Robert Fischaleck

Die Schlange der Erleichterung.

 
Wenn die Klettermäuse Hügelauf quietschen, sehr zum Entzücken der Katze, die dann mal kurz ihre Ruhe hat, und der Mohn, der aus unerfindlichen Gründen die Baustelle entlang tüpfelt, gleich scharenweise auf billigen Geröllhügeln unbezahlbare, rote Inselparadiese zwischen die steinigen Hänge wirft. Kommt es einem so vor, gerade um die Zeit vor Sonnenuntergang, wenn die gnadenlose Erwachsenenhektik zu erschöpft ist, um sich noch über irgend etwas aufzuregen, daß der ausgebeutete Planet doch noch seinen verdienten Frieden und ein bißchen Unbesorgtheit empfinden darf. Die Klettermäuse wissen schon in welcher Reihenfolge sie alle Hügel emporturnen, die Katze hat noch einen ruhigen Platz entdeckt, von dem aus sie sich bei Bedarf schnell in Sicherheit springen kann und aus den brav umzäunten Minigärten blinzelt belanglose Feierabend Beschäftigung zum Nachbarn hinüber, ob dessen Tag vielleicht eine Geschichte erzählt hat, die einen auf andere Gedanken bringt. Die Klettermäuse indes haben den dritten Geröllhügel ohne nennenswerte Schwierigkeiten erobert und üben sich im Leuteschreien, das ist ein Spiel bei dem man sich einfach nur erinnern muß, wie alle heißen. Die echten Brötchenverdiener in den Minigärten lächeln, wenn die Klettermäuse dann auch noch anfangen die Nachbarn zu rufen, einfach so aus der übermütigen Aussicht des höchsten Geröllhügels heraus. Aber wehe sie rufen nach den Großkopferten, schon drei Jahre Älteren, dann wird der Spaß zur Belagerung, denn die Großkopferten, haben schon Spaß an ihrer Stärke gefunden, und werden diesen gewaltigen Unterschied zur subtilen Waffe schnitzen, aus Goldregen, oder Kieselsteinen, siegessicher lächelnd, grinsen sie dann den Geröllhügel hinauf als wäre es beschlossene Sache, die Kleineren das Fürchten zu lehren. Die Feierabendfüllende Neugier taxiert flüchtig die Ernsthaftigkeit der Situation und lauscht weiter angestrengt einer noch viel dümmeren Begebenheit aus der Brötchenverdienerwelt, bei der es schlichtweg um die bloße Existenz eines Nachbarn geht, so zumindest hört sich die Zinserhöhung für den Laien immer an. Die bloße sehr aufmerksame Existenz der Katze, schien momentan niemand zu interessieren, und das war ihr auch ganz recht, wie es schien. Brötchenverdienerlatein für Fortgeschrittene gibt es dann auch im nächsten Minigarten zu hören, und obwohl die Ohren der Katze sehr flexibel ihre Richtung ändern, scheint das auch jenseits ihres unvergleichlichen Interesses. Sie scheint in diesem musikalisch höchst vielschichtigem Durcheinander die einzige zu sein, die das seltsame Geräusch im Hintergrund der Szenerie überhaupt wahrnahm. Jedenfalls drehten die Fächer ihrer Ohren bedenklich oft in diese Richtung, wie wir uns später eingestanden, wenn wir es bemerkt hätten. Im Nachhinein betrachtet war es die typische Bilderbuchsituation gewesen, die in spannenden Romanen immer allerlei Katastrophen vorausgeht. Die Brötchenverdiener zwitschern in den Vorgärten, die Kinder spielen ausgelassen, die Hausfrauen richten das Abendessen und niemand denkt auch im Entferntesten daran, daß hier mitten im Universum, die Gesetze der Natur herrschen. Die Natur ist aber auch ein sehr eigenwilliges Tier, sie ernährt alle und jeden, und nimmt trotzdem keinerlei Rücksicht auf Verluste. Eines der Katzenbabys hatte soeben die offene Terassentür entdeckt und war in den Garten gestolpert, die Katze drehte augenblicklich ihre gesamte Präsenz in Richtung des Fiepsens und war Sekunden später mit elegantem Pantherschritt unterwegs den Ausreißer wieder einzufangen. Sie wußte, es war zu früh, für solche Spaziergänge. Die Gedanken der Katze in diesem Moment blinzelten sie mit dieser Vorsicht und Besorgtheit, die sich des öfteren in Tiergesichtern spiegelt, zum einen kurz zu den Kindern hinüber, ob sie von dem Kleinen Notiz nahmen, dann in Richtung eines heranfahrenden Autos, das noch weit genug entfernt und somit keine Gefahr darstellte und dann zu ihrem Ausreißer