrosten ausgelegte Wege hinab zum feinsandigen Strand führten.

 

Ilka betrat den Zugangssteg, der einen freien Blick aufs Meer gestattete. Eine kühle Brise voll würziger Frische mit dem bitteren Geruch von getrocknetem Tang wehte ihr entgegen und trug lärmendes Kreischen spielender Kinder herauf. So weit sie schauen konnte, empfing sie ein Gewimmel glänzender Leiber, welche in der unbarmherzigen Sonne schmachteten. Man tummelte sich auf Decken und Luftmatratzen, flegelte in Liegestühlen oder hölzernen Strandkörben. Vereinzelt flogen Bälle auf und hüpften davon. Hin und wieder war ein erschrockenes Quieken zu vernehmen, als wenn kaltes Wasser einen Leib besprengt, dann flammte Gelächter auf. Und zu jener Heiterkeit hauchte der Wind im ewigen Gleichmaß das rauschende Grollen, das Raunen und Seufzen der See mit ihrer ständig zerspringenden Gischt. Hier spürte man ihre Weite und Endlosigkeit, die so großartig und verhalten wehmütig stimmte, hautnah. Nirgends gab es Eile, überall herrschte die sanfte Trägheit eines hochsommerlichen Tages, die alles schlummernd einlullte. Einzig die in regelmäßigem Abstand steil aufragenden Holzmasten mit ihrer flatternden maritimen Beflaggung und den feuerroten Warnbojen erinnerten noch an herrschende Gebote. Leicht rollte die Brandung an den Strand, die in gischtenen Wellen zerfloß. Dabei nahmen sich die Badenden inmitten der wogenden Dünung wie bunte Tupfen aus, die sanft hin und hergeschoben, sich kaum von der Stelle rührten.  Hier vorne schimmerte das Meer noch gelblich grün, um dann in leichtem Türkis zu verschwimmen, bis es schließlich in einem tiefen Blau versank; einem Blau, viel dunkler als der Himmel, das sich bis zum Horizont erstreckte, worüber kaum noch wahrnehmbare Wolkenbänder segelten. Es war erhaben, zu sehen, wie jene langen Schleier über die See liefen, wie der Wind die Wellen trieb und filigrane Muster zeichnete. Im Glanz dieses wundervollen Tages, der sich nun in voller Pracht entfaltet hatte, schien der ganze Strand, die Düne und insbesondere die hohen Äste in den Kiefern von einem wahren Goldstaub überschüttet, der unentwegt lautlos und in heiterer Ruhe vom klaren Himmel herabfiel; einer Ruhe, die wohltuend war und ihrer inneren Pein entgegenwirkte. So war sie benommen angesichts jenes anhaltenden Tosens, dessen unergründlich tiefem Wehen ein Gewirr von Lauten entsprang und sie mit einem Verlangen nach Ruhe und Schweigsamkeit erfüllte, als plötzlich eine schnarrende Stimme ihre Gedanken unterbrach. „Das ist hier aber verboten.“ Es war eine ältere Frau im gestreiften Badeanzug mit einem Handtuch um den Hüften, die sie etwas unwillig von der Seite maß. „Sie stehen auf dem Dünenauslauf. Sehen Sie das nicht?“ Ilka sah verwundert an sich herab. „Ich möchte sie ja nicht kritisieren, aber wo kämen wir hin, wenn das jeder macht? Sehen Sie sich nur diese Trampelpfade an. Ist das nicht schrecklich?“ Doch plötzlich änderte sich ihr Gesichtsaudruck. „Aber sagen Sie mal, kenne ich Sie nicht? Nein, diese Ähnlichkeit. Ja, natürlich.“ Und schon eilte sie, von einer unbestimmten Erwartung getrieben, fort, um kurz darauf in Begleitung einer zweiten Person zurückzukehren.

„Hier sind wir - hallo!“, tönte auch schon von weitem eine Stimme, die Ilkas tiefes Unbehagen weckte. Schon vorige Woche war Mutter zusammen mit Lutz, ihrem Vater, angereist und hatte seither vor lauter Sorge kein Auge zugetan. Immer wieder von Zweifeln und zahllosen Vorwürfen zerrissen, hatte sie die eigene Unerbittlichkeit längst bereut, die sie dazu gebracht hatte, ihr einziges Kind mit Nichtachtung zu strafen und sie wiederholt eine ’verzogene Rotzgöre’ zu nennen. Doch nun war alles vergessen und der Rest - Schwamm drüber. Inzwischen waren sie heran. Ilka dachte schon mit Grauen an Mutters Triumph, den zu ertragen ihr in letzter Zeit immer schwerer fiel. Übrigens, die Frau an ihrer Seite musste ihre Arbeitskollegin, Frau Pelzensteller sein, von der sie ständig erzählte. Die Mutter, eine Frau in mittleren Jahren, von kräftiger Statur und heller sommersprössiger Haut, hatte ihr dichtes, rotblondes Haar nach hinten aufgesteckt und mit einer Schleife zusammengebunden, so dass ihr ohnehin rundliches Gesicht noch aufgedunsener wirkte. Ihre  schmalen, unwillig verzogenen Lippen, verliehen ihr etwas Undurchschaubares, was ihre kleinen, listigen Augen noch ergänzten. Unentwegt rannen Schweißperlen über ihre Wangen, die sie mit einem Taschentuch betupfte. Sie trug einen schwarz-roten Badeanzug, unter dessen verrutschten Trägern weiße Streifen schimmerten. Neben der hageren Frau Pelzensteller wirkte sie eher plump, wie sie sich, bei jedem Schritt die Hände auf die Knie gestützt, ächzend die Stufen zu ihr heraufwuchtete. Natürlich würde sie gleich, vor Erleichterung übermannt, ihren Sieg hinter rührseliger Miene verbergen, ihn als nichtig abtun, aus Furcht, vorschnell alte Wunden aufzureißen. Und doch erwartete sie, wenn schon nicht ein reuevolles Bekenntnis, zumindest ein Wort des Bedauerns, der Entschuldigung vielleicht. Doch darauf konnte sie lange warten. Zugegeben war die Idee eines gemeinsamen Urlaubs durchaus vorteilhaft, nur war sie seinerzeit noch zu verwirrt gewesen, als sofort zuzustimmen. Noch dazu hatte sie sich wieder einmal gegängelt gefühlt. Und so war sehr schnell aus Widerwillen Trotz geworden und man hatte sich im Streit getrennt. Und als sie die Mutter nun in der ganzen selbstherrlichen Dominanz vor sich sah, hinter deren liebenswürdiger Miene wie immer etwas Hinterhältiges lauerte, bereute sie ihre Nachgiebigkeit. „Da bist du ja endlich, Pulchen“, ächzte sie auch schon, den Tränen nahe. „Wie war die Fahrt? - Hatte der Zug Verspätung?“ Und schon wurde sie von schweren Armen umschlungen und mit einem dicken Wangenkuss begrüßt. „Aber du bist ja ganz blass, ist dir nicht gut? Warum bist du denn nicht schon früher gekommen.