In London Heathrow war ich angenehm überrascht, da Ankunft und Abflug vom gleichen Terminal stattfanden und die Flugzeuge auch direkt an der Halle hielten, so dass die nervigen Busfahrten, die ich vom letzten Jahr noch gut in Erinnerung hatte, diesmal entfielen. Das Gate war schnell gefunden, und sogleich wurde es mir schrecklich langweilig, alle Geschäfte waren bereits geschlossen, und bis zum Boarding war noch fast eine Stunde Zeit.
Ich
wanderte in der Halle herum und gelangte zu einem Transitbereich, in dem sich
eine größere Zahl Moslems aufhielt, um dort gen Mekka zu beten. Ein Mann betrat
einen bestimmten Bereich direkt am Fenster, richtete sich selbst exakt aus,
fiel auf die Knie und begann mit lautem jammerartigen Tonfall diverse Gebete in
arabischer Sprache zu rezitieren, währenddessen die anderen Gebetswilligen geduldig
warteten, bis sie an der Reihe waren.
Ich
sah mir die merkwürdigen Gebärden der langbärtigen Männer eine Weile an, wagte
es aber nicht, Fotos davon zu machen.
Als
der Langstreckenflug endlich losging, war ich dermaßen müde, dass ich beinahe
unmittelbar nach dem Start einschlief. Ich hatte mir extra einen Fensterplatz
reserviert, nicht nur der schönen Aussicht wegen, sondern vor allem, um mich
ungestört in die Ecke kuscheln und in Ruhe pennen zu können. Das klappte auch
ganz hervorragend, ich wurde erst wach, als so etwa 2 Stunden vor der Landung
laut klappernd das Frühstück serviert wurde.
Die
Organisation der Verpflegung an Bord fand ich recht interessant, da ja vor
einiger Zeit die an die British Airways angeschlossene Catering-Firma gestreikt
hatte und sich zahlreiche Mitarbeiter der BA in London aus Solidarität diesem
Streik illegal angeschlossen hatten. Der Ausstand schien die BA veranlasst zu
haben, sich von der Catering-Firma zu trennen, denn es gab auf dem Flug von
Berlin nach London kein Essen an Bord, stattdessen bekam jeder Reisende vor dem
Einstieg eine Verpflegungstüte oder neudeutsch „Meal bag“ gereicht. Die
Essensversorgung auf dem Langstreckenflug hatte wohl eine andere Firma
übernommen, jedenfalls musste ich nicht erneut dieses widerliche typisch
britische Frühstück essen, sondern bekam ein leckeres Schinken-Käse-Sandwich.
Angekommen
in Hongkong fühlte ich mich sofort wohl, weil alles mit dieser wunderbaren und
effizienten Routine ablief, die ich in Deutschland so oft vermisse. Der Service
ist einfach grandios, alles geht zackig voran. Neuerdings muss man durch eine
zusätzliche Schleuse laufen, die offenbar mit Wärmebildkameras (?) ausgerüstet
ist. Der Sinn dieser Anlage wollte sich mir nicht so recht erschließen, und ich
kümmerte mich auch nicht weiter darum, weil ich ein paar Sekunden später
bereits meine Tasche auf dem Gepäckband herumfahren sah.
Jetzt
noch rasch die Octopuscard aufladen (den Dreh habe ich ja mittlerweile raus),
und schon saß ich im Expresszug. Dieses mal stieg ich in Kowloon aus, da sich
ja hier meine Unterkunft befindet, die auch recht einfach aufzufinden war.
Ich
verlasse die Station und Hongkong empfängt mich mit 31 Grad Hitze und etwa 150%
Luftfeuchtigkeit. Es ist kurz vor 19 Uhr und alle Straßen sind total verstopft.
Ein Taxi zu nehmen wäre völlig sinnlos, also laufe ich etwa einen knappen
Kilometer die Jordan Road entlang. Ich stürze mich in das chinesische Gewimmel,
ich sehe die Hochhäuser, die gigantischen grellen Reklamen blenden meine Augen,
es riecht, stinkt oder duftet alle paar Meter nach etwas anderem. Die
Hupkonzerte, klingelnde Fußgängerampeln, die angesichts des sich nach allen
Richtungen ausbreitenden Staus ohnehin von den meisten Leuten ignoriert werden
– ja, das ist Hongkong mit all seiner Lebendigkeit. Es ruft förmlich nach mir,
„komm Uwi, durchwandele meine Straßen, sieh Dir alles an, was ich dir biete,
höre mich, fühle mich, rieche mich!!“
Die
Stadt muss sich jedoch zunächst noch einen Moment gedulden, denn ich möchte
zunächst mein Zimmer in Augenschein nehmen. Bis auf die beengten Abmessungen
scheint alles soweit in Ordnung zu sein, allerdings funktioniert der
Internetanschluss nicht. Für diesen hatte ich im voraus pro Tag 50 HK$ gezahlt,
die Managerin versprach mir, das Problem Morgen früh zu beheben.
Ich
lasse mich noch zu einem Spaziergang entlang der Nathan Road hinreißen und
besuche auch den Nachtmarkt, auf dem man für wenig Geld den unglaublichsten
Schnickschnack kaufen kann. Viele Touristen sind hier unterwegs. Wie auch beim
letzten mal prügelt Hongkong Hunderte von Eindrücken gleichzeitig auf mich ein,
und ich finde es wundervoll. Ich sehe es den anderen Touristen an, dass es
ihnen genau so geht.
Ganz Hongkong schwitzt. Die Klimaanlagen laufen auf vollen Touren, allerorts tropft das Kondenswasser auf den Bürgersteig. Die Luft ist so diesig, dass man kaum 3 Kilometer weit sehen kann.
Ich
begebe mich zur Talstation der Peak Tram, kehre aber angesichts der enormen
Warteschlange gleich wieder um. Nach einem Spaziergang durch den schattigen
Hongkong Park suche ich nach einem Reisebüro, um mir das Visum für die Weiterreise
nach Xiamen zu beschaffen. Ich bezahle 210 $, der Preis entspricht somit dem,
was ich in Deutschland auch bezahlt hätte. Es dauert 4 Tage, bis das Visum
fertig ist.
Später
besuche ich Causeway Bay, eines der lebendigsten Stadtviertel, das unter
anderem mit dem gigantischen Times Square Center die Menschen Tag und Nacht wie
ein Magnet anzuziehen scheint.
Die
Kassen klingeln hier natürlich auch an einem öffentlichen Feiertag. In Hongkong
schließt kaum ein Geschäft vor 23.00 Uhr, egal um welchen Wochentag es sich handelt.
An den Geldautomaten bilden sich Warteschlangen und so ziemlich jeder trägt
irgendwelche Einkaufstüten mit sich herum.
Ich
fahre auch zum Victoriapark und sehe viele Leute, die bei diesem Wetter auch
noch Fußball oder Badminton spielen!! In einem großen Pool lassen einige Leute
ferngesteuerte Boote fahren und tragen mit beachtlicher Geschwindigkeit Rennen
gegeneinander aus.
Ich
fahre zur Central Station und gehe an die Wasserseite des IFC, um mir das große
Feuerwerk anzusehen. Dummerweise ist der Bereich teilweise abgesperrt und sehr
viele Schaulustige drängeln sich auf der freigegebenen Fläche. Dennoch kann ich
das Feuerwerk, wenn auch von innen, recht gut sehen und vor allen Dingen auch
durch die offenen Türen hören! Die Chinesen lassen es ordentlich krachen, das
Spektakel dauert rund 20 Minuten.
Unmittelbar
danach stürmen die Menschenmassen voran, ein Teil des Stroms zweigt zu den
Fastfood-Restaurants ab, der Rest marschiert zur U-Bahn hinunter. Willenlos
lasse ich mich in der Menschenmenge treiben und wie eine Sardine in die
überfüllte Bahn pressen, die Fahrt dauert ja nur 10 Minuten.
Ich
unternehme also eine Rundfahrt mit der grünen Linie der MTR. Mein erster Stopp
ist die Station Prince Edward, ein wie ich finde, äußerst unattraktiver Teil
von Hongkong. Es ist laut, dreckig und es stinkt nach allem, was die zahllosen
Händler auf der Strasse verkaufen. Wer ein Schnäppchen machen will, wird in
diesem Viertel mit Sicherheit fündig werden, die Preise sind hier auf unterstem
Niveau, allerdings hege ich doch arge Zweifel, ob die tw. angebotenen
„Lebensmittel“ für europäische Mägen ohne ernsthafte Folgen zu verarbeiten
sind.
Nächster
Halt ist in Lok Fu, aber außer einem Einkaufszentrum und den üblichen Wohnsilos
gibt es dort nicht viel zu sehen. Die Berge mit den wunderschönen Countryparks
befinden sich jedoch höchstens 500 Meter entfernt – allerdings ist es viel zu
heiß, so dass mir bereits der bloße Gedanke an eine Wanderung den Schweiß aus
den Poren treibt.
