Daniela Springer

Ein fast perfekter Nicht-Hochzeits-Tag!

Ich schlug die Augen auf, und war wenig motiviert meinen Hintern aus dem Bett zu bewegen. Heute wäre also mein großer Tag gewesen. Ich schielte rüber zu meinem Kleiderschrank und sah....nix! Das lag wohl daran, dass meine „Ein-wunder-auch-ich-kann-Sehen-Schalen“ – auch Kontaktlinsen genannt – sich nicht in meinen Augen sondern noch im Badezimmer befanden. Ich war ein bisschen Stolz auf mich, hatte ich sie doch gestern abend volltrunkend noch aus meinen Augen gepult.  

Na gut. Dann eben doch aufstehen. Missmutig schlich ins Bad und sah in den Spiegel. Wie gut, dass ich noch fast blind war. Denn das, was ich auch nur ansatzweise im Spiegel schemenhaft wahrnahm, war nicht schön. Die Flasche billiger Rotwein von gestern Abend und die unzähligen Zigaretten (eigentlich zähle ich mich ja schon zu den Nichtrauchern – ich muss halt nur noch aufhören) hatten doch tatsächlich Spuren hinterlassen. Ich gehöre leider auch nicht zu den beneidenswerten Naturschönheiten, die sich morgens durch ihr güldenes Haar kämen und bereit für den Tag sind. Aber ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden. Mein Badezimmer gleicht einer Douglas-Filiale und das Malen nach Zahlen in meinem Gesicht habe ich perfektioniert. 

Viel schwieriger war es jetzt meine Kontaktlinsen, in meine vom heulen aufgequollenen Augen zu bekommen. Während ich voller Eifer versuchte genau dieses hinzubekommen dachte ich darüber nach, warum es wohl „Kontaktlinsen“hieß. Vielleicht lag es daran, dass man als Nicht-Brillen-Schlange schneller Kontakte schloß! Hmmm? Ja, dass musste es wohl sein. Nach zehn Minuten und unzähligen Flüche später, hatte ich es geschafft.  

Ich schlich in mein Schlafzimmer zurück und mein Blick viel sofort wieder auf meinen Kleiderschrank. Da hing es. Mein Brautkleid. Prima, ich hatte ein Brautkleid – aber keinen Mann mehr. Einer inneren Eingebung folgend, nahm ich es vom Bügel und schlüpfte hinein. Was soll´s – schließlich hätte ich heute geheiratet, da sollte es auch zum Einsatz kommen. In Brautkleid und Schleier auf dem Kopf, kochte ich mir erst mal einen Kaffee. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es mittlerweile schon fast 12:00 mittags war.

Mit Brautkleid und einer heißen Tasse Kaffee wollte ich mich gerade wieder Richtung Bett begeben, als es an meiner Tür klingelt. Auf Besuch hatte ich ja jetzt nun absolut keine Lust. Ich öffnete und hörte schon im Treppenhaus das Gekichere meiner drei besten Freundinnen Sandra, Maja und Tanja. Mit Prosecco und einem Erste-Hilfe-Koffer bewaffnet stürmten sie meine Wohnung. Als sie mich in meinem Brautkleid sahen herrschte erst mal Stille und alle starrten mich an. Gut. Mir war das ganze jetzt auch peinlich.  Ob sie mir glauben würde, das alles andere von mir in der Wäsche war, und ich es nur angezogen hatte, weil sich sonst nichts sauberes mehr in den tiefen meines Kleiderschrankes befand? Wohl nicht – obwohl jeder wusste das ich niemals und ich meine wirklich niemals den Titel „Hausfrau des Jahres“ bekommen würde. Ich entschied mich also dazu so zu tun, als wenn es das normalste der Welt ist  an einem Freitagmorgen mit Brautkleid durch die Wohnung zu laufen und Kaffee zu trinken.  

Mein Blick fiel auf den Erste-Hilfe-Koffer den Sandra in der Hand hielt und ich hatte ein bisschen Angst. Das die drei mich für hilfsbedürftig und zeitweise auch für einen Pflegefall hielten wusste ich ja. Aber was hatten sie jetzt vor. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass auch nur eine von den Dreien eine medizinische Ausbildung genossen hatte.

Maja steuerte Richtung Küche und organisierte Sektgläser und öffnete die erste Flasche Prosecco. Tanja nahm mich in den Arm und fragte mich mitleidig, wie es mir denn gehen würde während Sandra den Erste-Hilfe-Koffer öffnete und eine Flasche Tequila, geschnittene Zitronenscheiben und einen Salzstreuer zu Tage förderte.  

Maja drückte mir ein Glas Prosecco in die Hand, Tanja sah mich immer noch mit dieser mitleidigen Miene an und Sandra war mit dem eingießen des Feuerwassers beschäftigt. Ich musste mich erst mal setzen.  Ich wollte diesen Tag doch alleine verbringen, in meinem Selbstmitleid baden, die traurigste CD der Welt auflegen und mein Schicksal beweinen.

Die drei Grazien waren anderer Meinung und klärten mich auf, was sie vorhatten. Sie hatten sich heute zu meinen Betreuern (als wenn ich das nötig hätte) erklärt und wollten meinen Nicht-Hochzeits-Tag mit mir feiern. Gut das ich nen Prosecco in der Hand hielt, welchen ich mir auch sofort einflösste. Manches lässt sich mit Alkohol einfach besser ertragen.  