“ „Siehst du, Traudel. Ich habe doch gleich gesagt, sie ist ein vernünftiges Mädel“, polterte die Pelzensteller zwischen, was der Mutter offenbar peinlich war, denn sie begann sogleich von der  hervorragenden Unterkunft zu reden. Erst nach einer ganzen Weile erwähnte sie die alte Bekannte, die sie schon seit Jahren kannte. Daraufhin hellte ein abschätziges Lächeln deren verhärmte Züge etwas auf. Nein, sie mochte diese Frau Pelzensteller nicht. Ihr Lächeln war überzogen; es wirkte linkisch und aufgesetzt. „Soso, das ist also Ilka, der ganze Stolz der Familie“, witzelte sie in einem Tonfall, der kränkend wirkte. Ein noch breiteres Lächeln spaltete jetzt ihren Mund und ließ jenen pinkfarbene Prothesenansatz erkennen, der ihre Hässlichkeit noch steigerte. Entgegen Traudels Lobpreisungen dämpfte sie jedoch die Erwartungen an dieses Heim, meinte, schon besser logiert zu haben und kam plötzlich irgendwie auf ihre Position auf Arbeit zu sprechen. Dabei stellte sie ein paar seltsame Vergleiche zu Disziplin und Beständigkeit her, die unschwer in Ilkas Richtung zielten. Traudel behagte das nicht, und nachdem ihr Versuch gescheitert war, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, kam sie wieder einmal nicht umhin, mit fremden Pulver zu schießen, indem sie sich lang und breit über Ilkas Zukunftspläne verbreiterte. „Na na, das ist jetzt aber etwas überzogen“, unterbrach die Pelzensteller den Redeschwall der Mutter. „Was heißt hier überzogen, schließlich waren Wunschs immer tüchtige Leute.“ „Daran habe ich keinen Zweifel, aber Doktor?“ „Warum denn nicht? Das gehört doch dazu, oder?“ beendete Traudel einen Gedanken, den Ilka gar nicht gerne hörte. Sie hasste das. Warum musste sie immer gleich so aufschneiden? Und überhaupt, was ging das alles dieser Person an? „Wo ist eigentlich Papa?“ fragte sie ungehalten zwischen, um diese dümmliche Diskussion endlich zu beenden. Sogleich suchte man den Vater, der im Strandkorb unter einer ausgebreiteten Zeitung eingeschlafen war und von dem nur  noch zwei ausgestreckte Beine aus dem bunten Kasten ragten. „Typisch Lutz“, lachte Traudel. „Und dabei habe ich ihm noch gesagt, er soll nicht immer so viel Bier ... Nanu? Ronald ist ja gar nicht bei ihm.“

 

Das war der Sohn der Frau Pelzensteller, der den Urlaub hier gemeinsam mit seiner Mutter verbrachte und von dem schon öfter der Rede war. Ilka erinnerte sich, - irgend so ein Typ, der in Kürze auch mit einem Studium begann und von dem sie schon einiges über die Mutter erfahren hatte. „Du musst ihn unbedingt kennen lernen, Ilka, ein netter Junge, wirklich. Denk dir nur, er hat sein Abitur mit Auszeichnung gemacht und dafür eine besondere Vergütung erhalten.“„Ein Sonderstipendium“, korrigierte die Pelzensteller. „Aber komm doch erst mal, wir haben einen schönen Platz dort unten.“ Doch Ilka wehrte ab, sie wolle erst mal ihre Sachen loswerden, duschen und dann etwas schlafen. Das war natürlich verständlich, und so führte sie die Mutter schließlich, unablässig vom Essen und der schönen Aussicht schwärmend, hinauf zur Unterkunft. Ihr Zimmer, ein wirklich schönes Appartement mit einem flauschigen Teppich auf rehbraunem Laminat, befand sich in der zweiten Etage. Neben der blaugekachelten Duschecke, besaß es sogar noch einen kleinen Balkon mit Meerblick. Die Tür stand weit offen, so dass der Seewind die Gardine blähte und das Rauschen des Meeres hereintrug. Aber warum, um alles in der Welt, ein zweites Bett ? - und weshalb dieser lächerliche Pyjama? Natürlich kannte sie Mutter zur Genüge, um zu wissen, wie sehr sie auf eine Wende in dieser leidigen Sache hoffte, obwohl sie stets so tat, als sei es ihr schnuppe. Doch das war geschmacklos. Intuitiv hob sie die Hände an die Schläfen und hub zu einer unwilligen Bemerkung an. Aber irgendetwas dämpfte ihren Zorn. War es der blaue Himmel, der kühle Seewind oder die Erinnerung an die lange Zugfahrt? Sie wusste es nicht, auch nicht, wieso ihr plötzlich wieder dieser Matrose in den Sinn kam. Eigenartige Gedanken kamen ihr in auf, Fragmente, die nicht recht zusammen passten und ihr Herz nur noch schwerer machten. Ihr Blick war nachdenklich und gesammelt, aber auch etwas unruhig, als hätte sie etwas überwunden, das sie noch immer nicht verstanden hatte. Tief in Gedanken, nahm sie das fortwährende Geschwätz der Mutter kaum mehr wahr, die mittlerweile dazu übergegangen war, allerlei Urlaubspläne zu schmieden. „Also, wir wollen in die Kirche und ins Heimatmuseum, - dort soll es übrigens noch einen echten Backofen geben, Oma wird es kaum glauben, wenn wir ihr davon... Aber was ist denn mit dir?“ „Was soll denn sein?“  „Bist so - verändert.“ „Unsinn. Aber was sagst du? - Backofen?“ „Ja, so einen, wie Oma immer meinte.“ Sie sprach diese Worte seltsam gedehnt und mit einem abwesenden Unterton, als wollte sie eigentlich etwas ganz anderes sagen. Zu allem verfolgte sie jetzt minutiös jede von Ilkas Regungen, und als sie bemerkte, dass sie errötete, war sie sich sicher. Das wiederum ärgerte Ilka. Für gewöhnlich zettelte sie in solchen Situationen schnell einen Streit an, allein schon um vom eigentlichen Thema abzulenken, doch seltsamerweise stand ihr heute nicht der Sinn danach. Im Gegenteil, sie erkundigte sich sogleich in übertriebenem Eifer nach weiteren Einzelheiten. Traudel indes war nicht so schnell zu beirren. Zu sehr nährte das Verhalten der Tochter ihren Verdacht, weshalb sie sich wieder einmal ertappt fühlte. Und obwohl sie nun, im Bemühen, sich gleichgültig zu geben, unablässig von ihrem Vorhaben weiterschwatzte, dabei so tuend, als hätte sie nichts bemerkt, verriet dennoch ein ahnend diskretes Lächeln ihre Gedanken. Dabei spürte man förmlich, wie es in ihr rumorte, wie es sie drängte, näheres darüber zu erfahren, denn das ihr Freund Holm-Hendrick dahinter steckte, stand außer Zweifel. Nur so war ihre Gedankenverlorenheit zu erklären, die hin und wieder irgendein warmer Schauer erhellte. O ja, das waren untrügliche Zeichen, die eine feinfühlige Mutter wie sie zu deuten wusste. Doch sie nahm sich zusammen und verkniff sich jedes weitere Wort. Und so zog sie sich am Ende im warmen Schweigen zurück, schloss leise die Tür und blieb derweil allein in froher Erwartung.            