hinüber, und das alles während sie zügig an den Mohnblumengeschmückten Geröllhügeln vorbeitigerte, als wäre dieser Dschungel mit Verbotsschild ihr Zuhause. Das Katzenbaby mit seinen noch viel zu weichen Knien stolperte durchs Gras, an den herumliegenden Spielsachen vorbei, direkt aufs Planschbecken zu. Monatelange Kälte hatte den kleinen Garten die letzten Reserven gekostet, das Grün war zwar frischer als letztes Jahr, in der gnadenlosen Hitze, dafür hatten die Kinder in der aufgeweichten Erde ihre Spuren hinterlassen. Von Eile keine Spur, nur von Neugier getrieben erforschte das kleine pelzige fast komisch wirkende Säugetier die neue Umgebung. Der Himmel war leicht bewölkt, mit dieser warnenden entfernten Wolkenfront, die sich immer öfter am Horizont breit machte. Weit entfernt grollte ein Donner gegen noch nicht geworfene Blitzspeere der Göttin, Traumbilder mit römischen Pferdewagen vor sich her scheuchend, als wäre jetzt ein olympischer Sieg zu erringen. Was solche Stimmungen am besten kennzeichnet ist die Musik, die einem plötzlich in den Sinn kommt. Von ungesungenen Gitarrenklängen getrieben auf einem sehr hektischen Rhythmusteppich gleitet sie voran, wie eine giftige Schlange, die Schlange der Erleichterung, das erlösende Gewitter und alle vergessenen Indianerrituale im unsichtbaren Gepäck. Die Schlange der Erleichterung, sie war noch zu weit entfernt. um die Kinder ins Haus zu rufen, in den Schutz vor dem drohenden Regen, unser windiges Vorsichtseinmaleins vorbetend , als hätte das schon irgend jemand genützt. Die Kinder hatten inzwischen die Absicht der Großkopferten bemerkt und versuchten über eine andere Seite des Geröllhügels zu flüchten, und in ihrem Kreischen war eine Spur mehr Ernsthaftigkeit zu vernehmen, die auch den immer noch zwitschernden Brötchenverdienern ins Ohr drang, und noch einen dieser "Es ist doch alles in Ordnung"- Blicke auf die Kindermeute warf. Noch wichen die Kleinen diesem Blick aus, sie wollten es selber schaffen. Zwei der Klettermäuse waren auf Hosenboden und Versen den Hügel hinuntergeglitten und hatten es bis zur großen Pfütze geschafft. Die Katze hatte sich inzwischen entschlossen, nachdem sie sich versichert, daß ihr Kleines noch außer Gefahr war, das inzwischen nähergekommene Fahrzeug passieren zu lassen. Das war eigentlich schon eine Leistung, denn gerade diese Katze hatte im unschuldigen Gemüt ihrer Jugend die Straße des öfteren blockiert. Das war ziemlich einfach gewesen und hatte ihr sichtlich Spaß bereitet, alle heimkehrenden Brötchenverdiener erst einmal warten zu lassen. Vielleicht sollte sie zur Unterstützung diesen Trick an Greenpeace vererben, jetzt wo sie so gelassen darauf verzichten kann und unter einem parkenden Auto wartet bis die Straße frei ist. Sie wartet sogar eine Sekunde länger als notwendig, warum wird sich für immer meiner Phantasie entziehen, dann tigerte sie geschmeidig über die Straße, die Blumenumrandung und die darauffolgende Mauer und war bei dem Ausreißer angelangt, den sie mit hingebungsvollem Ablecken in Schranken wies. Das war's, es war nichts passiert, die Spannung löste sich augenblicklich und der entfernte Donner, verkündete wieder ein herannahendes Gewitter und sonst nichts.

Dieses spezielle Katzenbaby( wir hatten es Zaus
genannt) ist drei Wochen später tatsächlich spurlos
verschwunden, aber das wußte ich noch nicht, als ich
diesen Text schrieb.
Oder doch, und wenn ja, warum hab ich dann nichts
unternommen.
Die Schildkröte in "Momo" sagt auch nur tschüss, bis
später, als sich die Wege trennen.
Es scheint, wir wissen so viel, aber wir wissen
eigentlich gar nicht, was wir da wissen.
Unsere Augen und Ohren sehen die Welt, aber unser
Verstand versteht nur die Hälfte von dem, was wir da
alles sehen.
Kein Wunder, daß sich da so viele Menschen
mißverstehen, vielleicht schaut jeder nur gerade
woanders hin und es ist doch dies
Robert Fischaleck, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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