Es war der dritte Abend, an dem der fremde Gast in der
großen Halle saß. Die Frauen hatten sich bereits zurückgezogen. So fanden sich
Herzog Rothard und er allein am großen, offenen Kamin sitzen. An dem langen
Tisch lärmte und lachte das Gefolge des Hochgeborenen.
„Schon heute möchte ich Euch für die herzliche Aufnahme
danken, die Ihr während der letzten Tage mir und meinen Begleitern gewährtet.“
wandte er sich an den Herzog.
„Ihr ward willkommen.“ gab jener in seiner gewöhnlich
knappen Art zurück.
Der junge König, der sich wieder einmal dadurch irritiert
fühlte, schwieg eine Weile, brachte aber dann das Gespräch mit freundlichster Miene auf sein eigentliches
Anliegen.
„Wollt Ihr die Güte besitzen, mir eine weitere Bitte zu
gewähren?“
„Sprecht Sie immerhin aus. Ich werde sehen, was ich für Euch
tun kann.“
So ermuntert, wählte er seine Worte sorgfältig, während er
sein Gegenüber dabei genauestens im Blick behielt.
„Es mag Euch nicht entgangen sein, mein vortrefflicher
Gastgeber, daß mir unter all Euren zauberhaften Töchtern Fabiana besonders
auffiel.“
„Das war nicht zu übersehen.“ brummte der Herzog.
„Ihr liebt die direkte Art,“ fuhr der andere ungeduldig
fort, „darum laßt es mich also frank und frei formulieren: Ich bitte Euch um
die Hand Eurer Tochter.“
Nach diesem festen Ausspruch traf ihn ein so seltsamer
Blick, daß er nicht sagen konnte, ob er Verwunderung, Neugier oder tatsächlich
Ablehnung darin erblicken sollte. Doch der Ältere ließ ihn nicht lange über
seine Gedanken zu dieser Sache im Unklaren.
„Ich verstehen nicht, warum Ihr mich danach fragt. Mich
wollt Ihr ja wohl nicht heiraten, das steht fest. Habt Ihr mit Fabiana darüber
gesprochen?“
„Ohne Eure Einwilligung?“
Der König durfte sich eingestehen, daß die Entrüstung, die
er dem Ausruf verliehen hatte, recht natürlich klang. Doch wieder einmal schien
er damit in die Luft geschossen zu haben.
„Das mag in Eurem Land üblich sein. Hier entscheiden die
jungen Menschen selber über ihr Leben. Fragt also meine Tochter, wenn es Euch
ernst ist. Ihr mögt es gleich tun, sie ist bestimmt noch auf.“
Der Herzog schickte einen Diener nach der Gewünschten. Ehe
der König sich die Worte für seinen Antrag zurechtlegen konnte, stand sie schon
vor ihnen.
„Du möchtest etwas mit mir besprechen, Vater?“
Sie war in ein helles fließendes Gewand gekleidet, daß sich
wunderbar an ihre untadelige Figur anschmiegte. Ihre Stimme klang wie eine
Melodie.
„Unser Gast will Dich etwas fragen.“
Ihre Augen blickten erwartungsvoll und ohne Scheu zu ihm,
der sich nun erhob.
„Fabiana, ich sah nie eine schönere Frau als Euch.“ hub er
seine Hymne an. „Von der ersten Minute an, in der Ihr mir den Willkommenstrunk
kredenztet, war ich bezaubert von Eurer Gegenwart. Ihr seid für mich wie der
erste Frühlingstag nach einem langen, harten Winter. So möchte ich Euch fragen:
Wollt Ihr mich in mein Königreich begleiten, als meine Frau?“
Weder Freude noch schamhaftes Erröten zeigte sich auf ihren
Zügen. Und das waren doch die einzigen Reaktionen, mit denen er gerechnet
hatte.
„Wie könnt Ihr das von mir wünschen?“ fragte sie verwundert.
„Ihr hattet keine Gelegenheit mich kennenzulernen.“
„Eure Schönheit hat mich mehr als bezaubert.“ gab er ihr mit
gewolltem Enthusiasmus zur Antwort, konnte seine aufkommende Unsicherheit
jedoch schlecht bemänteln.
Sie warf einen Blick auf ihren Vater, der die Schultern
zuckte und ihr so zu verstehen gab, daß er ihre Entscheidung mit keinem Wort beeinflussen
wollte.
„Auch ich kenne Euch nicht.“ wandte sie sich da wieder an
den König. „Noch kenne ich das Leben an Eurem Hofe. Wie soll ich heute mein
Schicksal mit dem Euren verbinden, ohne mehr von Euch und Euren
Lebensgewohnheiten zu wissen?
Es tut mir leid für Euch, Hoheit. Aber es ist mir unmöglich,
Eurer Bitte zu willfahren.“
Er begann nun mit den schmeichelndsten Worten auf sie
einzureden, ihr Glanz und Glorie seiner Umgebung zu schildern und in den
buntesten Farben auszumahlen, welche Annehmlichkeiten sie zu erwarten hätte,
würde sie einwilligen, an seiner Seite zu leben. Doch sie blieb bei ihrer
Entscheidung.
Der König sah, daß auch von ihrem Vater keine Hilfe in
seiner Angelegenheit zu erwarten war. Er ärgerte sich maßlos darüber, daß er
eine Niederlage erleiden sollte. Wäre Fabiana aus seinem eigenen Reich gewesen,
so hätte es genügt, sie an den Hof zu befehlen und dabei wäre kein Gedanke an
Heirat gewesen.
Krampfhaft überlegte er, wie es möglich wäre, in ihren
Besitz zu gelangen, da sie selbst dieses ehrenhafte Angebot ausschlug.
Schließlich wagte er einen anderen, nun schon fast verzweifelten Versuch.
„Es mag etwas Wahres daran sein, was Ihr sagt. Das Leben,
das Ihr hier bei Eurem Vater führt, ist ungleich einfacher, als ihr es in
meiner Nähe genießen könntet. Darum mache ich Euch einen Vorschlag: Wollt Ihr
mein Land und meinen Hof kennenlernen, auf bestimmte Zeit, und Eure
Entscheidung danach noch einmal überdenken.“
„Laßt mir jetzt Bedenkzeit, Hoheit! Ich werde es Euch vor
Eurer Abreise mitteilen.“ wurde ihm ganz nüchtern entgegnet.
Der König dachte trotzdem, daß er damit gewonnen hätte.
Sicherlich würde sie nun zu ihrer Mutter laufen, um die Angelegenheit mit ihr
besprechen. Da er die Herzogin ehrgeizig, wie alle Mütter wähnte, was die
Verheiratung der Töchter anbetraf, so würde sie dem Mädchen wohl den Kopf
zurechtrücken.
Und wie er erwartet hatte, erfuhr er beim Frühstück, daß
Fabiana sich entschlossen hatte, für ein Jahr, sein Gast zu sein. Zufrieden
rieb er sich die Hände. Wie hätte er auch ahnen können, daß das Gespräch
zwischen Mutter und Tochter ganz gegen seine Vorstellungen verlaufen war.
„Es kann nichts schaden, wenn Du einmal etwas anderes
siehst.“ meinte Frau Giovanna. „Du kannst schließlich jederzeit zurückkehren,
wenn Du genug hast. Vielleicht gelingt es Dir, ein paar Lebensweisheiten zu
gewinnen, oder Dich sonst irgendwie zu bilden. Denn da hat der junge Mann
recht. Was die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft anbetrifft und die
modernen Künste, leben wir hier ganz und gar hinter dem Mond.“