Am Abend saß man gemeinsam im Restaurant. Mutter trug ihren grünen Pulli mit dem weißen Glitzerbesatz aus dem letzten Ungarnurlaub, worüber sie ein safrangelbes Schultertuch geschlungen hatte. Papa indes, im grauen Smoking, saß, in recht unmanierlicher Haltung über seinen Teller gebeugt, zu ihrer Linken und schlürfte eine Suppe, während sich Frau Pelzensteller an einem Glas Sekt festhielt und interessiert Mamas emotionsgeladenen Ausführungen lauschte, in denen sie ihr lang und breit die Probleme des jüngsten Garagenbaus erläuterte. Dabei blieb sie auffallend still und verbarg ihre Gedanken meist hinter einem milden, öfter als angebracht zur Schau getragenen Lächeln. In ihrem angegrauten Perlonkleid aus den frühen Sechzigern, das ihren mageren Brustansatz erkennen ließ und weder zu Figur, noch Alter passen wollte, glich sie einer unanständigen Person, die es noch einmal darauf anlegte. Ilka missfiel die Art, wie sie Lutz zuweilen ansah und wunderte sich, dass Mutter das so stillschweigend tolerierte. Das Gespräch versandete, man spöttelte und landete wieder bei kleineren Sticheleien. Schließlich lachte man über irgendwelche Possen, die Lutz nun gar nicht witzig fand. Also, putzig sei das ganz bestimmt nicht, knurrte der. Selbst den Kies gab es nur, weil er seinerzeit dem Klempner von nebenan das Dach gemacht hatte, nach Feierabend versteht sich. Und als Traudel seine plötzliche Erregung auch noch amüsierte, wurde er böse. „Nun hör aber endlich auf, Traudel, du weißt doch genau, warum es so ist! Von wegen, ‘Trumpf mal auf, Lutz, schließlich bist du doch wer!’ ... Nichts bin ich, ein kleiner Brigadier, der diese Bettelei langsam satt hat. Heutzutage zählen nun mal andere Dinge ... Übrigens brauche ich dich nicht daran zu erinnern, dass ein Geschäft nur bei entsprechender Gegenleistung funktioniert!“ Mit diesem Seitenhieb spielte er auf die letzte Bestellung seines Chefs an, welche Traudel, die in einem Fleischgeschäft arbeitete, nicht hatte erfüllen können, weil durch einen unerwarteten Engpass die Schweinslenden ausgegangen waren. Danach war es noch zu einem Riesenkrach gekommen, da Mutter sich wieder einmal zu unrecht beschuldigt sah und ihm mit Vorwürfen wie Unfähigkeit und Versagen auf der ganzen Linie die eigentliche Schuld an der ewigen Ruine (wie sie die Garage ihrerseits voll bitterer Häme nannte) zuschob. Die Folgen waren fatal; tagelang hatte man nicht miteinander gesprochen und wenn, nur über Ilka als Mittelsmann, - eine unerträgliche Situation. Überhaupt schien sie als Tochter für beide das eigentlich verbindende Element zu sein, zumal beide dem Wesen nach doch grundverschieden waren. Im Gegensatz zur Mutter, war Papa geduldiger, langmütiger und irgendwie auch aufgeräumter. Er war ohnehin nicht der Typ, der sich so schnell überfahren ließ, auch wenn es mitunter so schien. Doch wenn es ihm mal ankam - so wie jetzt – dann konnte er auch aufbrausen. In der Regel beruhigte er sich aber schnell wieder, wenngleich es ratsam war, ihn danach nicht sofort anzusprechen. Jetzt war er 48, sah aber jünger aus, was er schon wiederholt bestätigt bekam. Er war mittelgroß, leicht untersetzt und hatte noch immer eine jugendlich straffe Figur. Sein dunkles, an den Seiten leicht angegrautes Haar, das sich am Hinterkopf schon arg gelichtet hatte, trug er, an Anlässen wie heute, meist von einem tiefen Seitenscheitel sorgsam aufgekämmt, um die ebenfalls bereits kahle Mitte zu überdecken. Sein Gesicht war schmal und von angenehmer Bräune. Das rührte daher, weil er auf dem Bau arbeitete und viel an der Luft war. Lediglich die dunklen engstehenden Augen und das leicht vorspringende Kinn verliehen ihm etwas Nachdenkliches, zuweilen Melancholisches. Man hätte seine Züge fast als liebenswürdig bezeichnen können, läge nicht in seinem Blick auch etwas Kaltes, was sein Lächeln oftmals zu glatt wirken ließ. „Aber Herr Wunsch, Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen“, intervenierte die Pelzensteller katzenfreundlich. „Für einen Mann ihres Formats, dürfte das doch kein Problem sein und wenn, hat das doch sicher andere Gründe, oder?“ Die Wirkung blieb nicht aus: Lutz, der sich zweifellos geschmeichelt fühlte, begriff um so mehr die eigene Ohnmacht und schaute um so verbitterter drein, während sich Traudel nur noch mehr echauffierte. „Sage ich ja auch immer. Und überhaupt, was hat das mit Gerechtigkeit zu tun?!“ begann sie erneut. „Sind wir denn weniger wert, nur weil wir nicht im Büro sitzen?!“ „Nun ja, die Sache liegt wohl etwas tiefer“, bemerkte Frau Pelzensteller etwas betreten und nippte zaghaft an ihrem Glas. „Finde ich eigentlich nicht“, platze Ilka plötzlich zwischen und löste damit einige Irritationen aus. „Nicht?“ Man war erschrocken. „Nein, denn es ist doch sonnenklar, was Frau Pelzensteller damit sagen will.“ „Was denn?“ wollte Traudel wissen. „Sie meint, dass wir ihrer Person an Tiefe nachstehen.“ „Wie kommen Sie denn darauf?“ empörte diese sich sofort. „Ach, nur so ... vielleicht weil Sie hier etwas in den Raum stellen, ohne es näher auszuführen. Vielleicht aber auch nur, weil Sie nicht so reden, wie Sie denken.“ „Ach was, war doch nur so ein Wortspiel, wie man das eben sagt ... Im übrigen glaube ich, dass wir genügend gegrübelt haben und uns nicht länger den Abend damit verderben sollten.“ „Warum fangen Sie dann damit an?“, setzte Ilka nach, der es offenbar Freude machte, diese Dame zu provozieren.  „Habe ich das?“ „Allerdings.“ „Ilka!“ wurde sie sogleich von Traudel angeherrscht. “Was soll denn das?