Ich
fahre weiter nach Diamond Hill. Wie beinahe überall stolpert man zwangsläufig
direkt aus der MTR-Station in ein riesiges Einkaufszentrum, in diesem Fall das
„Hollywood Plaza“. Dadurch, dass diese Shopping Mall relativ abgelegen vom
Touristenzentrum liegt, kann man hier auch preiswerter einkaufen, und es ist
auch nicht so überfüllt. Im Atrium sehe ich eine seltsame Anordnung aus
Blechbüchsen (Keksdosen?), die sich bei einem Blick von einer höheren Ebene aus
als gigantisches Domino-Arrangement entpuppt, das mehr oder minder ein Herz mit
dem darin enthaltenden Schriftzug „Save Our Earth“ bildet. Ein oder zwei Leute
treffen gerade die letzten Vorbereitungen, ich warte jedoch nicht, bis das
Domino gestartet wird, obwohl es bestimmt ordentlich laut scheppern würde.
Ansonsten gibt es auch in der Umgebung von Diamond Hill keine großartigen
Sehenswürdigkeiten, außer vielleicht einer Klosterschule.
Ich
steige wieder in die MRT, die nun oberirdisch fährt und fahre bis nach Kowloon
Bay. Dieser Punkt entspricht ungefähr der Hälfte des Rundkurses. In dieser
Gegend wird man garantiert nur noch ausschließlich auf Einheimische treffen.
Die Häuser hier sind für meine Begriffe von der schäbigsten Sorte, graue
Betonklötze mit winzigen Fenstern, soweit das Auge reicht.
Ich
steige in Lam Tin (ebenfalls ein sehr unattraktiver Ort mit riesigen
Schrottplätzen direkt vor der Station) in die lila Linie um, unterquere das
Wasser und gelange zur Station Quarry Bay. Nach einem kurzen Abstecher zwecks
Mittagessen im Schatten der Bürotürme laufe ich ein Stück die King’s Road in
Richtung Osten entlang und finde alsbald den Startpunkt des Mount Parker Trails
bzw. den Eingang zum Tai Tam Country Park. Entgegen aller Vernunft entschließe
ich mich nun doch zu einer kurzen Wanderung und verschwitze auf der Strecke von
vielleicht 2 km (mehr wollte ich mir bei der Hitze wahrlich nicht zumuten, und
es ging tw. schon ziemlich steil bergauf) mindestens 5 Liter Wasser! Ich
entdecke einen großen Barbeque-Platz, wo auch einige Grillfreunde ihrem Hobby
frönen. Ich habe keine Ahnung, welche abartigen Chemikalien die Chinesen als
Grillanzünder verwenden, jedoch würde ich, so wie es dort gestunken hat,
vermutlich keinen Bissen anrühren! Der Weg wieder hinunter zur Station Quarry
Bay ist weitaus angenehmer, aber die extrem schwüle Witterung ist dennoch sehr
gewöhnungsbedürftig.
Ich
fahre nun in Richtung Chai Wan bis zur Station Heng Fa Chuen und sehe mich
ebenfalls ein bisschen um. Die Wohntürme liegen hier eigentlich recht schön
direkt am Wasser, und es gibt eine nette Promenade. Allerdings darf ich nicht
sehr lange auf einer Bank sitzen und den (zugegebenermaßen recht diesigen)
Ausblick genießen, denn es beginnt zu regnen. Ich begebe mich zurück zur
Station und komme gerade noch rechtzeitig unter dem Vordach an, um sogleich den
kurzen, aber ziemlich heftigen tropischen Wolkenbruch mit Platzregen und
Granatendonner zu erleben.
Vor
dem Abschluss der Rundfahrt steige ich noch einmal an der Station North Point
aus, um meine erste Begegnung mit Hongkong (im Februar 2004) noch einmal
nachzuempfinden. Dieses Mal habe ich allerdings mit der Orientierung keinerlei
Schwierigkeiten mehr.
Die
Rundtour endet an der Station Admirality, wo ich in die Tseun Wan Linie umsteige
und nach Jordan zurückfahre.
Ich
entschließe mich, nach oben zu laufen, den Weg kenne ich ja, jedoch macht ihn
das bei diesen Temperaturen natürlich nicht minder beschwerlich. Fächelnd und hechelnd
erklimme ich den Berg und begegne einem Trupp Arbeiter, die allen Ernstes den
betonierten Wanderweg mit Chlorreiniger schrubben! Staunend laufe ich vorbei
und halte mir wegen der ätzenden Chlordämpfe die Nase zu. So werden Arbeitsplätze
geschaffen. Ich überlege, ob ein solcher Service in Deutschland realisierbar
wäre und lache mich über den Gedanken innerlich halb kaputt.
Endlich
erreiche den Peak und ärgere mich zum zweiten Mal, denn der berühmte Peak Tower
ist eine Baustelle!! Das Gebäude wird modernisiert und ist so ziemlich komplett
eingerüstet. Man kommt lediglich in die Bahnstation hinein, in den höheren
Etagen bollern die Presslufthämmer. Die schönen Souvenirläden, die billigen
Restaurants, die Aussichtsterrassen, das Wachsfigurenkabinett – alles ist
verschwunden! Übrig geblieben ist das Einkaufszentrum, das sich gegenüber des
Towers befindet, aber dort ist es natürlich richtig teuer. Angesichts meines
leeren Magens entschließe ich mich schweren Herzens, zum Mittagessen in das
pikfeine chinesische Restaurant zu gehen und werde dort 200 Dollar los! Für
Hongkong ist das unverhältnismäßig teuer, selbst für Deutschland. Die Portion
war reichlich und ich werde permanent von 5 Kellnern umwuselt (von denen 3 kein
Englisch verstanden), jedoch hätte ich für ein ähnliches Gericht (inklusive
Bier) in Berlin allerhöchstens 7 oder 8 Euro bezahlt!
Nach
diesem opulenten Mahl wandere ich einmal den Panorama-Rundweg um den Peak ab.
Leider ist die Fernsicht nicht so grandios, denn es ist immer diesig. Später
bewölkt es sich obendrein auf verdächtige Weise und ich trete schnurstracks den
Rückweg an. Auch bergab laufe ich, denn die Warteschlange an der Tram reicht
schon fast über den halben Platz.
Wieder
unten angekommen, fahre ich nach Tsim Sha Tsui und besuche das Hongkong Space
Museum. Für den lächerlichen Eintrittspreis von 10 Dollar kann man nichts
falsch machen. Es gibt dort auch ein Multimedia-Theater, wo diverse Shows für
etwa 35 Dollar angeboten werden, jedoch liefen zur Zeit nur die chinesischen
Shows, für die nächste Vorführung auf Englisch („Human Body“) hätte ich über 2
Stunden warten müssen.
Das
Museum ist bei weitem nicht so groß, wie es von außen wirkt – den meisten Platz
nimmt eben dieses Theater mit seiner Kuppel in Anspruch. Dennoch ist es interessant
und natürlich – wie könnte es anders sein, interaktiv, d.h. man kann mal wieder
überall herumspielen. Die Chinesen scheinen das zu lieben, kein Museum, wo man
nicht irgendwelche Knöpfe drücken, Joysticks hebeln oder Touchscreens betatschen
kann. Einmal probieren, wie es sich anfühlt, im Weltall herumzudriften? Kein
Problem, nimm einfach in einem speziellen Schwebestuhl platz und begib dich auf
die 90-sekündige Reise!
Als
ich aus dem Museum herauskomme, ist es bereits dunkel, und die Skyline von
Victoria Island glitzert in all ihren faszinierenden Farben. Die Luft hat sich
auf angenehme 26 Grad abgekühlt und ist auch nicht mehr so feucht, so dass ich
mich auf die Treppe vor dem Kulturzentrum lege und den Ausblick genießen kann.
Ich fahre mit der MTR eine Station nach Tsim Sha Tsui
und steige dort in die KCR Bahn um. Bei meinem letzten Besuch in Hongkong war
ja die Station East Tsim Sha Tsui noch eine gigantische Baustelle, aber nun ist
alles fertig. Die Fahrt mit der KCR bis zur Station Tai Wai dauert höchstens 15
Minuten, ich hatte es mir deutlich weiter vorgestellt, auch auf den Karten scheint die Entfernung
größer, als sie in Wirklichkeit ist. In Tai Wai steige ich abermals um und
benutze die beinahe nagelneue Ma On Shan Linie für eine Station. KCR und MTR
ist im Prinzip das gleiche, Züge und Stationen sind in der Gestaltung sehr
ähnlich. Einziger Unterschied ist, dass die KCR hauptsächlich oberirdisch fährt
und man als Fahrgast somit einen gewissen Ausblick genießen kann.
Von der Station Che Kung Temple aus folge ich der
Wegbeschreibung zum gleichnamigen Tempel und sehe den Einheimischen eine Weile
bei der Ausübung ihrer Religion zu. Im Tempel selbst ist das Fotografieren
verboten, dort steht eine riesige Götterstatue mit einem dicken Schwert und
guckt recht grimmig auf die Besucher herab. Am Altar vor der Statue steht ein
Priester – ich bezeichne den Herrn mit dem roten Gewand jetzt einfach mal so –
und schlägt fast ununterbrochen eine sehr hell klingende Glocke, die mir nach
kurzer Zeit in den Ohren gellt. Auf dem Vorplatz kann man die üblichen
Räucherstäbchen kaufen und in einen Altar stecken, davor steht ein Typ ohne
besonders spezielle Kleidung, jedoch scheint er eine wichtige Funktion zu
haben, denn immer wenn ein Mensch zum Beten vor den qualmenden Altar tritt,
holt er eine Schriftrolle heraus und beginnt, selbige laut zu rezitieren –
vermutlich Glücksbotschaften des Gottes, vielleicht auch eine Art Absolution,
ich weiß es nicht. Merkwürdigerweise hört sich seine bellende Stimme für meine
Ohren eher so an, als würde er den Betenden mit den schlimmsten Verwünschungen
und Flüchen belegen.
