Johann Piber
Der große alte Drache
Der große alte Drache sah aus traurigen Augen auf die Welt hinab. Nur noch selten kam er aus der Höhle - seinem Versteck - heraus: um zu atmen, sich zu bewegen. Doch die Luft war nicht mehr das, was sie mal gewesen ist und er sah dieses Mal, daß es beim nächsten Ausflug sicher noch viel schlimmer sein würde.
Vor vielen hundert Jahren, in seiner Jugend, war er noch oft aus- geflogen in die Lüfte, hatte das Land und sein Leben beobachtet und es hatte ihm viel Freude bereitet. Aber nun mochte er schon lange nicht mehr. Das Grün war nicht mehr grün und das Leben, das er dort draußen sah, war ihm nicht mehr lebenswert. Wo waren die Farben, die seinen Augen nach der Dunkelheit so gut taten? Da war nichts Gutes mehr, nur mehr Grau.
Die Menschen waren böse, glaubten nicht mehr, nicht mal mehr an sich selbst. Schon bei seinem letzten kurzen Ausflug vor ein paar Jahrzehnten war ihm der Gedanke gekommen, einfach den Eingang zu seiner Höhle zuzuschütten und einige Jahrhunderte zu schlafen. Doch der Glaube an seinen Planeten war stärker gewesen, hatte ihn schon bald wieder geweckt und nun bitter enttäuscht. Nein, da war wirklich nichts mehr schön dort unten und auch hier oben in der Luft wollte er nun nicht mehr bleiben. Jeder Flügelschlag tat weh: so viel Gift.
Der große alte Drache weinte noch lange bevor er einschlief. Er träumte von seiner Hoffnung - daß Grünes wieder grün ist.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.11.2005.
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