“ „Nichts, Mama. Nur denke ich, dass Frau Pelzenträger...“ „Pelzensteller!“ „Ja, von mir aus, Pelzensteller, genau weiß, worum es geht. Es macht ihr Spaß, dich zu verletzen und du weißt das genau, nur wagst du es ihr nicht zu sagen, weil du denkst sie damit zu verletzen, und wenn schon, ich finde es sehr unkollegial auch von dir“ „Also das ist doch lächerlich. Ich glaube, Sie sollten nicht mehr so viel trinken, meine Liebe.“ Einen Moment herrschte Grabesstille. Während sich in den Zügen der Mutter einzige Fassungslosigkeit widerspiegelte, bemühte sich die Pelzensteller um Unbefangenheit. „Ah, da kommt Ronny“, rief sie entzückt. Sogleich richtete sich alle Aufmerksamkeit auf ihren Sohn, der schräg über die Tanzfläche von einem Pokertisch auf sie zugewankt kam. „Hallöchen!“, polterte dieser auch schon höchst unmanierlich zwischen, klopfte nach Stammtischart auf den Tisch und strahlte übers ganze Gesicht, als er den Stuhl zurück riss und Ilka dabei recht unsanft anstieß. Schon lümmelte er zu ihrer Linken, wobei seine enthemmte Art einen leichten Rausch erkennen ließ. „Na, du Schlingel, wieder gewonnen?“ Doch anstelle einer Antwort gähnte er ganz ungeniert und nahm einen langen Schluck von seinem Bier, was die Pelzensteller nur noch mehr  erheiterte. „Typisch Ronny,“ alberte sie und raufte ihm liebevoll das Haar. „Immer vorne weg, wenn es darum geht, den besseren Schnitt zu machen. Aber so ist er nun mal, und dabei habe ich ihm schon tausendmal gesagt, er soll nicht immer so dominieren Und dabei hat er ... Übrigens, das ist Ilka, die Tochter von Frau Wunsch.“ Ronald tat überrascht und sah sie an, als hätte er sie erst jetzt bemerkt. „A ja.“ Er reckte ihr umständlich die Hand entgegen und grinste noch breiter. Ilka, die daraufhin nichts erwiderte, ließ ihm nur zwei Finger und nahm den Blick sogleich wieder von ihm. Und obwohl die Art der Begrüßung recht deutlich war, verlor er sich sogleich in allerlei Albernheiten, die allenthalben lächerlich wirkten und nur aufgrund ihrer unmäßig aufgebauschten Art einige Heiterkeit erregten. Während seines Geschwätzes, lehnte er sich - sei es nun mit Absicht oder aus Nachlässigkeit - noch weiter zurück und wuchtete schließlich den ganzen Arm über ihre Lehne, was sie zu einer recht unbequemen Haltung zwang. Ohne sich jedoch im geringsten daran zu stören, begann er nun von irgendwelchen Dingen zu salbadern, welche, obgleich nicht sonderlich gehaltvoll, dennoch zur allgemeinen Belustigung beitrugen. Also nein, wie köstlich! Die beiden Frauen ulkten in einem Fort und bekamen sich am Ende gar nicht mehr ein. Auch Lutz schmunzelte, doch mehr über deren Gelächter als über die faden Bonmots. Einzig Ilka konnte diesem albernen Treiben nichts abgewinnen und schwieg, ohne die geringste Miene zu verziehen. Dieser Ronald war schon ein seltsamer Kauz. Obwohl  gute 1,90 und etwa hundert Kilo Lebendgewicht, besaß er mit seinen zwanzig Jahren noch immer die piepsige Stimme eines Eunuchen und die glatte, bartlose Haut eines Pfirsichs. Sein Gesicht war auffallend bleich, was seine vom Bier gerötete Nase besonders auffallen ließ. Lediglich etwas Hellblonder Flaum zierte seine wulstige Oberlippe, die er beim Reden eigentümlich hochzog. Jetzt suchte er mit ihr das Gespräch, indem er von seinen Zukunftsplänen berichtete. Ganz eifrig und offenbar von der eigenen Schilderung fasziniert, erörterte er seine künftige Karriere, steigerte sich in Entwicklungschancen und mögliche Problematiken und war am Ende so begeistert, das er ganz leuchtende Augen bekam. Und hatte sie zu Beginn noch rein aus Höflichkeit zugehört, flachte ihre Aufmerksamkeit sehr schnell ab. Bald schon gab sie sich keine große Mühe mehr und hatte ihn schließlich völlig abgeblockt. Zum Glück war Mutter mit Frau Pelzensteller so beschäftigt, dass sie es gar nicht merkte. Sicher wäre sie darüber böse gewesen, den Sohn ihrer besten Freundin derart zu verprellen, doch irgendwie wurde sie mit ihm nicht warm. Jener indes fand ihre ablehnende Haltung zunächst noch drollig und missdeutet es wohl als eine Art vornehmer Zurückhaltung, bis er dann irgendwann doch irritiert verstummte, nachdem sie seinen Redefluss mit unpässlichen Heiterkeitsausbrüchen und Bemerkungen über das Wetter jäh gestoppt hatte. Und als das gegenseitige Schweigen immer länger wurde und die Blicke nur noch aneinander vorbeiflogen, gab er schließlich auf und zog wieder zu seinen Kumpanen zurück. Mittlerweile begann eine Band zu spielen. Die Tische in der Mitte des Saales wurden zusammengestellt, um eine Tanzfläche zu schaffen. Das Licht wurde schummriger und neben einigen kleinen Wandlampen als letzte spärliche Beleuchtungsquelle, drehte sich nur noch eine glitzernde Kugel in lichter Höhe, von wo aus grelle Lichtfäden durch den Saal blitzten. Während Lutz, Salzstangen knabbernd, abwesend in den Saal blickte, echauffierte sich Traudel über etwas Komisches, wozu Frau Pelzensteller, die im fahlen Glimmerlicht so dürr und linkisch wie eine Ziege wirkte, wieder einmal grinsend schwieg. Die Musik wurde lauter, der Schlagzeuger drosch auf die Trommeln, der Bass schnarrte rhythmisch, und ein grauhaariger Sänger im dunklen Popeline-Anzug mit einer weißen Papierrose im Knopfloch, der im ovalen Lichtkegel zweier Scheinwerfer stand, imitierte aus voller Kehle in untadelig straffer Haltung einen Evergreen aus den frühen Fünfziger. Schon bald drehten sich die ersten Paare auf der Tanzfläche, beschwingt vom Rhythmus der Combo, die sich alle Mühe gab, Althergebrachtes mit Moderne zu verbinden. Applaus prasselte auf, und während sich die belanglose Unterhaltung am Tisch fortsetzte, begann sich Ilka umzuschauen. Neben der weit geöffneten Tür standen in zwei halben Fässer verstaubte Holunderbäume. Obwohl nahezu verwelkt und im Grunde ziemlich unansehnlich, erregten sie dennoch ihre Aufmerksamkeit, vielleicht