Ich gehe weiter in Richtung Tsang Tai Uk und sehe mir
kurz dieses antike festungsartige Dorf an. Schnell stelle ich fest, dass man
diese Attraktion getrost links liegen lassen kann, denn von der großartigen
alten chinesischen Architektur ist auf Grund der Verwitterung nicht mehr viel
zu sehen. Ich folge weiterhin dem Weg über die Lion Brücke zum Hongkong
Heritage Museum, was jedoch an Dienstagen geschlossen hat. Inzwischen ist es
unerträglich heiß geworden. Die Luft ist recht klar, und man hat heute eine
gute Fernsicht, jedoch werde ich heute von der Sonne geröstet, während ich ja
in den letzten Tagen mehr gedünstet wurde.
Ich bummle durch den schönen Sha Tin Park, dessen
nördlicher Teil leider auf Grund von Umbauarbeiten geschlossen ist. Der
Endpunkt der Wanderung ist das New World Plaza, wieder eines jener riesigen
Einkaufszentren, das ebenfalls teilweise umgebaut wird. Hier finde ich nach
einigem Suchen auch „Snoopy’s World“, einen kleinen Themenpark, der sich mit
den berühmten „Peanuts“ Comicfiguren beschäftigt. Die Anlage ist an sich ganz
witzig, aber eben doch nur ein größerer Spielplatz.
Zum Mittag speise ich in einem sehr guten „europäischen“ Restaurant, das einige sehr skurrile Gerichte anbietet, die ich in Deutschland bzw. in Europa so noch nicht gegessen habe. Jedoch war das europäische Essen, eben zubereitet nach asiatischer Art, durchaus sehr lecker und auch preiswert.
Nach dem Essen gehe ich zurück zur KCR und fahre aus
reiner Neugierde bis zur Endstation, um mich dort kurz umzusehen. Schnell
stellt sich heraus, dass es hier, abgesehen von den üblichen Wohntürmen nicht
viel gibt – noch nicht! Hier ist die Stadt mehr oder minder vorerst zu Ende,
auf der einen Seite ist das Wasser, und davor sehe ich nur Wald. Auf der
anderen Seite sind die Berge. Ich frage mich, wie lange dieser Wald wohl dort
noch als solcher stehen wird und ob an seiner Stelle nicht vielleicht in
absehbarer Zeit weitere Neubauten hochgezogen werden. Wenn ich mir die rasante
Stadtentwicklung ansehe, schätze ich die Chancen für das Fortbestehen der Natur
in ihrer jetzigen Form als ziemlich gering ein.
Also steige ich steige wieder in den Zug und fahre
bis zur Station City One. Dort gibt es im wesentlichen nur weitere Wohnhäuser
und einen ziemlich dreckigen Fluss zu bestaunen. Hier gibt es auch mehrere
große Schulen, die ungünstigerweise genau in dem Moment den Unterricht beenden,
als ich zwischen den Gebäuden herumschlendere. Eine Flut von uniformierten
Schulkindern strömt auf mich zu und reißt mich gnadenlos bis in die Bahn hinein
mit sich.
Eigentlich will ich zur Unterkunft zurück fahren,
entschließe mich aber kurzerhand zu einem Abstecher nach Tai Po. Diese Vorstadt
ist an sich sehr unattraktiv. In den verhältnismäßig engen Straßen staut sich
der Verkehr ohne Ende, es ist stickig. Permanent werde ich von irgendwelchen
Spendensammlern angesprochen (ich muss unglaublich reich aussehen), die alle
nur mein Bestes wollen und davon möglichst viel.
Ich schiebe mich durch das Gedränge in Richtung
Waterfront Park – der wiederum sehr zu empfehlen ist. In der ausgedehnten,
direkt am Wasser gelegenen Parkanlage ist es wunderbar ruhig, und es gibt einen
seltsamen schneckenförmigen Aussichtsturm, der einen fantastischen Blick auf
die ganze Umgebung bietet.
Allmählich tun mir aber nun doch die Füße weh. Ich
marschiere zurück zur Station und passiere dabei einen weiteren schmaleren
Park, in dem sich ein Trimm-Dich-Pfad mit allerlei seltsamen Gerätschaften
befindet. Angesichts der dort herumhampelnden Sportfanatiker muss ich mir doch
schwer das Lachen verkneifen.
Zurück in der Unterkunft fängt mich die Hausdame ab
und bringt mich zum großen Manager Mister Tang, der bereits seit vorgestern
über mein Internetproblem brütet. Mister Tang ist zwar sehr freundlich, hat
aber von technischen Dingen keine Ahnung.
Die Haushälterin / Frau – was immer sie ist – bietet
mir eine Suppe und noch irgendetwas zu essen an, das sie gerade gekocht hat,
während ich am Schreiben eines Mails bin. Ich verspüre jedoch keinen Hunger.
Etwas später gehe ich nochmals zur Harbour City auf
die Terrasse am Ocean Terminal, um den Ausblick bei Dunkelheit zu genießen, den
ich beim letzten Mal am Tag erlebte. Dann lasse ich den Tag im wunderschön
beleuchteten und dekorierten Kowloon Park ausklingen.
Ich fahre weiter nach Mei Foo, wo es einen Themenpark
mit alter chinesischer Baukunst zu besichtigen geben soll – den ich allerdings
bedauerlicherweise nicht finden kann. Die Gegend ist extrem zugebaut und es
herrscht ein abartiger Verkehr. Etwas verdrossen laufe ich zwischen den
abgewrackten Wohntürmen herum und finde den Eingang zum Lai Chi Kok Park – hier
ist es nun wieder ziemlich angenehm, wenn auch nicht wirklich ruhig, der
Verkehrslärm und die Geräusche einer nahen Baustelle (hey, na so was, da ist ja
noch ein bisschen Platz, lasst uns gleich zwei neue 40-Geschosser
hinstellen!!). Die Sonne steht beinahe im Zenit und brennt unbarmherzig auf
mich herab. Erschöpft schlurfe ich in einen der hübschen schattigen Pavillons
und ruhe mich eine Weile aus.
Ich gehe zurück zur Station (wo war sie noch gleich?
Irgendwie ungünstig, dass die Häuser so dicht zusammen stehen und alle gleich
aussehen) und fahre mit der KCR West Rail durch die Berge hindurch bis nach
Yuan Long. In dieser Vorstadt bietet sich ein Rundgang durch das sogenannte
Oldtown an. In diesem Viertel verschaffe ich mir einen Eindruck vom Hongkong
der 50er und 60er Jahre, bevor die Hochhaussiedlungen aus dem Boden gestampft
wurden. In den schmalen Gassen ist es erstaunlich ruhig, die maximal
3-stöckigen Behausungen sind teilweise auf abenteuerliche Weise
zusammengezimmert. In den schmalen Gassen duftet es nach frisch gewaschener
Wäsche, hier und da sehe ich alte Männer im Schatten sitzen und Chinesisches
Schach oder Majongg spielen. An einer Stelle steht eine Art zentraler
Stromversorgungsmast, dessen wirre Verkabelung zu den umliegenden Häusern jedem
deutschen Elektriker die Haare zu Berge stehen lassen würde. Das Viertel ist
sauberer als man vielleicht denken möchte, es handelt sich augenscheinlich
keinesfalls um einen Slum. Allerdings
gibt es dort auch definitiv ein Rattenproblem, auf das auch diverse
Warnschilder hinweisen.
Des weiteren gibt es in Yuan Long eine Straßenbahn,
das ist zwar nicht die große Sensation, aber für Hongkong doch recht
ungewöhnlich, da ja eigentlich bis auf die traditionelle Doppeldecker-Tram auf
Victoria Island nur Busse verkehren. Warum nun ausgerechnet hier ein sogar
recht umfangreiches Straßenbahnnetz aufgebaut wurde, vermag ich nicht zu
ergründen. Auf jeden Fall nennt sich das ganze LRT (für Light Rail Train) und
gehört wohl irgendwie auch zur KCR. Nach einem prüfenden Blick auf den völlig
konfusen Netzplan beschließe ich jedoch, mit der KCR West Rail Bahn weiter zur
Endstation Tuen Mun zu fahren.
Auch hier verkehrt die LRT Straßenbahn. Gleich um die
Ecke des Bahnkomplexes, am Ufer eines vor Dreck starrenden Flusses gelegen,
befindet sich ein großer und nett angelegter Park. Das Interessante hier ist,
dass es einige Stellen gibt, an denen sich die Einheimischen versammeln, um ein
wenig zu musizieren. Auch hier lerne ich erneut die andere Seite von Hongkong
kennen, völlig entspannt, fernab jeder Hektik. An einen kleinen, von einer
Autobatterie gespeisten Verstärker werden kurzerhand eine Gitarre und ein
Mikrofon angeschlossen und schon kann das spontane Konzert losgehen. Ein Herr
spielt Gitarre und eine ältere Frau singt ein paar Songs aus einem Liederbuch
vor, einfach so. Weitere Leute mit Akustikgitarren, Rasseln und anderen
Instrumenten stimmen in die offensichtlich sehr bekannten Lieder ein. Als die
Frau ein etwas schnelleres Stück singt, springen einige der Zuhörer auf und
beginnen sogar zu tanzen!
