Er wurde geweckt von einem unwiderstehlichem Impuls. Einer unbändigen
Kraft, die seinen Rotor mit sich riß, auch wenn er sich mit der gesamten
Reibung seiner Lager dagegen stämmte. Im selben Moment jagte dieser Impuls
durch die Innereien des Magnetschalters, der wie ein Reiter auf dem
Anlasser thronte. Krampfartig zuckte er zusammen und zwang dabei, mit
festem Druck, das Ritzel zum einspuren. Es konnte sich nicht dagegen
wehren, war es ja auf Gedeih und Verderb mit dem Magnetschalter über eine
Wippe verbunden. Eine Wippe, die niemals loslassen würde.
Das Einspuren hatte heute ganz gut geklappt. Es gibt Tage, da bereitet
dieser Vorgang dem kleinen Ritzel Kopfschmerzen.
Anfänglich behende, doch dann immer schneller werdend begann sich die
Schwungscheibe zu drehen. Sie war es auch, die der Kurbelwelle befahl ich
mit ihr zu drehen, ungeachtet ob sie wollte oder nicht. Die Kurbelwelle
hatte es in solchen Momenten nicht leicht. Sie war Mittlerin zwischen den
Anweisungen der Schwungscheibe und der Widerspenstigkeit der Kolben, die
sich mit den Pleuelstangen zusammengetan hatten, um gemeinsam dagegen zu
kämpfen, an einem so kalten Morgen, wie heute, arbeiten zu müssen.
Unterstützt wurden sie von der Luft, die sich in den Brennkammern aufhielt
und sich gegen ihre Komprimierung wehrte.
Angetrieben von den Striezungen der Kurbelwelle droschen die Kolbenböden
nun auf die Luft ein. Sie aber erkannte die Ernsthaftigkeit ihrer Lage zu
spät. Das Einlaßventil hatte bereits, auf Befehl der Kurbelwelle, den
Ausgang dicht gemacht. Sie wehrte sich verzweifelt gegen den immer größer
werdenden Druck, welcher von den Kolben ausging. Doch es war vergebens.
Sie wurde vollkommen aufgerieben und fing an heiß zu werden vor hilfloser
Wut.
Zur gleichen Zeit war in der Einspritzpumpe der Ernstfall eingetreten. Mit
Hochdruck wurde an die Abarbeitung des E-Fallplanes gegangen. Jedes
Pumpenelement wußte was es zu tun hatte, wurde es doch über eine
Nockenwelle ständig mit Informationen versorgt. Was außerhalb der
Einspritzpumpe passierte wußten sie nicht. Es war ihnen auch egal. Sie
machten nur ihren Job. Und den machten sie gut.
Nur Sekundenbruchteile später wurde ein völlig verängstigter Dieselnebel
in die Brennkammer gespritzt. Er versuchte wegzurennen. Doch er verfing
sich in der zusammengeballten Luft. Ihm war klar, daß er seinem Ende
entgegensah. Er konnte nicht mal mehr "NEIN!!!" schreien, da wurde er
auch schon von einer heftigen Explosion zerrissen. Die angestaute Wut nahm
die allgegenwärtige Angst bei der Hand und zeigte ihr einen Ausweg aus all
dem Leiden.
Dies spürten auch die Kolben. Sie schossen unvermittelt davon. Wohin war
egal, Hauptsache weg von der heißen Raserei. Sie nahmen dabei die
Pleuelstangen mit, die sich mit aller Kraft an sie und die Kurbelwelle
klammerten. Alle Hoffnungen ruhten nun auf ihr. Doch es war
vergebens. Auch sie gab dem Druck nach und drehte sich weg.
Inzwischen waren alle Zylinder in heller Aufregung. Überall explodierte
angestauter Zorn. Die Kurbelwelle rotierte, obwohl sie überhaupt nicht
wollte, weil es doch so verdammt kalt war an diesem Moregen. Es war
hoffnungslos. Sie war einfach machtlos dagegen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2005.
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