weil sie so hässlich waren, wie sie überhaupt alles in diesem Saal für hässlich befand. Ein flacher Schanktisch mit umgestülpten Gläserreihen erstreckte sich rechts neben dem Eingang, und der ganze Saal, ringsum mit bunten Fresken verziert, versank im Dämmerlicht der schwachen Wandbeleuchtung. Zigarettenrauch hing in der Luft, die immer mehr den bittersüßen Geruch von Alkohol annahm. Alles in allem ein bedrückendes Szenario - passend zu ihrer Stimmung. Der Saal hatte sich inzwischen gefüllt, es wurde laut gesprochen und gelacht. Die Kellner eilten geschäftig hin und her. Irgendwo von der anderen Seite drang die Klappern von Bestecken herüber. Und während Ilka dem Treiben in apathischem Schweigen folgte, nichts fühlend, nichts sehend, allein in stillem Gehorsam an ihrem Platz verweilend, ahnte sie nicht, dass sie derweil woanders längst zum Thema geworden war. Einer der Typen an Ronnys Tisch begann sich für sie zu interessieren. Ein spindeldürrer langer Kerl war’s, der sie die ganze Zeit schon beobachte und, im Gegensatz zu einem Dritten, einem rothaarigen Krauskopf mit einem Schafsgesicht, auf Ronnys Gequatsche nicht das Geringste gab. Der Lange kicherte, wurde jedoch sogleich wieder ernst. „Machst du Witze?“ „Wenn ich es doch sage.“ „Sieht man ihr aber gar nicht an.“ „Natürlich nicht, wie auch?“ „He - Grün ist Trumpf, verdammter Trottel, pass’ doch auf!.“ Der Lange, den das blöde Spiel schon längst nicht mehr interessierte, warf die Karten hin, verschränkte die Hände im Nacken und räkelte sich ungeniert auf seinem knarrenden Stuhl. Wieder sah er zu Ilka, um schließlich genüsslich zu resümieren: „Ich würde sie jedenfalls nicht von der Bettkante stoßen“, worauf Ronny lachte, der das für eine dumme Idee hielt. Oh nein, da wäre nichts zu machen, versetzte er und zog vergnügt die Oberlippe hoch, um pfeifend einen weiteren Trumpf auszuspielen. „Hat jedenfalls ein hübsches Gesicht“, urteilte der Lange weiter. „Und ordentlich Holz vor der Hütten“, ergänzte der Krauskopf. „He, was ist denn nun, spielen wir, oder was! ?“ Ronny wurde wütend. „Ach, du kannst mich!“ Ilka hielt sich noch immer gelangweilt an ihrem Glas Rotwein fest, als dieser Typ inmitten der schnulzigen Musik plötzlich zu ihr rüber kam. Es war ein langer, schlaksiger Kerl, mit dunklem Haar, tiefliegenden Augen und einem provokanten, etwas hoffärtigen Gesicht. Spindeldürr war er, eine richtige Bohnenstange, weshalb er sich wohl auch, in der Absicht breiter zu wirken, mit der Linken in die Hüfte gestemmt vor ihr aufplusterte. Er trug ein rotes Baumwollhemd und eine schäbige Jeans. Ein abgebrochenes Streichholz klemmte in seinem Mundwinkel, das er herausnahm, als er sie aufforderte. „Darf ich -?“, nuschelte er unter einem kurzen Nicken, worauf Traudel errötend verstummte und die Pelzensteller verwirrt ansah. Ilka, noch immer völlig in Gedanken, wusste zunächst nicht, was das sollte, und erst als er seine Anliegen wiederholte, wurde es ihr gewahr. Das galt ihr. Jetzt maß sie ihn mit einem gewissen Erstaunen, etwas scheu noch und verblüfft, doch zunehmend herablassend. Und da ihre Verwirrung allmählich verflog, trat etwas wie Genugtuung angesichts des dummen Gesichts der Pelzensteller in ihre Züge, die ihren Ronny wohl allen ernstes für unwiderstehlich gehalten hatte. Schon war sie geneigt, ihm einen Korb zu geben, diesem Flegel, einfach so, einer Laune folgend. Aber warum eigentlich, im Grunde kam er ihr gerade recht. Und ohne länger darüber zu befinden, hob sie gleichmütig die Schultern und folgte seiner Invitation, ungeachtet des stummen Grolls am Tisch. Aber gerade als sie die Tanzfläche betreten hatte, beendete die Combo den letzten Titel, so dass eine unangenehme Pause entstand, wobei sie der Lange durchdringend anglotzte. Offenbar, noch immer auf der Suche nach dem rechten Einstieg, schwieg er wie ein Ölgötze, vielleicht gar in Erwartung einer Reaktion ihrerseits. Gott, war ihr das unangenehm! Sie errötete, wäre am liebsten fortgelaufen, fühlte sich plötzlich von allen Seiten begafft und vernahm überall ein verdächtiges Amüsement. Dann, beim nächsten Titel - sie tanzten getrennt - wartete er mit Hüpfen und eher spastischen Bewegungen auf, wobei sein dürrer Leib im flackernden Licht der Glitzerkugel vor ihr herumgeisterte. Schließlich wurde die Musik verhaltener. Diesmal nahm er sie sofort in den Arm und versuchte ihr ziemlich forsch seinen ruppigen Stil aufzudrängen, wobei er allerdings immer wieder einen Seitstepp zuviel machte. „He, was ist denn? - musst lockerer werden!“, forderte er, „in den Gelenken. Siehst du – so ...  Achte mal auf meine Füße... ist doch ganz einfach, oder? ... übrigens, ich bin Ralf - und du?“ In dieser abgedroschenen Frage lag soviel Flachheit, dass sie nur widerwillig antwortete. Und da ihm der Knoten endlich geplatzt schien, begann er sich nun über allerlei Dinge zu verbreitern, wobei er sie des öfteren in der dritten Person anredete. Natürlich reduzierte er dabei alles immer wieder auf sich und erzwang entsprechende Vergleiche, in denen er natürlich das Maß der Dinge setzte. Und während sie nun mehr schlecht als recht einige Runden drehten (er war wirklich ein miserabler Tänzer), richtete sie ihren Blick beiläufig zur weit geöffneten Eingangstür. Augenblick war sie wie paralysiert, denn das war doch völlig unmöglich. Sie traute ihren Augen nicht, aber dort stand er! Er trug die gleiche dunkelblaue Uniform und warf in der selben legeren Art seine Mütze auf den Tisch. Genau wie auf dem Bahnsteig hatte er die Linke in die Seite gestemmt, eine glimmende Zigarette zwischen den Lippen, und schaute in den Saal. Sofort zog sie den Kopf herab, um sich hinter dem Langen zu verbergen. Oje, war ihr das peinlich. Voller Unruhe sah sie bei der nächsten Drehung erneut zur Tür. Doch da war er schon wieder verschwunden. „Was ist denn?