Ganz in der Nähe beobachte ich eine ähnliche
Performance, nur dass hier ein älterer Herr singt, na ja besser gesagt jammert
und obendrein den Verstärker erbarmungslos übersteuert, was jedoch niemanden
großartig zu stören scheint. Hier tanzt ein Typ in einer Art Tracht mit 2
Fächern bewaffnet einen traditionellen chinesische Tanz und das obendrein
ziemlich gut!
Ich mache mich auf den Rückweg und besuche erneut das
hauseigene Internetbüro meiner Unterkunft, um nach einer Bowlingbahn zu suchen.
Irgendwie hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, einmal in Hongkong Bowling
spielen zu wollen, und nun war es soweit. Zufälligerweise befindet sich das am
nächsten gelegene Bowlingcenter (so viele gibt es nämlich gar nicht!) in Mei
Foo, also fahre ich erneut dorthin und nach einer kleinen Ewigkeit des Suchens
entdecke ich es auch. Die Preise sind hoch, pro Spiel soll es wohl laut der
Preistafel 38 Dollar kosten, aber das hatte ich eigentlich auch erwartet. Es ist kurz vor 18.30 Uhr und von
den 24 Bahnen ist ungefähr die Hälfte belegt. Am Schalter stehen 4
Servicekräfte, von denen jedoch nur eine Dame wirklich Englisch versteht.
Merkwürdigerweise reduziert sich der Preis nun auf 29 Dollar pro Spiel, was ja
aber immer noch teuer genug ist. Man gibt mir 1 ¼ Stunden Zeit zum Spielen, da
danach wohl die Bahn reserviert ist. Tatsächlich wird es auch innerhalb der
nächsten Stunde ordentlich voll, aber auf Grund der absolut disziplinierten
Spielweise der Einheimischen gibt es keinerlei Probleme. Allerdings ist die
Bahn auch glatt wie eine Eisfläche und dann marschiert noch ein
Servicemitarbeiter mit der Ölmaschine los, um alle Bahnen nochmals richtig
schön einzufetten. Im Gegensatz zu dem, was ich aus Berlin kenne, sind die
hauseigenen Bowlingbälle (meine eigene Ausrüstung hatte ich natürlich nicht
dabei) von sehr guter Qualität, aber natürlich eher für asiatische Hände
gebohrt, so dass ich am Anfang einige Mühe hatte, mit den Kugeln
zurechtzukommen.
Doch ich habe mir meinen Wunsch erfüllt, einmal auch
in Hongkong bowlen zu gehen und kehre zufrieden zu meiner Schuhkarton-Behausung
zurück.
Nach einigem Zögern kehre ich doch zu meinem ursprünglich
geplanten Tagesablauf zurück und laufe zum Museum of History, das ich gerne
besuchen will. Dort angekommen, stelle ich an der Kasse fest, dass ich meine
Geldbörse in der anderen Hose habe und darf den Weg noch mal laufen. Eine gute
halbe Stunde später kaufe ich mir dann das Ticket für 10 Dollar und frage mich
insgeheim, wie die Museen bei diesen lächerlichen Eintrittspreisen überhaupt
Gewinn machen können?!
Obendrein ist am Mittwoch der Eintritt komplett
frei... Wie dem auch sei, ich flaniere durch die sehenswerte Ausstellung, die
durch die komplette Geschichte Hongkongs führt. Das Museum ist relativ groß,
und wer sich in Ruhe alles ansehen und die Erklärungen durchlesen möchte,
sollte schon 2–2,5 Stunden für den Rundgang einplanen.
Als ich – vollgefüllt mit interessanten
geschichtlichen Fakten – auf den Vorplatz des Museums trete, brennt die Sonne
wieder mit voller Intensität. Also war mein Entschluss wohl gar nicht mal so
verkehrt – eine Wanderung wäre in dieser Mittagshitze ein Horrortrip geworden!
In der Nähe des Museums gibt es eine Fußgängerzone
mit vielen Geschäften und Restaurants. Willkürlich lasse ich mich von einer
Rolltreppe in ein großes Lokal hineinrollen und werde natürlich auch sogleich
platziert. Ich bestelle ein ähnliches Gericht, wie jenes, das ich auf dem Peak
gegessen habe. Wie üblich, stehe ich unter ständiger Beobachtung von mindestens
3 Kellnerinnen und lasse mir den kosten-losen Tee schmecken, der ständig
nachgeschenkt wird.
Das Essen wird auf einem großen Teller herangebracht.
Ich ignoriere das übrige herumstehende Essgeschirr und schicke mich an, mit
einem der beiden Löffel den Essensberg abzutragen. Die Kellnerin verfällt
beinahe in Panik, schnappt sich beide Löffel und baggert einen Teil des Essens
vom großen Teller in eines der kleinen Schüsselchen und schiebt mir die
Esstäbchen hin.
Ich hab’s wirklich versucht, aber ich kann nun mal
nicht mit Stäbchen essen und werde es vermutlich auch nie lernen.
Wahrscheinlich fehlt mir ein asiatisches Gen, das mir diese Fingerfertigkeit ermöglicht.
Unerbittlich kämpfe ich mit dem fernöstlichen Esswerkzeug und verwandele die
Tischdecke in ein Schlachtfeld. Seufzend lehne ich mich zurück und zucke mit
den Schultern. Ich muss nicht einmal nach einem Kellner sehen, weil ich sehr
genau weiß, dass mein Versagen bereits registriert wurde. Natürlich will man
den trotteligen Deutschen nicht vor einem vollen Teller verhungern lassen und
so werden mir nach einer Minute ganz dezent Messer und Gabel gereicht.
Am Nachmittag mache ich mich auf dem Weg zum China
Travel Büro, um mein Visum abzuholen, aber zunächst gilt es, das Haus
wiederzufinden. Ich verwechsele die Straße Queens Road Central mit Queensway
und irre eine Weile herum, werde dann aber doch fündig. Das Visum für die
Einreise nach China wurde problemlos gewährt, und ich bin diese Sorge endlich
los.
An einem hochgelegenen Rastplatz (Schätzungsweise 400
m) kreuzen sich mehrere Wanderwege. Ich sehe eine heftig aufwärts führende
Treppe, und ein davor stehendes Schild teilt mir mit, dass selbige mit 599
Stufen zum Gipfel des Mt. Parker führt. Dort gebe es einen faszinierenden
Ausblick, allerdings weist das Schild auch gleich mit roten Buchstaben auf die
für den Aufstieg notwendige Kondition hin. Ich überlege eine Weile hin und her
– mittlerweile haben sich die Wolken verzogen und die Sonne brät alles, was
sich aus dem Schatten heraus wagt. Der Jakobssteig hinauf zum Mount Parker ist
jedoch schattig, also wage ich den Aufstieg. Die Treppen stellen kein größeres
Problem dar, auf den letzten 100 Stufen (laut meiner Zählung waren es insgesamt
nur 580, welch ein Betrug!) muss ich mich aber dann doch durch die sengende
Sonne arbeiten. Der Aufstieg lohnt sich auf jeden Fall, ich kann die Aussicht
nur als absolut großartig bezeichnen. Die hohe Luftfeuchtigkeit von knapp 90%
trübt zwar die Fernsicht ein wenig, aber 10-12 km sind es auf jeden Fall, für
diesen weiteren imposanten Eindruck von Hongkong durchaus nicht zu verachten.
Ich steige die Treppen wieder hinunter und folge der
Straße hinunter zum Tai Tam Reservoir. Hier, sozusagen auf der Rückseite von
Victoria, ist es absolut still, ein krasser Kontrast zur belebten Metropole.
Bis zur Staumauer begegne ich keinem einzigen Menschen und kann es wieder mal nicht
mehr glauben, dass die am dichtesten besiedelte Stadt der Welt (ca. 117000
Einwohner/km² z.B. in Mong Kok) praktisch nur einen Steinwurf entfernt liegen
soll.
Bis zur Staumauer geht es immer schön im Schatten
durch den dichten Dschungel bergab. Hier gabelt sich der Weg erneut, und wie
ich schon befürchtet hatte, muss ich auf der anderen Seite des Tales wieder den
Berg hinauf – natürlich in der prallen Sonne.
Diverse Serpentinen später erreiche ich die Siedlung
Parkview, in der ich ebenfalls sehr gerne eine Wohnung besäße. An den noblen
Karossen, die hier umherfahren, erkenne ich, dass sich diesen exklusiven
Wohnort (obwohl es letztlich auch nur Hochhäuser sind) nur wenige Hongkonger
leisten können. Offenbar gibt es sogar eine Art private Buslinie für die
Bewohner dieser Anlage. Ich laufe hinunter zur Passtrasse, die von Stanley nach
Victoria führt und warte ca. 3 Minuten auf einen Bus, der mich zurück in die
Stadt zur Central Station bringt.
