Brigitte Hanisch

Unerwarteter Besuch

An einem sonnigen Samstagnachmittag auf unserer Terrasse, die Schwarzwälder Kirschtorte schmeckte hervorragend und der Duft des Kaffees verteilte sich unter der Pergola, als es klingelte.
„Erwartest du jemanden?“, fragte mein Mann. Ich wusste nicht wer es sein könnte und war sprachlos, als ich die Tür öffnete.
Mirko und Wanda, unsere Urlaubsbekanntschaft aus der Türkei lächelten mich an.
Das war eine Überraschung! Ich freute mich über den unerwarteten Besuch. Beide umarmten mich stürmisch und küssten mich nach russischer Tradition. „Ihr sagtet im Urlaub wir sollen euch unbedingt besuchen, da sind wir“, sagte Mirko und zerrte einen großen Koffer hinter sich her.
Unser Haus wurde von ihnen vom Keller bis zum Dach bestaunt. Wir hatten viel zu erzählen und ich war froh, dass noch Torte übrig war.
„Ihr habt doch Dias im Urlaub gemacht, könnten wir uns die nicht gemeinsam ansehen?“, fragte Wanda.
Roland suchte im Keller, nach der schon lange nicht mehr benutzten Leinwand, dem Projektor und den Diakästen.
Ich bereitete inzwischen Wurst, Käsehäppchen und verschiedene Salate vor. Danach tranken wir Wein und amüsierten uns über die Bilder. Es wurde sehr spät, deshalb bot ich unseren Gästen an, die Nacht bei uns zu verbringen, was sie voller Freude annahmen.
Im Schlafzimmer flüsterte Roland: „Hast du den großen Koffer gesehen den sie dabei haben? Man braucht doch nicht einen so großen Koffer um einen kurzen Besuch zu machen.“ Ich fand es auch eigenartig.
Der Sonntag verlief harmonisch.
Als wir allein waren fragte Roland wieder: „Wie lange wollen sie eigentlich bleiben? Habt ihr darüber gesprochen?“
Hatten wir natürlich nicht, aber ich nahm mir vor, nachzufragen. Die Zwei hatten bis jetzt mit keinem Wort erwähnt wann sie zurück fahren wollten.
Am Montag war Roland schon außer Haus als ich aufstand. Mirko und Wanda saßen im Esszimmer und warteten auf das Frühstück.
„Ich muss nachher dringend einkaufen, wollt ihr mitgehen?“, fragte ich, während ich den Tisch deckte. „Wir können ja so lange im Garten bleiben“, sagte Wanda und belegte ihre Scheibe Brot dick mit Wurst.
Nach dem Einkauf schleppte ich die Getränke in den Keller und verstaute die Lebens-mittel. Keiner von beiden machte Anstalten mir zu helfen. Sie saßen gemütlich in den Liegestühlen und sonnten sich.
Später stellte ich fest, dass es im Gästezimmer aussah wie in einer Rumpelkammer und im Waschbecken klebten noch Haare und Zahnpastareste von der Morgentoilette. Ich ekelte mich als ich das sah und hätte beinahe die Beherrschung verloren.
Als ich das Mittagessen vorbereitete kam Wanda in die Küche und fragte, wann es fertig sei. Ich war sprachlos über so viel Rücksichtslosigkeit und sehr enttäuscht von ihr, denn ich hatte sie ganz anders eingeschätzt. „Wann wollt ihr eigentlich wieder nach Haus fahren“, platzte es aus mir heraus. Mirko, der gerade die Küche betrat sah mich erstaunt an. „Hab ich dir nicht gesagt, dass unsere Wohnung renoviert wird? Ich habe vorhin zu Haus angerufen. Die Handwerker sind noch nicht fertig.“
Er hatte also in meiner Abwesenheit telefoniert. Ein Handy besaß er nicht, dass wusste ich. „Und wann ist die Renovierung fertig?“, fragte ich mit bebender Stimme.
„In einigen Tagen“, sagte Mirko. „ Dürfen wir so lange bleiben?“
„Oder sind wir dir schon lästig“, fügte Wanda hinzu, „wir übernachten sonst im Hotel, wenn es dir zu viel wird.“
„Nein, nein“, unterbrach ich sie aber innerlich kochte ich. Ich fühlte mich überrumpelt.
Als Roland nach Haus kam zischte er mir zornig zu: „Ich dachte sie sind schon weg, wann verduften sie endlich.“
„Werfe du die Zwei doch raus“ antwortete ich gereizt. Dazu war Roland natürlich nicht fähig, das überließ er mir. Ich war dann immer die Böse, aber ich fand es ebenfalls ungehörig von den beiden sich so bei uns einzunisten.
Am nächsten Tag ging ich wieder alleine in den Laden. Die Kassiererin kannte mich schon länger und wunderte sich, dass ich in den letzten Tagen so viel einkaufte. Ob ich
Besuch hätte, wollte sie wissen. „Ja, sagte ich böse. Ich habe zwei Mäuler mehr zu stopfen.“ Daraufhin schaute sie mich ganz erstaunt an.
Nach dem Einkauf war ich so erschöpft und auch wütend über mich, dass ich im Laden so unbeherrscht reagiert hatte, dass ich mir vornahm mit beiden zu reden.
Als ich in den Garten kam lagen sie schlafend in den Liegestühlen, daneben standen leere Bierflaschen.
Ich spürte wie die Wut in mir hoch stieg. Ich konnte kaum atmen. In meinen Kopf kreise es. Ich fiel zu Boden. Als ich wieder zu mir kam standen Mirko und Wanda vor mir. „Was ist passiert“, fragten sie erschrocken und halfen mir beim Aufstehen. Langsam führten sie mich zum Sofa. Geht es dir wieder besser? Sie waren sehr besorgt. Jeder hielt eine Hand von mir und tätschelte sie.
„Das ist mein Kreislauf, ich werde einige Tage im Bett bleiben müssen“, stöhnte ich und versuchte aufzustehen. „Es wäre nett von euch, wenn ihr mir helfen könntet bis es mir wieder besser geht.“
Entsetzt sahen sich Wanda und Mirko an. „Betty, dass tut mir jetzt wirklich sehr leid“, sagte Mirko, „aber als du vorhin weg warst haben wir einen Anruf erhalten. Wir können wieder in unsere Wohnung zurück. Wir brechen am besten gleich auf, damit wir nicht in die Nacht hinein fahren müssen.“
Ich wunderte mich wie schnell sie alles im Auto verstauten hatten und abfuhren.
Am Abend fragte Roland verblüfft. „Wie hast du das nur hinbekommen.“
„Das möchtest du wohl gern wissen“, sagte ich lachend. „Aber wenn du noch einmal im Urlaub unsere Adresse hergibst, dann kannst du was erleben.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Das Mädchen aus Oberschlesien von Brigitte Hanisch