“ fragte der Lange und sah sie verständnislos an. „Du zitterst ja.“ Ilka machte eine unbefangene Handbewegung und wich ihm verstört aus. „Ah“, konstatierte er verständig, sich noch immer alle Mühe gebend, sein tänzerisches Unvermögen durch seitliche Ausfallschritte zu kompensieren, „Ging mir früher auch so, wird sich geben.“ ‘Idiot!’ dachte sie und fiel wieder in ihre Gedanken zurück. War es nur eine Sinnestäuschung oder Realität? Sie wusste es nicht, wusste nur, dass sie nicht mehr an ihn denken wollte und es dennoch nicht konnte. „Ganz schön stickig hier“, bemerkte der Lange lässig. „Da bekommt man einen richtigen Koller.“  „Ist hier eine Kaserne in der Nähe?“ wollte sie wissen. Er sah sie verdutzt an. „Nicht das ich wüsste. - Warum?“„Ach, nur so...“ Der Musik wurde schneller, er schlang den Arm noch fester um sie und wirbelte sie unbeholfen herum. „Hoppla, oh entschuldige.“ Schon wieder hatte er ihr auf den Fuß getreten. „Ist wohl heute nicht mein Tag... Übrigens, ich sitze dort drüben, und wenn du möchtest... ? Atze, das ist der Krauskopf dort, kennt ne Menge Witze. Na und den anderen Kennst du ja.“ Ilka nahm die Einladung an. Schon saß der Lange an ihrer Seite und hatte den Arm um ihre Hüften gelegt, wobei er sich des öfteren zurücklehnte und hinter ihrem Rücken recht zweideutige Gesten machte. Ilka, die davon nichts mitbekam, lauschte, das Kinn in die Hand gestützt, nur mit halbem Ohr seinen nachfolgenden Kalauern, wobei sie sich immer wieder zaghaft umsah, in der Hoffnung, ihn endlich irgendwo auszumachen. Ronny wiederum fand das gar nicht witzig, zumal ihm das Unbehagen ob ihres plötzlichen Erscheinens ganz offen im Gesicht stand. Erneut flammte Gelächter auf. Witze wurden gerissen, abgedroschene waren dabei, andere ohne Niveau, dann wieder schlüpfrige, die unter die Gürtellinie gingen. Die Kerle lachten. Der Lange legte nach, wobei er eine Nonne mit einem Pinguin verglich. Danach erläuterte er ziemlich derb den Unterschied zwischen Kloster und Bordell. Man johlte und konnte sich kaum noch halten. Nur Ronny verstummte zusehends. Vergebens hatte er noch mitzuhalten versucht, doch außer Spott nichts geerntet. Und nun saß er da, hatte das Gesicht in die Hände gestützt und versteckte sein Unvermögen hinter einem gequälten Lächeln. Bald waren ihre Mienen vom Rausch gerötet. Atze, der Krauskopf, erlag immer häufiger einem albernen Gekicher, während sich der Lange weiterhin lüstern an sie drängte. Ronny hingegen, vom Bier vollends benebelt, grinste nur noch blöde. Da überfuhr sie der Lange mit seinem Vorschlag: „Komm’ste mal mit raus?“ Raus? Ja, ein guter Vorschlag. Draußen vor der Tür drückte er sie sogleich gegen die Wand und knutschte sie auf den Mund. Er stank widerlich nach Bier und Zigaretten. Nein, küssen konnte er nicht. Er schien auch ansonsten nicht sonderlich erfahren, denn er schob sie gleich in die Ecke und grabschte ungestüm nach ihren Brüsten. „Was ist denn? ... Hab dich doch noch so zickig.“ „Was soll das - hör auf damit!“ Sie stieß ihn fort. „Ach was, komme her - wird dir bestimmt Spaß machen ... He, was ist denn, warum läufst du fort! ?“ Sie hörte noch sein böses Lachen und dass er ihr etwas Gehässiges nachwarf, dann ging sie in den Saal zurück. Noch immer dudelte die schmalzige Musik, blitzten bunte Lichtfäden durch den Saal, die wie bunte Punkte über die Wände flogen. Schweigend setzte sie sich wieder an den Tisch der Eltern. Dieser blöde Kerl, was der sich nur einbildete! Mutter, inzwischen sichtlich angesäuert, warf ihr noch einen vorwurfsvollen Blick zu, vermied es aber, sie anzusprechen. Am nächsten Morgen begab sie sich mit den Eltern und Frau Pelzensteller an den Strand. Jetzt war es noch nicht so voll, und man fand überall noch ein ungestörtes Fleckchen. Der wolkenlose Himmel strahlte in leuchtendem Azur, und es war brütend warm. Der zerwühlte gelbe Sand glitzerte in der noch tiefen Sonne und die Strandkörbe warfen lange spitze Schatten. Ilka, die ihren schwarzen Badeanzug trug und noch immer zögerte, ihre Bluse abzulegen, weil der Lange und die anderen Kerle schräg gegenüber glotzten, setzte sich in einen dieser harten, buntbemalten Strandkörbe, legte sich das Handtuch über die Schulter und streckte die Beine auf die ausziehbare wacklige Fußstütze, ohne diese Blödiane auch nur eines Blickes zu würdigen. Und wenn sie nun auch hin und wieder ein unflätiges Wort auffing, überhörte sie es, zumal ihre Gedanken seit gestern ohnehin nur noch um die Frage kreisten, ob sie sich geirrt hatte oder nicht? Vielleicht war er wirklich da gewesen und aus Enttäuschung wieder gegangen? Aber nein, unmöglich, der Moment war viel zu kurz, nur ein Wimpernschlag, - sie musste also geirrt haben. So was kommt vor, wenn man zu intensiv an etwas denkt. Aber hatte sie an ihn gedacht? Bestimmt nicht, - oder? Hm .... Vielleicht sollte sie ihm schreiben, einfach so, ohne Absender natürlich. Doch warum eigentlich, hatte sie das nötig? Lächerliche Frage. Sie sollte nicht mehr so viel grübeln. Wütend nahm sie ihr Buch zur Hand und versuchte ihn endlich zu vergessen. Doch ihre Gedanken konnte die Zeilen nicht fassen und kehrten immer wieder zu ihm zurück. Da wusste sie, dass sie gar nicht anders konnte. Also nahm sie den Kugelschreiber, schlug die Beine übereinander und schrieb, ohne noch länger darüber zu befinden, spontan die nachfolgende Karte.

 

‘Hallo Du, schön, dass Du Dich so schnell wieder davon gemacht hast. Aber ich habe Dich genau gesehen, hättest ja wenigsten mal Tag sagen können, oder bist Du mir am Ende noch immer böse? Und wenn, kann ich es nicht ändern, bin nun mal so. Und doch tut es mir leid, wirklich. Es ist wohl mein Schicksal, zum rechten Zeitpunkt stets das Falsche zu tun, aber es ist so unsagbar schwer, anders zu sein, wenn sich die Dinge ständig gegen einen wenden. Ich wünsche Dir noch alles Gute und lebe wohl eine flüchtige Zugbekanntschaft.’