Nun meldet sich mein Magen zu Wort und fordert mich
unmissverständlich auf, sofort in eine der stets in Sichtweite liegenden
Fastfood-Filialen der Restaurantkette „Goldenes M“ zu gehen.
Später am Nachmittag unternehme ich noch einen
Rundgang durch den schönen Zoo von Hongkong, und dieses mal darf ich mir auch
die Vogelgehege ansehen, die ja bei meinem letzten Besuch hier, auf Grund der
Gefahren im Zusammenhang mit der Vogelgrippe, gesperrt waren.
Mittags schlendere ich in Soho herum, wo es massenhaft Restaurants mit internationaler Küche gibt. Auch wenn die angebotenen Gerichte sehr lecker erscheinen, sind die meisten Gaststätten für mein Empfinden überteuert, hier zahlt man auf jeden Fall den Touristenaufpreis! Ich entscheide mich für ein Restaurant mit Thailändischer Küche, das recht moderate Preise hat. Experimentierfreudig bestelle ich Reis mit Hühnchen und gesalzenen Fisch. Es schmeckt an sich recht gut, aber die Fischstücke sind wirklich ungeheuer salzig. Dazu trinke ich ein thailändisches Bier, das ziemlich süß ist – etwas gewöhnungsbedürftig, aber man kann es trinken.
Gleich um die Ecke entdecke ich
ein Internetcafe und halte mich dort eine Weile auf.
Während ich Mails schreibe und Nachrichten lese, meldet sich mein Verdauungssystem
und möchte das thailändische Essen gerne sehr schnell wieder loswerden – die
Sache mit dem gesalzenen oder besser gesagt versalzenen Fisch war wohl doch
keine so gute Idee.
Später fahre laufe ich zur Hong Kong Station und fahre mit der MTR bis nach Tsing Yi. Diese kleine Insel liegt etwa auf halben Weg zwischen Kowloon und dem Flughafen, auch die Expressbahn zum Airport hält hier an.
Direkt an die Station angegliedert ist das Maritime Square, natürlich wieder mal ein großes Einkaufszentrum, das vor allem Spielzeuggeschäfte, aber auch eine Vielzahl interessanter Restaurants beherbergt.
Gleich hinter dem wuchtigen Einkaufszentrum befindet sich der Tsing Yi Park, der auch durchaus einen kleinen Rundgang wert ist. Hier gibt es z.B. auch einen ruhigen Aussichts-Pavillon. Ansonsten besteht Tsing Yi im Prinzip nur aus Wohnhäusern, die wie üblich, dicht an dicht wie in einem Wald stehen. Allerdings gibt es hier auch eine ausgedehnte Uferpromenade, bislang die längste, die ich in Hongkong gesehen habe, und ein Spaziergang lohnt sich allemal. Die Aussicht war auf Grund des wolkig-diesigen Wetters wieder einmal nicht so überwältigend, aber dennoch beeindruckend. Die Häuserwände vor der malerischen Kulisse der Berge, die Kontraste sind immer wieder faszinierend. Am Ende der Promenade hat man einen guten Blick auf die gigantische Brücke zur Insel Lantau, die wohl die längste Hängebrücke der Welt sein soll.
Ich verweile bis zum Abend an der Promenade und sehe den Joggern und anderen Verrückten zu, die sich bei dieser Hitze verausgaben.
Auf dem Rückweg steige ich an der Kowloon Station aus und sehe mir noch einmal die große Arena an, die einem Golf Club gehört. Von einem 3-stöckigen Podium aus kann der Golfbegeisterte hier das Abschlagen üben. Gegen Ende des Tages ist der Rasen mehr weiß als grün, weil überall die abgeschlagenen Bälle herumliegen, es müssen Tausende sein. Ich sehe dem seltsamen Treiben eine Weile zu und mache mich dann entlang der Jordan Road auf den Weg zum Hotel.
Ich biege in das Gewirr der Nebenstraßen ab und finde tatsächlich den Weg zum nördlichen Aussichtspavillon. Überhaupt lohnt es sich wirklich, die Rundwanderwege, die über die ganze Insel führen, einmal komplett abzulaufen. Leider ist die Beschilderung oftmals missverständlich oder fehlt, aber verlaufen kann man sich auf diesem kleinen Eiland auch nicht wirklich. Wenn man alle Touren abwandern möchte, sollte man bei normalen Tempo und mit einigen Pausen (um sich von den teilweise ziemlich steil bergauf führenden Abschnitten zu erholen) schon 4 Stunden einplanen. Außerhalb des Stadtkerns ist es wunderbar ruhig. Der Ausblick ist toll, auch wenn es mal wieder ziemlich diesig ist und ich Lamma Island gerade noch so erkennen kann, obwohl es höchstens 5 km entfernt liegen dürfte.
Ich stelle fest, dass die Menschen hier in extrem unterschiedlichen sozialen Verhältnissen leben. Von der einfachen Wellblechbude bis hin zum 3-stöckigen Luxushaus mit aufwendig gestalteten Dachgarten ist hier alles zu finden und steht sehr dicht beieinander. In der Betrachtungsweise eines Westeuropäers leben manche Leute hier in der Tat hart an der Armutsgrenze, aber ich denke, niemand würde sein Leben mit meinem tauschen wollen, wenn sich die Gelegenheit dazu böte.
In den engen Gassen der Stadt gibt es unzählige kleine Geschäfte und gute Restaurants. Fast alle Angebote sind lediglich auf Chinesisch gekennzeichnet, daher sollte man, wenn man dieser wundervollen Sprache zufällig nicht mächtig ist, entsprechend nachfragen (notfalls mit Händen und Füßen, die älteren Leute hier sprechen absolut kein Englisch). Souvenirs, wie z.B. T-Shirts oder Basecaps gibt es hier auf jeden Fall günstig zu erwerben.
Der Strand von Cheng Chau ist zwar auf den ersten Blick recht hübsch, jedoch stelle ich bei näherem hinsehen fest, dass das Wasser ziemlich schmutzig ist. Wirkliche Badelust kommt in mir angesichts dieser Brühe nicht auf, aber die Einheimischen lassen sich natürlich nicht von dem Müll im Wasser abschrecken. Überall sehe ich immer wieder die Plakate und Schilder, die zum Umweltschutz auffordern und unter Androhung hoher Geldstrafen alles mögliche verbieten – aber in der Praxis lässt das ganze zumindest hier noch mächtig zu wünschen übrig.
Ich beende meine Inselwanderung und nehme die Fähre um 17 Uhr zurück nach Hongkong, wobei diese Fahrt deutlich angenehmer verläuft.
Zurück in der Metropole, mache ich mich unverzüglich auf den Weg zum Science Museum, das ich noch einmal besuchen wollte. Hier gibt es auch eine Sonderausstellung, den „Roboter Zoo“, in dem einige kreative Köpfe ihrer Phantasie offenbar freien Lauf gelassen haben, um diverse Tiere als kybernetische Utopien zu entwickeln. Jedoch auch die normale Dauerausstellung mit all ihren interaktiven Möglichkeiten ist immer wieder sehenswert und bietet überdies einige neue Attraktionen.
Natürlich läuft auch wieder die riesige Energiemaschine. Das wunderbare in Hongkong ist, dass man auch am Sonntag Abend noch getrost um kurz vor 19 Uhr ins Museum gehen kann, weil selbiges nämlich bis 21 Uhr geöffnet hat. Tatsächlich ist es auch um diese Zeit noch gut besucht.
Ich verlasse das Museum gegen 20.45 Uhr und gehe noch einige Sachen einkaufen. Die zweite tolle Sache in Hongkong ist, dass man auch am Sonntag Abend um 21 Uhr noch in aller Ruhe in den Supermarkt oder zum Bäcker gehen kann. Viele Minimärkte haben ja sogar rund um die Uhr auf. Ich wünschte wirklich, dass wir in Deutschland eines Tages auch diesen Servicegrad erreichen mögen, aber bis dahin wird wohl noch sehr viel Wasser den Rhein hinab laufen.
In Macau angekommen, darf ich mich zu meiner Freude an den relativ leeren „Visitors“ Schalter anstellen und bringe die Einreiseformalitäten schnell hinter mich, während sich an den „Residents“ Schaltern lange Warteschlangen bilden. Immerhin transportiert die Fähre knapp 430 Passage und das im 15-Minuten-Takt!!
Ich trete aus dem Terminal heraus und stelle zunächst einmal fest, dass es hier ziemlich neblig ist und man nicht sehr weit sehen kann. Der Weg zur sehenswerten Innenstadt scheint nicht weit zu sein, daher überhöre ich geflissentlich die Rufe der Taxifahrer und laufe los.
Um ehrlich zu sein, mir hat Macau überhaupt nicht gefallen! Mein erster Eindruck war, dass es sich um ein Hongkong im Kleinformat handelt, nur mit 3 mal soviel Verkehr! Des weiteren wird an allen Ecken und Enden gebaut, es ist teilweise furchtbar laut und die Luft ist staubig. Zum Glück ist es heute nicht so heiß, sonst hätte ich es wohl keine Stunde lang ausgehalten. Die erste „Attraktion“ ist ein großes Kaufhaus, das insofern bemerkenswert ist, als dass es sich vom Aufbau her tatsächlich um ein Kaufhaus im „europäischen Stil“ handelt, also keine Shopping Mall mit vielen kleinen Läden, sondern eben ein Kaufhaus, wie wir in Deutschland es als Karstadt oder Galeria Kaufhof kennen. Bis auf die Angestellten ist es allerdings beinahe menschenleer hier, daraus schließe ich, dass es sehr teuer sein muss.