Das kleine Mädchen Brigitte wächst wohlbehütet in einer Großfamilie im katholischen Oberschlesien auf. 1938 siedeln die Eltern mit Brigitte nach Kiel um. Dort wird Ihre Schwester Eva-Maria geboren. 1939 beginnt der Krieg und Kiel wird besonders gebeutelt. Entsetzliche Jahre für das kleine Mädchen. Tag und Nacht Bombenangriffe. Hungersnot und immer die Angst um den Vater. Das Mädchen ist seelisch in einem so schlechtem Zustand, dass die Eltern Brigitte nach Oberschlesien zur Schwester der Mutter schicken. Dort wird sie eingeschult und geht auch in Schomberg zur ersten heiligen Kommunion. In den nächsten Jahren pendelt sie hin und her. Kinderlandverschickung nach Bayern, Kriegserlebnisse in Kiel, danach wieder zurück nach Oberschlesien zur Erholung. Dort aber hat sie große Sehnsucht nach ihrer Schwester und den Eltern und fährt deshalb Weihnachten 1944 nach Kiel zurück. Das ist ihr Glück, denn im Januar 1945 marschieren die Russen in Beuthen ein.
Die Nachkriegsjahre und der Aufbau der jungen Bundesrepublik prägen Brigitte. Sie lernt einen Flüchtling aus Pommern kennen und lieben. Sie heiratet ihn nach vielen Hindernissen 1954. Ein Jahr später ziehen sie nach Stuttgart. Dort endet das Buch.

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