Als sie den Blick wieder hob, war ihr, als sei soeben etwas zerbrochen, das noch gar nicht begonnen hatte. Sie dachte an nichts, fühlte sich leer und ausgebrannt. Vom Trübsinn benommen, betrachtete sie über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg die Weite des türkis - schimmernden Meeres, das sich in gleichmäßigen Wogen geheimnisvoll und gewaltig unter der morgendlichen Sonne dahinwälzte. Da erstand plötzlich ihr eigenes Leben vor ihr, und sie sah sich als Kind am Hofe ihrer Großeltern in Bohra. Es roch nach Kuhmist und frischem Heu. Morgens ging die Sonne auf und wich nicht von ihrer Seite. Selbst abends war noch immer ein breiter Sonnenstrahl in ihrem Zimmer, in dem Tausende Stäubchen tanzten. Ringsumher wurde tüchtig gearbeitet, und auf den Feldern glänzte das reife Getreide. Ihr Leben war bis dahin so gleichmäßig und ohne Erschütterung verlaufen, dass sie lange glaube, Glück sei dessen immanenter Bestandteil, bis Holm-Hendrik in ihr Leben trat, dieser charmanten Schönling, der vernünftig und gescheit und irgendwie ganz anders war - ein Ideal, das nicht zuletzt von Mutter hochstilisiert wurde und zu dessen Eltern man beste Kontakte pflegte. Anfangs betete er sie an, schrieb Briefe voller Leidenschaft. Fast täglich kam er zu ihr rüber, nur um ihr nah zu sein. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, dass jemals ein nennenswerter Streit zwischen ihnen gewesen wäre, und doch begann sich sein Wesen mit der Zeit jäh umzuwenden, obwohl sie ihm (oder vielleicht gerade weil sie ihm) niemals widersprach. Und wenn sie der Mutter davon erzählte, lachte diese nur und intervenierte: das sei doch ganz normal, er sei eben noch unfertig, niemand wäre perfekt. Vielleicht, und doch fiel es ihr zunehmend schwerer, diesen Makel zu akzeptieren. War er zu Beginn noch höflich und charmant, wurde er zunehmend einfältig und grob. Immer häufiger bereitete es ihm Vergnügen, sie zu kränken und sich an ihrem Schmerz zu weiden. Das vergeht, hatte Mutter wiederum getröstet, so was sei schließlich allen jungen Burschen eigen; schließlich habe er auch gute Seiten, von denen sie reichlich zu nennen wusste. Aber warum dann dieser ständige Schmerz, dieses Gefühl unendlicher Trauer, wenn er in ihrem Beisein zuweilen ganz ungeniert mit anderen Mädchen flirtete; warum diese innere Opposition, wenn er sich zum Richter über ihre Belange aufschwang? Er strebe eben nach Bestätigung. Im übrigen könne ein couragierter Mann für eine funktionierende Beziehung nur von Vorteil sein. Papa habe so etwas früher schließlich auch getan; oho, ganz rasend sei sie manchmal vor Eifersucht gewesen, wenn er mit einer anderen turtelte: oh ja, davon könne sie ein Liedchen singen, und was sei aus ihm geworden? – ein Prachtkerl, der beste Ehemann, den man sich denken könne ... Ach, Mutter ... Selbst als er sie immer öfter versetzte und am Ende gar nicht mehr kam, wusste sie noch etwas Positives hineinzudeuten, als wolle sie nicht begreifen, was längst offenkundig war. Erst als ihre, Ilkas, Depressionen zunahmen, als ihr ganzes Wollen zu verstummen begann; erst als die Medikamente nicht mehr halfen und sie in einem Moment tiefster Verzweiflung einen Versuch unternahm, ging es ihr ein. Die tiefe Sorge um ihr einziges Kind hatte sie endlich wachgerüttelt. Fortan war er ein Taugenichts, ein Leichtfuß vor dem Herrn, vor dem man sich wohl hüten müsse, und irgendwo habe sie es ja schon immer geahnt. Auch den Kontakt zu seinen Eltern fror sie merklich ein, jedoch nicht ohne Hoffnung auf eine spätere Restauration, weshalb ihr Handeln durch weiterhin salbungsvolle Ehrbezeigungen, wenn man sich mal zufällig traf, halbherzig blieb; ein Verhalten, das Ilka nur als Verrat an sich und ihren Gefühlen empfinden konnte, auch wenn Mutter immer wieder hoch und heilig das Gegenteil beteuerte und es allein mit der Notwendigkeit gebotenen Anstandes begründete, die nun mal ein kultivierter Umgang miteinander erfordere. Die folgende Zeit war schwer, und wäre nicht ihre beste Freundin Petra Ransch (Ranschi genannt) gewesen, die ihr in all den bitteren Stunden beigestanden, wer weiß, was sie getan hätte. Ständig brauste sie mit dem Motorrad herüber, um nach ihr zu sehen. Dabei brachte sie mit ihrem flatterhaften Wesen stets etwas Frohsinn in ihr Herz, wenn sie sich z. b. lang und breit über dies und jenes ausließ und das Ganze in ihrer Komik vortrefflich zu parodieren verstand. Sie blieb eben die Großklappe, deren verblüffende Selbstsicherheit ein couragiertes, doch zugleich auch empfindsames Wesen verriet, mit dem steten Gespür für den rechten Augenblick. Als Einzige war sie von Anfang an gegen diese Beziehung, weil er, wie sie meinte, sie nur zur eigenen Profilierung brauche, weil er sie ausnutze und überhaupt, weil er so ‘hundsgemein’ sei, wie ein Kerl nur sein könne. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie freilich noch nichts, wunderte sich nur, warum Ranschi immer gleich so auffuhr, wenn von ihm die Rede war und danach oftmals selbst in Tränen ausbrach. Erst viel später wurde es ihr klar. Aber nachdem er sie wegen einer anderen ebenfalls fallen gelassen hatte, hatte sie ihr irgendwann verziehen. Plötzlich, inmitten ihrer Gedanken, flogen kleine Steinchen zu ihr rüber. Sie schob die Sonnebrille zurück und bemerkte den Langen, der, auf dem Bauch liegend, das Kinn in die Hände gestützt, vergnügt vor sich hin grinste. Als er sah, dass sie aufschaute, warf er ihr zynisch einen Kussmund zu und wälzte sich behaglich auf den Rücken. Sodann klemmte er sich eine Karo zwischen die Lippen und turtelte mit dem Mädchen direkt neben ihm. Diese zog auch gleich den Kopf herab und prustete dümmlich. Die andere Kerle taten es ihr gleich, steckten die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln. Mutter wateten unterdes mit Frau Pelzensteller im Wasser und war wie jeden Morgen auf Muschelsuche.  „Gisela!