Ich laufe die Avenida da Amizade entlang in Richtung des Stadtzentrums. Alle Straßennamen hier sind portugiesisch. Auch viele Schilder sind in dieser Sprache verfasst. Die Ansagen auf den Fähren waren ebenfalls in insgesamt vier Sprachen zu hören: Kantonesisch, Englisch, Mandarin und Portugiesisch.
Der Verkehr hier ist unglaublich dicht, es fahren massenhaft Mopeds umher. Es gibt nur wenige Ampeln, die teilweise nicht einmal funktionieren. Statt dessen existieren zwar Zebrastreifen, die jedoch von den motorisierten Verkehrsteilnehmern weitestgehend ignoriert werden. Will man auf die andere Seite, ist man letztlich gezwungen, einfach die Straße zu betreten und direkt in den träge fließenden Verkehr hinein zulaufen, in der Hoffnung, nicht überfahren zu werden! An einem Kreisverkehr steht ein Polizist und versucht mit einer Trillerpfeife bewaffnet den Verkehr zu regeln. Die Autos (hauptsächlich Taxis und Kleinbusse) halten zumeist noch an, jedoch drängeln sich die zahllosen Rollerfahrer überall vorbei, wo es nur geht und weichen auch oftmals ohne jede Rücksicht auf die Bürgersteige aus!
Reichlich genervt von diesem Chaos erreiche ich das Stadtzentrum. Hier befindet sich eine Fußgängerzone, das heißt jedoch nicht, dass man hier nicht auch mit gelegentlichen Mopedfahrern rechnen muss!! Einkaufsmöglichkeiten und günstige Restaurants finden sich hier zwar zuhauf, aber es ist auch sehr voll. Besonders an den Marktständen in den engen Nebenstraßen herrscht dichtes Gedränge.
Ich hatte ja gehofft, eine hübsche Altstadt im portugiesischen Stil vorzufinden, aber davon ist, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr viel zu erkennen. Wo nur Platz ist, werden Häuser hingestampft, die teilweise von extrem hässlichster Architektur sind, die ganze Stadt ist total verbaut. Trotz des Stadtplans, den ich mir am Fährhafen besorgt hatte, fällt mir die Orientierung im Gewirr der Gassen und engen Straßen schwer, da teilweise die Schilder mit den Namen schwer zu lokalisieren und gar nicht vorhanden sind. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Stadtkern kann man innerhalb von einer Stunde abarbeiten. Um die weiter entfernt liegenden Orte (im Süden der Insel gibt es wohl noch einiges Sehenswertes) zu besuchen, muss man sich entweder durch das Verkehrschaos und die Großbaustellen hindurchkämpfen oder einen der überfüllten Minibusse nehmen. Das Ticket hierfür muss vor Fahrtantritt an einem merkwürdigen Pavillon-ähnlichen Automaten gelöst werden. Hier sollte man aber sehr genau wissen, wo man hin möchte, sonst zahlt man schnell drauf. Aber angesichts der krassen Staus ist man zu Fuß vermutlich sowieso schneller.
Ich unternehme noch einen Spaziergang in Richtung des berühmten Macau Tower. Dieser sieht zwar auch recht beeindruckend aus, aber auf Grund des nebligen Wetters lohnt es sich nicht, nach oben zu fahren.
In einem großen Bogen gehe ich zurück in Richtung Terminal und komme hierbei auch an der Kun Lam Statue vorbei. Als ich mich anschicke, die 4-spurige Straße, die zum vorgelagerten Park führt, zu überqueren, werde ich von einer Polizistin trillerpfeifend zurückbeordert. Obwohl sowieso alles mehr steht als fährt, weist sie mich darauf hin, dass ich bitte die Unterführung für Fußgänger benutzen möge. Offenbar ist man ausgerechnet an dieser Stelle arg um mein Wohlergehen besorgt – aber an anderen viel gefährlicheren Ecken (mit Zebrastreifen!!) kann ich mich ruhig umfahren lassen!
Ich bin sehr froh, als ich um 16.15 Uhr wieder in der Fähre nach Hongkong sitze.
Die Rückfahrt ist nicht ganz so langweilig, weil auf einem großen Monitor „Just for Laugh“ Videos (ähnlich „Verstehen Sie Spaß“, also Hereinlegen von Ahnungslosen mit versteckter Kamera) laufen, über die ich mich gemeinsam mit dem neben mir sitzenden älteren chinesischen Herrn halb kaputt lache.
Zurück auf Hongkong Island begebe ich mich noch für eine Weile ins Internetcafe und fahre dann gegen 19.30 Uhr zurück zur Unterkunft, um meine Sachen für die morgige Weiterreise nach Xiamen zusammen zu packen.
Der Flughafen in Xiamen ist relativ klein. Als Einreisender in die Volksrepublik China muss ich diverse Formulare ausfüllen und mehrere Kontrollen passieren.
Mein Versuch, mich am
Geldautomaten mit der lokalen Währung auszustatten, scheitert, weil der Automat
nur chinesische Schriftzeichen anzeigt. In der Abflughalle finde ich jedoch
einen Geldwechsler, der mir aus 250 HK$ knapp 260 Yuan zaubert.
Da ich das öffentliche Nahverkehrssystem nicht kenne, begebe ich mich zum Taxistand
und stelle fest, dass keiner der Fahrer Englisch versteht. Ich zeige meinen Hotelgutschein
vor, auf dem die Adresse der Unterkunft steht. Das Taxi fährt drauflos, der
Fahrer steuert seelenruhig in den Gegenverkehr hinein um quer über alle Spuren
auf den richtigen Weg zu gelangen. Nebenbei telefoniert er mit dem Hotel, um
sich offenbar beschreiben zu lassen, wie er es finden kann.
In Xiamen herrscht der gewohnte Rechtsverkehr und auch die Autofahrer sitzen auf der „richtigen“ Seite. Die Straßen sind breit und in guten Zustand – ganz im Gegensatz zu einigen der „Autos“, die hier herumfahren. Mopeds gibt es zum Glück keine oder zumindest nur wenige, dafür sehr viele Radfahrer.
Nach etwa 15minütiger Fahrt hat
der Fahrer das Hotel gefunden, es kostet 32 Yuan.
(Zufälligerweise ist das Umrechnungsverhältnis zwischen Yuan und Euro auch in etwa
10 : 1, was bei den Preisvergleichen eine ungeheure Erleichterung ist)
Das Hotelzimmer ist in der 7. Etage gelegen (interessanterweise hat das Hotel 13 Etagen) und entspricht dem internationalen 3-Sterne-Standard.
Ich erwerbe für 5 Yuan einen großen Stadtplan der gesamten Insel und mache mich auf den Weg für einen ersten Erkundungsspaziergang.
Xiamen ist größer als es auf der Karte aussieht, aber die Struktur der Straßen ist relativ einfach, auch ist die Bebauung hier bei weitem nicht so dicht und hoch wie in Hongkong, so dass man sich eigentlich nicht großartig verlaufen kann.
Schnell stelle ich fest, dass hier nur sehr wenig – um nicht zu sagen, beinahe gar nichts – in Englisch gehalten ist. Ebenso scheinen die meisten Einheimischen kein Englisch zu verstehen und ich werde wohl Hauptsächlich mit Händen und Füßen kommunizieren müssen.
Der Unterschied zwischen Xiamen und Hongkong ist mindestens so groß, wie der zwischen Hongkong und Berlin. Alles hier erscheint mir fremdartig (zumal ich ja nichts lesen kann) und außerdem scheine ich weit und breit der einzige Mensch kaukasischer Abstammung zu sein. Ich spüre sehr genau, dass mich viele Leute neugierig angucken. Die Schulkinder tragen rote Halstücher. Die Chinesische Staatsflagge ist immer irgendwie automatisch im Blickfeld.
Ich wandere herum und fühle mich wie ein Alien...
An den Ampeln muss man als Fußgänger sehr wachsam sein, da die abbiegenden Autos zeitgleich grünes Licht haben und nicht lange fackeln. Es ist aber bei weitem nicht so schlimm wie in Macau. Ich stelle fest, dass es sehr viele Werkzeugläden, Eisenwarenhändler und vor allen Dingen Frisöre gibt! Die Chinesen legen offenbar großen Wert auf ihre Haarpracht, denn in fast allen Frisörsalons ist es ziemlich voll.
Gleich am Hotel befindet sich eine Bahnstation. Ich weiß nicht, ob das der Hauptbahnhof von Xiamen ist, es könnte gut möglich sein. Sämtliche Anzeigen im Bahnhof sind in Chinesisch gehalten. Ratlos schaue ich auf die verwirrenden Abfahrtstafeln. Wenn ich mit dem Zug fahren müsste, würde ich vermutlich niemals an meinem Ziel ankommen...