Sie zwangen mich dazu mein Brautkleid auszuziehen ein weiteres Glas Prosecco und ein Feuerwasser mit ihnen zu trinken um dann in die Stadt zu ziehen. Ich betone noch mal es war Freitagmittag 12:43 Uhr! Wir machten uns  also auf in die Stadt und steuerten zielsicher ein Eiscafe in der belebten Innenstadt an. Drei Runden Prosecco später nötigen mich meine „Betreuerinnen“ (die hätten selber welche gebraucht, aber gut) eine Nicht-Hochzeits-Rede zu halten. Bitteschön!

Ich stand  auf, klopfte mit einem herumliegenden Löffel gegen mein Glas, und hielt eine lautstarke Rede darüber, dass Männer blöd, heiraten sowieso veraltet und wir Frauen eh das bessere Geschlecht sind. Ich erntete von meinen Freundinnen, welche alle schon gut angeheitert waren, zustimmenden Beifall und die Rufe nach einer Zugabe. Einmal in Fahrt gekommen, hielt ich eine bewegende Rede über die Emanzipation der Frau, dem Stand der Frau in der Gesellschaft im allgemeinen und über die Männern im speziellen. Das ich dabei alle Blicke und Ohren der umhersitzenden Gäste im Cafe auf mich zog, war mir egal.  

Ich glaube ich machte einen bemitleidendwerten Eindruck. Denn aus dem Augenwinkel nahm ich war, dass ein Hut rumgereicht wurde, in dem Geld gesammelt wurde und eine ältere Dame mir den Inhalt übergab mit den Worten:“ Hier Mädchen, Du hast es nötig – bestellt euch noch eine Runde“! Angesichts soviel Mitgefühl meiner Mitmenschen war ich nahezu zu Tränen gerührt.

Meine Mädels und ich bestellten weitere Runden und der Besuch im Eiscafe endete damit, dass ich auf dem Tisch stand und mit einem italienischen Kellner im Duett „Ein Tag, so wunderschön wie heute“ zum Besten gaben.  

Froh gestimmt und in Partylaune zogen wir weiter. Der Tag war noch jung. Um genau zu sein, war es noch nicht mal 18.00 Uhr, und wir schon alle gut bedient. Das hielt uns nicht davon ab zu Maja zu gehen und dort die Karaoke-Maschine anzuschließen. Lauthals sagen wir „ I will Survive“ und „Wenn Du willst dann geh doch“. Da es Sommer war und die Terrassentür speerangelweit offen stand, hörten wir wie im Umkreis von 500 m sämtliche Fenster lautstark geschlossen wurden. Die Nachbarn in Maja´s Haus rotteten sich zu einer wilden Meute zusammen und belagerten die Eingangstür und drohten mit Lynchmord, wenn wir nicht augenblicklich aufhörten zu singen.

Wir ließen alles stehen und liegen und flüchteten über die Terrasse, stiegen über den Gartenzaun und waren der Meute entkommen. Sandra schlug vor, noch tanzen zu gehen. Prima Idee. Das laufen klappte zwar schon nicht mehr ganz so gut, aber beim Tanzen fällt es ja nicht so auf, wenn man die Füße nicht mehr so gut koordinieren kann. Das ganze nennt man dann „Ausfallschritt“!  

Angekommen, dröhnte uns Scooter mit „Hyper Hyper“ entgegen. Ich weiß gar nicht was Majas Nachbarn hatten. Wir hatten uns vorhin auch nicht schlimmer angehört. Und wir haben auch nicht in ein Megaphon geschrien – ich schwöre.

Wir bestellten zur Abwechslung mal Gin tonic und versuchten, so gut wie es noch ging, uns rhythmisch zur Musik zu bewegen. Ich merkte wie sich meine Blase bemerkbar machte und versuchte geraden Schrittes zur Toilette zu gelangen. Brust raus, schultern gerade. Ich schritt wie Gracia Patricia den Gang entlang, und es kam wie es kommen musste. Ich stolperte über meine eigenen Füße. Ich versuchte meinen  Fall abzufangen, in dem ich mich an der Hose eines vor mir stehenden Herren verzweifelt festkrallte. Ich bin dankbar, dass er einen gut sitzenden Gürtel trug. Sonst wäre es für uns beide peinlich geworden.   

Sandra, Maja und Tanja holten ihren bis dahin versteckten Fotoapparat raus, und hielten das ganze im Bild fest. Na Danke! Der Herr erkundigte sich noch bei mir, ob ich immer so rasant vorgehe und klärte mich darüber auf, dass ihm das Ganze ein wenig zu schnell gehen würde. Ich stammelte eine Entschuldigung und floh.

Morgens um 5:00 Uhr fragte uns der Barkeeper ob wir jetzt endlich vom Tresen steigen könnten (den hatten wir nämlich zu unserer Tanzfläche auserkoren) er würde nun gern, auch dort sauber machen und endlich schlafen gehen.  

Wir ließen den Abend mit einem letzten Drink ausklingen, und eins weiß ich ganz genau. Sollte ich jemals wieder einen Heiratsantrag bekommen und einen Termin für die Hochzeit haben, werde ich heiraten. Ist mir ganz egal Wen. Denn so einen Tag, überstehe ich kein zweites Mal!

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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