“, rief sie aufgeregt, ohne den Blick vom Grund zu nehmen, "hab schon wieder eine." Schwerfällig bückte sie sich, und - da war es schon, ein Prachtexemplar. Strahlend hob sie die kleine weiße Scheibe gegen das Licht. Wie sie schimmerte, wie glänzendes Perlmutt; sie war entzückt. Auch Frau Pelzensteller, die sofort herbeigeeilt war, teilte ihr Staunen. Wirklich ein schönes Stück, und man war sich einig, dass es sich gut in einer Gartenrabatte oder in der Schrankwand machen würde. Vater, der zum Schutz vor der grellen Sonne wie immer diese hässliche weiße Campingkappe trug und einen Papierschnipsel über die Nase geklemmt hatte, war mit einem älteren Herrn ins Gespräch gekommen, der zusammen mit seiner Frau ein Zimmer gegenüber auf dem gleichen Flur bewohnte, - ein tadellos gekleideter Mann mit klugem Gesicht und der würdevollen Haltung eines Hochschulrektors. Bereits gestern, auf dem Weg zum Restaurant, hatte man ein paar Worte miteinander gewechselt, wobei es fast zu einem Eklat gekommen war. Denn nachdem sich der Mann u. a. sehr lobend über die Gartenarchitektur des Heimes und deren Interaktion zum Erholungsfaktor geäußert hatte, fühlte sich Lutz plötzlich provoziert. Sogleich parierte er mit einigen etwas überzogenen Vergleichen, mokierte sich über gewisse Unzulänglichkeiten bei der Vergabe von Ferienplätzen und mimte eine durchaus überzeugende Empörung. Und obgleich er das alles durchaus beherzt angebracht hatte, musste ihm dennoch etwas nicht ganz gelungen sein, denn der Mann sah ihn nur entgeistert an. Doch dann lächelte er und verzichtete auf jeden weiteren Kommentar, worauf Lutz ein starkes Unbehagen empfand, was sein Gegenüber nicht verborgen blieb, denn er wechselte rasch zu einfacheren Themen. Ilka hatte zwar noch versucht, den Vater zu bremsen, doch es war bereits zu spät. Oh wie war ihr das doch unangenehm und sie fürchtete schon, dass man an ihrer Miene ihre Gedanken erraten könnte, denn der Herr war sehr feinfühlig und beobachtete scharf. Zum Glück war er aber taktvoll genug, ihre Scham zu übersehen, die charakterschwächere Personen sicherlich ausgeweitet hätten und so entspann sich am Ende doch noch ein recht lockeres, einvernehmliches Gespräch bar jeder Hintergründigkeit, in dem eine durchaus aufrichtige Atmosphäre herrschte. Und auch jetzt schienen sie sich wieder bestens zu verstehen, denn man sah sie hin und wieder lachen und auf etwas in der Ferne weisen. Nun reichten sie sich abwechselnd das Fernglas, um wie gebannt auf Meer zu spähen. „Ilka, komm mal, das musst du sehen!“ Und sie, die eigentlich gar nicht wollte, folgte nun dennoch, allein um diesen gaffenden Kerlen endlich zu entkommen. Jetzt nahm sie Papa das Glas aus der Hand und schaute hindurch. Zunächst konnte sie nichts erkennen, blieb alles verschwommen, doch dann zeichnete sich weit dort draußen in dunstig blasser Ferne etwas ab. Es war die Silhouette eines Kriegschiffes. So etwas hatte sie bisher noch nie gesehen. Es war ein graues, schlankes Schiff. Auf dem vorderen und hinteren Deck waren Geschütze zu erkennen und an der Seite prangte eine große dreistellige Zahl. Es schien dort draußen still zu stehen, fast so, als schliefe es in der morgendlichen Sonne. Vom Licht umflutet, flimmerte sein schlanker grauer Körper in der Ferne wie ein Raubtier, das, auf Beute lauernd, träge im Wasser trieb. Aber es war zu weit weg, um weitere Einzelheiten zu erkennen. „Eine Korvette“, erklärte der Mann, „bewaffnet mit Zwillingskanonen, Torpedos, Wasserbomben und einer 120 Mann starken Besatzung.“ Lutz sah ihn erstaunt an. „Woher wissen Sie das alles?“ „Ich bin vor einigen Jahren als Nautiker auf solch einem Schiff gefahren.“ Dabei lächelte der Mann, als seien ihm einige Erinnerungen gekommen. „Es war eine schwere aber schön Zeit, denke gerne daran zurück.“ „Aber sagten Sie nicht, Sie seien Forstwirt?“ „Ach, wissen Sie, das Leben schreibt manchmal seltsame Wege, oder wussten Sie schon immer, was Sie später machen  würden?“ „Da haben Sie sicher viel erlebt“, folgerte Ilka. „Da kann man wohl sagen. Manchmal denke ich, dass mich jene Zeit dort eigentlich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Vor allem hat es mich gelehrt, dass man seinen Weg alleine finden muß. Nichts und niemand kann darüber befinden, was für einen anderen das Beste ist.“ „Klingt aber sehr kategorisch.“ „Ist es auch, und ich sage das nicht ohne Grund. Jene Matrosen dort draußen werden durch den harten Dienst für ihr weiteres Leben sehr geprägt und das ist auch gut so auch. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin bestimmt kein Militarist, aber etwas Drill ist für die jungen Burschen, die in ihrem Wesen noch unfertig sind, mitunter unabdingbar. Der Mensch ist nun mal von Hause aus unfertig. Erst durch einen gewissen Schliff bekommt er die Form fürs Leben. Und je besser diese Form, je vorteilhafter ... Aber warum lächeln Sie?“ Er sah Ilka verwundert an. „Entschuldigung, aber das ist zu komisch.“ „Was ist daran komisch?“­ „Wie Sie ­das sagen, durch Verformung zur Form finden. Meinen Sie nicht, dass man auch von selbst die rechte Form finden kann?“ „Durchaus, nur ob dann die nötige Akzeptanz vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln.“ „Also Individualität beschränken, alle in einen Form pressen und einheitlich ausrichten, darauf läuft es doch hinaus?“ „Das haben Sie gesagt.“ „Und Sie gedacht.“ „Was sind das denn da für Stangen?“ wollte Lutz wissen, der noch  immer durch das Glas starrte und sich gar nicht mehr davon lösen konnte. „Verzeihen Sie“,  der Mann nahm ihm das Glas aus den Händen und sah hindurch. „Antennen, ein Wald von Antennen.“ Daraufhin erklärte er wiederum einiges, wovon so manches aufgrund der vielen Fachausdrücke kaum zu verstehen war und doch ihr reges Interesse weckte. Ilka bedauerte, dass man hier im Ort keine Matrosen sähe. Immerhin gehöre so etwas doch zu einer maritimen Atmosphäre. Der Herr stimmte ihr zu, meinte aber, erst gestern einige im Restaurant gesehen zu haben. Ilka war augenblicklich wie erstarrt. Was sagte er da? Im Restaurant? Also hatte sie sich doch nicht getäuscht. Er war da gewesen, jetzt hatte sie Gewissheit.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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