Gleich neben dem Bahnhof befindet sich ein großes Kaufhaus, natürlich wird auch hier in China Shopping mittlerweile ganz groß geschrieben. Die Preise scheinen mir auf dem ersten Blick noch etwas unterhalb des Niveaus von Hongkong zu liegen. Auch in der 5- oder 6-stöckigen Shopping Mall ist das rote Banner mit den 5 Sternen allgegenwärtig und wirkt beinahe wie ein Mahnung an die Bevölkerung, sich nicht zu sehr von den Verlockungen des glitzernden Westens einlullen zu lassen.
Ich wundere mich über den Interessenkonflikt, der eigentlich herrschen müsste: Die USA sind extrem unbeliebt und überhaupt scheint alles aus Amerika grundsätzlich erst einmal böse und verwerflich zu sein – andererseits steht hier ein riesiges Walmart Supercenter und es ist knackend voll.
Ich bin gespannt, was mich morgen erwartet.
Etwas später entscheiden wir uns, einen leichten Spaziergang durch das Stadtzentrum zu unternehmen, der dann doch den ganzen Tag dauert. Es gibt einen ausgedehnten wunderschönen Park mit Seen, seltsamen Skulpturen und anderen Kunstwerken. Interessanterweise sind in die Laternen Lautsprecher eingebaut, aus denen der Besucher mit leiser entspannter Musik berieselt wird. Jetzt mitten in der Woche in der Mittagszeit ist der Park beinahe menschenleer, aber es soll wohl auch schon ziemlich voll werden können, wenn diverse Veranstaltungen z.B. am Wochenende stattfinden.
Die Architektur in Xiamen ist durchweg modern, und an vielen Stellen werden neue Häuser gebaut, wobei die Glaspaläste nicht ganz so pompös sind wie in Hongkong. Noch nicht! Classris bestätigt mir, dass sich diese Region als Sonderwirtschaftszone sehr rasch entwickelt.
Während wir durch die Straßen schlendern, falle ich auf wie ein bunter Hund. Classris meint, dass so ziemlich jeder zweite hier den komischen Typen mit der hellen Haut und den hellen Haaren neugierig ansehen muss, um dann herumzurätseln, woher dieser Typ wohl kommen mag und was er hier wohl will. Sozusagen befinde ich mich in einer Art Rolle als Pionier auf dem Gebiet des Tourismus hier. China öffnet sich ja dem Westen mehr und mehr, und während man in Peking oder Shanghai als Reisender europäischer Herkunft bestimmt längst kein großes Aufsehen mehr erregt, bin ich hier in der tiefen Provinz noch eine Ausnahmeerscheinung.
Classris zeigt mir viele Geschäfte und kleine „Restaurants“ (mehr Imbiss-Stuben), wo man Schlangen, Hunde, Katzen und Ratten essen kann. Erneut gerate ich mächtig ins Staunen, ich hatte von diesen Dingen gehört, aber sie nicht wirklich geglaubt. Sie gesteht mir, dass sie (vor langer Zeit) auch Hundefleisch gegessen hat.
Zum Abend hin suchen wir ein Restaurant. Zuerst gehen wir in die riesige Shopping Mall, die sich auch hier „World Trade Center“ nennt. In der obersten Etage gibt es ein gigantisches Selbstbedienungsrestaurant. Zwar gibt es hier mit bis dato unbekannte und sehr preiswerte Köstlichkeiten, aber es ist viel zu laut. Wir gehen am Hotel vorbei und finden eine Art Steakhouse, wo wir für insgesamt 70 Yuan beide satt werden. Hier kann man sich auch halbwegs in normaler Lautstärke unterhalten.
Morgen will mir Classris die kleine vorgelagerte Insel zeigen, wo es wohl bereits mehr westlichen Tourismus geben soll.
Als wir das Terminal für die Fähre betreten, wundere ich mich erneut, weil man nichts bezahlen muss. Die Hinfahrt zur Insel GulangYu ist grundsätzlich kostenfrei, auf dem Rückweg muss man pro Person 3 Yuan zahlen. Die Fähre hat keine festen Fahrzeiten, es geht los, wenn das Schiff voll genug ist. Die Überfahrt zur Insel dauert höchstens 10 Minuten. Wenn man das obere Deck (Classris sagt mit mehr Service) benutzen möchte, muss man 1 Yuan extra bezahlen, was ich angesichts der kurzen Fahrtdauer sehr sinnlos finde.
Wenn man auf GulangYu ankommt, wird man sofort von zahllosen Leuten überfallen, die einem für ein paar Yuan geführte Touren anbieten – natürlich auf Chinesisch, insofern für mich uninteressant. Überhaupt bieten die vielen kleinen Geschäfte auf der Insel eigentlich nur nutzlosen Schnickschnack an, bemalte Muscheln, Perlen, Schmuck, Spielzeug, gravierte Kokosnüsse, seltsame Antiquitäten, hübsche, aber teure Jade- oder Holzkunst und jede Menge Plunder. Irgendwie haben alle Geschäfte annähernd das gleiche Angebot, aber die Preise sind überall unterschiedlich, im Gegensatz zu anderen Orten kann man hier auch feilschen. Von allen Seiten stürmen immer wieder Händler und Prospektverteiler auf uns zu, an mich trauen sich die meisten nicht heran, jedoch wird die arme Zhang permanent zugetextet.
Etwas abseits des ganzen Rummels (ich entdecke übrigens nur sehr wenige westliche Touristen) ist GulanYu eine wunderschöne und sehr friedliche Insel. Es gibt hier keine Autos. Viele Häuser stammen aus den 1930er Jahren und sind unterschiedlich gut erhalten bzw. gepflegt. Manche sind nur noch Ruinen (in denen nichtsdestotrotz Menschen leben!), aber viele Villen im bürgerlichen Stil sind gut erhalten und haben gepflegte Gärten.
Des weiteren finden sich hier viele uralte Bäume, auf kleinen Tafeln am Stamm kann man deren Alter (tw. 300 Jahre) und einige andere Daten ablesen.
Ich lerne einige Brocken Chinesisch, simple Wörter sowie einige Zahlen.
Auf GulanYu befindet sich ein interessanter Felsen, der Sunshine Rock, den ich eigentlich erklimmen will. Jedoch muss man eine kombinierte Eintrittskarte kaufen, die den Zugang zu mehreren Attraktionen ermöglicht. Ich interessiere mich aber nur für die Aussicht von der Spitze des Felsens und bin nicht bereit, nur dafür 100 Yuan pro Person zu bezahlen. An der Kartenkasse ist kein Handel möglich, die Angestellten dort kennen nur diesen einen Preis. Kauf alles oder lass es bleiben. Wir lassen es bleiben und machen stattdessen einen weiteren Spaziergang durch die ruhigen Gassen, in denen viele exotische Pflanzen wachsen. Wir kommen an mehreren Musikschulen vorbei und finden außerdem einen langen Tunnel, der als Abkürzung durch den Berg getrieben wurde. Auf diese Weise kann man in angenehm kühler Atmosphäre rasch von einer Seite der Insel auf die andere gelangen. Im Inneren des Tunnels gibt es auch einige sehr kleine Museen, doch ich glaube Classris, wenn sie sagt, dass sich ein Besuch dort nicht wirklich lohnt.
In der Nähe der Fähre wird gebaut, ich sehe einen steinalten Luftkompressor, der wie ein Maschinengewehr hämmert. Die Bauarbeiter benutzen einfache Handkarren, die sie, teilweise mit mehreren hundert Kilogramm Material, hinter sich herziehen. Später beim Essen berichtet mir Classris, dass ein normaler Arbeiter (z.B. im Büro) ungefähr 1500 Yuan pro Monat verdient. Ein Bauarbeiter dürfte wohl im günstigsten Fall 1000 Yuan bekommen, und das für diese Schinderei!
Als wir zurück in Xiamen City sind, suchen wir ein Internetcafe und werden nach einigen Nachfragen auch fündig. Es handelt sich um eine mittelgroße Halle, in der vielleicht 25 teilweise sehr alte Rechner stehen. Es gibt zwar auch einige neuere und schnellere Computer, aber diese sind ausnahmslos von Kids belegt, die dort blutige 3D-Actionspiele zocken.
Beim Versuch, einige
Internetseiten aufzurufen, fällt mir schnell auf, auf welche merkwürdige Art
und Weise die chinesische Regierung das Internet zensiert.
Ich habe z.B. keinen Zugriff auf die eigentlich harmlose Freenet-Seite, somit
kann ich auch keine Mails abrufen. Auch andere deutsche Seiten sind aus nicht
nachvollziehbaren Gründen blockiert, man bekommt eine Fehlermeldung angezeigt,
als würde die Seite nicht existieren. Ich denke, dass der Zugriff auf
US-Webseiten noch stärker eingeschränkt sein dürfte.
Wir surfen ca. 1.5 Stunden herum und gehen dann zurück zum Hotel, wo sich gleich neben der Lobby ein neues chinesisches Restaurant befindet. Leider gibt es auch hier noch keine englische Karte. Die Kellnerinnen sind zwar allesamt sehr zuvorkommend und freundlich, aber sie verstehen mich nicht, also bin ich wieder einmal sehr auf die Hilfe von Classris angewiesen. Wir ordern ein ziemlich umfangreiches Menü mit Fischsuppe, gebratenem Reis, Schweinefleisch und diversem Gemüse. Dazu gibt es natürlich Tee und auch chinesisches Bier. Die Kellnerinnen sind stets sehr um Service bemüht, ich finde sogar, dass sie es übertreiben, gleichsam, als wären wir nicht selbst imstande, uns Essen oder Getränke selbst nachzuschenken. Wir essen, bis wir fast platzen, und ich bezahle insgesamt lachhafte 76 Yuan. Morgen wollen wir den Süden der Insel besuchen.
