S. Lang
ein letzter Monolog...
Ihr habt es geschafft.
Ich stehe euch gegenüber, im schneeweißen Kleid, den großen glänzenden
Dolch in der Hand. Er zeigt auf mein Herz. Ich zittere am ganzen
Körper, höre eure verzweifelten Schreie. Doch es ist zu spät.
"Ihr
habt mir nie gegeben, was ich so sehr brauchte. Niemals bekam ich von
euch das Vertrauen, das ich suchte. Ich war immer allein. Niemand
wusste, wie es in mir aussah. Nur Fetzen drangen zu euch durch, wie die
kleine Spitze eines gewaltigen Eisberges. Vertrauen, pah, niemals habe
ich mein vorsichtiges Vertrauen bestätigt gefunden. Ihr dachtet, ich
würde euch vertrauen? Nein. Niemals. Nie voll und ganz. Immer allein.
Ohne Vertrauen, wie ein Vogel im Käfig. Jetzt ist es zu spät!"
Meine Hand zittert, wie nie zuvor, ich halte den Dolch so fest, dass meine Knöchel weiß hervortreten.
"Niemand
von euch gab mit Vertrauen. Niemand von euch gab mir Sicherheit
oder gar Liebe. Oh nein. Ich war nur lästig und allen im Weg. So werde
ich diesen jetzt freigeben. Nie wieder müsst ihr euch jetzt um mich
sorgen, nie mehr stehe ich euch im Weg. Ich nehme den Notausgang. Und
wenn es falsch ist - na und? Es wäre nur ein kleiner Fehler mehr. Ich
machte so viele. Jetzt ist es vorbei damit. Ich will frei sein. Frei
von euch. Raus aus dem Käfig aus Lügen, Unsicherheit und Hass. Ich
hasse euch, seht es doch ein! Wer nicht akzeptiert, muss mit Verlusten
rechnen. Es ist doch kein großer Verlust. Ich war doch nur ein kleines,
dummes unbedeutendes Kind, nie war es richtig, was ich tat. So nehme
ich Abschied, noch heute Nacht. Seht nur, der Mond, er zieht seinen
Kreis. Und wenn ich morgen nicht mehr bin, wird er immernoch gnadenlos
seinen Lauf nehmen und die Erde wird sich drehn. Auch ohne mich. Wie eh
und je. 'Es interessiert doch keinen, ob wieder ein Mädchen diese Welt
verlässt. Nur eins unter tausend, dass heute verschwindet. Ihr werdet
sehen, schon in 2 Jahren hat mich jeder vergessen. Dann bin ich
Geschichte. Nur ein winziges Stück. Doch wen interessierts? Nur eine
von Millionen, die an diesem Tag starben. Ein winziger Teil. So
unbedeutend klein. Alles wird weitergehen, wie zuvor, nur ohne mich,
doch was solls? Ein lästiges, nerviges Kind weniger. Einer weniger, der
die Welt belastet. So nehme ich Abschied von euch, die ihr euch meine
Freunde schimoft. Nur nehmen, nie geben, das idt eure Devise. Lasst
mich verrecken. Gebt es doch zu, euch tut es genausowenig leid, wie
mir. Goodbye, Adios. Auf Nimmerwiedersehen. Und damit ihrs wisst. Ich
mochte euch alle, doch das ist lang her, geliebt habe ich keinen von
euch, von uns. Ich hasse euch, ich hasse mich. Kein Widerspruch. Lasst
mich sterben, ich bitte euch."
Ich
bin weiß, so weiß, wie mein Kleid. Meine Finger verkrampfen sich,
um den Griff meines Dolches. Ich hole tief Luft und ramme ihn mir
zwischen die Rippen. Ich habe es geschafft, ich spüre mein Blut. Dann
falle ich und sterbe mit einem friedlichen Lächeln auf dem
Gesicht. Tot. Endlich.
(c) Sophie-Luise Lang 22.8.05
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2005.
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