Der Putuo Tempel ist eine sehr große Anlage, aber ich möchte nicht hineingehen. Wir beschränken uns auf einen Spaziergang in den äußeren Tempelgärten. Hier sehe ich auch einige westliche Touristen, die sich von Einheimischen für ein paar Yuan herumführen lassen. Es gibt hier auch einen kleinen See, allerdings ist das Wasser nicht sehr sauber. Nichtsdestotrotz wimmelt es in diesem Gewässer nur so von Fischen und Schildkröten. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man mit einer entsprechenden Genehmigung des Tempelpriesters in diesem heiligen Teich einen Fisch aussetzen, der dann wohl Glück bringen soll.
Wir fahren weiter, immer entlang der Küste. In der Ferne kann ich die Silhouette der Insel Taiwan erkennen. Dass der Chinesischen Regierung das Verhalten dieses abtrünnigen Eilands missfällt, ist nicht zu übersehen, denn direkt am Wasser wurden gigantische Schriftzeichen aufgestellt, deren Bedeutung laut Classris in etwa „Hongkong, Taiwan, China – eine Nation!!“ lautet.
Wir steigen in der Nähe des großen Messezentrums aus und genießen den Ausblick am Strand. Die Küstenstraße hat eine schöne Promenade und einen sehr breiten Fahrradweg.
Ein alter Mann kommt auf uns zu
und baut ein Fernglas vor uns auf. Er bietet Classris an, hindurchzusehen. Bis
nach Taiwan reicht der Blick nicht, dazu ist es zu diesig, man kann lediglich
einige der kleinen vorgelagerten Inseln sehen. Nach dem sie durchgeblickt hat,
bedeutet mir der Mann, dass ich ebenfalls hindurchsehen möge.
Bis auf eine ziemlich langweilige Insel gibt es aber nichts spezielles zu sehen
und ich frage mich, was der Quatsch soll. Nun möchte der Mann plötzlich Geld
für diesen „Service“ haben und Classris wird erst einmal richtig sauer, denn er
hatte ihr wohl gesagt, dass es kostenlos sei. Aber der Alte meint, für sie war
es zwar kostenfrei, aber ich müsse bezahlen. Classris sieht das überhaupt nicht
ein und ich mache einen auf nix verstehen und ahnungsloser Tourist. Wir
bezahlen nichts (sie schimpft noch mindestens 10 Minuten lang herum) und gehen
weiter.
Das Messegelände ist sehr ausladend, allerdings herrscht hier zur Zeit absoluter Totentanz, da gerade keine Messe stattfindet. Die 3-spurigen Straßen in dieser Gegend sind leer, und nur wenige Menschen laufen hier herum.
Ich bekomme tierischen Hunger (die Seeluft), und nach einer Weile finden wir ein winziges Restaurant, mehr eine Garküche mit zwei Tischen. Diese Gaststätte wird von einem Ehepaar bewirtschaftet, das für uns zwei große Teller mit gebratenen Nudeln, gemischt mit Ei, Gemüse und Schweinefleisch zubereitet. Dazu bestelle ich mir erneut ein chinesisches Bier (eine andere Sorte). Der Laden ist extrem gemütlich, und der Mann plaudert ein wenig mit uns, d.h. er spricht mit Classris, die ja übersetzen muss. Wir erfahren, dass er monatlich ca. 1000 Yuan für seine Gaststätte abdrücken muss. Wenn man sich vor Augen hält, dass ein Essen gerade mal 2-3 Yuan kostet, kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, sein Geld zusammen zu bekommen, um die monatlichen Ausgaben zu decken. Das Gasthaus entspricht einfachsten Verhältnissen, aber das Essen schmeckt super. Leider kann die Ehefrau auch nach langer Suche keine Gabel für mich finden und ich muss mich erneut mit den Stäbchen durch das Essen kämpfen. Ich finde aber, dass es mir dieses mal recht gut gelungen ist. Ich bezahle insgesamt 16 Yuan und es gelingt mir beim besten Willen nicht, den Mann zur Annahme eines Trinkgeldes (das er sich mehr als verdient hat!) zu überreden.
Wir sehen uns noch einige winzige Geschäfte an, z.B. eine Schusterwerkstatt, in der man sich für 2-3 Yuan seine kaputten Schuhe reparieren lassen kann. Nicht jeder hier kann es sich leisten, neue Schuhe zu kaufen und die alten einfach wegzuwerfen.
Auch gibt es eine Art Nähstube, in der man ebenfalls für wenig Geld seine Kleidung an uralten handbetriebenen Nähmaschinen ausbessern lassen kann.
Wir nehmen wieder den Bus (diesmal sogar einen relativ modernen), der uns auf einer anderen Route wieder zurück ins Stadtzentrum zum Hotel bringt.
Das Treffen endet in meinem Zimmer, indem ich nahezu alle Fotos, die ich in Xiamen gemacht habe, auf ihren mitgebrachten USB-Stick lade. Ich bedanke mich mehrere Male bei ihr, ohne sie wäre ich hier mit Sicherheit ziemlich hilflos gewesen.
Morgen werde ich zunächst nach Hongkong zurück fliegen, dort noch einmal einen halben Tag verbringen und am späten Abend geht es dann zurück Richtung Europa.
Ich lasse mich wieder mit einem Taxi (diesmal für 26.50 Yuan) zum Flughafen bringen. Bei der Sicherheitskontrolle möchte man gerne wissen, was sich wohl in dem ominösen schwarzen Köfferchen verbirgt, das sich ganz unten in meiner Reisetasche befindet. Ich erkläre, dass es sich um meinen Laptop handelt, muss aber dennoch die ganze Tasche ausräumen, da sich der Beamte nicht überzeugen lässt und außerdem nur sehr wenig Englisch spricht. Eine Frau, die vor mir ihr Gepäck einchecken will, bekommt ebenfalls Probleme, weil ihr Koffer das erlaubte Maximalgewicht von 30 kg um exakt 300 Gramm überschreitet. Sie murmelt auf deutsch so etwas wie „Ich hasse dieses Land“ und darf sich zum Extraschalter für Übergepäck begeben.
Im Großen und Ganzen verläuft aber alles reibungslos.
Auch in Hongkong gibt es keine nennenswerten Zwischenfälle, bis auf die Tatsache, dass ich eine halbe Ewigkeit an der Gepäckaufbewahrung warten muss. Leider kann ich nämlich meine Tasche für heute Abend noch nicht einchecken und deponiere sie daher für 50 HK$.
Ich fahre wieder in die Stadt, nach Victoria Island, um dort zunächst ein wenig ziellos herumzuwandern. Im Bezirk Wan Chai entdecke ich, dass es hier tatsächlich kleine Imbisstuben gibt, die sehr westlich geprägtes Fastfood anbieten. Allerdings finde ich einen „Donar Kebab“ für 45 HK$ reichlich teuer, stelle aber fest, dass es sich auch um eine ungewöhnlich große Portion handelt. Nach einem recht unspektakulären Essen (Fish & Chips, wobei die Pommes Frites standardmäßig zusätzlich zum Salz auch mit Pfeffer gewürzt werden) wandere ich bergan und entdecke nach einem schweißtreibenden Aufstieg die Bowen Road. Hierbei handelt es sich um einen weiteren, etwa 3,5 km langen Panoramaweg, auf dem vor allem viele Jogger unterwegs sind. Leider ist die Aussicht wieder einmal durch ziemlich dichten Dunst getrübt. Des weiteren befindet sich hier auch der Lovers Rock. Um zu diesem mit kleinen Altären verzierten Fels zu gelangen, muss man eine steile Treppe erklimmen, was angesichts des schwülen Wetters nicht gerade angenehm ist. Auch von hier oben aus (man kann auch noch höher stiefeln, aber wir wollen ja nicht übertreiben) hat man an klaren Tagen einen tollen Blick auf die Stadt.
Ich wandere über den Peaktram Pfad wieder nach unten und verbringe noch einige Zeit im Hongkong Park. Nachdem ich auch noch einmal im Internetcafe war, verabschiede ich mich von Asien und Hongkong und mache mich auf den Heimweg.
Der Rückflug verläuft weitestgehend ruhig, auch wenn ich ein ziemlich quirliges Kleinkind als Sitznachbarn erdulden muss.
London Heathrow ist so langweilig wie beim letzten Mal. Irgendwie finde ich diesen Flughafen reichlich unattraktiv.
Die British Airways konnte wohl ihre Probleme mit dem Catering noch nicht beseitigen, denn an Bord des Fliegers nach Berlin gab es nur Kaffee oder Tee.
Ich lande halbwegs pünktlich in Berlin, warte eine Ewigkeit auf mein Gepäck (heute am Sonntag arbeitet das Flughafenpersonal auch nur mit halber Effizienz) und gehe hinaus in das 12 oder 13 Grad kalte, aber immerhin sonnige Berlin.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Uwe Härtel).
Der Beitrag wurde von Uwe Härtel auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.11.2005.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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